Im Gschäftsbereich „Tierfilm“ findet eine Art Sensationswettbewerb statt, jeder glaubt, er müsse etwas ganz Spezielles, noch nie Gesehenes bieten, um auf dem Markt bestehen zu können.
Auch dieser Film ist davon infiziert. Was sich aber in manchen Dingen durchaus positiv auswirkt. Dass der ganze Film in der Freien Wildbahn, in der Massai Mara im Südwesten Kenias, gedreht worden ist. Dabei hatten die Filmer starke Teleobjektive und erhielten so eindrückliche Großaufnahmen von den Tieren, sie müssen auch starke Richtmikros gehabt haben für die Originallaute. So wird der Zuschauer vor Zootieren bewahrt.
Häufig leidet allerdings unter der Jagd nach Sensationen aus dem Tierreich die Geschichte, die erzählt wird. Hier wird ein Plot versucht, resp. zwei Plots, der eine betrifft eine Gruppe von Geparden, im Zentrum die Gepardenmutter Sita und ihr Nachwuchs. Der andere ist ein Rudel Löwen mit dem Herrscher Fang mit dem mitleiderregenden Gesicht und dem Zahn, der ihm zwischen den Lefzen raushängt, seinen Löwinnen und deren Nachwuchs, davon die junge Löwin Mara, die heranwächst.
Fortpflanzungsszenen sieht man keine im Film, der vermutlich jugendfrei sein soll. Aber einen stolzen Löwen mit seinen vier Söhnen, wie sie sich über den gefährlichen Fluss aufmachen, die Herrschaft über das Rudel oder die Sippe des angeschlagenen, alternden Fang zu übernehmen, der trottete dann einfach ab in die Savanne.
Für eine Kinogeschichte ist es eher ein Handicap, zwei Geschichten parallel zu erzählen, die nur einmal kurz in Kontakt kommen miteinander und dies eher zufällig, vermutlich weil man mit dem Aufnahmeequipment in der Gegend war, und weil die zu sehen waren. Da immer nur Zoomaufnahmen von ruhenden, leckenden, sich sonnenden, rennenden, spielenden Löwen, Löwinnen und Löwenkindern, Gepardinnen und Gepardenkindern ermüdend sind, wird dann versucht, eine Geschichte zu konstruieren. Da solche Naturaufnahmen viel Geduld erfordern, es ein Riesenzeitaufwand ist, solche Bilder überhaupt zu erhalten und gar einen Film zu füllen, wird dann doch noch viel Foto-Beifang aufgetischt von Vögeln, die Luftsprünge machen, von Geiern und Nashörnern, von Nilpferden und Krokodilen und immer wieder die Gnuherden. Das sind alles imponierende Aufnahmen, auch immer wieder die Luftaufnahmen über den Nationalpark hinweg, hoffentlich haben die diese mit einem geräuscharmen Gleitflieger gemacht. Aber das wirkt mehr wie ein erlesener Wandkalender, denn wie eine spannende Kinogeschichte. Insofern ist dieser Film eher was für Betrachter und nicht für Spannungssucher.
Musikalisch wird es oft bedeutungsvoll mit dieser weiblichen Sphärenstimme überhöht, was mir eine merkwürdige Interpretation der Natur scheint, wie auch der Text am Schluss, dass die beiden Protagonistinnen, die Löwin und die Gepardin, ausgezeichnete Mütter gewesen seien. Das ist schon sehr anthropotümelnd. Tierfilm als Lob auf die Mütter und die Mutterschaft.
Die Großaufnahmen der Raubkatzen sind beeindruckend und ich habe solche so noch nie gesehen. Insofern darf dem Sensationsanspruch recht gegeben werden.
Aber als Geschichte wäre es doch spannender gewesen, ganz genau zum Beispiel nur die Geschichte des Löwenrudels zu verfolgen, auch die Paarungen, die offenbar alle nachts statt finden, denn plötzlich ist wieder ein neuer Wurf da. So erwecken die eingesprochenen Texte den Eindruck, als ob aus der Fotostrecke eine Geschichte zurechtgebogen werden soll.
Der Mensch – und Kinozuschauer – ist immer wieder fasziniert von diesem Kampf auf Leben und Tod, wenn eine Raubkatze ein Gnu schlägt zum Beispiel. Denn die Verhaltensweisen sind uns nicht unbekannt. Was mich mal interessieren würde, wäre ein Naturfilm, der uns Respekt vor der Natur und damit vielleicht auch Respekt vor uns selber lehrt und der nicht irgendwelche irgendwo dann doch immer wieder süßlich und kitschig werdende Babygeschichten auftischt.
Eindrücklich, das versteht sich von selbst, wie auch die alte Löwin, die verletzt ist, davontrottet und einen ruhigen Platz zum Sterben sucht oder wie der alte Löwe Fang von den Gegnern von ennet dem Fluss vertrieben wird. Auch die Flussüberquerungen von Löwen und Geparden dürften unter das Kapitel „selten“ einzuordnen sein.
Und noch eine Vermutung: letztlich erwartet der Zuschauer im Kino, wenn er einen Tierfilm anschaut, doch eine menschliche Geschichte. Die wenigsten werden aus naturwissenschaftlichem Interesse hingehen. Ob der heutige Zuschauer allerdings sich damit abspeisen lässt, wenn die menschliche Geschichte in der tierischen lediglich ein Votum für die Mutterschaft ist, ob sie sich mit einer so einseitigen Interpration, einer dermassen eingeschränkten Sicht auf das Löwen- und Gepardenlebens zufrieden geben, würde ich eher bezweifeln.
Das Buch stammt von Keith Scholey und John Truby. Für die Regie zeichnen Alistair Fothergill und Keith Scholey.