Film Socialisme

Manuel de Oliveira hatte vor einigen Jahren auch eine philosophische Kreuzfahrt unternommen. Diesmal sticht Jean-Luc Godard in See. Er radart mit einem älteren Luxusliner den panmittelmeerisch-europäischen Raum im panhistorischen Zeitfächer ab. Dazu bereitet er jede Menge Footage aus der Filmgeschichte, aus der Philosophie, der Dichtung und der Musik auf. Wie immer liebt Godard Texttafeln zwischendrin, diesmal geht es um „die Dinge“, „Dinge“, „des choses“, „solche Dinge“, „ebensolche Dinge“. „No Comment“ ist die letzte Tafel, da schließt sich schon der Kinovorhang.

Auf einem Kreuzfahrtschiff haben alle einen Grund, ein Motiv für die Fahrt. Alle sind in einen Zusammenhang eingebunden. Der Zusammenhang ist der Weltkrieg, ist Gold aus Spanien, ist Palästina. Eine Kreuzfahrt ist eine zu bewältigende Sache. Darum sind die Leute alle irgendwie angespannt. Das Meer rauscht vorbei. Godard liebt es auch, die Geräusche von Motoren oder Fahrtwind zu montieren, und zwar alles andere als naturalistisch, vielmehr mit Brüchen in der Sound-Continuity und auch mit Bearbeitung des Soundmaterials in Richtung weniger angenehmer Effekte als desjenigen des dumpfen, beruhigenden Gleichklangs einer Schiffsmotors.

Die Passagiere haben viel Zeit, sich in der Reichweite von Godards Radarsystem über alles zu unterhalten, was vielleicht Bestandteil eines heutigen Gesamtbewusstseins über dem Mittelmeer- und Europaraum mit seiner Geschichte der letzten Jahrzehnte, ja der letzten Jahrtausende sein könnte.

Überraschend, wie stark ihn immer noch der Zweite Weltkrieg beschäftigt, für wie virulent er ihn noch hält. Bevor wir alle vergessen. Er montiert das Material aber alles andere denn als eine Mahnung.

Es gibt geographische Zwischentitel: „Aegypten“, „Palästina“ (ist da gerade was mit Palästina?), „Odessa“, „Hell As“, (war da was mit Griechenland?). Und immer wieder die Frage, wieviel vom spanischen Gold auf seiner Reise nach Odessa schon verschwunden sei.

Godard beschäftigt auch, dass Hollywood von lauter Juden gegründet worden sei. Er zählt ihre Namen auf. „Quo vadis Europa“ fragt sich Godard. Er reflektiert über das mütterliche Blut und den Hass.

Vielleicht ist er dann seekrank geworden und ihm ist eine andere Variante seiner Art des Filmemachens in den Sinn gekommen. Er ist immer gerne in die Industriebetriebe gegangen. Hier ist es eine Garage J. J. Martin. Ein Filmteam will was drehen. Der kleine Sprößling der Garage, der Blondschopf ist ein kommendes europäisches Kulturtalent, er tut zu klassischer europäischer Musik schattendirigieren. Seine Kameraden sind ein Lama und ein Esel. Aber zeichnen kann er wie der göttliche Auguste Renoir. Will heißen, er kopiert ihn. Das benutzt Godard wiederum für fantastische Farbeffekte in der Postproduktion. Die Frau von der Garage steht zwischen den Zapfsäulen und liest Balzac. Eine Frau, eine Intellektuelle steht an einer Mauer, macht Notizen, hört Texte aus dem Off. Hinter ihr dreht sich der Schatten eines Windrades auf der Wand. Sie hat ein Programm: sie will 20 Jahre alt sein und sie will immer recht haben.

Wie immer bei Godard geht es auch ums Wirtschaften im Betrieb, dass er allen, die da arbeiten, gehören solle. Armes Europa, liest Balzac und dann das. Dann ziehts Godard doch wieder auf die See. Hellas, die Demokratie und die Tragödie schwirren ihm im Kopf rum. Ob sich da je was machen läßt. Eine Uhr kommt wieder, die goldene Uhr, die wir schon im ersten Teil gesehen haben, sie zeigt keine Zeit an, ein Junge hatte sie vorher auf dem Schiff geklaut. Sie stammt aus den Pharaonen-Gräbern, sie zeigt die graue Vorzeit, die Nacht der Zeiten an.

Auch wenn Godard an der Zeit leiden mag, an den Verhältnissen, ob seine Message deutlich genug ist, ob sie sich nicht gewaltig versteckt hinter dem Wust an Footage, den er mit unendlichem Fleiß sichtet, auswählt und montiert? Ob seine Message nicht immer undeutlicher wird und er vielleicht gar nicht versteht, warum das keiner mehr verstehen will oder kann? Denn groß ist das Aha-Erlebnis nicht. Die europäischen Fragen waren bei Manuel-de Oliveira bei seinem Kreuzfahrtfilm („Um Filme Falado“) für mich jedenfalls näher am Puls der Zeit.

Trotzdem, wer bei Godard keine geistige Anregung findet, dem ist nicht zu helfen.

Valerie

Josef Rusnak, der Regisseur, versucht an die Beat-Generation anzudocken und der Produzent Hubertus Meyer-Burckhardt sieht diesen Film im Rahmen einer Trilogie mit Monologen, die er produzierte („Mein letzter Film“ und „Ein ganz gewöhnlicher Jude“). Valerie ist der Monolog einer Frau geschrieben von Roger Willemsen, gespielt von Franka Potente als Titelfigur Valerie.

Einpersonenstücke im Theater oder Einpersonenfilme im Kino sind für Zuschauer erst mal was Abschreckendes. Hier stellt es sich etwas anders dar. Es ist vielleicht ein Monolog-Film, aber es ist kein Ein-Personen-Film, die Liste des Castes ist stattlich.

Valerie lebte lange zwischen zwei Welten, zwischen L.A. und Berlin. Ihr Freund lebt in Berlin. Sie hat einen Karrierejob in L.A. Er wird krank, liegt in einem Berliner Krankenhaus. Da entschließt sich Valerie, L.A., den Rücken zu kehren, ihre Zelte dort abzubrechen. Sie zeichnet alles auf Video auf. Ihre Gedanken zu diesem Vorhaben und auch viele Erinnerungen an die Liebe. Der Film gibt also vor, die Schauspielerin hab ihn selbst gedreht, stellenweise sieht man sie auch, wie sie die Kamera in der Hand und auf sich gerichtet hält oder wie sie das von ihr Gefilmte betrachtet (dann kommt die Stimme angenehm dezent vom Band).

Mit diesem persönlich In-die-Kamera-Sprechen folgt Rusnak einem Trend, der sich vielleicht am augenfälligsten bei Youtube manifestiert. Und der offenbar inzwischen auch ins Kino drängt. Kim-Ki-Duk hat einen solchen Film gemacht, „Arirang“, bei dem er nur als er selber Monologe in die Kamera gesprochen hat oder Joaquin Phoenix mit dem Versuch eines Befreiungsfilmes, mit „I am still here“, der kürzlich in den Kinos war. Versuche, Routine im Beruf, vielleicht drohendem Burn-Out zuvorzukommen, Frust in der Produktionsroutine zu überwinden, sich damit kreativ auseinanderzusetzen. Es ist eine Reaktion auf den kreativen Input, den die neue Internetwelt und die leichte Verfügbarkeit von Kameras am oder eingebaut in den Computer oder ins Handy bietet. Die Internetwelt ist da inzwischen deutlich weiter als das Kino.

Das wird besonders am Anfang des Filmes recht offensichtlich, hier agiert Franka Potente sehr staatstheaterlich, sehr schauspielschulgeschult (dieses „gekonnte“ Wegsprechen wie bei einer Lesung), versucht schön und verständlich zu sprechen, gewinnend in die Kamera zu lächeln, wirkt insgesamt steif und bemüht. Die alte Schule halt, die noch nicht mit der neuen Medienwelt aufgewachsen ist. Vielleicht wird gerade an diesem Film deutlich, wie rasant dieser Wandel inzwischen ist, auch an der kleinen Entwicklung die Frau Potente dann doch macht, indem sie zusehends lockerer und selbstsicherer wird und damit zusehends angenehmer und mit persönlicherer Farbe rüberkommt. Es ist bestimmt nicht leicht, als Star, der sie ist, sich so einem Experiment und Lernschritt zu stellen und sich so zu exponieren. Für die Kids muss es wirken, wie eine Mär aus alter Zeit. Allerdings hat sie sich den Schritt weg vom sterilen, schauspielschulantrainierten Schauspieler-Hochdeutsch noch nicht getraut, was klar ein Manko ist, so bleibt sie doch irgendwie heimatlos. Sprachregie und Arbeit am Untertext scheint außerdem Rusnaks Sache nicht zu sein; was einem literarischen Film nicht unbedingt zum Vorteil gereicht.

Wer die erste halbe Stunde durchhält, wird dann mit einem ganz schönen Movie belohnt. Rusnak versucht an seine Anfänge anzudocken, mit viel experimentierenden Varianten, Pixelungen in allen Variationen, Unschärfe und Spiegelungen in Küchengeräten, Nebel und Badewannennebel, Farbspiele und -Filterungen, mit fülligen Farben und fülliger Musik (da könnte Willemsens Plattensammlung einen wichtigen Beitrag dazu geleistet haben; ein Soundtrack der das Zeugs zum Konzert hat – das allerdings konterkariert die schauspielerischen Befreiungsübungen, belastet sie unnötig mit Schwere, mit dem Gewicht von Klassik), auch Schwarz-Weiss, Tempoverlangsamungen oder Stop and Go, Coloriereffekte und Verfremdungen, kurz, viele technische Spielereien, die es auch braucht, um so einen Monolog einigermaßen abwechslungsreich auf die Leinwand zu bringen. Dazwischen schneidet Rusnak immer wieder Hochhausimpressionen von L.A., wo in einem Büro hoch oben Valeries Chef sitzt und die ganze Zeit sie anruft, sie habe schon wieder das Flugzeug verpasst, das sei Scheiße. Und Interieurs aus den Büros dort und viele schöne, langsam zoomende und schwenkende Aufnahmen von Interieurs von Berlin, wo Valerie elegant wohnt oder vom Spital, wo ihr Freund an Apparaturen liegt, immer der lange Spitalflur, und wie sie verlangsamt da durch geht. Das ist schon stimmungsvoll.

Der Text von Willemsen ist poetisch, er will aber keine Schmerzen verursachen, er ist für ein Publikum gedacht, das ihn dankbar gouttieren wird. Es sind Philosopheme zu Liebe und Beziehung („In Ewigkeit in diese Rinde geritzt, der Baum muss bluten“).

Die Magie in diesem Film fängt mit dem Discobesuch an, mit Rockn Roll, wie Potente mit Sackkleid wie in Trance umherwandelt und am Schluss in den ganz leeren Räumlichkeiten noch eine Begegnung mit einem übrig gebliebenen Mann hat. Allerdings würde ich diese Szene eher im Bereich der Schnittmenge zum Musikvideo ansiedeln.

Zusammenfassend könnte man sagen: Rusnak versucht Frau Potente etwas aufzuweichen, was ihm im Laufe des Filmes durchaus gelingt und nebenher produziert er mit dieser Aktion einen ansprechenden Film, mit feuilletongerechten Liebesworten von Roger Willemsen in der Art oder nachempfunden oder in der Haltung der Beat-Generation. Unter diesem Aspekt vielleicht ein nostalgisches Movie.

Transfer

Wieviel Einsatz, Mühe, Aufwand, Geld, Zeit, Hingabe und auch wieviele Einzelkönnen sind auch in diesen heute anlaufenden deutschen Film gesteckt worden; und trotzdem dürfte er meiner Einschätzung nach kaum Leute ins Kino ziehen.

Woran mag das liegen? Für mich gabs nur einen Moment, das war ziemlich spät im Film, der bei mir eine Antenne zum Klingeln gebracht hat. Das war bei der Diskussion um die künstliche Manipulation von Embryos, ein Thema was unter dem Titel Präimplantations-Diagnostik zur Zeit die Gemüter bewegt, wenn ich das richtig verstanden habe.

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The Guard

Mehr davon wünschte man sich auf die Leinwände, zumal aus Deutschland, da gibt’s ja gar nix davon, von diesem rabenschwarzen Humor, der sich von unserem Protagonisten, the Guard, Sergeant Jerry Boyle, gespielt von Brendan Gleeson, seinem schwarzen Gegenspieler vom FBI gegenüber äußert (es geht um eine drehbuchmäßig ganz reell eingefädelte Drogengeschichte und um einen korrupten Polizisten, aber weiter nicht von Bedeutung). Boyle sitzt also dem schwarzen FBI-Agenten gegenüber und fragt ihn gleich, ob er aus der amerikanischen Unterschicht komme. Dieser kontert, „nein, Yale“.

Das erfrischende an diesem Krimi, oder Krimi-Comic, sind die Figuren, ihre ausgestellte Direktheit und vor allem die Mechanik des Außerbetriebsetzens einer gewissen politischen Correctness. Das dürfte das Vergnügen sein, nebst einfach lustigen Albereien, wenn der Sergeant und sein Kollege die Leiche mit dem Papier im Mund am Boden stizend finden und über dem Blut an der Wand 5 ½ in roten Zahlen steht, dann können sie sich in filmgeschichtlichen Erörterungen ergehen, ja es gebe doch einen Film 7 ½.

What a beautiful fucking cinema wäre man versucht in Abwandlung eines Ausspruches aus dem Film hier zu schreiben. Dort heißt es, what a beautiful fucking day. Anfangs wird gleich geflucht: ihr verdammten Komödianten. Dem  Landei, unserem Sergeant, wird ein Kollege aus Dublin zu Seite gestellt, der wird leider bald schon ermordet, aber auch das muss bewitzelt werden.
Die Drogendealer, auch sehr originelle Figuren, die lesen Nietzsche, Schopenhauer, Bertrand Russel. Die Mutter von Boyle, die liest Oblomow.

„Ich bin Ire, Rassismus gehört dazu“. Dem frönt unser Sergeant Jerry Boyle ausgiebig. Immer mit grimmigem Gesicht. Das lässt er uns in jeder Sekunde spüren, wie schwer so ein Schicksal ist, ein irischer Polizist zu sein, der sich noch dazu mit Drogendealern, korrupten Kollegen und Schwarzen aus dem FBI rumschlagen muss.
Sein Rassismus: „ich dachte, nur Schwarze würden Drogen dealen“.

Oder es geht um das Pflichtenheft eines Drogendealers. Der hatte nämlich nicht im Vertrag, schwere Dinge zu tun, zum Beispiel eine Leiche zu schleppen (es geht um den Leichnam des jungen Kollegen aus Dublin, von dessen Witwe später zu erfahren, dass er schwul gewesen sei und dass sie nur geheiratet hätten, um die Aufenthaltsbewilligung für sie zu erhalten, denn sie kommt aus Serbien oder aus Kroatien, das kann man in Irland auch nicht so ganz unterscheiden).

Fucking rude ist das alles.
Boyle gönnt sich auch mal einen freien Tag. Da ist er in Zivil. Das erstaunt den schwarzen Kollegen vom FBI einigermaßen, weil man doch einem ganz großen Ding auf der Spur sei, Wert: eine halbe Milliarde (wars dann doch nicht ganz). Boyle leistet sich für seinen freien Tag zwei Nutten, die in Hostessenkostümen antanzen. Die Nutten waren jedoch von den Dealern engagiert und sollen Boyle erpressen

Weitere rassistische Vorurteile: Schwarze können nicht Skifahren.

Auch die Dealer geben uns zu verstehen, wie anstrengend doch ihr Leben sei, wie sie immer aufpassen müssen. Das ist auch so eine komische Ader in diesem herrlichen Film, weil ja auch Boyle dasselbe tut. Keiner hats leicht auf dieser Welt und erst recht nicht in Irland.

Wie Boyle übrigens in seiner Wohnung von Lear mit der Pistole empfangen wird, ist auch eine solche Szene, wie er erst an der Hose kratzt, weil er sich bei den Nutten was geholt habe und wie er dann nach und nach seine Pistole aus der Unterhose rausarbeitet und seinen Gegner erschießt. Dann telefoniert er mit dem FBIler, er habe den erschossen, muss aber erst nochmal nachschauen, ob dem so sei.

Der Tod der Mutter von Boyle gibt Anlass für weitere gallige Kommentare.

Diese Autarkie, diese Autonomie, dieses Aus-sich-selbst-heraus-Agieren, das dürfte es sein, was Boyle so interessant macht, auch wenn man merkt, dass es vermutlich längst Masche ist.
Dumb oder smart, das ist die Frage bei Sergeant Gerry Boyle.
Und die Antwort wäre? Unter der dummen Maske, unter der rassistischen Maske, hm, ganz clever.
Vielleicht ein entfernter irischer Verwandter von unserem Gerhard Polt?
Buch und Regie stammen von John Michael McDonagh.

Nach der Stille

Zwei junge Frauen aus Deutschland, Stephanie Bürger und Jule Ott, machen sich auf Spurensuche nach dem palästinensischen Selbstmordattentäter Shadi Tobassi, der sich am 8. April 2002 in Israel in die Luft gejagt hat und dabei ausgerechnet einen 67jährigen Israeli mit in den Tod riss, der sich aktiv für die Versöhnung von Israelis und Palästinensern eingesetzt hat.

Drei Tage nach dem Attentat kam die blutige Racheaktion der Israelis; sie machten halb Jenin dem Erdboden gleich (und die Süddeutsche schrieb, was die sich denn aufregen, die andere Hälfte, die stünde ja noch).

Der Attentäter selber war 24. Er musste vorher miterleben wie sein dickster Freund von einer Bombe, die unter seinem Auto angebracht worden war, in die Luft gesprengt und zerfetzt wurde. Shadi hatte keine Arbeit. Er äußerte kein Wort der Rache. Er war offiziell auch gar nicht bei der Hamas. Am Morgen des Attentats sagte er zuhause, er habe jetzt eine Arbeit gefunden und gehe dort hin. Dann sah die Familie, es gibt noch mehrere Brüder und Schwestern, das Unglück im Fernsehen.

Yael ist die Witwe des israelischen Opfers und sie zeigte sich bereit, die palästinensische Familie zu besuchen. Das war die Idee, die die beiden Filmemacherinnen aus Deutschland sicher recht blauäugig aber gutwillig und auch neugierig und sogar etwas abenteuerlustig realisieren und dokumentieren wollten. Der Film ist also nicht nur ein Dokument über das Projekt Hinterbliebene des Opfers mit Hinterbliebenen des Täters zusammenzubringen, er ist auch ein Dokument darüber, wie sich zwei junge Frauen aus Deutschland recht unvorbereitet aufmachten, in diesem israelisch-palästinensischen Dauerkonflikt einen Akt der Versöhnung zustande zu bringen.

Vielleicht hätten sich die beiden Filmemacherinnen selber mehr einbringen sollen, genauer erzählen, wie sie die Idee hatten. Sie lassen sich zwar selbst in ihrer Verwunderung, in ihrem Staunen, bei ihren Schritten fotografieren; das ist schon überraschend, wie sie schauen und staunen, wie sie in eine Welt eindringen, von der sie keine Ahnung haben. Insofern hat aber der Film auch etwas sehr, sehr Privatistisches, auch Anrührendes, bringt andererseits durch diesen Rahmen Aspekte des Konfliktes ans Licht. Auch gibt es einige Dokumentaraufnahmen aus Dschenin, von der teilweisen Plattmachung durch die Israelis, Begräbnisse von Opfern.

Solchen uneingeforderten privaten Versöhnungsprrojekten haftet durchaus auch ein Haut-Gout des gebildeten Mitteleuropäers an. Und erinnert mich an die unangenehme Seite solcher Sendungen beim Privatfernsehen. Da werden unter dem Vorwand der Versöhnung Dinge an die Öffentlichkeit gebracht, die vielleicht wirklich privat bleiben sollten. Andererseits haben in so einem Konflikt beide Seiten ein Bedürfnis, darüber zu sprechen. Aber die Frage ist eben, in welchem Rahmen und ob das nur durch äußere Initiative möglich ist. Man darf nicht vergessen, dass die Leidenden einen Auftritt bekommen und dass das doch in vielen Menschen steckt, ihre tiefen Gefühle zu offenbaren.

Dieser private Versöhnungsversuch bekommt allerdings durch die Kamera und das kleine Team bereits wieder etwas sehr Öffentliches. Beim Besuch selbst stellte sich mir durchaus die Assoziation zu einem Staatsbesuch ein. Yael erinnert leicht an Frau Merkel. Und irgendwie spielt sie, die aktiv Versöhnungsbereite, auch die Stärkere. Die immerhin keine Rache will. Und wie der Vater des Attentäters vorangeht, das könnte auch ein Staatspräsident sein. Vielleicht stellt sich dieser Eindruck andererseits wieder nur ein, weil diese Führerfiguren in der Politik auch von Figur und Habitus her sehr durchschnittlich sein müssen, damit sie repräsentativ werden können.

Eine Frage, die sich stellt, ist die, wieso diese palästinensiche Familie, deren Vater seit dem Attentat keine Arbeit mehr hatte, so abgeschirmt, wie Yael beim ersten Betrachten des Gebäudes feststellt, und doch recht komfortabel eingerichtet sind und eine Wohnung mit Schiebetüren haben, für Palästina doch eher nur für eine gehobene Schicht denkbar. Schade dass das nicht thematisiert worden ist; wieviel die von der Hamas als Entschädigung für den Sohn, der sich als Märtyrer geopfert hat, bekommen haben, ob sogar nicht nur die Wohnung, sondern auch noch eine Rente.

Den letzten Teil des Filmes bildet das Gespräch zwischen Yael und der Mutter von Shahid, von dem ein großes Portrait mit Rose im Salon an der Wand hängt. Die Frauen haben sich ohne Kamera, resp. nur mit einer Fotokamera in den Frauengemächern getroffen. Davon wurde dann zu Schwarz der Ton eingeblendet.

Was mich gestört hat, war dieser penetrante klassische Trauermusiksound, den die beiden Frauen fast ständig über die Bilder und auch unter den gesprochenen Text gelegt haben. Das macht die Sache schon sehr sentimental, pathetisch, lädt sie mit einer Bedeutsamkeit auf, die doch gerade der kleinen Privatinitiative entgegengesetzt ist.

Hell

Ein Benzin- und Wasserbeschaffungsmovie. In den total verstaubten Parcours, der ein schön gestyltes Setting abgibt, sind einige Hindernisse eingebaut.

Dieser Film basiert vermutlich auf einem grundlegenden Missverständnis darüber, was Genre sei, was Genre soll. Tim Fehlbaum hat mit großer Gründlichkeit, mit viel Aufwand, mit Akribie und auch mit viel Talent versucht einen apokalyptischen Genrefilm zu machen: ein paar Menschen schlagen sich auf einer verdörrten Endzeit-Erde durch in Richtung Berge in der Hoffnung, dort noch Wasser zu finden.

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Glee on Tour

Eskapismus für den Cineasten oder ein makelloses Produkt aus der Konserve für Fans der Musik-Tanz-Gesangs-Gruppe „Glee“, die sogenannten „Gleeks“, eine Art Public Viewing mit Zeitverzögerung über zwei Konzerte in New Jersey, die eine hochkommerzialisierte Begeisterung der Jugend über sich selbst transportieren mit eher einfach gestrickten Songs, Tanznummern, vielen Kostümen, Light- und Konfettishows und professionellen Darstellern; dazwischen gepackt werden kleine Rand-, Liebes- und Fan-Geschichten und „spontane“ Garderoben-Talks.

Gianni und die Frauen

Ein Autoritratto, ein Selbstportrait des Filmers und Schauspielers Gianni di Gregorio in Form eines liebenswürdigen Filmes über Gianni und die Frauen. Die erste Frau im Leben eines Mannes ist seine Mutter. Die wird hier gespielt, wie schon im „Festmahl im August“, dem vorherigen Film von Gianni di Gregorio, von Valeria di Franciscis. Sie hat so ein zerfurchtes Gesicht, dass sie wirklich weit im Greisenalter sich befinden muss. Aber sie trägt das überhaupt nicht als Leiden vor sich her. Sie hockt fest im Sattel, wenn man so will oder in ihrer Villa und sie hat ihren Sohn, der selber schon im Rentenalter ist, fest im Griff. Dank der segensreichen Erfindung des Handys.

Die Story selbst ist nur vordergründig wichtig und wird quasi zur Lokalisierung des Geschehens leicht anskizziert. Denn für ein Selbstportrait ist die Story nicht so wichtig. Es fängt aber als Story an. Gianni ist mit seinem Freund Alfonso beim Advokaten und will, dass die Mutter ein Dokument unterschreibt, was das Erbe für ihn, den Sohn, sichern soll, ihm den Zugriff darauf ermöglichen. Man könnte nicht sagen, dass es sich um eine Entmüdigung handelt, aber so eine Vorstufe davon scheint mir das zu sein, was hier abläuft. Doch der gute Sohn, der von der Mutter vielleicht ein klein wenig in Richtung Trottel erzogen worden ist, hat sich gründlich verrechnet.

Die Familie wurde bereits im „Festmahl im August“ vorgestellt, Gianni war da schon der Sohn derselben Mutter. Aber ich würde nicht sagen, dass diese Geschichte hier fortgeschrieben wird. Die Mamma wohnt diesmal sehr reich. Und sie hat eine Betreuerin beschäftigt, die bald schon ihre eigene Familie aus dem Osten nachziehen will.

Zurück zum Notar-Termin. Mama riecht den Braten und unterschreibt nicht. Furchtbare Pleite für den Sohnemann. Dafür wird er von seinem Freund auch noch gescholten. Er darf Mama wieder nachhause fahren. Dort hält sie gerne mit einer kleinen Runde von wundervollen alten Damen Spielnachmittage ab.

In einer Szene erzählt die Hilfe dem Gianni treuherzig, wie die alte Dame sie gut behandelt und den Lohn tüchtig erhöht hat, wie sie ihr teure Klamotten kauft. Gianni sieht seine Felle davonschwimmen.

Der Portraitierte ist, man könnte direkt von einem fein ironischen Selbstportrait sprechen, ein Mann, der nicht zum Handeln kommt. Der den Frauen sofort anheim fällt. Er zeichnet sich selbst als umgeben von einer Frauensammlung à la Fellini im Miniformat. Er ist verheiratet. Er hat eine gerade erwachsene Tochter. Er bandelt mit der Tochter von Lilia, einer der Freundinnen seiner Mutter an und zwar, weil die Mutter ihn gebeten hat, Lilia nach Hause zu fahren. Dort hat er deren Tochter Gabriella getroffen und ein Date verabredet. Gabriella ist auch nicht mehr ganz jung, übt nichtsdestotrotz unverdrossen das Singen. Wie Gianni zum Date erscheint, hat sie gerade ihren Korrepetitor bei sich, einen gut aussehenden jungen Mann. Gianni muss sich gedulden.

Auf der Strasse dreht Gianni sich nach jedem Weibsbild um. Aber er wird von den Frauen wiederum nur benutzt. Seine Mutter ruft zu jeder Tag- und Nachtzeit an, es sei „una cosa grave“, eine schwerwiegende Sache passiert und er müsse sofort kommen. So kann er es bei keiner Frau genießen, selbst wenn er nicht ans Handy ran geht oder dieses sogar abstellt. Einmal, weil er sich gerade wieder verliebt hat, hat er sich einen neuen Anzug gekauft. Oder er und sein Kumpel Alfonso haben sich von zwei Blondinen anlachen lassen. Alfonso schneidet bei denen auf, Gianni hätte ein Weingut mit biologischem Wein. 270 Euro kostet ihn das Essen mit den beiden Damen und sie verabschieden sich artig. Gianni ist kein Weiberheld, eher ein Weibertrottel. Er ist ein vollkommen unpolitischer Mensch. Er hat seine Rente und hofft auf das Erbe der Mutter, solange zumindest, bis sie ihm sagt, sie habe jetzt ihr Haus verkauft für einen wohltätigen Zweck. Nicht mal zum Erben taugt Gianni.

Sein Töchterlein heißt Teresa und hat einen hübschen Liebhaber Michelangelo. Papa ist nicht erbaut, dass er bei ihr übernachtet. Was man sich selbst gerne gönnt, muss man anderen nicht unbedingt auch gönnen.

Oft sieht man Gianni einfach irgendwo sitzen und nachdenken; dann erweckt er den Eindruck, dass er selbst über sich verwundert sei und eigentlich nicht so recht wisse, wie ihm geschehe. Sein Töchterchen Teresa ist „il tesoro mio“, sein Schatz. Aber die Szenen mit ihr zeigen nicht unbedingt große väterliche Zuneigung.

Gianni hat nur die Frauen im Kopf. Die Frauen sind in seinem Kopf. Sie sitzen in seinem Kopf. Manchmal hat er Kopfweh.

Dann gibt’s noch die Nachbarin Christina, deren großen Hund er mit seinem kleinen Hund spazieren führt und die er auch herzlich umarmt. Dazu einige ko-illustrierende Männerfiguren, es gibt den Aufschneidertypen mit dem breitkrempigen Hut und dem toupierten weißen Pudel, über den er sich erst amüsiert und am Schluss vom Film ist er so weit, dass er es zulässt, dass dieser sich neben ihn auf die Bank setzt. Für Gianni eine ziemlich revolutionäre Entwicklung. Oder die drei Rentner, die immer auf den Stühlen auf dem Gehweg sitzen, über die Gianni auch nur lästert und am Schluss setzt er sich dazu. Oder Maurizio, der in seinem blauen Trainingsanzug die Sportlichkeit mimt.

So scheint sich bei Gianni im Laufe des Filmes die Erkenntnis durchzusetzen, dass er auch nicht mehr und besser sei, als jene Männer, die auf den Stühlen vor den Häusern dämmern. Nun, nicht ganz, denn wie er bei Valeria kochen soll und feststellt, wie vernachlässigt dieser Haushalt ist und wie sich nichts Brauchbares in Küche und Kühlschrank findet, kann er nicht umhin festzustellen, Kochen, das könne er. Leider mag Mamma keine „Melanzane“, keine Auberginen.

Attack the Block

Dieser Film ist ganz klar eine Parteinahme für Moses und seine Gang „The Block“. Sie sind die Herrscher im Block, einem 19-stöckigen Hochhaus und seiner Umgebung. Sie rauben zum Beispiel eine junge Frau aus, Sam, eine Krankenschwester, die ihnen später nützlich sein wird in der Krise, die die Aliens beschwören, die in diesem Stadtteil von London in der Neujahrsnacht wie Meteoriten angeschossen kommen und landen und die Gang ernsthaft bedrohen. (Allein wie das Hochhaus das erste mal ins Bild gebracht wird, diese Fahrt auf es zu, die hohe Häuserfront immer im Blick, die mit der Annäherung kontinuierlich zu einer gewaltigen Festung sich verändert, bis zum Eintauchen in den Hausgang, wo dann das Schild „Windham Tower“ zu lesen ist, leicht gespenstisch).

„The Block“ sind Londoner Kids, die meisten schwarz. Zu vermuten, dass sie wenig Zukunft haben in der britischen Gesellschaft. Zu vermuten auch, dass sie just einen wichtigen Teil jener Bewegegung gespielt haben könnten, die dieses Jahr mit Verwüstungen in London von sich reden gemacht hat. Und auch hier wird durchaus diskutiert, warum sie eigentlich eine arme Krankenschwester ausrauben (die Unruhen in London haben gerade auch vielen kleinen Leuten geschadet).

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Abgebrannt

Anfänglich versteht der Film einen durchaus zu vereinnahmen, denn die Autorin/Regisseurin Verena S. Freytag bleibt nah dran am Objekt ihres Interesses. Ihr Haptaugenmerk gilt Maryam Zaree, die hier eine total überforderte Mutter von drei Kindern spielt. Sie hat einen Freund, der sich für Drogenhandel nicht aber für Kindererziehung interessiert. Pelin, so heißt sie hier, verdient ihren Lebensunterhalt als Tätowiererin. Ihr Freund hat ihr das dafür notwendige Gerät geschenkt. Allzu konkret wird ihr Berliner Alltag aber nicht geschildert. Es entsteht nicht in einer Sekunde das Bild einer Frau, die ernsthaft ihren Beruf ausübt. Das ist recht lottrig nur angedacht. Sie kommt einem eher vor wie eine Hobbytätowiererin. Ein gewisses Paradox zwischen einer selbständigen Tätigkeit, die Beherrschung der Lebensumstände erfordert, und der Überforderung zuhause.

Es gibt Frauen, die händeln das brilliant, Beruf, Karriere und Kinder. Gerade durch die doppelte Herausforderung sind sie gezwungen, sich effizient zu organisieren. Also da ist schon mal ein Grundwiderspruch in der Konstruktion der Figur Pelin. Von der allgemeinen Lebenserfahrung her tun sich Frauen oftmals schwerer, die keine andere Herausforderung haben außer Klein-Familie und Haushalt.

Was Pelin darstellt, ist also eine merkwürdig überforderte Frau, ganz wird man den Verdacht nicht los, sie sei eher ein sentimentales Fantasie-Konstrukt einer Autorin. Aber das bringt sie erst mal schön auf die Leinwand.

Eine Filmgeschichte darf immer eine erfundene Geschichte sein. Why not. Aber sie sollte dann ein klitzekleines Bissel in sich schlüssig sein. Logisch, dass diese überforderte Frau es mit den Ämtern zu tun bekommt. Die Figuren, denen wir hier begegnen, die sind schon sehr à la Aktenzeichen XY eindimensional entworfen. Jedenfalls erhält Pelin die Chance auf einen Mutter-Tochter-Urlaub in einer Reha am Meer.

Es scheint ein modisches Lieblingssujet von diversen Regisseuren zu sein, irgendwo im Film Gymnastik- oder Schwimmstunden, Entspannungsübungen, Walking zu zeigen, weil das immer lustig sein soll, wenn eine Gruppe von ähnlichen Menschen versucht sportlich oder gymnastisch das Gleiche zu tun. Aber leider erzählt es so gar nichts mehr als dass wir eben in einer solchen Institution sind. Die Szenen wurde nicht dazu eingesetzt, die Geschichte vorwärts zu bringen. Der Ausflug in die Disco und das Anbandeln mit einem jungen Mann dürfen ebenso wenig fehlen. Der Junge Mann nun, der scheint kein Wässerchen trüben zu können, er entstammt einer völlig anderen Welt als der Pelins. Er strahlt christlichen Glauben und ebensolche Offenheit aus. Zudem ist er noch der Sohn des Direktors der Reha-Anstalt. Bei einem solchen Konstrukt würde ich meinen, knistert und knarzt schon sehr deutlich Papier und der Schreibtisch der Autorin. Denn nichts in der bisherigen Beschreibung der Figur Pelin ließ darauf schließen, dass sie eine Ader für gebildete Söhnchen hätte.

An sich gutgemeint gedacht, eine dicke, deutsche Matrone im Nachbarzimmer von Pelin unterzubringen (Pelin ist türkischen Ursprungs, dazu gibt’s natürlich auch noch den passenden Ressentiment-Satz). Aber die Konflikte, die sich daraus ergeben, die hätten doch etwas gründlicher durchforstet werden müssen. Wurden sie aber nicht. Weil vielleicht die Regisseurin zu sehr fixiert war auf die Hauptdarstellerin, und ihr viele Möglichkeiten zum Spielen geben wollte ohne Rücksicht auf die Stimmigkeit von der Geschichte her. In einer solch nachbarlichen Konstellation dürfte es zu teils heftigen Konflikten und Ablehnungen kommen, immer am Rande des Bruches und des Eklats.

Hier entsteht dagegen eher der Eindruck, man zeigt viel Goodwill, auch in der Zeichnung der Figuren, keine will ein Spielverderber sein, alle wollen zum guten Gelingen des Filmes beitragen; das wird dann noch merkwürdiger, wie der Freund von Pelin auftaucht. Pelin ist übrigens schwanger von ihm. Er möchte sie für einen Drogenschmuggel nach Dänemark einsetzen.

Diese Reise geht offenber problemlos. Sind es doch arme Leute in dieser Klinik und machen dann einen Ausflug wie gut situierte Touristen. Auch von Seiten der Klinik scheint es keine Einwände zu geben. Sowas müsste allerdings eingeführt werden, da ja der Klinikalltag als streng und streng reglementiert präsentiert worden ist (auch keine Männer auf dem Zimmer!). Das ist mir alles zu ungenau.

Aber Pelin kann mir nichts dir nichts mit der dicken Deutschen und der ganzen Kinderbaggage mit der Fähre nach Dänemark fahren – auch das verwundert, dass bei diesem Sandstrand gleich eine Fähre landet, nichts wurde vorher eingeführt, man hattte den Eindruck, am Ende der Welt zu sein und nicht bei einem Fährhafen. Das sind Überraschungen, bei denen der Zuschauer hängen bleibt und sich fragt, wieso wurde uns das nicht mitgeteilt oder habe ich was verpasst.

Jedenfalls ist viel Koks in der Windel des Kleinsten. Die Frauen gehen als letzte von Bord und Pelin wird prompt zur Kontrolle gebeten. Dies und das Folgende wird sehr umständlich erzählt, wie sie das Kind in der Windel noch an die Matrone geben kann vor der Kontrolle, wie die Matrone dringend das Kleine wickeln will und wie sie die Drogen in der Windel entdeckt. Dann verlieren sich die beiden Frauen in Dänemark aus den Augen. Sie suchen sich auch nicht. Keine „normale“ menschliche Reaktion in so einer Extremsituation. Sie tun einfach so, als sei nichts gewesen, als seien sie nie zusammen gewesen. Jede geht ihrer Weg. Sehr merkwürdig. Da ist vom Drehbuch her nichts mehr durch- und zu Ende gedacht. Die Geschichte verläppert sich. Die Autorin/Regisseurin ist so ganz nebenher noch in das Krimigenre gestolpert.

Im Ferienappartment kommt es zu einem abschließenden Höhepunkt, wie der um seine Ware gebrachte Dealer-Freund auftritt, wie der Klinik-Direktorssohn schon da ist und dann auch noch die Nachbarin mit dem Kartoffelmesser in der Hand auftritt, es wird etwas geschlägert, Pelin verliert Blut und wird urplötzlich im Krankenwagen weggefahren, aber wohin? Dann ist der Film zu Ende.

Nicht ganz klar wird, was die Regisseurin an der Geschichte so fasziniert. Es gibt Bilder von Pelin auf der Fähre, die würde man nie in Verbindung bringen mit diesem Soziodram, was doch anfangs in Gang gesetzt worden ist. Oder ging es schlicht darum, dieser Schauspielerin ein paar Chancen zu geben? Ich mache jetzt einen Fim mit Dir, wo Du viel zeigen kannst.(?) Da wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn die Figur, damit sie was hergibt und präsentabel wird, gut auf ihre Konflikte hin und wie sie das Drama vorwärts treiben, untersucht worden wäre. Daran scheint es hier mächtig zu mangeln. Der Film als Bebilderung einer unausgereiften Ideenskizze zu einer Story – nicht reif fürs Kino.

Go ahead, make my day.