Ein Basketballfilm mit angenehm wenig Sport drin. Denn es ist auch ein Holocaustaufarbeitungsfilm. Das Glanzstück an diesem Film von Eran Riklis, der mit David Akerman und Gidon Maron auch das Buch geschrieben hat, ist der Hauptdarsteller Danny Huston als Max Stoller. Ein Figur, die in ihrer Leinwandpräsenz und -dominanz entfernt an Orson Welles erinnert, wenn diese Präsenz vielleicht auch etwas zurückhaltender, aber nichtsdestoweniger geschmeidig, auch angenehm in der Stimme ist.
Aber wo viel Licht, da viel Schatten. Im Vergleich zum Hauptdarsteller könnte der gesamt deutsche Zu-Cast als Mr. Klotz bezeichnet werden. Das war ja vielleicht mit Bedacht so gemacht von Riklis; handelt es sich doch bei der Hauptrolle um den legendären israelischen Basketballcoach Max Stoller, eine Lichtfigur.
Der Film spielt Anfang der 80er-Jahre in Frankfurt. Max Stoller ist dort als Junge jüdischer Eltern aufgewachsen. Hat den Holocaust überlebt dank rechtzeitiger Flucht mit der Mutter nach Israel. Dort ist er ein genialer Basketballcoach geworden. Ein Erfolgsmensch. Er soll nun die deutsche Basketballnationalmannschaft aus ihrem Dornröschenschlaf wecken und fit für die Olympiade 1984 in L.A. machen.
Sein Engagement führt dazu, dass die Mannschaft bei der Olympiade antritt und sogar einen Platz unter den ersten zehn erobern wird. Aber das ist nur eine kurze Notiz im Abspann. Ein Glanzgeschichte.
Womit wir allerdings zur zweiten Schattenseite kommen. Stoller ist erfolgreich, ihn scheint der Holocaust nicht allzu sehr zu quälen. Er hat keinen Grundkonflikt. Warum er das Engagement in Frankfurt annimmt, wird nicht richtig klar. Jedenfalls nicht primär, um die Spuren seiner Herkunft, seiner Geschichte und die Folgen eines in der Kindheit geklauten Tortenstückes (damit in Verbindung glaubte er, sei sein Vater umgekommen) zu erkunden.
Stoller will lediglich ehrgeizig zeigen, was er aus einer Mannschaft machen kann. Aber dieses Ziel wird auch nicht dezidiert angegeben. Zu sehr scheint es Riklis darauf anzukommen, einen Vorwand zu finden, Stoller zu benutzen, um Holocaust-Problematik hervorzuholen. Und prompt wird Stoller gleich bei seiner Ankunft nach seinem Judenschicksal und nicht nach Basketball gefragt. Ihn interessiert nur der Basketball.
Trotzdem wird er die Spuren seiner Vergangenheit in seiner Freizeit suchen. Wird in dem ehemaligen Wohn-Quartier in Frankfurt Umschau halten. Sein Vater hatte eine Möbelmanufaktur. Einen Sessel daraus wird er in der Wohnung wieder finden, in der er als Bub gewohnt hat. Dort trifft er auf eine Türkin mit einer halbwüchsigen Tochter. Der Mann und Vater ist abgehauen. Er ist inzwischen mit einer Deutschen verheiratet und habe ein Kind mit ihr. Auch Türken haben schwere Schicksale, will der Autor uns damit zeigen. Und nicht nur Türken.
Denn auch Deutsche können schwere Schicksale haben. Das wird in der Basketballnationalmannschaft deutlich. Dort hat der Kapitän gerade ein Problem, weil sein Vater sich umgebracht hat.
Stoller will den sportlichen Erfolg und in der Freizeit bewegt er sich im Melodram, oder frönt seiner Liebe zu teuren Uhren. Und wie es die Filmförderung so will, gibt es einen Anlass, an den Bodensee zu fahren (bei welchem aus Mangel an zwingenden Ideen der Ansatz einer Bettszene zwischen Jude und Türkin im seidenen Negligé, typisch für Clofrauen, stattfindet), denn auch die Filmförderung Baden-Württemberg (MFG, Geschäftsführerin Gabriele Röthemeyer) hat Geld in dieses Projekt gesteckt, was es im Kino schwer haben dürfte, das das Drehbuch sich den Grundkonflikt der Figuren nicht genügend dramaturgisch überlegt hat und aus diesem Grund die Grundidee (wenn es denn eine gegeben hat, außer, dass es ein reales Vorbild zu der Story gab) mit irrelevanten oder nur dem moralischen Zeigefinger dienenden Parallelkonflikten von Nebenfiguren kompensiert oder verwässert wird.
Trotz weiterer Förderung von HessenInvest-Film, (Vorsitzender der Bewertungskommission: Herr Günter Schmitteckert), Eurimages, Deutscher Filmförderfonds (Bernd Neumann, Staatsminister für Kultur und Medien), Filmförderungsanstalt (Vorstand Peter Dinges), dem deutsch-französischen Abkommen und dem Rabinovitz-Fonds in Tel Aviv, scheint es sich um einen eher armen Film zu handeln; ein VW mit Frankfurter Nummer, der auch am Bodensee zu sehen ist; wunderbare Fußgängerzonenpoller, wie es sie damals gewiss nicht gegeben hat; man sieht ständig und überall, dass es heute offenbar kaum mehr möglich ist, das Frankfurt der 80er Jahre original nachzustellen; so rapid verwandeln sich unsere Städte, das ist noch so eine Erkenntnis, die der Film liefert, wohl eher unfreiwillig.
Aber so Dinge könnten Nebensächlichkeiten sein, würden nicht weiter stören (wie beim „Carlos“ von Olivier Assayas die Wiener Trambahn mit der Aufschrift „Extrafahrt“), wenn das Buch ein richtig gutes Kinodrehbuch wäre. Das Haupthandicap scheint mir zu sein, dass die Figur Stoller als eine entworfen ist, die ihr Leben gemeistert hat, dass er inzwischen sogar meint, er habe eine ganz normale Kindheit verlebt, dass er keine Probleme habe, aber die Umwelt mit ihm. Er spielt das wunderbar, wenn er versonnen in die Konditorei Preußer hineinschaut, wenn er seine Kindheitswohnung betritt, ohne Pathos, ohne die in solchen Fälle gerne bemühte Überdeutlichkeit.
Zwielichtfigur Hanns Zischler guckt mehrfach in die Kamera in der Halle, wenn er hinter dem Funktionärstisch sitzt; hat Rolle offenbar überhaupt nicht im Hinblick auf speziellen Habitus und Attitüden von Sportfunktionären studiert; wirkt in Momenten eher wie ein Gestapotyp. Aber da er wohl mehr ein Auf-den-Punkt-Gehen-und Sprechen-Schauspieler ist, tut er sich vermutlich schwer mit einer Rolle, die vor allem perzipieren muss. Seine Hakenkreuztrophäen liegen zuhause jederzeit griffbereit noch herum ohne jedes Staubkörnchen drauf. – In der Manufaktur Stoller ist jetzt eine Disco.
Fazit: ein souveräner jüdisch-israelischer Coach bringt eine verunsicherte, nicht allzu elegante deutsche Basketballnationalmannschaft unter die Top Ten bei der Olympiade in L.A. 1984. Als Teigmasse zwischen die wenigen, zielführenden Aktionen dienen diverse Schicksale und Schicksalsschläge von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und unterschiedlichen Glaubens sowie unverarbeitete Gewissenbisse, Konflikte, von denen keiner gründlich ausgearbeitet und ausgebreitet wurde; dies alles zu einem melodramatischen Tortenstück vermampft.