Miss Bala

Laura Guerrero heißt die Hauptfigur in diesem mexikanischen Bandenkrimi. Guerrero bedeutet auf Deutsch der Krieger/die Kriegerin. Eine solche ist nun unsere dunkelhäutige Schönheit und Hauptdarstellerin gerade nicht. Sie stammt aus einfachen Verhältnissen und lebt mit ihrem Vater und einem kleineren Bruder in einer einfachen Behausung in einem gesichtslosen Ort in Baja California in Mexiko. Sie verdient ein Geld mit Herstellung und Verkauf von Textilien. Es sind einfache Verhältnisse und darum kann sie sich vermutlich auch keine Spitzen-Gesichtschirurgie leisten kann.

Laura träumt mit ihrer Freundin davon, am Wettbewerb um die Miss Mexiko, zumindest Miss Baja California teilzunehmen. Leider wird bei Laura von Anfang an nicht ganz klar, wie wichtig ihr dieser Schönheitswettbewerb ist, überhaupt, was sie will im Leben. Das wird zunehmend eine Belastung für diesen Film, der ganz gut anfängt, im Fahrwasser der Dardennes-Methode, immer nah an der Protagonistin, ohne jede erzählerische Distanz, möglichst realistisch und glaubwürdig.

Das funktioniert auch ein gutes Stück Film ganz hervorragend. Denn bald schon gerät Laura in die Fänge der berühmtesten Verbrecherbande aus Baja California, einer Grenzprovinz zu den USA, wo der Drogenkrieg am heftigsten wütet. Sie gerät ins Visier des Bandenchefs Valdez, der eben mit seiner Gang „Estrella“ einen blutigen Überfall auf eine Disko verübt hat. Laura hatte sich kurz zuvor mit ihrer Freundin dorthin begeben. Sie wird in letzter Sekunde Zeugin des sich anbahnenden Blutbades, kann sich aber retten, will sich einem Polizisten anvertrauen, der korrupt wie er ist, sie umgehend an Valdez ausliefert. Für den darf sie jetzt die drei Leichen des Überfalls, darunter ist auch ihre Freundin, in einem PKW verpackt vor der US-Botschaft abstellen.

Valdez hat bereits ihre Telefonnummer und Adresse. Er will ihr nachträglich auf dem Wege der Korruption die Teilnahme am Miss-Wettbewerb ermöglichen. Aber sie büxt aus, wie sie Klamotten kaufen soll. Von Valdez hat sie ein Ersatz-Handy bekommen. Das wird ihr von anderen dubiosen Figuren geklaut. Sie flüchtet nach Hause, doch bald schon taucht der verletzte Valdez bei ihr auf. Sie darf Vater und ihren kleinen Bruder wegschicken, so kann die Gang, deren Hauptversteck aufgeflogen ist, sich dort einrichten. Pflichtschuldig und mit treuem Hundeblick von unten, lässt Laura alles mit sich machen. Sie lässt sich auf einen Flug in die USA schicken für einen Geldtransport. Daraufhin gewinnt sie mithilfe von Valdez die Misswahl.

Aber Laura ist nicht glücklich dabei. Sie schaut immer sehr bedröppelt. Man kennt sich gar nicht mehr aus mit ihr. Sie lässt sich sogar als Lockvogel für ein Attentat auf einen General hergeben. So sehr man am Anfang die Geschichte für realistisch gehalten hat, so sehr entfernt sie sich von dieser Glaubwürdigkeit in ihrem Fortgang, weil immer noch was dazu kommt und noch was und vor allem, weil diese Laura irgendwie passiv durch die Geschichte geht und man nicht Bescheid weiß, was mit ihr wirklich los ist. Immer nur diese bedröppelte, schuldbewusste Miene. Das mag auch am Drehbuch liegen, das diese Frau nur als Opfer des Drogenkrieges sieht. Darunter leidet allerdings die narrative Qualität des Filmes.

Der Film wirkt streckenweise so, als wolle er vor allem unser Mitgefühl mit Laura erzeugen. Die noch nach den heftigsten Eruptionen durchs Bild stöckelt, als käme sie gerade vom Fitness-Training. Zynisch natürlich der Text der Moderation bei der Misswahl, dass diese zu Toleranz und Respekt vor einander führen soll. Die Orgelmusik im Abspann verstärkt noch den Eindruck, dass es hier doch vor allem darum geht, Mitgefühl zu wecken und nicht die Sinne für Menschliches zu schärfen. Andererseits dürfte die Grausamkeit, mit der die Mittel in diesem Drogenkrieg dargestellt werden, nicht hinter der Realität zurückstehen.

Das Buch haben Mauricio Katz und Gerardo Naranjo geschrieben; Gerardo Naranjo hat auch die Regie geführt.

Gnade

Keine Frage, das sagt schon der Titel, dieser Film ist ein moralischer Streifen, er wirft die moralische Frage auf, Gnade vor Recht ergehen zu lassen, obwohl gerade dieser Konflikt letztlich nicht gezeigt resp. nur ganz kurz und randständig gestreift wird, weil es nicht das Problem der Hauptfiguren, Jürgen Vogel als Niels und Birgit Minichmayer als Maria, ist.

Insofern ist der Titel möglicherweise eine Fehlindikation, ein falsches Versprechen. Denn das Problem von Maria und Niels ist nicht das, Gnade walten zu lassen, sie haben das viel größere Problem, Gnade annehmen zu müssen, aber auch dieses Problem wird gar nicht erst als solches artikuliert in diesem Film von Matthias Glasner, das sind die Gedanken des Zuschauers beim finalen nordisch-norwegischen Sommerfest in Hammerfest, was wohl in den Tätern, die Gnade erfahren haben, vorgehen mag.

Eine sicher nicht unbedingt massentaugliche Behandlung eines so urchristlichen und urmoralischen Problems. Was dem Film zu gut zu halten ist, ist sicher, dass der Autor, Kim Fuqz Aakeson, ein Däne ist und damit offenbar verschont von der chronischen Verkopftheit deutscher Autoren.

Hier wird erst vorgestellt, wo der Film spielt, nämlich im erwähnten Hammerfest, das ist hoch oben im Norden Norwegens, wo zwischen 21. November und 22. Januar die Polarnacht herrscht, ein dankbares Phänomen, wie hier filmisch deutlich wird, besonders wenn man als Drüberstreuer über Szenen, die was erzählt haben, immer wieder den Blick über die Fjorde und Berge und das Meer streifen lässt, das Licht wirken lässt.

Auch die Info über die Polarnacht wird dem Film vorangestellt. Dann lernen wir die deutschen Hauptpersonen kennen, das sind Niels, der einen Job in einem Gasexplorationswerk angenommen hat, Maria, die als Krankenschwester arbeitet und ihr Sohn Markus, der noch zur Schule geht und schnell finnisch lernt, aber nicht leicht Kontakt zu den Schulkameraden findet.

Die Ehe von Niels und Maria scheint eine routinierte Angelegenheit geworden zu sein. Niels nutzt die erste Möglichkeit, im Werk eine fesche Mitarbeiterin ziemlich plump und direkt anzumachen und bald auch schon zu vögeln. Während Maria wegen ihrer schwangeren Chefin zusätzlich Nachschichten im Spital schiebt.

Auf einer Heimfahrt durch die Polarnacht, in diesem Zeitraum fängt der Film an, spürt Maria, dass sie mit dem Auto gegen einen Gegenstand gefahrenen ist, sie hatte kurz sich auf das Polarlicht konzentriert, sah aber im Rückspiegel nichts und erzählte das zu Hause ihrem Mann. Dieser fuhr daraufhin nochmal die Strecke ab, konnte jedoch kein totes Tier entdecken. Wie dann in der Zeitung zu lesen ist, dass eine Schulkameradin von Markus tot am Straßenrand aufgefunden worden ist, da fängt das Gewissen in Maria und Niels an zu arbeiten.

Das gibt Birgit Minichmayer Gelegenheit für eine grandiose Schauspielerszene im Bett, wo sie mit sich und ihrem Schicksal hadert. Niels, den Jürgen Vogel spielt, möchte sofort die Polizei benachrichtigen. Aber irgendwie kommt es nicht dazu.

Diese Schuld wird jetzt über die nächsten zwei Stunden über dem Film lasten; das Leben geht weiter, der Vater geht mit dem Sohn Eisfischen und vögelt seine Kollegin; der Bub spuckt einem Klassenkameraden, einem Outsider in der Schule, in den Rucksack und Maria singt in einem Chor, damit im Film einige musikalisch entspannende Momente entstehen können; wobei die Musik sehr ausgewählt, sehr elitär ist, somit das Ganze auf die Ebene höherer Kunst erhebend.

Es kommt der Zeitpunkt, wo ich mich als Zuschauer gefragt habe, wird das jetzt ewig so weiter gehen. Nein, so kann es nicht weiter gehen. Das Ehepaar Niels und Maria machen sich spät auf zur Beichte bei den Eltern des von Maria zu Tode gefahrenen Mädchens resp. vielleicht wegen unterlassener Hilfeleistung erfrorenen Mädchens, das womöglich unter Drogen oder Alkohol gestanden hat.

Bei diesem Sühne- oder Geständnisbesuch wird das Kino nun zum Kino, was im Zuschauer unwillkürlich die Frage aufwirft, wie würde er reagieren, aber auch die Frage, ob die Reaktion der hinterbliebenen Eltern irgendwie nachvollziehbar wäre – ganz ist sie es sicher nicht, aber Rache ist nun auch nicht unbedingt zwingend.

Immer wieder musste ich an den packenden Film von Atom Egoyan „Das süße Jenseits“ denken, vielleicht wollte sich Glasner bewusst davon absetzen. Jener erzählt von einem ähnlichen, wenn auch gleichzeitig anders gearteten Unfall mit einem Schulbus. Dagegen wirken hier die Aufnahmen von der Todesstelle mit dem Kreuzlein und den Blumen und den Kärtchen drum herum dann doch wieder kreuzbieder deutsch, sorry.

Bei Egoyan wurden alle Konsequenzen des Todes fast aller Insassen jenes Schulbuses durchdekliniert. Hier scheint es, als ob für Glaser das Thema seines Filmes gleichzeitig eine Leerstelle bleiben müsse (wohl nach Wittgenstein, worüber man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen?), um die herum er wunderbar inszenierte Bilder und Szenen mit wunderbaren Schauspielern arrangierte, eine Methode, die einem Film gewiss keine Schlagkraft verleihen kann, und die kaum erwarten lässt, dass der Film zu Diskussionen zum Thema Fahrerflucht anregt.

Es scheint konsequent weitergedacht eher so zu sein, dass man damit sogar ganz gut leben kann, das ist jetzt sicher überspitzt gesagt. Vielleicht ist es eine typische deutsche Angst, das Wesentliche zu sagen, aber skandinavisch genießbar präpariert, Angst davor zu haben, einen Gewissenskonflikt deutlich zu formulieren; faktisch zeigt uns Glasner die Verdrängung des Konfliktes. Ob das, außer den erwähnten Qualitäten weiter fruchtbar ist, das ist dann doch eine andere Frage.

Agent Ranjid rettet die Welt

Gäbe es kein ZDF und keine diversen Filmförderer, wäre uns dieser Film in dieser holprigen, uninspirierten Form garantiert erspart geblieben. Es scheint sich um ein reines Förder- und TV-Geld- und Subventions-Melk-Produkt zu handeln.

Kein Wunder also, dass die Protagonistin im Film, die schwarze Milchkuh Benytha, Magenbeschwerden hat. Es dürfte sich um den Magen der Filmsubvention handeln. Doch die Heilung der Beschwerden kostet beim Tierarzt Geld. Das hat allerdings der Besitzer der Kuh nicht, ein offenbar bekannter Fernsehkomiker, der gerne einen Inder mit großen Augen, ulkigem Mund, zappeligen Bewegungen und billiger Akzentparodie darstellt. Er muss nun irgendwie die 1876 Euro und 54 Cent beschaffen. Als Putzkraft im Hochhaus, in dem der Ayran-Secret-Service residiert, kann er das niemals verdienen. Zum Glück muss dieser Geheimdienst gerade die Welt vor einem Bösewicht aus Holland retten und braucht, da seine besten Agenten bereits von der gegnerischen Viagra, einer Frau, die den Männern das Gehirn zwischen die Beine sinken und dort hervorstehende Gebilde entstehen lässt, ausgeschaltet worden sind, einen neuen Süperagenten.

Wie die Zufälle in so einem comedybemühten Drehbuch es wollen, taucht der Putzmann im richtigen Moment und am richtigen Ort auf und wird im weiteren Verlauf des Filmes, dem schon nach weniger als 80 Minuten Ideen und Puste längst ausgegangen sind, die Welt richtigerweise retten.

Etwas mühsame Fahrt gewinnt der Film in der Phase, wie der eine der offenbar getöteten Süperagenten wieder da ist – gespielt vom selben TV-Komiker, in dieser Figur aber mit einem kommentierenden Nachhuster nach jedem Satz und einseitig hochgezogenem Mundwinkel und ständig das Wort „Spost“ im Mund – und wie die beiden Süperagenten um die Rettung der Welt konkurrieren.

An diesem Film haben (Gebühren- und Filmförder)Geld kassiert: die Autoren Dieter Tappert, Kaya Yanar, Norman Coester, der Regisseur Michael Karen, der Kameramann Stephan Schuh und viele andere kleine und kleinere, bedeutendere und weniger bedeutendere Chargen; aber auch der holländische Weltstar Rutger Hauer konnte den Subventionseuros nicht widerstehen und versucht dafür, komisch zu sein, eine mehr als traurige Angelegenheit.

Für dieses Produkt bescheidenen Geistes und von geringem künstlerischen Niveau haben Geld locker gemacht: das ZDF, die Film- und Medienstiftung NRW, der Deutsche Filmförderfonds DFFF und die Filmförderungsanstalt FFA. So werden sie allerdings die Welt nicht retten. Sie verteilen lediglich öffentliches Geld um auf ein paar gut an die Subventionszitzen angedockte Kanäle.

Dieser Film ist ferner ein einfaches Wildern auf der Abraumhalde sprachlicher Defizite nicht genuin Deutschsprechender und der Ersatzbegriffe für nichtgelebte Sexualität; ein Geschäft damit versprechen sich ganz offensichtlich die Produzenten Christian Becker und Martin Moszkowicz.

Asterix & Obelix – Im Auftrag ihrer Majestät

Kino aus der Römerzeit.

Ach so, da gabs ja noch gar kein Kino.

Aber in dieser Römerzeit gabs in England schon Doppeldeckerbusse, die von Pferden gezogen wurden; das Rad war ja auch schon erfunden – aber die Bilder hatten das Laufen noch nicht gelernt.

Ein bisschen geht es auch so mit diesem Film. So richtig laufen tun die Bilder nicht. Es ist eher wie ein Umblättern bei Kinderbüchern, vielleicht sogar solchen aus Holz. Oder die dreidimensional aufgeklappt werden können. Hier versucht sich das Kino des Laurent Tirard, der mit Grégroire Vigneron auch das Buch geschrieben hat, in der 3D-Technik. Szene für Szene werden die Gallier, die Römer, die Normannen, die Briten in 3D gemeisselt, werden die Sketche nach den Comics „Asterix bei den Briten“ und „Asterix bei den Normannen“ in einfache, klare, statische Bilder gegossen. Das muss der Freude über den Witz der Comics keinen Abbruch tun. Wenn man die liest, blättert man ja auch immer wieder um. So bleibt allerdings eins plus eins immer nur gleich zwei und wird nie gleich drei.

Mit diesem 3D hier tue ich mich schwer. Obs an meiner Brille gelegen hat, dass mir dieses so überflüssig wie unbeholfen vorkam, auch wenn Heerscharen von ungarischen Animatoren redlich versucht haben Römerlager, britannische Dörfer, London, das Meer, die Klippen, das römische Heer und selbstverständlich unsere Hauptfiguren Asterix und Obelix dreidimensional erscheinen zu lassen.

Die Geschichte läuft in etwa so: die Römer sind dabei, Britannien zu erobern, es fehlt ihnen noch ein einziges Dorf; das leistet heftigen Widerstand. Um der Übermacht der Römer etwas entgegenzusetzen, schickt die britische Königin, die sich auch in diesem Dorf aufhält, ihren Haushofmeister Teefax zu den Galliern. Der soll sie um ein Fass des Zaubertrankes bitten, der übermenschliche Kräfte verleiht. Asterix und Obelix begleiten Teefix mit dem Fass zurück nach Britannien. Obelix trägt immer das Fass auf seinem Rücken und freut sich unbändig darauf, endlich mal wieder gscheit Römer zu verkloppen. Sie werden begleitet von Grautvornix, dem Vertreter einer friedlichen jungen Generation, ein Barde der Liebe und jeglicher Gewalt abhold gesonnen. Derweil hat Julius Cäsar die urwüchsigen und wilden Normannen gegen das renitente britische Dorf mobilisiert.

Jetzt ist die Ausgangslage für manche Klopperei und Kämpferei gegeben. Die Gallier gehen ihres Fasses verlustig. Asterix und Obelix verlieben sich noch dazu und vergessen den Auftrag. Aber Ende gut alles gut, der Zaubertrunk wirkt auch, wenn er nur Tee ist, den Asterix aus Blättern, die der Flüchtling Hatnix dabei hat, braut und so placebobeflügelt die Bauern mit ihren Holzgerätschaften wie Mistgabeln und Sensen auf die Römer los jagt, so dass die vor Schrecken davon laufen. Und dann ist auch Obelix trotz amoureuser Ambitionen hinsichtlich einer altjüngferlichen britischen Gouvernante, die sind wirklich rührend-schräg, wieder auf den Geschmack an den Römern gekommen und mischt deren tolles Schlacht-Dreieck von hinten her auf. Die Briten müssen ab da nicht mehr nur heißes Wasser, sie dürfen jetzt Tee trinken.

Charakterisierungen. Das Formelle der Briten wird sehr deutlich gemacht, selbst als sie noch keinen Tee kannten, da liessen sie punkt 5 Uhr nachmittags alles stehen, selbst einen Krieg, um ihr heißes Wasser mit abgespreiztem Finger zu trinken. Teefax ist eine voll übertriebene britische Karikatur im Schottenrock, der die höfliche Distanz zu seiner Geliebten unerträglich auf die Spitze treibt. Grautvornix steht für die unbefangene, friedliche junge Generation, die lieber der Musik und der Muse frönt als dem Krieg. Der Flüchtling Hatnix steht für das ganze europäische Migrantenproblem. Die furchtlosen Normann dagegen sind auf der Suche nach der Angst, weil die einem Flügel verleihen würde.

Die Briten sprechen in der deutschen Synchronisation alle ein britisches R, während die Gallier und die Römer und Normannen ein langweiliges Routine-Synchrondeutsch sprechen, was gegen die Asterix-Atmosphäre arbeitet.

Römerkino, obwohl die moderne Interpretation mit Verweisen auf die Heute-Zeit nicht spart, die Brieftaube wird von Julius Cäsar als Handy benutzt und dann weggeschmissen, weil sie nicht funktioniere; Personenkontrollen verlangen modernste fälschungssichere Ausweise; Geschichtsklitterung hat schon Cäsar betrieben, der seinen Sekretär Megacursus von einem Sieg über die Briten schreiben lässt – und von Gnade, die er hat obwalten lassen; beim Sturm der britischen Bauern gegen das hochmoderne römische Heer mit seinen geometrischen Schlachtordnungen denkt man unwillkürlich an den modernen Krieg hochgerüsteten Nato gegen die barfüßigen Taliban.

Die halbe Miete allerdings garantiert allein Gerard Depardieu als Obelix, ein wandelnde Comicfigur par excellence, obwohl mir in manchen Moment auch schien, dass er sich ein bisschen auf einer bestimmten Masche ausruht, große Augen, hilflos, fast apathische Gesten.

The Angels‘ Share – Ein Schluck für die Engel

Herzhaftes, griffiges britisches Kino mit einer Moral, die vom juristischen Standpunkt aus nicht unbedingt zu verteidigen wäre: denn hier gibt es ihn, den guten Diebstahl, der keinem Weh tut und der rundum Gutes bewirkt.

Es geht um eine ganz besondere Kostbarkeit, um einen schottischen Whisky, der auf einer Auktion über eine Million bringen soll, der beste Whisky der Welt überhaupt.

Vom moralischen Standpunkt aus besehen ist der Film zumindest nicht ganz so goldglänzend wie der feine Whisky glauben machen mag: Alkohol kann ein seelenfressender, charakterzerstörender Saft sein – und dieser Film von Ken Loach, zu dem Paul Laverty das Drehbuch geschrieben hat, ist nun bestimmt nicht dazu angetan, auf die Gefahr des Alkoholkonsums aufmerksam zu machen, ja man könnte durchaus den Verdacht hegen, dass bei der Finanzierung ganz im Hintergrund schottische Whiskyproduzenten Geld haben springen lassen.

Griffig ist der Film auch vom Standpunkt der Erklärung her, wie Whisky hergestellt wird. Bei einer Führung durch eine Brennerei werden die wichtigsten Punkte im Herstellungsprozess in der richtigen und somit realistischen Reihenfolge abgehakt.

Einen kleinen Warnhinweis auf das Risiko Alkohol stellen die Filmemacher immerhin gleich zu Beginn in ihren Film. Albert, der dann später nicht die Hauptfigur sein wird, dem aber der schottische Kilt beim Ausflug ins Whiskyland zwischen den Beinen noch sehr zu schaffen machen wird, der ist ein Risiko wegen des Alkohols, nicht nur bei diesem Ausflug, schon in der ersten Szene des Filmes balanciert er halsbrecherisch unsicher am Rande eines Bahnsteiges mit einer Getränkeflasche in der Hand und weit entfernt von nüchtern. Ein Zug nähert sich. Die in einem entfernten Kontrollraum sitzende Aufsicht verfolgt das schwankende Geschehen an einem Bildschirm und versucht den Trunkenen zur Raison und zurück von der Bahnsteigkante zu bringen. Stattdessen fällt er aufs Gleisbett, der Zug ist nur noch Sekunden entfernt und wie Albert kapiert, dass er wieder auf den Bahnsteig zurück klettern soll, da fällt ihm auf, dass er die Brille verloren hat und muss die im Gleisbett noch suchen. Aber wie es zu der menschenfreundlichen Grundhaltung in diesem Film passt, wird er es gerade noch schaffen.

Der Alkohol als Risikofaktor, das Thema wird nicht weiter verfolgt, dem ist mit der Bahnsteigkantenszene Genüge getan. Also zur Geschichte. Im Gericht werden verschiedene Vergehen abgeurteilt, einige Delinquenten werden zu Sozialstrafen verdonnert. Der eine ist eben unser Albert; der herzzerreißendste Fall aber ist Robbie, ein ewig rückfälliger Schläger, der wieder einmal ausgerastet ist und einen anderen Kerl schier zu Tode getreten hat; Robbie ist nun mit einer jungen Frau liiert und die erwartet ein Kind von ihm. Dieser Robbie wird unsere Hauptrolle sein.

Robbie wird dem Kind zuliebe versuchen, dem Circulus Vitiosus der Gewalt abzuschwören, dem kaum zu Entrinnen ist. Im Sozialhaus, das neu gestrichen werden muss, lernt er andere Leute kennen, die auch ihre Sozialstunden ableisten. Über den Besuch bei einem Whiskyhersteller kommt er auf den Geschmack von Whisky und über drei weitere Ecken gedeiht die Idee, von jenem zur Auktion anstehenden Whisky ein paar Liter abzuzapfen, um mit dem Geld davon, eine solide Grundlage für eine Existenz für ihn und seine Familie zu schaffen. Was in einem menschenfreundlich gesinnten Kino auch gelingen wird.

Die Stärke dieses Kinos von Ken Loach mit der politisch nicht ganz korrekten Message, wobei der Titel diese auch noch rechtfertigt: beim Angels‘ Share handelt es sich nämlich um eine natürliche Schwundmenge durch verdunstenden Alkohol im Laufe des Reifungsprozesses des Whiskys; womit die Gleichung, dass in so einem vollen Fass sowieso was fehlt, was keinem weh tut, nochmal zur Rechtfertigung für den Diebstahl beigezogen wird, die Stärke also dieses Kinos von Ken Loach ist seine Nähe zu den Menschen, ihr nüchterne Betrachtung.

Ken Loach scheint die einfachen Menschen zu lieben, er wählt fantastische Typen aus, lässt sie rund spielen, schöner wäre es natürlich noch, das Ganze im original britischen gar schottischen Dialekt zu hören, obgleich wir dann wahrscheinlich nicht mehr viel wörtlich mitbekommen würden; da ist jedwede deutsche Nachsynchronisation, mag sie noch so sorgfältig gemacht worden sein wie hier, ein Armenkind dagegen.

Griffig ist das Kino von Ken Loach auch, weil er konkrete Vorgänge liebt; die Handlungen sind plausibel; das Stück geht planmässig voran, ohne sich bei Unwichtigem aufzuhalten.

Das tiefere Thema in diesem Soziodram sind Menschen, die in Gewaltzirkeln ge- und befangen sind, wobei gerade hier Alkohol oft einen ungünstigen Einfluss entwickelt. Ihnen da rauszuhelfen gelingt offenbar wirklich nur, diesen deprimierenden Befund zu übertünchen, gelingt wirklich nur mit einer doch ziemlich fantastischen Geschichte, die aber gerade durch den Titel und den damit verbundenen Tatbestand das Siegel absoluter Glaubwürdigkeit erhält.

Was die Werbung für Whisky betrifft: mich hat der Film jedenfalls nicht dazu animiert, gleich nach der Vorstellung mir einen zu genehmigen; überhaupt nicht; weil der ja doch nur ein sehr vordergründiger Vorwand für das tiefere Thema ist. Ein Schluck für die gefallenen Engel.

96 Hours – Taken 2

Wenn an wichtiger Stelle der Credits Luc Besson erwähnt wird, wie hier als Produzent und Autor, und wenn ein Action-Thriller angekündigt, wenn der außerdem noch hauptsächlich in Istanbul spielt, so kann man sich zuverlässig freuen auf solide gemachte Action und garantiert werden in Istanbul durch viel zu enge Gassen viel zu breite Limousinen sich viel zu schnelle, halsbrecherische Verfolgungsjagden liefern.

So ist es denn auch und Istanbul beweist, dass es eine Superkulisse für einen solchen Agentenfilm ist. Was heißt hier Agentenfilm. Agent-im-vorgezogenen-Ruhestand-Film. Liam Neeson ist Agent. Aber eigentlich hat er sich zurückgezogen. Er macht nur noch ausgewählte Jobs. Will sich seiner Frau und seiner gerade so erwachsenden Tochter widmen. Ihr will er vor allem Fahrstunden geben. Ein bekümmerter Vater mit einem interessanten Gesicht, um das herum die Fantasie ohne großen Aufwand eine sicher bemerkenswerte Vergangenheit als Agent sich ausmalen kann mit jeder Menge Aktionen am Rande der Legalität oder drüber hinaus und in sehr hohem Auftrag. Da soll jetzt vorbei sein.

Leider gibt es in Albanien einen mächtigen Herrn, dessen Sohn Opfer eines Agentauftrages von Neeson als Bryan Mills geworden ist. Flugaufnahmen zeigen zu unserer Information die schöne Beerdigung. Der Albaner findet nun heraus, der hat auch so seine Verbindungen, dass Mills einen Personenschützerauftrag in Istanbul angenommen hat und noch einige Tage mit seiner Frau und Tochter dranhängen will. Gefahr und Unheil verkündend setzt sich aus Albanien eine ganze Wagenkolonne schwarzer Limousinen in Richtung Istanbul in Bewegung. Mills soll samt seiner Familie gekidnappt werden.

So weit so gut so pragmatisch so routiniert erzählt. Natürlich spannt ein Mann wie Mills sofort, wenn in einem Hotelfoyer Herren sitzen, die nur halb in ihre Zeitungen versunken sind und einen deutlich beobachten, wenn man beispielsweise mit dem Handy telefoniert.

So setzt in der größten Beschaulichkeit urplötzlich eine dringliche Hektik ein, die Mills gar keine Zeit lässt, Frau und seine Tochter darüber aufzuklären, was sich gerade abspielt. Die haben gleich zu spuren. Das ist ein heftiger Zusatzreiz für so eine Verfolgung; wenn die Tochter, die gerade erst das Autofahren lernt, plötzlich am Steuer einer Limousine und bellend vom Vater kommandiert durch Istanbul vor immer mehr Polizeiautos fliehen muss. Das ist aber vorgegriffen.

Die drei Zielpersonen dieses beabsichtigten Kidnappings müssen nun Fersengeld geben. Besson fallen für die nun folgende Verfolgungs- und Befreiungsaktionen ganz verrückte Sachen ein, die so eine Flucht zum genüsslichen Kinovergnügen machen.

Ein Beispiel. Wie Neeson mit seiner Frau gekidnappt worden ist, wird er in einem Keller mit nach oben gestreckten Händen an einer Eisenstange mit Ketten befestigt. Er soll nun zuschauen, wie seine Frau, die ebenfalls an Ketten aufgehängt ist und einen Schnitt in den Hals bekommen hat, langsam verblutet.

Plötzlich nestelt er mit den Schuhen aus einem Strumpf ein Minihandy hervor, balanciert es zum einen Knie und mit diesem versucht er es zu den Händen zu hieven. Ein delikater artistischer Akt, der nicht auf Anhieb gelingen kann. Wie er das Handy endlich in den mit Handschellen gefesselten Händen hält und es betriebsbereit hat, ruft er seine Tochter an, die noch in Freiheit ist. Er organisiert nun mit äußerst detaillierten Anweisungen seiner und seiner Frau Befreiung durch die Tochter. Er hat sich nämlich bei der Fahrt zum Verlies mit dem Kopf in einem Sack anhand von Geräuschen und Sekunden und Fahrwegbeschaffenheit genau gemerkt, was für einen Weg sie gefahren sein könnten. Nun schreibt er seiner Tochter höchst detailliert vor, was sie zu tun habe. Welchen Koffer sie in seinem Hotelzimmer von wo hervorholen, ihn mit welcher Kombination zu öffnen habe, in welchem Fach sie, Schnur, Stadtplan von Istanbul und einen Schreiber finde und wie sie nun konzentrische Kreise um das Hotel und den Entführungsort zeichnen soll.

Wie sie dann eine Handgranate (selbstverständlich sind das alles Dinge, die sie noch nie im Leben gemacht hat) und wie exakt aus dem Hotelzimmer auf das gegenüberliegende Dach werfen soll (nachdem sie ihrem Vater dieses beschrieben hat), damit diese dort explodiert – ohne dass Menschen zu Schaden kommen, so weitsichtig agiert Mills noch in höchster Not – wie Mills die Sekunden zählt, bis er die Explosion hört, wie seine Tochter daraus folgend noch einen weiteren konzentrischen Kreis auf der Karte ziehen soll, bis es Berührungspunkte der beiden Kreise gibt (das hört sich so plausibel an, aber ob es wirklich logisch ist, darüber nachzudenken kommt man vor lauter Amüsement über die geniale Tour gar nicht zum Nachdenken); Kim findet zwei Berührungspunkte. Sie muss jetzt noch sagen, wie der Wind weht anhand der türkischen Fahnen. Dann muss sie sich zum einen dieser Berührungspunkt begeben, möglichst schnell. Dann wieder Handgranaten werfen. Dann rennt sie über einen ganz schmalen Dachgrat aus Steinen zwischen Hausdächern, bis sie einen weißen Rauch sieht, (den Grat kann man übrigens auch im Trailer zum neuen James-Bond-Film sehen!), noch eine Handgranate werfen, bereits wird sie verfolgt, dann muss sie noch die Waffe, die sie aus dem Hotel mitgebracht hat in den Kamin mit dem weißen Rauch fallen lassen, den Mills dann unten in seinem Verlies in letzter Sekunde unterm Kamin hervornesteln wird – und das alles ist nur die Vorbereitung für weitere waghalsige Fluchtmanöver am Steuer eines geklauten Taxis die Fahrschülerin Kim, die vom Vater zu rasender Fahrt angetrieben wird. Schöner und unterhaltsamer kann man wohl das Hirn eines Film-Geheimagenten als das eines strategischen, weit vorausschauenden Genies nicht beschreiben – wenn es denn die Grenze zur Parodie nicht bereits überschritten hat. Oder beweisen, wie mit etwas Weitsicht, der Mensch doch gegen viele Fährnisse des Lebens sich wappnen könnte.

Und in grade mal neunzig Minuten ist der rasante Spaß auch schon wieder vorbei. Das Glück der Familie ist selbstverständlich gerettet, das verlangt doch das Genre, das uns nicht mit Trübsinn beladen aus dem Kino entlassen will.

Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa

Die Moral dieser ziemlich verrückten Abenteuerreise des kleinen Maki mit der Giraffe Zarafa aus eine Wüste Afrikas nach Alexandria am Mittelmeer, dann teils mit Heißluftballon teils mit Piratenschiff nach Marseille und weiter inklusive Absturz in den Alpen nach Paris in den Zoo, die Moral nach all den Abenteuern, die Rémi Bezancon und Jean-Christophe Lie nach dem Buch von Alexander Abela und Rémi Bezancon eindrücklich einfach als Animationsfilm inszeniert haben, ist also die: nach den Wechselfällen und Abenteuern, die ein junges Leben durchmachen kann, kehre zurück in Deine Heimat, baue ein Haus und gründe ein Familie.

In solch familiärer Atmosphäre erzählt ein alter Mann, (ist es der alt gewordene Hassan?) unter einem großen Baum mit breitem Stamm den Kindern des Dorfes die Geschichte vom Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa, die auch die Geschichte des kleinen Maki ist.

Zur Illustration benutzt der Erzähler, der in der französischen Originalfassung einen angenehmen Schmelz in die Stimme legt, einige Holzfigürchen für die wichtigsten Personen und Tiere, die in dieser Geschichte eine Rolle spielen. Wenn eine Figur stirbt, wie zum Beispiel die eine der beiden Zwillingskühe, dann legt der Erzähler sie flach vor den Kindern auf den Boden. Die anderen, die bleiben stehen.

Das Schicksal hat es mit Maki nicht besonders gut gemeint. Er wurde von einem Sklavenhändler gefangen gehalten zusammen mit dem Mädchen Soula, die in der Geschichte auch immer wieder auftauchen wird.

Maki aber befreit sich, flieht. Er wird von bösen Hunden und vom bösen Malaterre verfolgt. Auf seiner Flucht stößt er auf die Giraffen, es kommt zum Zusammenprall mit Hassan, der erst eine sehr negative Erscheinung ist, denn er sucht eine junge Giraffe, die nach Frankreich transportiert werden soll. Dieser Teil der Geschichte beruht auf einem historischen Vorbild: 1827 wurde eine Giraffe dem französischen König gebracht, die erste Giraffe, die die Franzosen in ihrem Lande zu Gesicht bekommen haben, eine richtige Sensation damals.

In unserer Geschichte nun soll Hassan diese Giraffe für einen ägyptischen Diplomaten besorgen, denn Ägypten wird gerade von den Türken belagert und sucht Unterstützung durch die Franzosen, will den französischen König mit der Giraffe sich geneigt machen.

Bis es soweit ist, dass der französische Hofstaat sich vor dem Giraffenkäfig, der mit einem Vorhang abgedeckt ist, versammeln kann, verschont uns die Geschichte nicht mit der Boshaftigkeit und Gier von Menschen, die an dieser Giraffe interessiert sind oder an Maki, der der sterbenden Mutter der Giraffe versprochen hat, sich um Zarafa zu kümmern, Menschen also, die Maki von der Giraffe trennen und ihn zurück nach Afrika schicken wollen. In Paris wird er sodann für lange Zeit von der Giraffe getrennt, weil der böse Malaterraa ihn als Sklaven beschäftigt.

Aber eine schöne Geschichte wäre keine schöne Geschichte, wenn sie nicht nach all den Irrungen und Wirrungen und Schmerzen und Vertrauensbrüchen, die hier knapp und gut verständlich skizziert werden, noch zu einem harmonischen Ende finden würde, wobei selbst ein schon tot Gewähnter nochmal ins Spiel kommt. Mir scheint, die Geschichte dürfte geeignet sein für Kinder in dem Alter, in welchem sie anfangen Geschichten in Zusammenhängen aufnehmen zu können, wiewohl sie so universell erzählt ist, dass als Altersangabe sicher auch gelten kann von 3 bis 103.

Die Wand

Was präsentiert uns hier der Österreicher Julian Pölsler mit der Verfilmung des Welterfolges „Die Wand“ von Marlen Haushofer? Ein hingebungs- und andachtsvoll hingepinseltes Alpengemälde mit einer Frau, die auf einer Jagdhütte eine zweijährige Robinsonade mit einer Kuh, einem Hund und einer Katze verbringt und mit einem knalligen Fremdkörper mittendrin: einer pantomimisch angedeuteten unsichtbaren Wand oder Glaswand, einer durchsichtigen Wand, die aber auch, ich meine mich zumindest an eine Stelle zu erinnern, eine akustische Wand ist von einer Undurchdringlichkeit, von der so manches Tonstudio sicher davon träumen dürfte.

Martina Gedeck ist es, die in diese Isolations- und gleichzeitig Alptraumwelt hineingerät, in die Idylle mit Tieren und Jagd, mit Kalbsgeburt und einer weißen Krähe und die selbst als Autorin an einem langen Text schreibt.

Es ist eine Alpenwelt, die vor allem dazu dient, den gesprochenen Text, der weitgehend dem Original von Marlen Haushofer entnommen sein dürfte, zu illustrieren.

Wobei das mit der Isolation der Autorin so eine Sache ist. Mit dem Solipsismus, der hier durchschimmert. Ob der in der Absicht des Romans liegt? Es scheint sich um den Versuch der Schilderung einer Grenzerfahrung zu handeln. Dieser fährt stellenweise auf dem Gleis eines sensiblen Horrorfilmes, im Hintergrund die Frage, wo fängt der Mensch an, wo hört er auf.

Wie „die Frau“, so heißt diese Haupt- und fast einzige Figur im Film, sich ihrer Isolation gewahr wird, handelt sie bewunderungswürdig vernünftig, als ob sie das Drehbuch zu ihrer Robinsonade kenne. Es gibt ausgiebige Schilderungen der Witterung, der Jahreszeit, sowohl im Text als auch in den Bildern.

Ein etwas gehobenerer Bauernkalender. Ein blattloser Baum, auf dem an den Ästen Frauenkleider hängen, ist dabei ein Fremdkörper wie die imaginierte oder auch richtige oder pantomimisch dargestellte unsichtbare Wand.

Vor einiger Zeit habe ich schon den Trailer gesehen, wie Martina Gedeck auf einer Alpenstraße diese Glaswand pantomimisch darzustellen versucht (ein Grundübung in der Pantomimenschule). Manchmal heißt es, der erste spontane Eindruck wird der bestimmende bleiben. Der von dieser Trailerszene war nicht gut.

Während dem Screening allerdings hat mich die von den Filmemachern erzeugte Atmosphäre erstmal restlos umfangen und beeindruckt. Wobei schon da einige Fragen aufgetaucht sind. Mit dem Verlassen des Kinosaales fingen die Zweifel an zu wachsen. Was will uns Pölsler mit diesem Film erzählen? Will er mehr erzählen, als dass ihn das Buch von Marlen Haushofer tief beeindruckt hat, denn das tut er auf jeden Fall und mit großer Sorgfalt. Aber kann er mir auch einen Eindruck von der Substanz des Buches vermitteln? Hm? Ehrlich gesagt, nach dem Schauen des Filmes und mit dem Anfangen des Darübernachdenkens wird mir zusehends unklar, worum es im Buch geht. Ist die Frau doch nur eine Psychopathin, die mit Tieren besser kann als mit Menschen, mit dem ständigen kleinen Zucken um den Mund, als ob sie ständig Selbstgespräche führe? Ein Mensch, der sich mittels wahnwitzigster Einbildungen von den anderen Menschen abschirmt, fernhält? Oder soll es ein verbindliches Bild für die Einsamkeit eines jeden Autoren sein; menschliche Einsamkeit angereichert mit Tieren, mit einer verwahrlosten Katz, (mit verschiedenen Darstellerinnen), die „Perle“ genannt wird?

Der Wortlaut des Textes definiert, dass der Mensch es sei, der Recht und Unrecht und auch Gnade kennt. Im Umgang mit Tieren auf einer Alp? Es gibt viele schöne Beschreibungen im Wortlaut, über Wetterlagen, über Tiere, über Ängste, die Abscheu vorm Töten, das Jagen, das gefährlich helle Schneelicht, über den Umzug auf die Alp, über das alte und das neue Ich, darüber, dass die Alp besänftige – das ist sicher schwer im Bild zu zeigen, wenn es nicht kitschig werden soll wie hier, wie die Darstellerin ins Tal schaut, keine Glaswand weit und breit nicht, die Freiheit der Alp, wie Sennen sie besingen mögen.

Nach Menschen jedenfalls scheint diese Frau keine Sehnsucht zu haben. Obwohl sie räsoniert, dass das Vernünftigste die Liebe sei. Dann ein Bild, wie die Frau gegen den Horizont steht und der tote Hund, den sie Luchs nennt und wie sie mit ihrem offenen Haar und dem inzwischen eingewohnten Berglerschritt, aussieht wie ein Waldschrat, ein ländliche Faschingsfigur. Archaik?

Fazit: eine Literaturverfilmung, die möglicherweise dem, der das Buch kennt, zumindest durch den Wortlaut und wenn er/sie gelegentlich die Augen schließt, den als gesprochenen zu Gemüte zu führen vermag; dem aber, der das Buch nicht kennt, überhaupt nicht klar zu machen versteht, worin nun die Qualitäten diese Buches liegen mögen – und leider: die Verfilmung reizt nicht mal dazu, zum Buch zu greifen. Vielleicht eine liebevolle Hommage an ein Buch, das vor allem die Grenzen des Machers aufzeigt – er muss ja dem Buch nicht gewachsen sein.

Aus der Distanz besehen: eine intensive leere Hülse von Kino.

Ein griechischer Sommer

So hat Europa vor Jahrzehnten von Griechenland geträumt; das Land, das nach Italien als Touristenparadies entdeckt worden ist: Griechische Inseln, Meer, Sonne, Tintenfisch frisch gefangen, Boote und Tauchen und Grotten und Kreuzfahrtschiffe.

Vielleicht wollten Olivia Burynoghe, die das Buch geschrieben hat und Olivier Horlait, der die Regie geführt hat, dem ganzen Desaster mit den griechischen Schulden und dem Chaos und der Korruptheit etwas Positives gegenüberstellen; eine unbeschwerte Griechenland- und Inselgeschichte. Die Geschichte von einem Jungen, der bei seinem Vater lebt, welcher den Tod seiner Frau nicht verarbeiten kann und jede Liebenswürdigkeit verloren hat, ein Fischer, der mit dem halbwüchsigen Buben/Sohn in einen Häuschen in einer einsamen Bucht wohnt.

Dieser Junge leistet Schmuggeldienste für den Vater. Er bringt unkontrolliert Schnaps auf ein Schiff zum Kapitän. Bei diesem findet er in einem Nebenraum ein jammerndes Vögelchen, ganz jung, aber schon recht groß, wie ein schmuddeliges Entlein. Er sieht sicher sich selbst darin, bekommt Mitleid, will den Vogel unbedingt haben. Aber der Kapitän kennt kein Erbarmen. Nur gegen Bares will er das Tier hergeben, sonst soll es verrecken in seinem traurigen Käfig. Die 60 Euro, die der Bub für den Schnaps bekommen hat, die kann er nicht her geben; aber ein goldenes Kreuz von seiner Mutter, das er an einer Kette um seinen Hals trägt, das akzeptiert der Seemann.

Dieses schmuddelige Vogelwesen ist ein Pelikan, so stellt es sich schon bald heraus. Der Junge muss ihn vor seinem Vater verstecken und auch dafür sorgen, dass Pelikan und Ziege miteinander auskommen. Fast ein Fabelfilm. Oder die Ziege des Monsieur Séguin. Den Pelikan tauft er Nicostratos. Der wächst und wächst und es wird immer schwieriger, ihn zu verstecken. Wie er fliegen kann, da ist er nicht mehr zu verbergen.

Der Pelikan wird zur Attraktion auf der Insel. Ein Ausflugs- oder Kreuzfahrtschiff macht plötzlich regelmäßig Halt, die Touristen wollen mit dem Pelikan fotografiert werden. All das behagt dem Vater überhaupt nicht. Ihn spielt der berühmte Regisseur Emir Kusturica als einen misanthropen Mann mit Zottelhaar, ungepflegt, mürrisch, misstrauisch der Welt und den Menschen gegenüber, auch wenn er immer wieder, wenn er einem anderen Menschen nahe ist, ganz lustige Zwinkerspiele mit den Augen macht.

Da wir eine beschwingte, so ist sie wirklich gemacht, heitere Sommergeschichte vor uns haben, darf die erste Liebe nicht fehlen. Es ist Angeliki, eine Verwandte des Dorfwirtes, die im Sommer aushilft und deren deutsche Synchronstimme immer ganz kindisch lacht. Auch diese eine sommerlich-unbeschwerte, von Meer und Ägäis-Luft durchzogene Erste-Liebe-Geschichte ist keine Tragödie. Die Tragödie, die passiert nach etwa einer Stunde. Da habe ich mich kurz gefragt, wie sich der Film jetzt noch derrappeln will.

Aber er tut es. Es ist ein Film eher im Sinne des Eskapimus – oder der Nostalgie, wie in eine ferne, vergangene Zeit, aber in dieser meisterlich gekonnt gemacht. Wobei unser Griechenlandbild heute ein doppelt anderes ist, einmal die düsteren Wolken der nahen Pleite vor Augen und andererseits die Erreichbarkeit, die nichts besonderes mehr ist im Vergleich zu Zeiten des aufkommenden Massentourismus in den 60ern und 70ern des letzten Jahrhunderts. Da wurden hier noch Filme wie „Griechische Feigen“ von Siggi Götz gedreht.

Savages

Savage, das Wort aus dem Titel, erhält in der deutsch synchronisierten Fassung am Schluss eine Interpretation, die nun nicht unbedingt mit dem vorher Gesehenen korrespondiert, am Schluss meint die Erzählstimme von O mit „savage“ die Rückentwicklung zur ursprünglichen Daseinsform. Ob damit Rousseaus „edler Wilde“ gemeint ist – die Antwort des Filmes auf diese Frage dürfte eher „nein“ sein.

War es doch Metzelei und Brutalität pur, die uns Oliver Stone vorher fast zwei Stunden lang in atemberaubendem Tempo und cinematographisch brilliant um die Ohren gehauen hat. Das wird hier dem Publikum nicht unbedingt schmecken, diese oft platte Brutalität, die den Figuren wenig Chancen zur Differenzierung gibt. Die sich aber mit dem decken dürfte, was wir hier doch immer mal wieder in den Zeitungen über den Drogenkrieg in Mexiko lesen, wobei die Zeitungen vorsichtshalber keine Bilder abdrucken. Eine Ergänzungsleistung zum Informationsauftrag der Medien.

Es fängt entspannt kalifornisch an. Unsere drei Hauptfiguren sind Blake Lively als O (Ophelia), die mit Taylor Kitsch als Chon, der als Seal in Irak und Afghanistan das Töten gelernt hat, und mit Aaron Taylor-Johnson als Ben, der ein Drogen-Zucht-Tüftler und Buddhist ist, ein lockere Ménage á Trois führt, verführerisch schön, man denkt zurück an die sorglose Hippie-Zeit.

Zum Problem für unsere sorglosen Drogenproduzenten wird allerdings, dass sie immer erfolgreicher werden. Dies bleibt nicht unbemerkt von mexikanischen Drogenkartell B’aja. Salma Hayek muss keine Miene verziehen, um der Gangsterchefin cineastische Glaubwürdigkeit zu verleihen. Sie will sich ihren Anteil an diesem Geschäft abknöpfen.

Das Kartell sucht also den Schwachpunkt des kalifornischen Trios. Das ist O. Sie wird also entführt. Damit zappeln Chon und Ben hilflos im Gangsternetz gefangen. Sie versuchen mit allen Mitteln O vom weit überlegenen Gegner zurückzubekommen. Dieser Kampf um O., der mit grausamen Mitteln geführt wird, füllt den Hauptteil des Filmes, eine wahre Kinoorgie an Bildern.

Trotz aller Brutalität ist Distanz Oliver Stone nicht unbekannt, er fächelt mit dem Genre, wenn er O in der sphärischen, deutschen Variante leicht lasziv gesprochen von Anja Stadlober, erzählen lässt, wie sie sich den Schluss eigentlich vorgestellt habe. Und wie es, wenn überhaupt, wirklich war.

Lado, Benicio del Torro, liefert die ein für alle Male gültige mexikanische Banditenfresse, man hat das Gefühl, die schon x-fach gesehen zu haben, wenn auch mit anderen Darstellern. Stone versucht gar nicht, sich abzuheben von B-Pictures dieser Art. Ein Feuerwerk an Brutalität.

Der Haupteindruck des Filmes ist diese Gegenüberstellung, der verträumten, zivilisatorischen westlich-kalifornischen Lebensart mit dem brutalen Drogenkrieg, wobei der Kalifornier Chon als ehemaliger GI die amerikanische Variante der Kriegsbrutalität in den Film einbringt.

Go ahead, make my day.