Boyhood

Wetten auf ein Kind?
Das wäre zynisch. So hatte Richard Linklater sein Projekt, das nicht von Anfang an auf 12 Jahre angelegt war, nicht angedacht. Wie will man schon bei einem 6-jährigen Jungen wissen, ob er 12 Jahre später, mit 18, zum Film noch was taugt?

Auf 12 Jahre ist die Produktion angewachsen. Jedes Jahr hat Linklater die Geschichte der Jugend der fiktionalen Figur Mason mittels einiger Drehtage weitergesponnen.

Vom Buben zum Studenten, vom Buben zum jungen Mann. Real-Life-Input sozusagen. Wir können hier einem Menschen beim Heranwachsen förmlich zusehen. Und das fast drei Stunden lang. Das dürfte der alles andere übertönende Reiz dieses Filmprojektes sein. Dem haftet durchaus etwas Voyeuristisch-Makabres, etwas Gruseliges an, zu schauen, wie die Zeit vergeht, die Kindheit vergeht, wie nichts bleibt. Wie absehbar das in der Rückschau wirken mag.

Die Szenen selbst, die zu sehen sind, sind typische und oft gezeigte Filmszenen was Jugend und Heranwachsen, was Familienleben für den Film hergeben; das Leben besteht aus Alltagsbewältigung. Vom Buben, der dem Vater seine Schätze zeigt, der mit seiner älteren Schwester ständig im Clinch liegt, der mit dem biologischen Vater einen Ausflug mit Camping und Schwimmen und Fischbraten am offenen Feuer unternimmt, der in Konflikt mit einem seiner zahlreichen Stiefväter gerät, der Jugendparties feiert, erste Küsse, der Auto fährt, von zuhause auszieht in eine Studentenbude, damit endet der Film.

Kaum ist Mason im Dorm eingezogen, schleppt ihn sein Mitbewohner mit zwei Frauen in eine schöne, bergsteppenähnliche Landschaft hinaus. Da verstärkt sich der Eindruck, fühlt sich dieser Darsteller, der als 6-jähriger Bub mit dieser Episodenfilmerei angefangen hat, die ein anderes Leben als seines darstellt, überhaupt wohl? Vielleicht kein Zufall, dass im Film sein Hobby die Fotografie wird, dass er ersten Erfolg bei einer Ausstellung hat und ein Stipendium gewinnt, obwohl der Irak-Veteran von Stiefvater ihm knallhart vorrechnet, dass das kein seriöser Gelderwerb werden kann.

Auch die Frage, können Fotografen als Hauptfigur in einem Film überhaupt interessant sein. Es gibt ein Beispiel, das die Behauptung bestätigt, „Blow Up“ von Antonioni. Aber hier entsteht der Eindruck eines Fotografen, der lieber schaut, sieht und knipst als dass er gesehen und fotografiert wird. Das meinte ich mit „Wetten auf ein Kind“. Warum mir der Film zusehends zäh vorkam, besonders wenn ausgiebig der Highschool-Abschluss in der neuen Patchwork-Familie gefeiert wird. Vielleicht wird da klar, warum es sogar klug gewesen wäre, so eine Wette abzuschließen, also der Autor mit sich selber. Weil mir so die Dokumentation mehr gut gemeint vorkommt, und prima Schauspieler hat der Linklater allemal und gut spielen tun sie bei ihm auch; warum mich der Film aber nicht so mitgerissen hat wie beispielsweise Linklaters „Before“-Trilogie (Sunrise, Sunset, Midnight) in der ein Ehekonflikt im Abstand von jeweils zehn Jahren fortgeführt wurde.

Hier aber fehlt ein Konflikt. Es fehlt eine Charakteranalyse des Buben. Die einen Spannungsbogen ergeben hätte. Wie kommt ein so und so charakterisierter Junge mit allen absehbar auf ihn zukommenden Situationen von Kindheit und Jugend zurecht? Ohne diese Voraussetzung hält einzig die voyeuristisch biologische Neugier am Alterungsprozess den Zuschauer bei der Stange, pikant, pikant, wie die Haare länger werden, erzwungener Kurzhaarschnitt, Harry-Potter-Phase, Akne hatte er nie, erster Flaum an der Oberlippe, einige Barthaare am Kinn, Stimmbruch und ganz knappe Sprache, dann die Ohrringe, deren Loch sich ins Extreme weitet oder gar lackierte Fingernägel, hineinwachsen in die Jugendkultur, Künstlermähne, aber auch dieses Interesse war von Linlater nicht sein explizites Forschungsinteresse, ihn interessierte das grobmaschige Thema Kindheit, das er in die Adoleszenz (und die entsprechenden, aufklärerischen Gespräche mit den Eltern) weiter entwickelte.

Wobei die Mutterfigur mit ihren Wandlungen fast mehr interessiert mit ihrer Unsicherheit Männern gegenüber und wie schnell sie wieder mit einem neuen anbandelt, mit einem Professor, der sich bald schon als tobsüchtiger Alkoholiker entpuppt, und dann mit dem Irakkriegsveteran und schon wieder mit dem nächsten, und wie sie in eine merkwüdige Krise schlittert, wie die Kinder ausziehen und sie die Gegenstände ihrer Vergangenheit entrümpelt. Patricia Arquette ist fantastich über die 12 Jahre und Männer und Berufsstationen und Häuser hinweg. Ebenso der biologische Vater von Mason und ihr erster Ehemann, Ethan Hawk; der aber bleibt konstant eine leichtfüßige Figur, liebt die Musik, spielt Gitarre, ist eher der Abenteuertyp als der solide Familienvater.

Vielleicht sollte Linklater es noch mit einer auf 90 Minuten reduzierten Kurzfassung versuchen.
Irgendwie klebt mir Linklater mit den Szenen zu sehr an der Alltäglichkeit des Lebens.
Interessiern würde jetzt eine Vertiefung von Masons Äußerung, er sei mit seinem Gefühlsleben wohl genau so konfus oder irritiert wie seine Mutter.
Große Grundglaubwürdigkeit der Figuren durch ihr Spiel.

So ein Film erscheint mir wie die Vivisektion eines Heranwachsenden, eines Wachstumsprozesses. Ein delikates Unterfangen. Vor lauter Respekt davor, soll man trotzdem den kritischen Blick nicht verlieren, denn so richtig spannend ist der Film nicht. Siehe weiter oben.

Maman und Ich

Nach seinem eigenen Theaterstück und dieses in den Film eingebaut, präsentiert uns Guillaume Galliene Unterhaltung zwischen Schwulettenploitation und psychologischen Binsenweiseiten über die Prägung eines Mannes durch die nicht loslassen könnende Mutter. Er spielt seine Mutter selbst und so überzeugend nach, dass er hinter seinem Vater, der mit Zähneputzen beschäftigt ist oder mit Kopfwaschen im Bad, die Mutter sprechen kann und der Vater glaubt es.

Guillaume Gallienne, der große Star der Comédie Francaise in einer exzessiven Bühnen-Show-Doppel-Hauptrolle, er suhlt sich ausgiebig im Homoploitation-Teich, aber mit einer sehr schönen, selbt formulierten These zum Thema Mutter/Sohn und das Spiel der Schwulität dabei: dass er einerseits aus vorauseilenedem Gehorsam den weichen Buben, das Mädel gibt, damit Mutter keine Angst vor einer Rivalin haben muss, die er lieben könnte. Dass er anhand der Mutter die Frauen studiert, irgendwann aber auch auf den Trichter kommt, die anderen Frauen zu studieren. Dass er quasi verlegenheitshalber Männer liebt. Dass er aber im entscheidenden Moment vor dem Gemächt des Hengstes pure Panik kriegt, wenn er sich das Rohr anschaut – vielleicht übernimmt er diese Angst ja auch von der Mutter.

Der Weg zu dieser Erkenntnis, dass er ein ganz normaler Hetero sei, führt in diesem Film über viele typische Situtaionen, die seine Männlichkeit auf den Testtand stellen. Vielleicht wollte er, da er nur Brüder hatte, durch die Betonung des Weiblichen einfach nur auffallen. Jeglichem Sport gegenüber ist er abgeneigt. Es gibt eine Musterungsszene, da wird die Komik mit der Ratlosgkeit der Musternden doch arg strapaziert und ausgewalzt.

Guillaume Gallinne reitet über weite Strecken auch ganz billig auf der Transgender-Komik, Schwuletten-Exploitation, von der er sich durch die Schlussüberlegungen allerdings ganz geschickt distanziert; so dieser Ploitation die Salonfähigkeit attestierend.

Guillaume Gallienne spielt grandios diese beiden Hauptrollen, die des effiminierten jungen Mannes und die der harten Mutter. Den Mann in ihr vermutet man sehr bald. Aber dass er es ist, der diese Rolle spielt, da kommt zumindest nicht auf Anhieb jeder dahinter.

Bewährte Transgender-Komik beispielsweise der Kuraufenthalt in Bayern, die Massagen, die Ausblicke auf die Berge, dass er von Ludwig lernen wolle. Der Einlauf von Ingeborg in den bayerischen Alpen. Der ist derbes Bauerntheater; und dann noch der Absauger, dass Ingeborg daraufhin eine Nasenklammer trägt und ihn fragt, ob er vorher keine Diät gemacht habe.

Schwimmen in der Schule, harte Sportarten, Cricket am englischen Internat. Guillaume schreckt, das macht ihn vielleicht dem Publikum so sympathisch, vor keiner noch so primitiven Übertreibung zurück, wie unglaublich weh ihm der Cricket-Ball getan habe, da ist die Prinzessin auf der Erbse ein robuster Ahorn dagegen.

Auch die Begegnungen mit den verschiedenen Psychiatern strotzen nun gerade nicht vor Originalität, bedienen abgedroschene Klischees, präsentieren sie aber auf handwerklich sauberem, gepflegtem Niveau.

Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum der Film in Frankreich so ein Erfolg sein soll. Flamenco tanzt er wie ein Mädchen mit seinen Handbewegungen, die quasi den Apfel pflücken. Auch die Erzählung von Mutter, die aufs Klo musste, sie habe „la chute de Niagara“ gehabt, hm; aber wann darf man schon auf künstlerisch so hohem Niveau so ordinär sein? Sissi spielen. Mei, das sind Urwünsche, die viele Männer in gewissen Entwicklungsphasen zumindest kurzzeitig anhauchen. Jede Kultur hat ihre Travestie-Rituale.

Auf jeden Fall darf in diesem Film bestens legitimiert jeder Hetero sich in Homo-Welten fläzen ohne der Affinität verdächtigt zu werden, denn es wird bald als eine Entwicklungs-, als eine Suchphase paraphrasiert werden. Der beruhigende Satz, er sei ja nicht schwul, der kommt am Schluss. Ich hab ja nur Spaß gemacht, war alles nur Gaudi.

In der Reitschule soll er gecoacht vom Vater das Loslassen lernen soll. Erst die Zügel, dann die Sporen, dann die Augen zu und schließlich die Arme in die Höh. So kann man sich den Homo abgewöhnen, so wirkt das. Da wird das ganze Unternehmen doch etwas fragwürdig. Wenn das so leicht gehen sollte. Fakt ist jedenfalls, dass Guillaume weder als Guillaume noch als seine Mutter einen sehr bemerkbaren Adamsapfel hat.

Aber auch: Suhlen in der eigenen Brillanz. Das ist das, was den Langzeiteindruck doch blass werden lässt. Eine schillernde Seifenblase.

Vielen Dank für nichts

Dieser Film von Stefan Hillebrand und Oliver Paulus will ausdrücklich kein Inklusionsfilm sein, kein Behindertenfilm, und er will das so explizit und ausdrücklich, dass er bis im letzten Drittel die Action richtig los geht, und die ist dann doch sehr amüsant, erinnert teils an das Eigenbrödlerische skandinaivischer Filme, ganz dick und fett ein Behindertenfilm wird. Mit eben diesem Manko, was den potentiellen Zuschauerkreis auf den Kreis der üblichen Gutmenschen einengen dürfte.

Die Autoren wollen erstens einen Krimi erzählen, den vom Überfall von zwei Rollstuhlfahrern auf eine Tankstelle. Zweitens wollen sie prononciert erzählen, dass Behinderte ganz normal sind, frech und trotzig, hinterhältig mit ihren Rollstühlen Passanten anfahren („die Haxengeschädigten“ heißt es köstlich im Abspann), böse und eifersüchtig. Und um das zu zeigen werden eigens Szenen erfunden. Und drittens wollen die Autoren die Geschichte von Valentin erzählen, der bei einem Snowbordunfall gelähmt wurde.

Natürlich greifen die drei Absichten ineinander. Valentin, Joel Basman, der durch sein verschlossenes Gesicht, das oft inneren Monolog spiegelt, gut in Erinnerung bleibt, hier leider gelegentlich etwas von der Regie gegen das Ensembleinteresse zu sehr hervorgehoben wird, im Vergleich zum Buch überdimensional, weil sich das Buch eben zu viel vorgenommen hat, statt erst mal schlicht sich auf diese Figur, vor allem auf ihren Grundkonflikt, zu konzentrieren. Für einen richtig spannenden Film ist es zu wenig, ihn als misslaunig und unnahbar wegen seinem Unfall zu zeigen, was auch viel zu konfliktfrei zur Wandlung führt. Diese Absicht der Autoren, die hat sie wohl verführt, es sich zu leicht zu machen und gleichzeitig zu schwer, weil sie eben noch das Thema Behinderung in verschiedenen Szenen, die zum Erzählen der Valentingeschichte überflüssig wären, eingefügt haben.

Über das Theater als Therapie siehe auch Niko von Glasow, sein Theaterfilm Alles wird gut, der sich aber einzig eine Theateraufführung zum Thema macht. Eine solche kommt hier auch vor. Ambitioniert soll Shakespears Hamlet zur Aufführung kommen mit einem italienischen Regisseur. Die Szenen daraus sind inspirierend. Aber das bleibt alles mehr oder minder spannendes Stückwerk, weil plötzlich Valentin wieder im Mittelpunkt des Interesses steht, das Buch jedoch nicht konsequent am Faden seines Interesses und wie die Konflikte vorwärtstreiben, erarbeitet worden ist.

Insofern verschwindet auch schnell aus der Erinnerung, warum dieses Trio Infernal aus Rollstuhlfahrern Waffen beschaffen will. Wozu eigentlich? Dann gibt es aber wieder durchaus originelle Szenen, wenn Valentin sich an den motorisierten Rollstuhl von Lukas anhängt.

Wenn man die Szenen dieses Filmes, die alle prima gearbeitet sind, in einem Heft darstellen würde, so hätte man ein buntes Magazin zum Thema Behinderung und wie Behinderte sich die behinderte Behandlung nicht gefallen lassen. Aber war das die Absicht des Filmes? Das Heft könnte man vor und zurückblättern und sich immer wieder freuen über Ideen und Gags, wie sie sich bei Frau Schweizer ins Chalet schmuggeln, um an ein Sturmgewehr zu kommen. Oder wie sie aus Eifersucht an der Tankstelle den Überfall praktizieren, teils mit Requisiten aus dem Theater.

Im Kino kann man nicht zurückblättern. Da muss eine Grundidee für die nächsten, hier sind es 95, Minuten einen Handlungsfaden aufspannen können, der am Schluss in einem Finale festgezurrt wird, und an dem man die Geschichte auch problemlos nacherzählen kann. Hier kommt man jedoch leicht ins Stolpern. Das haben die Belgier in ihrem Film Hasta la Vista, in dem Behinderte ausbüchsen und einen Sexclub in Spanien aufsuchen, ganz konsequent gemacht im. Also Stefan Hillebrand und Oliver Paulus: das nächste Mal eine einfachere, ganz klare Geschichte, an der kann man noch genügend Klamotten und Behindertenbehinderungen dran aufhängen.

Joel Basman mit immer wieder schönen Privacy Moments.
Die Szene, wo die Mutter sich Vorwürfe macht, scheint mir so eine Fingerzeigszene, die mit dem Entwickeln der Geschichte nichts zu tun hat, die nichts zu ihre Fortgang beiträgt. Die Stimmungsbilder, beispielsweise vom Schwimmbad, die gehen noch an, sind aber auch zu wenig stringent in den Handlungsfaden, der wirklich löchrig ist, eingebaut.
Ebenso die Besprechung mit dem italienischen Regisseur, die fällt zu umständlich aus.
Auch extra eingeführt, vorgeführt: Diskussion mit dem Begriff „Wohltätigkeitsschlampe“.
Die Einblicke in die Behindertenwerkstatt haben zu sehr den Touch des Aufklärerischen, sind von den Dialogen und dem Handlungsfaden her nicht richtig zwingend.
Die Mietpreisdiskussion von Marc und Mira, die hat nun grad gar nichts mit dem Vorwärtbringen der Geschichte zu tun. Das ist ein zu umständlicher Akt, uns zu erzählen, dass es zwischen den beiden Spannungen gibt, dass also von ihr zu Valentin, der in sie verliebt ist, noch Spielraum wäre.

Mit dem Ausbüchsen zum Überfall gewinnt der Film dann beste Unterhaltungsqualität.

Willkommen bei Habib

Stuttgart ist ein Sackbahnhof. An so einem Ort kann man hängen bleiben. Muss ja nicht der Bahnhof sein. Es kann irgend ein Platz im Kessel sein. Gesichtslos.

Ein bisschen gibt Michael Baumann, der mit Sabine Westermaier das Buch geschrieben hat, diesem Platz ein Gesicht. Die Benennung müsste dem Titel zufolge Habib-Platz heißen. Habib kommt aus der Türkei, betreibt an dem Platz einen kleinen Döner-Imbiss. Er hat einen Sohn und einen Enkel. Er ist mit der Deutschen Andrea verheiratet. Sie betreibt am selben Platz einen Call-Shop. Es gibt Figuren, die da rumhängen. Es gibt einen weiteren Türken, der eben aus seiner Firma rausgeflogen ist und auf der Straße protestiert, sich zeitweilig mit Sperrmüll auf einer begrasten Verkehrsinsel niederlässt.

Der Film selbst kommt mir vor, wie ein bunter Sperrmüllhaufen, so wie sie auch überall am Platz zu finden sind, aus lauter alltagstauglichen Szenen, denen meist der Gesamtzusammenhang fehlt oder die nur grobmaschig in einen solchen passen.

Am Schluss übernimmt die Kamera die Subjektive des Hinterteils eines Müllautos, das ist unkonventionell und lustig und gibt erstmals ansatzweise einen Blick über den chaotischen Platz und die chaotischen menschlichen Verhältnisse, die der Film dort schildert, frei. Dann kippt ein Glas um und das löst sich in wunderbar verspielte Aufnahmen auf -war alles nur Spielerei?

Über weite Strecken gibt es eine fetzige Musik, Tendenz zwischen Kurdisch und Jazz. So entsteht oft der Eindruck eines etwas willkürlich mit losen Szenen eines Personenstammes bebilderten Konzertes. Hochzeit muss auch sein. Träume spielen eine Rolle. Weggehen aus Stuttgart oder zurück in die Türkei. Hoch über Stuttgart kann man auf einem Parkplatz auf dem Auto sitzen und grübeln oder philosophieren oder träumen. Das Drehbuch, das sich mir nicht so klar mitteilte, haben jede Menge Filmförderer für gut und umsetzenswert befunden. Denn es ist die Immigrationsthematik, die sich als solche darstellt. Gestrandete Immigranten, die mehr oder weniger Deutsch sprechen. Lasst sie machen. Immigrantenkunst gehört gefördert, wenn sie nur nachher in der richtigen Schublade abgelegt wird. Das erleichtert das Gewissen der staatlichen und der Zwangsrundfunk-Geldgeber: SWR, das MEDIA Programm (hier gestaltet sich die Internet-Suche nach Verantwortlichen schwierig), Hessische Filmförderung Geschäftsführerin Maria Wismeth, Filmförderungsanstalt (FFA, Vorstand Peter Dinges), Deutscher Filmförderfonds (DFFF, Kulturstaatsministerin Monika Grütters).

Schauspielerisch wird gerne etwas hacklig und überrissen gespielt, wenig psychologische Raffinesse, Intellekt wird nicht beansprucht. Das erste Thema, das im Film angesprochen wird, ist der Traum von einem Ort, wo man nur man selber sein kann. Will heißen, hier im Film seht ihr Immigranten, die nicht sie selber sein können.

Es wird auch mal ein Joke versucht: warum gehen Ameisen in die Kirche. Weil sie In-Sekten sind.

Nicht der sein können, der man sein möchte. Da wir aber keine Türken sind, gehen wir auch nicht zurück. So werden Themen und Geschichten ineinander verzutzelt. Denn „ich bin hier der Chef, ihr Arschgeigen“. Ansatz zu Poetik: Warum sind diese wunderschönen Augen so traurig? Und wer die mehr oder weniger diffusen Geschichten in diesem fast zweistündigen Film nachher einwandfrei auf die Reihe kriegt, der hat einen Preis verdient. Papa, ich habe Scheiße gebaut. Deine Nase sieht Scheiße aus. Du bist der Sohn eines Scheißhausputzers. Noch mehr Poetik: Tausch Fisch gegen Uhr. Dann hab ich jemanden zum Reden. Fische reden nicht. Dann hab ich eben jemanden zum Schweigen. Mitfühlpoesie für gestrandete Kreaturen.
Ein sicher gut gemeintes Projekt für ein wohlmeinendes Publikum, das eh der Meinung ist; und somit einwandfrei: Kino jedenfalls nach dem Gusto der erwähnten Peter Boudgoust, Maria Wismeth, Peter Dinges und Monika Grütters.

Brick Mansions

Das Traurig-Besondere an diesem Action-Thriller ist, dass es der letzte Film des jung verstorbenen Paul Walkers ist, deshalb wird am Anfang des Abspanns auch daran erinnert „in loving memory“.

Die Trauerarbeit sei deshalb kurz. Schade, dass es ein Film aus dem Schnellkochtopf war. Erträglich, da aus dem Hause Besson. Luc Besson hat mit Bibi Naceri das Drehbuch geschrieben und Camille Delamarre hat in dieser franzöisch-kanadischen Koproduktion die Regie geführt.

Es entsteht der Eindruck, als müsse hier ein lange Liste von Action-Acts abgearbeitet werden. Dies geschieht allerdings auf hochaktuellem Motiv: Detroit ist inzwischen, der Film spielt 2018, weiter am Zerbröseln, am Verkommen. Ein Stadtviertel, das eingemauerte „Brick Mansions“, ist ganz in der Hand des Untergrundbosses Tremaine Alexander, gespielt von RZA. Auf ihn werden nach einigen Vorspielen sowohl der Undercoveragent Damien Collier, eben gespielt von Paul Walker, der hier auch noch eine unerledigte Vatertod-Geschichte als Motivation benutzt, und der Unterweltgangster Lino, ihn spielt David Belle, angesetzt.

Wie allerdings der Bürgermeister von Detroit eine schlimme Bombe ins Ghetto einbringt, die alles in die Luft sprengen soll, denn anfangs des Filmes hat er den Granden der Stadt und interessierten Investoren erklärt, dass er das Viertel sanieren werde und dass alle Bewohner ihren Platz finden würden, wohl im Himmel muss sein Untertext gewesen sein, wie also das mit der Bombe aufkommt, schweißt das die Unterwelt zusammen. Gemeinsamer Feind gleich Freund.

So geht es vorher schon mit Collier und Lino, die es auf Tremaine abgesehen haben. Dann setzen sie alle zum Sturm aufs Rathaus an. Der Paarung Walker/Delamarre kann ich allerdings nicht allzu viel Reiz abgewinnen. Ob Walker mit diesem Film unsterblich wird, das wage ich zu bezweifeln. Aber man soll über die Toten nichts Schlechtes sagen. Heute sind Filme lange haltbar und insofern wird er sicher noch ein langes Leinwand- und DVD-Leben vor sich haben.

Die italienische Art (DVD)

Angelo Bozzolini geht in diesem seinem Dokumentarfilm am Beispiel des römischen Orchesters Santa Cecilia der Frage nach, was einen italienischen Klangkörper von anderen unterscheide, was die italienische Art sei und lässt sich von derselben für seinen Film inspirieren.

Die Italienischen Orchester seien vielleicht nicht so präzise wie andere von Weltrang aber dafür mit mehr Enthusiasmus, mit mehr Herz. Es gibt die Aussage eines Musikers, der meint, wenn er eine bestimmten Stelle von Ravel in New York höre, da passiere nichts, in Rom dagegen bekomme er Gänsehaut.

Der Film fängt selber in der Art eines Orchesters an, mit einem Durcheinander wie dem Stimmen der Instrumente, zeigt Bilder von kickenden Jungs, von einer Frau auf einem Hometrainer, die merkwürdigerweise durch die offene Tür sich überhaupt nicht für die Jungs in Sichtweite interessiert. Das hat grad noch gar nichts mit dem Thema zu tun. Das lässt nicht auf konzeptionelle Filmkunst, auf systematisch präzise Arbeit schließen, die italienische Art eben, landet bei einer kleinen Orchesterprobe und hat bald Maestro Pappano im Fokus, Sohn italienischer Emigranten aus London, den es in seine Heimat zurückgezogen hat, zum römischen Orchester Santa Cecilia.

Noch sieht es so aus, als solle der Film eine Hommage an diesen Meister werden, der beim Dirigieren immer wie dadaistische Laute von sich gibt, dessen Mund ständig in Bewegung ist, auch eine Gedenkstunde an dessen verstorbenen Vater scheint in Vorbereitung und die Orchestermitglieder dürfen in Statements den Maestro loben.

Bald aber weitet sich wie in der Fülle eines Konzertes der Blickwinkel, geht auf die Geschichte des Orchesters ein, auf andere Dirigenten, macht spontane Ausflüge aufs Land, wo ein Orchestermitglied Bienen züchtet und ein anderes Landwirtschaft betreibt, macht einen Abstecher in ein bergiges Dorf im Fleimstal, das jährlich einen Nadelbaum zur Herstellung von Streichinstrumenten hergibt, beobachtet das Fällen des Baumes, besucht anschließend den Geigenbauer in Sarcrofano und kehrt wieder wie in wildem Strudel nach Rom zurück, taucht ein in die Vergangenheit des Orchesters – ein wie in einer klassischen Orchesterklangwolke gehaltenes Dokpotpurri rund um die Musik und ihre Italianitá.

Zu sehen sind teils nur beim Dirigieren oder auch mit Statements zur Klassischen Musik, zur Italianitá und überhaupt zum Klangkörper, dass er Kunst zum Leben erwecken müssen, Dirigenten wie Juri Temirkanov, Giorgo Solti, Valery Gergiev, Leonard Bernstein, Georges Prètre (der beim Ravel-Dirigat in definitive Verzückung verfällt), Daniel Harding, James Colon, Carlo Rizzani.
Die Italianita und der Belcanto, il Cuore und die kreativen Ideen des römischen Orchesters. The act of making Music, der dynamische Aspekt ist wichtig.

Eine Tournee durch deutsche Städte, Berichte über Angstträume und ein Trompetensolo auf dem Stilfserjoch (eine weitere Aufnahme davon ist zu sehen auf der DVD Stilfseroch) steuern den Film aufs Finale zu, welches in eine traumhafte Unterwassersequenz mit Cello und Cellistin mündet.

Zu hören gibt es Sequenzen von Brahms, Ravel, Rimski Korsakov, Schostakowitsch (ihm ist Temirkanov noch begegnet, wie er in einer kleinen Anekdote erzählt), Schubert, Beethoven.
Eviva l’Italianitá!

Stilfserjoch – Kreuzweg des Friedens (DVD)

Dieser Dokumentar- und Präsentationsfilm will sein Thema, sein Objekt eindeutig positiv rüberbringen, das Stilfserjoch, das Hotel Pirovano, die Skigegend, die Alpengegend, die Gletschergegend, das Künstlertum und auch die teils dunkle Geschichte „über die Frontlinie im zweiten Weltkrieg“, wie sie schon im Film Die Alpen – Unsere Berge von oben eindrücklich zu sehen war.

Dieser Film von Alessandro Melazzini versucht den Zuschauer mit einem leicht verdaulichen Mix aus wunderschönen Berg- und Landschaftsaufnahmen, kundigen und auch Berg-Weisheitsäußerungen von Bewohnern ohne den Massenandrang von Skifahrern und Touristen auszublenden zu gewinnen.

Er sei ein Berg, der zum Leben sei. Hier leben Forstwächter und Bergretter, Künstler und Hoteliers oder es wird an einen langjährigen Postausträger erinnert. Es gibt den Bergforscher, der immer wieder Hinterlassenschaften aus dem ersten Weltkrieg findet, als hier in unwirtlicher Höhe die Front verlief und so mancher Soldat sein Leben verlor. Es muss grausam gewesen sein. Schützengräben sind heute noch zu sehen. Dieses dunkle Kapitel wird umgemünzt zum „Kreuzweg des Friedens“, gerade wenn man die Schützengräben sieht, wenn man daran denkt, was die Soldaten im Winter durchgelitten haben, soll man den Frieden und auch gutes Essen umso mehr schätzen.

Wie hart das gewesen sein muss, wird auch daran deutlich, dass selbst heute der Pass im Winter geschlossen ist. Alle Häuser stehen leer, kein Pfad im Schnee. Mit einem Flug über diese Stille, dieses menschenleere, schneebedeckte Gebiet, den Pass, die Häuser fängt der Film an und lässt sich dabei genügend Zeit, die Stille wenigstens zu erahnen, die Großartigkeit und Erhabenheit der Passlandschaft zu erspüren. Umso härter der Kontrast, wenn Schneefräsen und Pistenraupen die massive, dichtgedrängte Invasion von Touristen- und Skifahrern vorbereiten.

Das Stilfserjoch ist der höchste Passübergang Italiens. Er verbindet die Lombardei, Trentin-Südtirol und die Schweiz, so ist im Anspann zulesen. Bereits vor etwa 200 Jahren wurde die Straße von Tausenden von Arbeitern gebaut. Die Absicht der Erbauer war kriegerisch, aber eine Heterogenese (ein seltenes Wort) veränderte den Zweck ins Zivil-Friedliche.

Kurzweilige, informative 70 Minuten, die durchaus ihren Werbezweck erfüllen. Es gibt auf dem Berg die musikalische Einlage eines Männerchors begleitet von einem Trompeter, der auch im Film Die Italienische Art (von denselben Produzenten) zu sehen und zu hören ist. Im Film wird Deutsch, Italienisch und Rätoromanisch gesprochen, ein origineller Künstler kommt vor, der Tausende von Steinen sammelt und souvernirträchtig bemalt, ein Bergretter, der ständig neue Rettungshilfsmittel ersinnt, weil ihn heute noch umtreibt, dass er einmal einem Mädchen, das in einen Gletscherspalt gefallen und dort gefangen war, beim Sterben zusehen musste, weil sie erst darnach hochgehievt werden konnte. Dieser Bergretter wird uns am Schluss nochmal die Schönheit und Freiheit der Alpen demonstrieren, wenn er mit seinem offenen Zweisitzerflugzeug zum Rundflug startet.

Wir lernen die Butterproduktion auf dem Stilfserjoch kennen, sehen Bergbauern die Landschaft pflegen, den Künstler schöne Texte rezitieren, ganz musikalisch, es ist eine appetitliche Präsentation des Stilfserjoches, auch das Gebirgsmuseum, alles leicht verdaulich und doch nicht substanzlos, oft eine Augenweide, aber nicht geschleckter Hochglanz, kein Berg, der groß von den Dichtern verehrt wurde, wenn er auch bei Schnitzler oder Meyer Erwähnung findet, ein Berg zum Leben und auch zum Denken, aber auch zum Entspannen im Bassin heißer Thermen und eine besondere Attraktion für Radrennfahrer, eine berühmte Etappe im Giro d’Italia oder das gemischte Bergrennen „Mepei Day“ mit um die 3’000 Teilnehmern, die aus eigenen Kräften die Dutzenden von Kurven den Berg hinauf bewältigen, auf dem Rad oder zu Fuss. Da hats der Zuschauer in diesem Film bedeutend leichter und bequemer.

Leaving Greece – Fluchtpunkt Griechenland (TV BR)

Hossein, Reza und Kaka sind minderjährige Flüchtlinge aus Afghanistan, die in Griechenland festsitzen. Über einen Zeitraum von zwei Jahren hat Anna Brass sie mehrfach besucht und gefilmt.

Sie fängt den Film mit Stimmungsbildern an, wie Jungs Lastwagen hinterherlaufen, um allenfalls aufzuspringen. Sie zeigt den Friedhof von Patras mit vielen Gräbern von Jungs, die alle beim Versuch auf LKWs aufzuspringen, um zu einem besseren Leben zu gelangen, ums Leben gekommen sind. Reza gießt Wasser auf die Gräber.

Ein Beispiel für einen Dokumentarfilm, der ein brennendes Thema hat, dieses aber vor lauter Mitgefühl in einem Dokumentarromantizismus ertränkt. Die armen Flüchtlingsjungs sind ja filmmalerisch so ergiebige Objekte, allein, wenn sie das Feuer unter der Brücke anzünden, Romantik wie im Pfadfinderlager.
Im Gegensatz zu Tuna Kaptan in Nacht Grenze Morgen kommt hier die gravierende Existenzsituation nicht so richtig zum Ausdruck.
Die Doku verträumt und verliert sich an malerischen Details ihrer armen „Behausungen“ unter Brücken. Clochard-Romantik. Und dann lassen sie Papierschifflein das Rinnsal runterfahren.
Jede Menge Begrüssungs- und Abschieds- und Tränenszenen.
Hossein kann nach Deutschland. Nichtssagende Fotos vom Aussteigen in D.
Rührjournalismus, weinende Begrüssung am Flughafen in Deutschland.
In Berlin weint die belogene Schwangere. Rührung.
17 Uhr bin ich in München und 19 Uhr ich bin in Salzburg.
Und wieder Emotion und Rührung bei Flughafenverabschiedung.
Nächtliche Umarmung, „endlich bist du angekommen“.
„Hast du Schnupfen“ (dabei weint er).
Der liebende Papa, das furzende Kind.
Die Ägäis, das Meer und knackige Jungs in Badehosen.
Zu viele Infos nur über Gerede oder News (Nachrichtenmix bei Autofahrt mit Afgh-D-Säugling: schwaches Geburtenland Deutschland. Anschläge in Afghanistan).
Ausfüllen Asylantrag zum ungeborenen Kind.
Und wenn uns in Patras das Geld ausgeht, gehen wir zurück ins Camp von Lesbos. Können immer wieder zurückkehren, weil wir minderjährig sind.
Sie schieben dich nicht ab, aber sie geben dir auch keinen Aufenthalt, hier ist Endstation.
Die Mutter wird immer schwangerer, während der Erzeuger in Griechenland festsitzt.
Details, Entchen im Auto in Berlin.
Rührjournalismus: der Vater gestorben und das mit Verzögerung erfahren.
Und dann lernen sie ein paar Sätze deutsch, wie entzückend, wie niedlich, wie mitleidspathetisch:
„das Leben ist schön“.

Die Haltung der Dokumentaristin, der öffentliche Zwangsgebührengelder anvertraut wurden (die BR-Fraktion der Zwangsgebühren-Rühr- und Niedlichjournalismus-Förderer führt an Hubert von Spreti gefolgt von Natalie Lambsdorff, Martin Kowalczyk), erinnert mich an gefühlsdusselige Negerlein-Romantik von anno dunnemals. Und Tischfusssball und Trommeln und Tanzen, nee, fürs gutmeinende Gutmenschsein bin ich nicht bereit, Zwangsgebühr zu entrichten! Das mag alles ganz nett sein, aber soll sich die Dokumentaristin ihr Geld beim Missionsverein besorgen; wenn sie denn den politischen Rahmen der Flüchtlingsschicksale und die dafür Verantwortlichen so konsequent ausblendet. Ein solcher Film, der mit öffentlichen, per Gesetz erzwungenen Geldern produziert wird, der ist meiner Meinung nach von Gesetzes wegen verpflichtet zur politischen Bildung, zu demokratischem Bewusstsein beizutragen; in Gefühlsdusseleien suhlen erfüllt diesen Auftrag nicht, so wichtig das Thema ist. Auftrag des Rundfunks nicht erfüllt, ja sträflich irgnoriert.
Denn es ist nicht ein übernatürliches Schicksal, dass diese Jungs in Griechenland so malerisch und rührend festsitzen: ist alles von Menschen gemacht. Davon ist in diesem Film wenig zu erfahren.

Berggeschichten – Moderne Alpenarchitektur im Allgäu (TV BR)

Für solche braven Schulaufsatz-Texte werden uns von Staates wegen Zwangsgebührengelder abgebucht:
Der Schreitbagger kämpft sich hoch zur Filserhütte.
Die Spannung steigt.
Hüttenwirt Hubert Kaufmann freut sich, dass das endlich anders wird.
Jetzt wird es ernst.
Freudige Erregung.
Rainer Schmidt brütet noch bis spät in der Nacht über seinen Plänen.
Dennoch plagen ihn Sorgen.
Heute steht eine Bauherrenbesprechung bevor.
Es ist immer ein Zittern.
Geduld und Warten-Können sind die Kardinaltugenden eines Architekten.
Es ist noch einmal gut gegangen.
Wir haben ein Wahnsinnsglück gehabt mit dem Wetter, ich hätte nicht gedacht, dass das so funktioniert. Das war toll. Also von der Stimmung gigantisch. Gestern wär gar nichts gegangen.
Jetzt muss sich Rainer Schmidt das Werk auch mal von innen anschauen.
Das Bauen in den Bergen ist immer wieder eine Herausforderung.
Klaus Meuchel hatte damals eine schlaflose Nacht.
Manchmal hat man einen mühsamen Aufstieg, manchmal zieht sichs ewig.
Dann sieht man wie es geworden ist. Und die Wanderer tanken Wärme.
Die Berge inspirieren ihn, den passionierten Kletterer, seinem Sohn … hat er es auch
beigebracht.
Angelika Blümel, seine Frau, genießt das.
Drum bin ich gerne hier. Im Feuer sind die Waldpilze inzwischen gegart. Der Papa kostet vor.
Also wir waren auch als kleine Kinder immer schon dabei. .. das war immer ganz schön.
Das Allgäu-Haus.
Trockene Schlaflager, die nicht muffeln, sind ein Segen.
Wer bei solch einem Wetter eine Schutzhütte in der Nähe weiß, kann sich glücklich schätzen.
Das Gewitter hat sich verzogen und die Wanderer machen sich auf den Weg begleitet von einem spaktakulären Naturschauspiel.
Ihr futuristisches Design erhitzt die Gemüter.
Hier erlebt der Wanderer die Naturschönheiten hautnah und geschützt durch das Glas.

Diese BR-Dokumentation von Eva Severin, Redaktion Sabine Reeh, laviert unentschieden zwischen Erlebnisbericht, Reportage und Fachbericht, geriert sich am ehesten als Eager-Beaver-Schulaufsatz, so bestenfalls geeignet für ein privates Lokalfernsehen aber doch nicht für den staatlichen Zwangsfunk mit demokratischem Auftrag zur Grundversorgung, dafür ist dieser Bericht zu wenig strukturiert, zu wenig aussagekräftig und entgegen dem Titel bringt er keine spannende Berggeschichten, sondern plappert dünnfädig, unübersichtlich, zähflüssig, abschweifig dahin. Ein paar ausgewählte Architekten dürfen ihre Werke und damit sich selber loben.

Maleficent – Die dunkle Fee

Märchen mit ausgiebigem Vorspiel und einer merkwürdigen Computerisierung der Moral. Es gibt das feine Königreich der Menschen und das der Moorwesen, das ansehnliche und das weniger ansehnliche. Eine Fee aus dem Moorreich verliebt sich in einen Jungen aus dem burghaften Königreich. Der Bub heißt Stefan und das Feenmädchen heißt Maleficent, also die Böses tut, aus dem Lateinischen, maleficere.

Gut und Böse sind die Grundkonstellationen der Märchen. Der Mensch braucht Märchen, um Gut und Böse unterscheiden zu lernen. Und Disney braucht die Märchen, um immer wieder neues Geschäft damit zu generieren. So müssen aus Innovationsgründen permanent aus alten Märchenstoffen neue Märchen entwickelt werden. Hier geht es um den Dornröschen-Stoff, und es ist Zeichen der Innovationskraft Hollywoods, die mir allerdings manchmal wie hier arg industriell vorkommt, die Märchen weiterzuentwickeln, Dinge zu erzählen, die in den Märchen nicht vorkommen. So bleiben sie lebendig, auch wenn nicht unbedingt ewig während.

Nach dem ausgiebigen Vorspiel der Kinder und späteren Antagonisten in diesem Film gehen schnell ein paar Jahre ins Land, das Älterwerden von Maleficent in schönen Jahreszeiten-, Blüten- und Laubschnitten kurz und bündig erzählt. Die beiden für einander Bestimmten verlieren sich über Kindheit und Adoleszenz aus den Augen. Stefan ist ein Ritter am Hofe seines Königs, der sich vor den unheimlichen Kräften von Maleficent fürchtet, denn eben hat er eine gewaltige Schlacht verloren, in der die zur Herrscherin gewordene Maleficent mit ihren Flügeln selbst und unbesiegbar eingegriffen hat.

Tom Stromberg hat das inszeniert und Linda Wolverton und John Lee Hancock und „9 more credits“ laut IMDb haben an dem Werk geschrieben.

Es sind imposante Bilder, wie die düstere Maleficient aus heiterem Himmel wie ein Rabenvogel gegen das mittelalterliche Ritterheer anstürmt, über es hinwegfliegt, die Ritter von den Pferden reißt, schlägt oder allein mit ihrem Luftzug kampfunfähig macht. Und sie ist nicht allein, sie verfügt über jede Menge von kleinen und großen, fantastischen Monstern und Ungeheuern, die von Computeranimateuren hergestelltt wurden. Der König ermattet und in die Flucht geschlagen, sucht einen Nachfolger unter seinen Rittern. Wer ihm die mörderischen Flügel seiner Gegnerin bringt, der soll sein Nachfolger werden.

Es ist der erwachsen gewordene Stefan, der Maleficent brutal, karrieristisch und herzlos um ihre Flügel bringen wird, um den König zu beerben. Er handelt böse. Die Flügel werden im Schloss als Trophäe aufbewahrt. Statt Liebende sind Stefan und Maleficent nun Feinde. Sie will mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Rache nehmen für den Flügelraub und wird somit zur eigentlich Bösen im Film, während die brutale Tat von Stefan offenbar ein lässiges Vergehen ist. Maleficent taucht bei der Taufe von Stefans Kind auf. Ihre NSA ist der Rabe, den sie mit kleiner Geste und ein paar glänzenden Pixelstäubchen auch in andere Tiere oder in einen Menschen verwandeln kann. Sie ist also bestens informed über die Vorgänge im Schloss auf dem Hohen Berg. Bei der Taufe des Kindes schwört sie, auch das wird zu einer breit ausgemalten Animationsexplosion, einen furchtbaren Schwur, den Dornröschenschwur, dass das Kind Aurora, die Morgenröte, am 16. Geburtstag das Dornröschenschicksal erleben werde.

Ausgiebig werden jetzt die 16 Jahre geschildert und der Gebrüder-Grimm-verspulte Zuschauer fragt sich, wie lange es noch dauern wird, bis das Märchen denn zur Sache komme. Dabei scheint es eben eine andere Sache zu sein, die es erzählen will. Nebst der Schilderung der drei abartigen, zwischen Zwergengirlies und Altjungfern wechselnden Zofen, die sich um Aurora kümmern sollen, sehen wir, wie Maleficent alles beobachtet, wie der König alle Spindeln im Schloss wegsperren und vernichten lässt, wie Aurora sich in den Wirkkreis von Maleficent verirrt, wie die beiden sich kennenlernen, wie Aurora die ihr bös Gesonnene für ihre gute Patentante hält. Man spürt schon, wie hier von den vielen Drehbuchköchen eine weiche Landung für die Geschichte vorbereitet wird, das kommt mir versöhnlerisch vor, als solle die brutale Rachekraft der Bösen weichgekocht werden. Den Prinzen, der sie später wachküssen wird, den lernen wir auch schon im schönsten Lichte kennen.

Unter diesem angestrebten Ziel, das das Böse ausbremsen will, scheint mir der Flow und die Konsequenz der Handlung zu leiden, kommt mir vor wie eine gebleichte Variante der Gebrüder Grimm, was andererseits mit heftigen Kampfszenen und gnadenlosem Einsatz auch von Eisenketten gegengewichtet werden soll. Da driftet für mich etwas auseinander.

Auch scheinen mir die drei Zofen ziemlich doof konstruiert, wie bei schlechtem Dorftheater. Wie mir überhaupt die Figuren sehr einsam vorkommen, schön ausgeleuchtet, schön angezogen, schön im Bild aber mit wenig Bezug zueinander, wie ad hoc in die Studioszenerie hineingestellt. Das Problem dieser Wandlung von der Bösen zur Guten bei Maleficent scheint mir ihre Maske zu sein, die so gar keine Regung zulässt, eine Wandlung die merkwürdigerweise bildlich und inszenatorisch nicht genutzt wird, also wie ein dem Zuschauer vorenthaltener Vorgang, der hinter der Gesichtsfassade einfach behauptet wird. Überhaupt recht sonderbar, dass eine Fee und nicht ein Mensch eine solche Wandlung durchmacht. Die Erosion des Bösen, es zerrinnt vor unseren Augen wie durch einen Computertrick ohne ethische Auseinandersetzung, wirkt wie Computerklitterung von Moral. Das ist purer Kitsch.

Für meine Ohren driftet die Sprachregie in der Originalversion auseinander, auch sie verstärkt den Eindruck, dass jede Figur in ihrer eigenen Welt, ohne Rücksicht auf den Märchenzusammenhang lebt.

Immerhin: Wonnepfropfen von hübschen Babies wie kandierte Früchtchen kann Hollywood ad libitum aufbieten, so dass jeder Werbefuzzi für Kinderbrei sofort zugreifen würde, und spätestens die beweisen, dass wir es hier mit einem feinen Stück Märchentorte zu tun haben, so überladen mit Effekten, dass der Kuchen darunter höchstens noch erahnt werden kann. Und: 3D ist hier einmal mehr vollkommen überflüssig und reine Geldmacherei, verstärkt nur den Eindruck der Effekthascherei, als ob der Geschichte nicht ganz zu trauen sei.

Go ahead, make my day.