Lost Place

Der Film fängt gewinnend an, comme il faut für einen Horrorfilm und jeglicher Hinweis darauf, dass es sich um einen geförderten, deutschen Film handelt fehlt; aha, kapieren die doch allmählich, was Genre ist?

Zwei Freunde, Daniel und Thomas, verabreden sich übers Internet mit den ihnen unbekannten Mädchen Elli und Jessi zu einer Geocache-Schatzsuche. Die Dialoge sind zielführend, weder gespreizt noch verkopft wie so oft im deutschen Film, denn die Handlung bedingt die Texte, welche Abzweigung nehmen, dass man sich den einen oder anderen anders vorgestellt habe. Oder was die GPS-Schnitzeljagd an Aufmerksamkeit und dialogischem Austausch verlangt.

Auch 3D scheint durchaus lustvoll eingesetzt. Die Fahrt führt immer tiefer hinein in den Pfälzer Wald, es gibt Warnschilder, ein mit einer Eisenkette verschlossenes Gittertor, erste Hinweise auf den Horror, gut dosiert. Die Kette wird in jugendlicher Sorglosigkeit aufgebrochen, das Atomwarnschild am Gitter beachten sie kaum, packen es gedankenlos, eher Trophäe denn Angstmacher, in den Kofferraum des Autos und fahren weiter, denn GPS ist garantiert Wahrheit und auch Lösung.

Schließlich gelangen sie zu einem verlassenen, vernachlässigten Campingplatz, der allerdings so aussieht, als hätte der Ausstatter ihn etwas zu deutlich auf verlassen gestylt. Die Kids lassen sich davon nicht irritieren, versuchen eine Mischung aus Überraschung und Neugier zu spielen.

Das GPS führt die Jugendlichen noch zum anliegenden See. In dessen Tiefen liegt die Zielbox; sie enthält diverse Utensilien, unter anderem Haschkuchen.

Bis hierher war die Story recht vereinnahmend und zielführend präsentiert. Aber an dieser Stelle scheint Thorsten Klein, den Regisseur, der mit Lena Vurma auch das Buch geschrieben hat, plötzlich der Horrorinstinkt verlassen zu haben. Jetzt lässt er seine Protagonisten rumhängen am See, träumen, ja er setzt sogar eine Romantic Comedy zwischen Daniel und Jessi in Gang, scheint unsicher, wie seine Hauptlocation einsetzen, ein Eisenkonstrukt von Sendemasten und mysteriöser Anlage der Amerikaner im Pfälzer Wald als Relikt des Kalten Krieges, das HAARP (High Frequency Active Auroral Research Program), ein Manipulationsversuch des menschlichen Gehirns, sowie Horror-, Blitz- und Käfereffekte, wie der Filmemacher also mit diesem und der eben begonnenen Love-Story jetzt noch einen Film zusammenmixen soll.

In diesem lähmenden Dilemma hat der Autor sich vielleicht an Brecht erinnert, der in einer solchen Situation skrupellos den reitenden Boten des Königs als ein Deus ex Machina eingesetzt hat; hier erfindet unser Autor einen Mann in einem schwarzen Ganzkörper-Schutzoverall, den lässt er allerdings nicht vom Himmel plumpsen, sondern aus einem Wohnwagen kommen, ganz praktisch, so scheint es, wenn das vielleicht auch noch die Künstlergarderobe war.

Dieser nicht reitende, eher delirierende Bote des Drehbuchautors im Strahlenschutzanzug soll nun zur Erhöhung der Spannung ein paar Informationen in den Film einbringen. Das will jedoch durch die unklare Haltung der Figur nicht richtig gelingen. Zu vieles bleibt im Dunkeln. Wenn eine neue Figur in einen Film eingeführt wird, die nur für Informationen beispielsweise zur Erhöhung des Horrorkitzels gedacht ist, so wäre eine eindeutige Definition hilfreich, zB der Tankwart an der letzten Tankstelle vor der Wildnis oder der Wirt in der letzten Kneipe vor der Horrorregion, also einer neutralen Figur außerhalb des Horrors und nicht eine dubiose Figur, die dem Horror selbst entsprungen scheint und somit statt Spannung zu erzeugen nur Verwirrung stiftet. Das wirkt, als würde die Horrorabsicht über ihre eigenen Füße stolpern. Ein Wirt ist in solchen Situationen eine klare Charge. Mit diesem Strahlenanzugmann wurde jedoch eine Figur eingesetzt und gecastet, die sich offenbar damit nicht zufrieden geben kann, und die statt Spannung zu erzeugen ablenkende Aufmerksamkeit, gar Verständnis zu heischen scheint. Nicht gut für einen Akteur, der als besonderer Gast mit einem bedeutungsvollen „und“ in der Liste des Hauptcastes vermerkt werden will.

Was bleibt sind schöne, teils tüftelige Bilder und eine dicke, fette Musiksauce, mit der der Regisseur offenbar zum eigenen Nachteil seine innere Stimme übertönt sowie Akteure, die von Drehbuch und Regie allein gelassen wirken.

Paranoia – Riskantes Spiel

Ein junger Mann, Generation Praktikum, hat kaum Aufstiegs-Chancen in der großen Firma, in der er arbeitet. Er lässt sich auf einen riskanten Deal, ein riskantes Spiel ein, macht eine wichtige Erfahrung und besinnt sich auf die wahren Werte, wird zum Start-Up-Gründer, das ist die wenig paranoide Moral dieses Filmes, der von jener Paranoia erzählt, die offenbar Asse im Geschäftsleben entwickeln, um oben zu bleiben, um kleine Rachegelüste auszuleben, um sich im Millionen- und Milliardengeschäft zu behaupten und auszubreiten.

So sorgfältig wie Jason Dean und Barry Levy das Drehbuch, Grundlage ist ein Roman von Joseph Finder, geschrieben haben, so sorgfältig hat Robert Luketic den Stoff verfilmt. Und so sorgfältig wurden die Figuren gecastet.

Der Protagonist, Liam Hemsworth als Adam Cassidy, ein ideal prototypischer, junger Amerikaner, muskelbepackt, schöne, große Augen, keine Ecken und Kanten. Er träumt den amerikanischen Traum vom Aufstieg, vom Nach-oben-Kommen.

Die Realität sieht anders aus. Immer ganz unten bedeutungslose Jobs machen und wie er, so seine Freunde. Bei einer Präsentation vorm obersten Boss seiner Firma Wyatt, Gary Oldman als Nichoals Wyatt, nimmt Adam, der die Meinungsfreiheit hoch einschätzt, den Mund zu voll. Er wird entlassen. Verfügt aber noch über eine Credit-Card der Firma, mit der er und seine Freunde umgehend eine Sause steigen lassen.

Adam hat jetzt Schulden. Daran nagelt Wyatt ihn fest. Gericht und alle Konsequenzen oder für Wyatt ein Geheimauftrag, eine Spionageaktion bei seinem ehemaligen Mentor und heutigen Konkurrenten, Harrison Ford als Jock Goddard; er hat die Wahl.

So gerät der brave, naive Adam, aber er hat es so entschieden lässt er uns gleich eingangs wissen, auf das total überwachte Feld des Games der beiden Konkurrenten, wird zum Spielball der beiden und wird dadurch eine schlimme Erfahrung machen, aus der er aber seine Lehre zieht und seinem Leben nun reflektiert einen (traumamerikanischen) Sinn geben wird.

Aktuell ist der Film vielleicht vor allem wegen der diversen Methoden der Überwachung und Sicherung, die hier teils detailliert ins Bild gerückt werden, die einem Angst und Bang werden lassen; und wo man sich noch weniger über den Prism- und den NSA-Skandal wundert. Diese Welt der Macht, die ist paranoid, die ist weit weg von fair und demokratisch. Das wiederum allerdings schwante uns schon lange. Wird hier aber aufs Neue und sehr gepflegt gezeigt. Die Besetzung hat Figuren ausgesucht, die von der Geschichte in keiner Weise ablenken.

Room 237

Der Zuschauer darf hier muntere 103 Minuten lang teilhaben an einer geist- und kenntnisreichen, nicht unbedingt tiefschürfenden oder gar todernsten Plauderei von filmgebildeten Menschen über Stanley Kubricks „Shining“.

Wobei der Begriff Plauderei insofern nicht ganz stimmig ist, als Bill Blakemore, Geoffey Cocks, Juli Kearns, John Fell Ryan und Jay Weidner von Regisseur und Drehbuchautor Rodney Ascher nicht zu einer Talkrunde zusammentreffen lässt, sondern deren Statements, Reflexionen, Bemerkungen und Interpretationen zum Film unter lockeren Zwischentitelpunkten aneinanderreiht und mit Ausschnitten aus „Shinging“ sowie Clips aus anderen Kubrickfilmen und aus der Filmgeschichte oder gar aus der politischen Geschichte bebildert.

Die Interviewten, das sind ein Journalist, ein Geschichtsprofessor, eine Dramaturgin, eine ehemaliger Video-Bibliothekar, ein Autor und Filmemacher. Sie haben alle ihre je eigenen Geschichten, Entdeckungen und Spekulationen über „Shining“. Voraussetzung für ihre Bemerkungen ist die Grundübereinstimmung, dass Kubrick sich immer was gedacht habe bei seiner Inszenierung; wobei Fälle von Anschlussfehlern, wenn ein Stuhl im Hintergrund beim nächsten Gegenschnitt plötzlich nicht mehr da ist, als Anschlussfehler gewertet oder eben anderslautend interpretiert wird.

Schier zur Verzweiflung bringen kann die Nachhaker die Architektur des Overlook Hotels am Center Lake. Da gibt es in Büros Fenster mit sehr viel Licht, in denen kein Fenster sein kann. Da landen zwei Darsteller nach einem langen Weg zwar in einer Toilette, die muss aber räumlich wieder im eben durchquerten Ballsaal liegen. Da ist das Muster am Boden, wenn Danny seine Spielzeugbahnen aufgestellt hat, erst offen und ein gelber Golfball rollt hinein. Im Moment aber, wo Danny aufsteht, ist das Muster geschlossen. Das dürfte nun kein Zufall sein.

Dass sich herrliche Überschneidungen ergeben, wenn man den Film gleichzeitig von vorn und von hinten auf eine Leinwand projiziert, dürfte weniger am Kalkül Kubricks als daran liegen, dass er den Gegenstand, den er betrachtet, meist sehr mittig inszeniert. So dass deutungsvolle Überblendungen bei diesem Vice-Versa-Projektionsverfahren zwingend entstehen müssen.

Blut, dieser kostbare Saft, lässt viele Interpretationen zu. Das Hotel liegt auf einem ehemaligen Indianerschlachtfeld. Und für die Zahlenmystiker hat der Kinomeister genügend Hinweise in die Ausstattung eingearbeitet, die die ganze Nazizeit als Unterlage unter den Film beamen können, das fängt schon mit der Adler-Schreibmaschine an.

Rodney Ascher versucht in einem Kapitel, die Essenz aus dem Film herauszuziehen, er, resp. seine Interviewpartner, versuchen „patterns of culture und civilisation“ aus dem Film herauszulesen oder sie versuchen im nächsten Kapitel, Wege aus dem Labyrinth zu finden – der Rückwärtsgang kann dabei ganz hilfreich sein.

Angelpunkt für Interpretationen bietet in einem weiteren Kapitel der geheimnisvolle Bill Watson. Die Gesprächspartner versuchen durch die Geschichte hindurchzusehen, die Gräueltaten der Geschichte als nicht länger existierend anzunehmen, nicht länger Opfer der Geschichte zu sein. Worte, die sicher über viele Filme gelegt werden können. Aber spekulieren macht eben Spaß, der wird hier als solcher vermittelt. Das Zimmer 237 wiederum ist das Zimmer ohne Ausgang, das Zimmer für Sex, eine hermetisch verschlossene Realität. Und wie war das nach Shining? Hat überhaupt einer das Thema kapiert bei all der Labyrinthizität? Da kann vielleicht die nochmalige, gründliche Vorwärts-Rückwärts-Projektion eine Antwort geben.

Zum Geburtstag

Hier trägt der französische Rationalismus in einer aparten, deutsch-französischen Mischproduktion einen schier archaischen Liebeskonflikt als nicht lösbar aber zum Zuschauen zwingend vor.

In der spröd-emotionalen Erzählart des DDR-Kinos schildert Denis Dercourt, der Autor und Regisseur dieses Filmes, die Ausgangslage in den 80ern im Osten Deutschlands. Einzig die Farbgebung trägt einen Touch französischen Impressionismus‘ bei. Sommer, Sonne, See; nichts kann die Idylle trüben. Die Jugend liegt am Strand. Ein Paar taucht auf. Es sind Anna und Georg. Am Strand sitzt einsam der verliebte Paul. Er hat einen Liebesbrief an sich von Anna gefälscht. Er drückt den Georg in die Hand, während Anna gerade nicht da ist. Georg ist bereit, Anna abzugeben, wenn Paul ihm eine andere verschafft. Paul zeigt spontan auf ein Paar Punks. Georg geht hin, unterhält sich kurz, entnimmt dem Rekorder die Kassette mit (verbotener) Rockmusik. Er entfernt sich, die schwarzhaarige Frau hinter ihm her. Paul kann jetzt die freigewordene Anna küssen. Der Pakt, den sich Georg für diesen Frauenverzicht ausbedungen hat, war der, dass er, sollte er je zurückkommen, Anna wieder so erhält wie sie jetzt ist. Sie ist blühend hübsch.

Die Wege der beiden Freunde trennen sich, kreuzen sich Jahre später im Westen Deutschlands. Paul ist mit Anna verheiratet und hat eine erwachsene Tochter, die ihrer Mutter aus der DDR-Zeit an Schönheit nicht nachsteht. Paul arbeitet auf einer Bank. Er ist in spekulative Rohstoffgeschäfte involviert und verdient so gut, dass er sich ein herrschaftliches Gebäude als „Jagdschlösschen“ kaufen kann.

Eines Tages wird ihm Georg als neuer Chef vorgesetzt. Georg ist mit dem Punkmädel von damals verheiratet. Der Pakt ist nicht vergessen. Das Drama kann sich in kammerspielmäßig ruhigem Ton entwickeln. Seine Ingredienzien sind ein Erpresserfoto, das Paul mit seiner Assistentin in verfänglicher Situation zeigt und das sein vertrautester Mitarbeiter Daniel partout nicht als Fälschung entlarven kann; eine Jagdgesellschaft; ein Anschlag auf eine Kupfermine in Burkina Faso; die hübsche Tochter Emilie von Paul, die Begabung in Gitarre und Gesang zeigt und für die Georg, der früher Musikproduzent war, von Interesse ist; die Geburtstagsparty für Emilie bringt alle Beteiligten des Konfliktes zusammen, spitzt das Drama radikal zu und löst es schließlich abrupt und überraschend auf.

Briefe spielen eine Rolle wie im guten alten Bühnendrama. Durch den Verzicht auf realistische Charakteristika bei den Figuren tritt deutlich das Modellhafte an dem Fall zutage. Wie ein Doktor Faust vor seiner Wandtafel referiert Denis Dercourt seinen Fall, der zwar in Form eines spannend gebauten Vortrages daherkommt, aber in seiner Gesamtheit eher ein Abstraktum bleibt, ein gepflegtes Arthouse-Produkt, Arthouse-Confiserie mit klassischer Salonmusikbegleitung – des Regisseurs erstes Studium war Bratsche, die er hier kenntnisreich einsetzt, um seinem Vortrag über einen modellhaften Ur-Liebes-Konflikt eine Feierlichkeit zu verleihen; in welcher besonders die deutschen Schauspielerinnen mehr Charme und Sinnlichkeit entwickeln als in ihren deutschen Filmen, bis auf Sophie Rois als Yvonne, die die Negativeinstellung des DDR-Punks nahtlos in ihr westdeutsches Erwachsenenleben hinüberrettet.

Zwei Leben

Eine schaurig-schauderhafte Geschichte, die uns Georg Maas, der mit Christoph Tölle auch das Buch geschrieben hat, hier auftischt, ein schauderliches Stück Kino, ständig hin- und hergerissen zwischen Horror und Melodram.

Den speziellen Kick erhält dieses Teil dadurch, dass es auf Tatsachen beruhe und nicht auf Erfindungen – wobei im Abspann zu lesen ist, dass einige Dinge nie aufgeklärt worden sind. Die haben die Autoren gezwungenermaßen nacherfinden müssen, was man ihnen auch ansieht.

Es geht auf die Nazizeit zurück. In Norwegen haben Nazis mit Norwegerinnen schätzungsweise 11.000 Kinder gezeugt, so das Presseheft. Diese wurden als „von gutem nordischem Blut“ für „hochwertig germanisch“ und „rassisch wertvoll“ erachtet. In Kinderheimen mit dem Namen „Lebensborn“ wurden diese Kinder „zur Förderung des germanischen Erbgutes für das Deutschtum“ untergebracht und aufgezogen, nachdem sie ihren Müttern weggenommen worden waren.

Etwa 250 von diesen Kindern seien nach Deutschland ins SS-Kinderheim „Sonnenwiese“ verschleppt worden. Dieses lag auf dem Gebiet der späteren DDR. Nach den Nazis kommt jetzt die Stasi ins Spiel. Die hat versucht, angeregt durch Ausreisegesuche solcher Kinder, die ihre Mütter suchten, Agenten in den Westen zu einzuschleusen. Hochkompliziert alles und nicht einfach nachzuerzählen.

Um eine derart angeworbene Agentin handelt es sich bei unserer Hauptfigur. Die wurde mit falscher Vita und unter falschem Namen nach Norwegen eingeschmuggelt. Sie fand ihre vermeintliche Mutter. Die wird gespielt von der großen Liv Ullmann, die auch wirklich ihre Tochter anschaut in den Momenten der Wahrheit. Ihre vermeintliche Tochter, also die DDR-Agentin, heiratet einen U-Boot-Kapitän, wird Mutter einer Tochter, und der Film versucht, uns das glückliche Familienleben mit belanglos nacherfundenen Familienszenen rüberzubringen, die eben nur erzählen, hier möchte ein Filmemacher ein glückliches Familienleben „zeigen“. Was als Ausgangslage für einen Konflikt und eine dramatische Handlung denkbar ungünstig ist.

Wie denn sowieso mehr Arbeit auf das Drehbuch hätte verwendet werden müssen. Um einerseits die geschichtliche Information plausibel verdaubar für den Zuschauer rüberzubringen, andererseits speziell die Rolle dieser Agentin, dieser Figur aus purer Falschheit zuerst einmal mit Sympathie aufzuladen, was hier nicht passiert, mit Empathie zumindest, um anschließend beim Entblättern der Wahrheit eine umso drastischere, horriblere Wirkung zu erzielen. Das passiert hier nur über die Besetzung.

Auch das sorgsame Aufrechterhalten dieser Fassade, denn es ist kaum zu erwarten, dass sie die falsche Grundlegung ihres „Glückes“ je vergisst, gerät dadurch außer Acht. Das wäre vielleicht ein Duktus ähnlich vergleichbar mit dem Sonderduktus eines Alkoholikers, der nicht auffallen möchte und der sich an seinem etwas deutlicher beherrschten Gang als dem seiner Mitmenschen verrät. Solche Arbeit an der Rolle scheint allerdings nicht geleistet worden zu sein. Vielmehr wirkt es so, als hätte ein Fundstück aus der Nazizeit, ein brisantes ohne Zweifel, als Vorwand für eine Degeto-Bedröppel-Geschichte mit zäher Musiksauce drüber herhalten müssen.

Juliane Köhler spielt diese Hauptfigur. Wie stellt sie diese kaum spielbare Person der Katrine Evensen Myrdal nun dar? Mit viel falschem Lächeln in der ersten Phase des Familienglücks, mit nervösem Reiben der Fingerkuppen aneinander bei manchem Textaufsage-Stellen in dieser falschen Rolle der erschlichenen Tochterschaft von Liv Ullmann oder mit deutlichem Widerwillen gegen das Kanu, das sie aus dem Wasser hieven muss, da zu ihrem falschen Leben auch das Kanufahren gehört – und mit vielen irren Blicken, teils mit aufgerissenen Horroraugen und nach und nach immer mehr schuldhaft bedröppelten Blicken, je mehr ihre grausige Vergangenheit an den Tag kommt. Wenn sie aus der Panik aufzufliegen in die ehemalige DDR zurückkehrt und mit schwarzer Perücke unerkannt bleiben möchte, könnte man sie für eine Beate-Zschäpe-Verkörperung halten.
Frau Köhler spielt diese Katrine wie eingesponnen in diese falsche Welt; als ob sie diese Welt gar nicht richtig wahrnehme.

Alles Schwindel (TV, ARD)

Albert Wolf ist Museumswächter in Wien. Er langweilt sich in seinem Job und fängt an zu zeichnen. Er entdeckt sein Talent. Er fängt an Bilder aus dem Museum zu kopieren. Mit einem Kollegen macht er die Kunstwerke zu Geld, um sich eine schöne Wohnung und seiner Tochter eine erstklassige Ausbildung zu leisten. Er hat von Klimt den „Kuss“ kopiert und hängt die Kopie in das Museum, während er das Original in seinem Schlafzimmer hinter einem Vorhang verbirgt. Jetzt plant er mit dem Kollegen den Diebstahl seiner Kopie aus dem Museum. – Das, also wie aus einem unbescholtenen Biedermann ein Krimineller wird, könnte eine spannende Geschichte sein. Aber die Autoren Uli Brée, Gabriel Castaneda, Rupert Henning bringen diese Geschichte nur als extraterritorialen Beipackzettel in ihrem Drehbuch unter in Form von Sprechtexten der Darsteller und nicht filmisch spannend aus dem Charakter der Hauptfigur entwickelt. Das Skelett dieses Filmes, ohne welches er wohl in sich zusammenbrechen würde, als Exoskelett, als Fussnote reingeschmuggelt.

Im Falle von Albert Wolf (Figurcharakteristikum: fataler Hang zu Herzinfarkten), wird dieses grundlegende Defizit des Drehbuches allerdings einigermaßen aufgewogen durch die Besetzung mit Udo Samel und seiner runden, rundlichen Darstellung, in jeder Sekunde stimmig und glaubwürdig. Auch ist er ein guter Gauner, denn er tut es für seine Tochter Isabella gespielt von Ursula Strauss, die es mit der Schönheit der Klimtfrau aus dem „Kuss“ spielend aufnimmt. Ihr Charakteristikum ist ein Dauerniesen wegen ihres Mohair-Schals. Sie scheint dabei zu sein, in Paris eine wichtige Modedesignerin zu werden, die bald ihre eigene Linie auf den Markt werfen wird, auch letzteres lediglich Erklär-Info.

Allerdings wiederholen die Autoren ihren gravierenden Konstruktionsfehler bei der zweiten Hauptfigur, welche als solche schon problematisch ist, denn zwei Hauptfiguren erträgt kaum ein Film, hier aber vermutlich nicht direkt den Autoren, sondern dem Koproduktionsmodell von ORF und ARD geschuldet und also mit einem deutschen Schauspieler besetzt, der vom Outfit her gestylt ist wie Prinz Charles und ein farb- und makelloses Hochdeutsch spricht adäquat der Langweiligkeit des britischen Prinzen. Das Drehbuchdefizit wiederholt sich, indem auch hier die Vorgeschichte im Beipackzettel serviert wird: der Adlige ist geschäftlich eine Niete (wo er ein Ass sein könnte bleibt im Dunkeln), die Schreibmaschinenproduktion und sein Schloss sind hoch verschuldet. Benno Fürmann allerdings, der mit dieser Rolle des Grafen Leopold von Hohensinn betraut worden ist, vermag es nicht, die Drehbuch- (und später sicher auch: Regie)defizite zu kompensieren, da helfen auch Ansätze von gekünsteltem Stottern nicht; er spielt anfangs primär im Untertext: ich bin der Star. Das verwässert sich zusehends in Möchte-Gern-Lustig-Kollisions- und Einbruchsszenen in der Art von schlecht geprobtem Kindertheater ohne jeden Aussagewert im Sinne des öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrags.

Die Rekonstruktion der Geschichte, ausgehend von Albert Wolf, würde also so weitergehen, dass der Diebstahl des Klimt-Gemäldes Schlagzeilen macht und dem hochverschuldeten Leopold wie ein Geschenk des Himmels erscheint: denn mit der Versicherungssumme in dreistelliger Millionenhöhe wären alle seine wirtschaftlichen Probleme gelöst und er könnt vom mühsamen Konstrukt der Adaption eines zwielichtigen Russen als Adoptivsohn zurücktreten, welches einer der Anfänge des Filmes aus heiterem Himmel ist. Im Film ist die Figur Leopold sogar so dumm (und dumme Figuren sind selten attraktiv in Filmen), dass er den Rücktritt von der Adoption gleich vollzieht ohne sich über die Details des Versicherungsgeldes kundig zu machen. Wieso dem so ist, dass das Bild nämlich eine Dauerleihgabe der adligen Familie an das Museum ist, auch diese extraterritoriale Geschichte entnehme der Zuschauer bittschön einem der anstelle von Spielhandlung inkludierten Beipackzettel-Dialoge.

Von der Aufgabe einer Rekonstruktion der Geschichte durch den Zuschauer muss insofern gesprochen werden, als die Autoren den Strang mit Leopold, der in der ersten Geschichte ja erst in dem Moment akut wird, wo der Diebstahl des Gemäldes publik wird, diese zweite Geschichte schon viel früher dem Fernsehmodus der Kurzatmigkeit und des Asthmas huldigend in den Film einfädeln. Die Chance, die zweite Geschichte und deren Verwicklung in die erste elegant wie ein Stoß mit einer Billardkugel in Gang zu setzen, wird hier vertan.

In die erste Geschichte ist also die hübsche junge Frau eingebaut und in die zweite ein Tunichtsgut von halbjungem Adligem. Logisch, dass die junge hübsche Frau und der Adelige Tunichtgut bald schon zusammenprallen müssen – und das ist vorhersehbar inszeniert, ohne Witz, ohne Überraschung.

Haben die Autoren nun schon geworgt und gebogen, dass die Balken ächzen, um den Plot ohne klar Hauptfigur zusammenzustöpseln und mit dem einen oder anderen gut gemeinten Joke anzureichern, so wird die Regie von Wolfgang Murnberger vollends zum Drama, a) weil ihm die Produzenten zu wenig Drehzeit und also Geld eingeräumt zu haben scheinen, damit er sorgfältig inszenieren kann oder b) weil es ihn schlicht nicht interessiert hat und das schmerzt hinsichtlich des guten Namens, den er sich mit „Silentium“ oder „Der Knochenmann“ gemacht hat, außerordentlich. Hier ist alles nur Routine, schnelle, lieblose Routine. Die Schauspielerei wie Kasperltheater beim Einsteigen ins Schloss oder beim Bruch in die Wohnung von Wolf durch Leopold mit Kletterseil umgebunden rittlings in die Badewanne kippend.

Das wird fernsehgerecht – also nicht spannungserzeugend, sondern Auge und Geist lediglich beschäftigungstherapeutisch in Beschlag nehmend, damit der Geist aus dem Stückwerk von Szenen wenigstens ein Sachverhaltsskelett nachbauen kann, zubereitet; der Zuschauer solchermaßen abgelenkt, wird um den Genuss der Zwickmühlen der Figuren innerhalb ihrer schwindligen Lebensentwürfe und Taten, ihrer Tricksereien gebracht. Der Zuschauer wird lediglich rekonstruktiv beschäftigt statt erkenntnisgewinnend durch Überraschungen.
Der Titel allerdings, der stimmt durchaus und sowieso für den Charme des Österreichischen, in welchem das kalte Hochdeutsch von Graf Leopold besonders uncharmant wirkt.

Um abzulenken von den Schwächen von Drehbuch und Regie darf die dekorative Zutat zum untauglichen Fürstensohn, dessen demente Mutter Gloria, Bibiane Zeller, immer wieder TV-Werbung schauen, vom Zyklon-Staubsauger über die Bauchmuskelwerbung bis zur Kreuzworträtselfrage „prominenter Deutscher mit 9 Buchstaben“, fernsehtechnisch gesehen steckt dahinter vermutlich satirische Absicht.

Eine Brücke in die Welt (TV, BR)

Langzeitdokumentation als solches ist schon etwas Faszinierendes: Menschenentwicklung im Zeitraffer und mit nicht garantiert vorhersehbarem Ende. Maria Knilli (Redaktion Thomas Sessner) hat sich für ihre Langzeitdokumentation eine Schulklasse der Waldorfschule bei Landsberg vorgenommen. Seit 2007 begleitet sie die Schüler und ihre Klassenlehrerin, denn diese bleibt einer Klasse 8 Jahre lang in dieser Funktion erhalten. Hier nun der zweite Teil der Doku. Die Kinder sind anfangs 9 und am Ende 12 Jahre alt. Sie stehen am Übergang von der Kindheit zum Jugendlichen. Am augenfälligsten ist das hier zuerst allein am Volumen, was die Klasse anfangs des Filmes und am Ende des Filmes im Klassenraum einnimmt; es hat deutlich zugenommen.

Maria Knilli geht sehr klug vor, hat das Vertrauen zur Klasse und der Lehrerin längst gewonnen; sie stellt auch nicht einzelne Schüler als Stars in die Mitte; das ruhende Zentrum ihres Filmes ist die Klassenlehrerin Umbach, eine berufene, eine geborene Pädagogin. Genauer gesagt: eine geborene Waldorfpädagogin. Sie macht den Film zu einem klaren Votum für diese Schulphilosophie. Und das wird jetzt vor allem spannend, man möchte am liebsten sich zeitlich die nächsten drei Jahre vorausbeamen lassen und schauen, wie das ausgeht im dritten Teil. Einerseits die Rudolf-Steiner-Welt, die Goethe-Welt mit ihren Metamorphosen der Pflanzen, mit ihrer Tradition des Schultheaters, des Musischen, des Respektes vor den Menschen; auf der anderen Seite diese Kinder, die anfangen Jugendliche zu werden, Ablehnung gegen die Autoritäten zu empfinden, die einem enormen Einfluss der technischen Medien ausgesetzt sind (die haben in der Waldorfwelt nichts zu suchen); denen als übernächste Stufe eine Welt des gnadenlosen Wettbewerbes (der nicht weniger werden dürfte) in Handel, Industrie, Fabrikation, Wissenschaft, Management ausgesetzt sind, einer Welt des Diktates der Ökonomie, einer Welt des Mobbings, der Intrige, der Feinseligkeit.

An der Waldorfschule aber gilt der Gedanke des Miteinander, keiner soll ausgebremst werden. Jeder hat seine Qualitäten. Es gibt am Ende der ersten Schuljahre nur Wortbeurteilungen und die Versetzungsfrage stellt sich nicht. Die Schüler sollen Vertrauen in sich gewinnen. Sie sollen durch Üben die eigenen Grenzen erweitern. Sie sollen ihr Identität entwickeln können.

Als symbolische Vergegenständlichung des langen gemeinsamen Entwicklungsweges unternimmt die Klasse in den acht Jahren eine Etappenwanderung von Landsberg nach Venedig; die wiederum die soziale Struktur in der Klasse ganz schön durcheinanderwirbeln kann.

Der Titel dieses zweiten Teils der Langzeitdoku bezieht sich auf das Bild, dass die Eltern in die Selbstverwaltung der Schule und durch viele Veranstaltungen in den Entwicklungsprozess integriert werden; was als Pfeiler der Brücke interpretiert wird, über die der Weg der Kinder in die Welt hinaus führt; eine Brücke, die sie brauchen in einer Zeit enormer seelischer Veränderungen, in der heftige Krisen auftreten können. Bemerkenswert auch, dass die Pädagogin nicht von körperlichen Veränderungen spricht.

Ob die Gitarrenzupferei zur gelegentlichen Untermalung der Bilder nötig gewesen wäre, sei dahin gestellt.

Diese Landsberger Idylle hebt sich deutlich ab von Berichten über Lehrer mit frühem Burnout, mit riesigen Disziplinproblemen mit den Schülern. Davon ist im geschützten ländlichen Landsberg nichts zu spüren. Eine heile Welt?

Komm und Sieh, eine neue Filmseite

Mit großer Freude darf ich verkünden, dass Kollege Thorsten Krüger sich daran gewagt hat, eine eigene Filmseite ins Leben zu rufen: Komm und Sieh – World Cinema, Film International & US-Movies. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen!

Essenz des Lebens; Gila von Weitershausen (TV, BR)

Hier versucht ein Talkmaster aus seiner Interviewpartnerin das herauszuholen, was er vorher angelesen und recherchiert hat.

Er fährt mit ihr auf dem Sozius einer roten Vespa – und beide anständig behelmt – einen vorbereiteten Parcours durch München an Orte ihres früheren Lebens auf der Suche nach der Essenz ihres Lebens.

Die Babywiege für die Zweijährige, die mit „Gila“ und „1946“ beschriftet ist, hatte eine Nachbarin aus ihrem Elternhaus gerettet. „Das ist Ihre Kinderwiege, Ihre Babywiege.“ „Das ist unglaublich, wieso kann ich mich nicht daran erinnern“. Der Interviewer konfrontiert sie mit einem Foto ihrer Mutter und von sich selbst aus ihrer Kindheit im Garten ihres Elternhauses. Die Interviewte ist etwas überrascht, weiß nicht recht was sagen dazu und legt die beiden Bilder wieder sorgfältig in den gelben Umschlag und diesen in die regungslose Wiege. Gemüsegarten der Mutter. „Hier hatten wir lauter Rosen. Dahinter war unsere Spielwiese“. Der Interviewer bietet der Dame einen Apfel von einem Baum aus der Kindheit an.

Der Interviewer fährt mit ihr in die „Gruft“, ihre ehemalige Schwabinger WG-Wohnung aus dem Aufbruch der Sechziger. Sie wundert sich über das kleine Zimmer, in dem sie mit ihrem damaligen Freund und späteren Ehemann Martin gelebt hat. Viel Blabla über die Hochzeit. Fragen an die Interviewte: „Haben Sie schon Vorhänge gehabt? Und Kühlschrank? Und die Klamotten waren wo? … Hier ist viel passiert, Sie sind hier auch mal schwanger geworden?“

Zwei Dinge ärgern die Interviewte am meisten: die administrativ nicht anerkannte Mutterschaft ihres leiblichen Sohnes, der jetzt als der Sohn eines weltberühmten Regisseurs gilt, der aber nicht sein leiblicher Vater ist. Eine verflixt komplexe Geschichte, in der die Nouvelle Vague, Mexiko (Anlass für eine kleine Name-Dropping-Arie), der Code Napoleon, ein von Nonnen betriebenes Krankenhaus in Mexiko und auch ihr Ex-Mann Martin eine Rolle spielen.

Viel Blabla über die Hochzeit des administrativ nie bestätigten Sohnes in New York.

Der Interviewer versucht zur Essenz, zum Kern vorzustossen. Er möchte einen roten Faden im Leben der Interviewpartnerin finden. „Es ist die Schauspielerei, der magische Raum, der zieht sich durch mein Leben und den such ich immer noch und wenn ich in dem mich aufhalte, dann bin ich glücklich, nicht nur, aber…“ Sie möchte aber ausdrücklich nicht auf das Leben zwischen den magischen Räumen reduziert werden.

Der Interviewer heißt Jörg Seewald und stylt sich mit strenger, schwarzer Intellektuellenbrille und entsprechendem Blick; seine Interviewpartnerin ist die Schauspielerin Gila von Weitershausen. Der Interviewer beweist mit seinen Fragen, dass er sich kundig gemacht hat.

Der Gesprächspartnerin reicht es irgendwann: ich brauch ne Rolle, Herr Seewald, tschüss!

Sie wolle endlich wieder spielen, sagt Gila von Weitershausen an einer Stelle. Die Internet Movie Data Base berichtet indes von ganz guter Beschäftigung. Die neuesten Rollen: Frieda Winter in „Vorzimmer zur Hölle II – Plötzlich Boss“, TV-Movie; Ulrike Fischer in „Nur mit euch!“, TV-Movie 2013; Julia Langer in „Alles außer Liebe“, TV-Movie 2012; Dolores ‚Lore‘ Schmidt in „Der Schwarzwaldhof“ 2010 – 2012; Alexa Frey in „Familiengeheimnisse – Liebe, Schuld und Tod“, TV-Movie 2011 – das sind nur die neuesten von 148 Einträgen.

Vielleicht hätte das einen spannenden Knackpunkt für das Interview bilden können, die Frage nach der künstlerischen Erfüllung angesichts der Diskrepanz aus einer teils berühmten Vergangenheit mit Louis Malle und der aktuellen Aktivität in wie es scheint weiter nicht berühmter, industrieller Fernsehware, ob die dem Wunsch „ich will endlich wieder spielen“ gerecht wird und dann noch die Frage nach der Relevanz dieser Fernsehprodukte hinsichtlich des Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Da geht noch was!

Diese melodramatische Familiencomedy von Holger Haase, der nach einem Buch von Jens-Frederik Ott und Florian Fitz inszenierte, könnte man auch einen Komparationsfilm nennen. Denn eröffnet wird mit einer Werbung für das Weißwaschmittel „Wendy“, traumhafte Voralpenlandschaft bei traumhaftem Wetter mit traumhaft weißer Wäsche an den Leinen flatternd, dazwischen ein traumhaft weiß gekleidetes Mädchen und eine traumhaft weiß gekleidete junge Frau, die schier schweben zwischen all der Traumhaftigkeit. Mit diesem Weiß muss jede Hausfrau sich vergleichen – und sowieso jedes Glück mit solchem Waschmittelglück, denn Florian Fitz, der hier als Conrad einer der Hauptdarsteller ist, schaut sich den Spot im Fernsehen an und meint, so eine traumhafte Familie hätte er auch gerne.

Conrad ist der Sohn von Henry Hübchen als Carl und von Leslie Malton als Helene. Die Eltern leben getrennt. Der Vater ist ein mürrisch einsam Verbitterter. Die Mutter hat eben erfahren, dass sie nur noch ein halbes Jahr zu leben hat, auch ein Tumorfilm also, in dem die tödliche Krankheit aber nur peripher eine Rolle spielt. Denn das Zentrum ist eindeutig die Beziehung von Conrad zu Carl.

Die dramaturgische Konstruktion ist so gearbeitet, dass Vater und Sohn contre Coeur einige Tage zusammen in Vaters Haus verbringen müssen, dazu noch der mädchenhaft hübsche Junge von Conrad, engelhafte 13 Jahre alt. Die Dramaturgie hat den Werbespot von Beginn des Filmes nicht vergessen und wird nun in diversen Szenen zeigen, wie sich Vater und Sohn näher kommen, dem Waschmittelglück annäheren. Dazu ist wichtig, dass Papa in den leeren Pool fällt, weil der Enkel den ihn zu deckenden Bretterverschlag geöffnet und nicht wieder verschlossen hat. Insofern spielt der Enkel eine entscheidende Rolle.

Vom Poolfall an lebt Hübchen mit Halskrause und Stock seine anfangs des Filmes noch voll intakte Misanthropie filmhübsch aus. Das Familienglück am Ende differiert allerdings erheblich vom Waschmittelglück am Anfang, in der Realität setzt es auf dem Weg zum Glück blaue Flecken und Schrammen.

Hübchen und Fitz, das ist die große Qualität in diesem Film, sind Schauspieler mit Leib und Seele, sie erspielen sich sogar, wie sie das herstellen ist mir rätselhaft, solch eine Ähnlichkeit, dass sie durchaus leibhaftig Vater und Sohn sein könnten. Hier befruchtet die alte Generation die Junge und stachelt sie an.

Aber Fitz hat, da ist er noch nicht ganz von seiner Jesus-Rolle seines vorherigen Filmes losgekommen, eine Botschaft: kaputte Familienverhältnisse sind reparierbar so wie schmutzige Wäsche mit dem entsprechenden Waschmittel gereinigt werden kann. Das scheint mir gleichzeitig das Problem: dass die ganzen Situationen (wobei es allerdings nicht an bekannt komischen mangelt, wenn das Hündchen, während die Herrin telefoniert, aus dem Fenster springt – und man hört einen Aufprall auf Autoblech; Schnitt) doch vor allem auf das Versöhnungsziel hinaus konstruiert sind, dass das sozusagen ein „ad hoc“ Film ist, der deshalb gemacht wurde – quasi zum transzendenten Beweis der Waschmittelbotschaft von zu Beginn des Filmes. Insofern fehlt eine schlüssige, spannungserzeugende Handlung.

Sicher, Fitz will mit Frau und Kind nach Goa in den Urlaub fliegen. Er verpasst den Flieger. Er will auch ein Haus bauen, aber da tut sich gar nichts außer ein paar landschaftsschönen Aufnahmen auf Betonsockel.

Die Psychologie der Annäherung der Figuren aneinander scheint einer Küchenpsychologie zu verdanken, aus der eigenen Lebenserfahrung genommen, ohne stringente, gar bohrende Analyse. Ein lockeres Geplaudere über Beziehungen von zwei Hausfrauen zwischen zwei Waschgängen.

Eine Lektion in Versöhnung, wobei sich Fitz gerne in perzeptiven Momenten ablichten lässt. Kino eher als Deckmalerei denn als Transparenzgemälde. Ein Kino, was nicht hinter die Fassade schauen will, sondern sich am schönen Schein von Waschmittelwerbung orientiert, aber immerhin sieht, dass die Realität komplizierter ist.

Liebevoll gezeichnete Einkaufsszene von Vater und Sohn im Supermarkt, Vater sitzt mit Halskrause auf einem Art Senioreneinkaufswagen mit Sitz vorne drauf, wirft mit einer verächtlichen Haltung Chips und was auch immer er greifen kann, hinter sich in den Korb und der Sohn, der das Gefährt schiebt, kickt die Dinge wider zurück; Zusammenspiel als Nullsummenspiel, als schöner Leerlauf. Das macht den Film sympathisch, diese kleine Sicht auf den Alltag.

Go ahead, make my day.