Michael Glawogger nennt seinen Film ein Triptychon. Das waren diese Altarbilder im Mittelalter mit zwei Flügeln, die man zusammenklappen konnte. Es gab sie auch als Reisetriptychon. Deren praktischer Zweck war sowohl Schutz der Bildflächen als auch die transportfreundliche Verkleinerung des Formates. Wäre heute alles nicht mehr nötig. Heute könnte auch der Film von Glawogger bestimmt auf eine leicht transportable Datei geschrumpft und dann wo auch immer auf der Welt auf einem Bildschirm angeschaut werden. Wenn man dies denn möchte. Um bei der Dreiteiligkeit zu bleiben: Glawogger nutzt sie, um auf den drei „Tafeln“, resp. in den drei Teilen, Prostituierte aus drei verschiedenen Ländern, die drei verschiedene Sprachen sprechen und drei verschiedene Religionszugehörigkeiten haben, zu portraitieren. Die Orte, wo die Frauen arbeiten, heißen: „Fish Tank“ (Bangkok), „La Zona“ (in Mexiko) und der Dritte ist ein Prostituierten-Ghetto in Bangladesh.
Es gab Filme von Glawogger, die waren Anlass, sich den Namen zu merken, „Megacities“ oder „Working Man’s Death“. Das waren aufregende Bilderbogen, extrem ausgewählte Bilder und Sujets, die sich mit hochaktuellen Themen beschäftigen. Städtewachstum und Ausbeutung in der Arbeitswelt. Prostitution gilt nun als ältestes Gewerbe der Welt, hat also keine besonders aktuelle Bedeutung. Denn es gab sie immer und wird sie immer geben. Insofern fehlt bereits ein wichtiges Element im Vergleich zu den erwähnten früheren Filmen. Prostituion ist zeitlos.
Es gibt unterschiedliche Äußerlichkeiten. Wie die Frauen in Bangkok, die hinter Fensterscheiben tanzen und dabei von einer Überbrückung der Straße herab mit Laserlicht die unten vorbeigehenden männlichen Passanten anmachen. In Bangkok sitzen die Frauen im Bordell alle hinter eine Glasscheibe, ausgestellte Schaustücke, mit Nummern versehen; und die Kunden sitzen in bequemen Fauteuils, wie in einer Flughafen-Lounge oder stehen davor und wählen aus. Der Geschäftsführer berät sie. Manche wollen einen Rabatt aushandeln. Dann werden die Damen resp. ihre Nummern aufgerufen. Sie werden ihren Freiern übergeben, die bezahlen an der Kasse und dann werden die Paare noch zu einem Lift, dessen Tür ein großes aufreizendes Frauenbild ziert, begleitet. Die Post kann abgehen.
In Bangladesh siehts armseliger aus. Das scheint ein rechtes Ghetto aus schmalen Gängen mit vielen Türen zu sein. Ein Europäer mit einer Kamera auf den Schultern muss da wie ein Traktor in einer engen Gasse wirken. Die Betriebe sehen sich als Familien (nirgends kann Unterdrückung und Ausbeutung besser funktionieren als im familiären Rahmen). Die Bordellbetreiberinnen bezeichnen sich als Mütter und kassieren kräftig ab. Vor dem Verkehr holen die Mädels Kondome. Die Mutter zeigt den sehr jungen Mädchen auch, wie sie es machen müssen. In Mexiko wohnen die Damen direkt an einer breiten Straße, in der die Freier mit ihren Wagen kreuzen können. Die Damen stellen sich vor die Tür. Hier hat Glawogger eine Nummer inszeniert. Er hat versucht den Verkehr gegen Geld abschreckend zu gestalten, indem dem Freier für drei Varianten genau zwanzig Minuten zugestanden wurden. Und praktisch auf die Sekunde genau, noch ohne dass er abgespritzt hätte, wurde er wieder rausgeworfen. Ist natürlich komisch bei einer dokumentarischen Kamera, zu wissen, dass der Dokumentarist die ganze Zeit mit dabei ist. Und da der Freier auch kein professioneller Pornodarsteller war, hat das ganze eine gewisse Hifllosigkeit. Ist aber weder geiler Porno noch berührender Doku.
Ich habe sowieso das Gefühl, dass das Rotlichtmilieu nicht unbedingt das von Glawogger ist. Schon in Thailand oder auch in Bangladesh entstand oft der Eindruck, die Leute würden für die Kamera sich ein bisschen verstellen. Dann kommt dazu, was mir von den beiden erwähnten vorherigen Dokumentationen von ihm zumindest nicht so in Erinnerung war, dass hier die Leute sehr sehr viel geredet haben. Das halte ich meist für problematisch oder bestenfalls für fernsehtauglich in Dokus, wenn die Leute sich in laienrhethorischer Selbstdarstellung üben.
Die lustigste Szene war für mich in Mexiko die mit den beiden Landburschen, die zu zweit auf einem Esel durch die Straße der Freier reiten.
Pro Tafel hat sich Glawogger etwa 40 Minuten Zeit genommen.