Archiv der Kategorie: Video on Demand

Kipchoge – The Last Milestone (VoD)

Sich etwas Menschenunmögliches vornehmen

Hier geht es nicht um Achternbuschs Weisheitssatz „Du hast keine Chance, also nutze sie“.

Hier geht es auch nicht darum, dass einer an einem Punkt losrennt und 40 Kilometer weiter am nächsten Punkt einer anderer die Zeit nimmt und sagt, ok, unter zwei Stunden.

So einfach ist es nicht, der Menschheit zu beweisen, dass jeder Mensch eine Chance hat und dass die Menschen ihre Leistung immer noch maximieren können, dass sie wie hier Eliud Kipchoge den Menschen beweisen, dass einer einen Marathonlauf in einer Zeit unter zwei Stunden laufen kann.

Das Verdienst dieser süffig rasanten Dokumentation von Jake Scott ist es, zu zeigen, dass da ein enormer Aufwand dahinter steckt. Und er zeigt es spannend mit einem breiten Blickfeld und auch mit immer wieder schönen Gesichtsstudien nicht nur des weltberühmten Läufers aus Kenia.

Erst holt der Film aus, lässt Eliud und Menschen aus seinem Umfeld und aus seinem Sportbereich zu Wort kommen. Es gibt Einblicke in ein Trainingscamp für Läufer in Kenia. Hier werden Inspiration und Teamgeist gelobt, auch darüber geredet, warum gerade so viele Afrikaner im Laufen Weltspitze sind. Es gibt Infos über die Laufzeiten aus der Geschichte der sportlichen Wettbewerbe und wie weit die 2-Stunden-Marke noch weg ist.

Nach dem informativen Warm-Up, das immer auch von gut gelaunter Musik befeuert wird, konzentriert sich der Film auf die Idee, die 2-Stunden-Grenze im Marathon zu unterbieten, eine Leistung die, seit gemessen wird, noch kein Mensch geschafft hat. Und das geht eben nicht wie erwähnt so einfach, dass einer von A nach B rennt und zwei Leute messen.

Der Film berichtet von den aufwändigen Vorbereitungen, von dem Heer von Menschen, die zur Ausrichtung eines solchen Eventes nötig sind. Es ist klar, es müssen die Hindernisse beim Rennen so klein wie möglich gehalten werden, also wenig Höhenunterschied, etc., es geht um Sekunden.

Gefunden wurde ein Rundkurs in Wien, wenige Kilometer lang mit engen Wendekurven an den Enden. Man lässt nichts unversucht. Bei der einen Kurve wird sogar der Bodenbelag wie bei einer Radrennbahn auf der einen Seite leicht angehoben.

Überhaupt sind die Vorbereitungen inzwischen hochwissenschaftlich; nicht nur die Trainingsvorbereitungen des Läufers selbst. Und er rennt ja nicht allein. Neun sich abwechselnde Teams von Weltspitzenmarathonläufern werden einen Pulk um ihn formen, um einen idealen Windschatten für ihn zu bilden.

Zu schweigen von logistischen Problemen. Dann Medien, Trainer, Physiotherapeuten, persönliche Begleiter, der ihm Getränke in Flaschen reicht; die weggeworfenen Flaschen werden gesammelt, die Restmenge gemessen; der Läufer wird also total beobachtet; Computer spielen im Hintergrund eine immer wichtiger Rollen; ein Begleitteamwechsel ist eine ausgeklügelte Sache wie ein Radwechsel beim Autorennen; ein Auto fährt voran, das mit Laserstrahlen vor den Läufern Schritt und Tempo vorgibt.

Es ist eine Dokumentation auch darüber, wie solche Sportevents generalstabsmäßig geplant werden; verschwiegen werden nicht die Sponsoren; die dafür sorgen, dass solche Filme nur so strotzen vor Markenwerbung. Allein die modernen Laufschuhe, die sehen schon raffiniert aus, und in ihren Leuchtfarben sind sie nicht zu übersehen. Man wäre fast verführt sich solche zu besorgen, weil sie einem das Gefühl (Dope, heißt es auch einmal) von Schnelligkeit vermitteln und dann auch noch der guten Stimmung, die Eliud allerorten verbreitet.

Experiment Sozialismus – Rückkehr nach Kuba (DVD, VoD)

Arsenio Morella,

ist der unsichtbare Erzähler auf der Tonspur dieser Dokumentation von Jana Käsdorf. Er ist für den zweiten Teil des Titels zuständig, indem er zuerst seine Geschichte erzählt, wie er im sozialistischen Kuba aufgewachsen ist, in welchem man ohne zu tricksen nicht überleben konnte. 

Im Rahmen einer Massenflucht Mitte der 90er ist er als Junge in die USA geflohen. Er hatte Glück, daß er einen Fuß auf den Boden dieses Landes setzen konnte und somit als Flüchtling aufgenomnen wurde, während andere, die das nicht geschafft haben, von der US-Behörden auf das Meer zurückgeschickt wurden.

Weiteres, was nach der Flucht war, ist von diesem Arsenio Morella nicht zu erfahren, zu sehen ist er nicht im Bild, zumindest nicht kenntlich gemacht. Lediglich das vergilbte Foto eines Jungen ist im Film drin. Insofern bleibt auch innerhalb des Filmes offen, ob Morella eine fiktive Figur ist, die die Regisseurin erfunden hat, denn sie selbst ist laut den Credits auch für das Drehbuch verantwortlich. 

Die Texte und Kommentare dieser wie es scheint spontanistischen Reise sind im Stil einer reißerischen Reisedoku gehalten und hören sich in der deutschen Variante so an: „Wer nicht schummelt, kommt unter die Räder“, auch überdeutlich auf Pointe gesprochen oder „Sie steckten sich die Taschen voll – mit dreckigem Geld“, „Die Bosse legen einem immer wieder Steine in den Weg“. 

Der erste Teil des Titels erweckt einen falschen Eindruck, als handle es sich um eine systematische, wissenschaftliche, sorgfältig recherchierte Dokumentation. Faktisch gilt sie aber nur dem Interesse von Morella, der, wie es scheint, nicht allzu geplant durch Kuba reist. 

Er befragt im Stile einer Meinungsforschung Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Journalismus und auch den Mann oder die Frau von der Straße oder die mit dem kleinen Gewerbe, Taxi, Hotellerie, Fischerei, Gastronomie, Zuckerrohranbau. 

Es gibt Statements zum Thema Sozialismus in Kuba und auch einen historischen Rückblick. 

Zentral und aktuell wird immer wieder erwähnt der Begriff der Lineamientos, das sind Richtlinien zu einer Reform der reinen Staatswirtschaft mit Öffnungen im Privaten, der Ermöglichung von Unternehmertum und auch Eigentum; was zarte Erfolge an Prosperität bringt, obwohl generell weiter gilt, dass man, ohne zu Schummeln, nicht durchkommt. 

Der Film stammt aus der Zeit von Trump, der die Blockadefesseln für Kuba angezogen hat. Und auch das Thema Corona wird im Abspann erwähnt. Die Bilderwelt ist eine bunt zusammengewürfte Montage von spontanen Reiseeindrücken, Postkartenbildern vom Dschungel, der Mischung aus Lebensfreude und Improvisationslust der Menschen und auch immer wieder von Plakaten mit Propagandasprüchen für die Revolution. 

Es ergibt sich ein frischer Eindruck von dem Land, das sich das mit der Revolution neu am Überlegen ist. Und wir erleben hier bei uns direkt auch eine Art Kubanisierung, indem die Menschen immer findiger werden, die immer abstruseren Anticoronavorschriften umzusetzen: da kann man oft auch nur noch schummeln!

Witch – We intend to cause Havoc (VoD)

r e w i t c h e d 

Ein Unikat uner den Rock- und Rockopafilmen. Denn beim Rock handelt es sich um Zamrock, Rock aus Zambia (Sambia) und der Opa, der hier Wiederauferstehung erlebt, arbeitet normalerweise in einer Taggrube beim Abbau von Amethyst, um seine Familie zu ernähren. Seine Frau ist Predigerin in der Pfingstgemeinde und auch er ist aktives Mitglied.

Sein Name Jagari erinnert nicht zufällig an Mick Jagger. Jagari galt in den 70ern als der Mick Jagger Afrikas, was ihm gar nicht behagte, worauf er seinen Namen abänderte in Jagari, was in Afrika der Name für eine aus Zucker gebrannte Süßigkeit ist.

Jagaris Gruppe hieß „Witch – We intend to cause Havoc“, hart rockig in einer Mischung aus Psychodelic, afrikanischem Rhythmus und Rock. Jagari war der Leadsänger, der immer von irgendwoher auf die Bühne gesprungen kam. Die Gruppe war populär.

Heute lebt von der Gruppe nur noch Jagari.

Gio Arlotta, der Regisseur der Dokumentation, der mit Tim Spreng auch das Drehbuch geschrieben hat, hat von Witch gehört und sich auf die Suche nach Jagari gemacht. Davon erzählt sein Film und wie er Jagari findet. Ihn begleiten zwei europäische Musiker. Sie finden auch den gelähmten Victor, der damals der Jimmy Hednrix von Afrika genannt wurde.

Die Tonspur ist musikalisch ein Konzert von Witch und auf der Sprecherspur gibt es Statements und Informationen zu der heißen Zeit des Zamrocks in den 70ern und wie es weiterging. Durch die Recherche stieß Arlotta auf ein Filmarchiv, das seit Jahren nicht mehr geöffnet worden ist, weil der Schlüssel verloren gegangen war. Daraus gibt es Found Footage aus der Geschichte Sambias und von den Konzerten von Witch; auch in Zeitungen wurde der Dokumentarist fündig.

Es wird sich bald herausstellen, dass Arlotta allerdings mehr ist als nurl ein Dokumentarist, er entwickelt sich zum Musikmananager, der Witch wiederauferstehen lässt zusammen mit europäischem Nachwuchs, sie auf Tour schickt und ihre Musik verkauft. Insofern ist der Film ein PR-Film, der aber eine besondere Geschichte zu erzählen hat und mit teils psychodelischem Einschlag spannendes Bildmaterial montiert.

City of Lies (VoD)

Über Konsequenz 

Wahrheit, Gerechtigkeit und Konsequenz haben engst miteinander zu tun. Der das bildlich eindrücklich verkörpert ist Johnny Depp als Detective Russell Poole beim LAPD, dem Los Angeles Police Department. Er fesselt von der ersten bis zur letzten Minute als ein Mann, dem die Wahrheit mehr bedeutet als alles andere, der fast wie ein ertrinkendes Wrack schon, noch daran glaubt, mit Konsequenz und Beharrlichkeit und nicht mit großtuerischem Auftreten, Mordfälle zu lösen, die Mörder zu überführen und der mit dieser Absicht bald die Tür eines Labyrinthes öffnet, dem Labyrinth der Korruption beim LAPD, der Polizei von Los Angeles, und den Gangs im Umfeld erfolgreicher Produzenten schwarzer Rap-Musik. 

20 Jahre nach den Morden an den Rappern The Notorious B.I.G und Shakur Tupac sitzt Detective Poole immer noch hinter den Puzzlesteinen der Nachforschungen. Vom Fall ist er längst suspendiert. Eines Tages erhält er Besuch vom Journalisten Daerius Jackson (Forest Whitacker). Es entwickelt sich ein gemeinsames Interesse an der Lösung der Fälle. 

Brad Furmann erzählt diese wahre Geschichte nach dem Fachbuch von Randall Sullivan, das von Christian Contreras zum Drehbuch umgearbeitet wurde, von der Begegnung der beiden Protagonisten ausgehend und mit Rückblenden als spannende Schnitzeljagd, als Weg der Konsequenz durch das Labyrinth, das die Korruption darstellt. 

Eine Begründung für die Hartnäckigkeit von Poole geht vom Befund aus: tötet ein Weißer einen Schwarzen, wer hat Schuld. Seine Antwort: weiter forschen, weiter Fragen stellen. Das sieht er als Credo der Mordkommission, der für einen Detektive erstrebenswertesten Position, weil am anspruchsvollsten. Gerade hier sollten unbedingt Gesetz und Wahrheit über alles andere gestellt werden, vor allem über Unterschiede in der Hautfarbe. Das ist in den USA nach wie vor nicht selbstverständlich. Aber auch bei uns erleben Schwarze überdurchschnittlich oft Polizeikontrollen, ist immer wieder zu hören; kein Grund also für Selbstgerechtigkeit.

Ein Film vor dem Hintergrund, der immer noch schwelenden und immer wieder ausbrechenden Gewalt von Polizei gegen Schwarze in Amerika. Zugrund liegen zwei Morde an bekannten Rappern in L.A., an The Notorious B.I.G und an Tupac Shakur in den späten 90ern in L.A. und in Las Vegas. 

Dieser Mord wird gleich zu Beginn nachgestellt aus der Sicht der schießenden FBI-Beamten. Als einer der ersten zivilen Ermittler taucht Russell Poole (Johnny Depp) am Tatort auf. Er macht mit Bedacht bestimmte Fotos. Er verschafft sich einen Überblick über die Gemengelage. Er wird später sagen, dass sich da für ihn die Tür zum Labyrinth geöffnet hat. Das wird er später auch in einem Straßenmodell und mit Spielzeugautos und mit Kollegen für den Mord an The Notorious B.I.G. tun.

Johnny Depp ist die eindrückliche Hauptfigur, ein Kommissar, der rein äußerlich mit dem Regenmantel eine Gemeinsamkeit hat mit dem berühmten Columbo, auf den in einem Nebensatz auch mal angespielt wird. Aber Depp ist anders, vielleicht verbohrter, gründelnder; er muss die Dinge im Kopf ordnen, die zusammengehen und die nicht. In den 90ern jedenfalls waren die Nachforschungen nach den Mördern ergebnislos.

20 Jahre später sitzt Poole immer noch an den Fällen. Er bekommt Besuch vom Journalisten Darius ‚Jack‘ Jackson (Forest Whitaker). Die Begeisterung hält sich in Grenzen. Auch hier muss die Abstimmung der Geister, das gegenseitige Verständnis, das sich aus dem gemeinsamen Interesse an Gerechtigkeit und Aufklärung von Morden entwickelt, erst entstehen. Aber dann wird es umso schlagkräftiger. Schritt für Schritt arbeiten sich die beiden nochmal in die Materie ein, schauen sich Dokumentarmaterial aus Nachrichten und Überwachungskameras an, immer wieder versuchen sie, sich Dinge zusammenzureimen; gänze Wände sind mit Zetteln von Gedanken, Fotos, Skizzen dicht bestückt. Denn es wird sich herausstellen, es geht hier nicht um simple Morde: sie stoßen auf ein riesiges Korruptionswerk bei der Polizei von L.A.

Der Film ist allein schon wegen Johnny Depp sehenswert, weil er nicht eine Sekunde lang routiniert wirkt, weil er fast ein Ideal von wahrheitsbessenem Cop ganz ohne Mätzchen darstellt, der bis in die letzte Faser hinein von seiner Mission erfüllt ist. Das kommt durch das erstklassige Zusammenspiel mit Whitaker nur noch mehr zur Geltung. Und der Sound von Death Row Records und von Bad Boy Records schwappt selbstverständlich auch in den Film hinein.

Deseo – Karussell der Liebe (DVD, VoD)

Es dreht sich und dreht sich

das Karussell der Liebe, so schön wie das uralte Riesenrad, das im ersten Akt im mexikanischen Niemandsland zwischen Kakteen steht. 

Ein mexikanischer Import aus Wien von Arthur Schnitzler. Antonio Zalava Kugler hat seine Deutung der klassischen Ringelreihen-Geschichte sich ablösender Lieben lebensfroh und mit dem offenen Auge für die erotischen Oberflächen im Liebesspiel 2013 inszeniert. 

Liebe soll ja schön sein und Spaß machen, aber muss sie gleich in einer Ehe erstarren?, so kann vielleicht der Schnitzler gelesen werden. 

Der Mensch macht sich attraktiv für die Liebe und er will dafür begehrt werden. Der Reigen könnte auch so gelesen werden, ausgehend von einer Alltagserfahrung, steht ein Paar eng umschlungen da, die Blicke der Partner gehen über die Schulter des Umgschlungenen radarhaft in die Umgebung und entdecken dabei nicht ungern jemand anderes. Lieben und sich an jemand anderem berauschen.

Lieben und abservieren, ist vielleicht die tragischere Seite dieses Karussellmechanismus, es geht rauf, dann wieder runter, dann wieder rauf. Im Karussell immerhin gibt’s keinen Partnerwechsel. 

Kugler legt in seiner Inszenierung großen Wert auf Darsteller und Darstellerinnen, die für das erotische Auge attraktiv sind, er mag die Symbolik perlenden Schaumweines oder weich sich bewegender Körper unter Wasser und umgeben von Lichtspielen und unendlich vielen Bläschen. Er mag das Verhältnis von Herrschaft zu Dienerschaft, von Reich zu Arm und was sich dadurch an erotischen Spannungen entwickeln lässt. 

Ein reicher Enkel und eine bewusst posierende Angestellte, die offenbar mehr seinen Adonis-Körper im Sinn hat als den Orangensaft, den sie ihm, der den geistabwesenden Leser mimt, auf einem Tablett reicht und abnimmt; das grenzt an Artistik; Anmachartistik. 

Immer liegt beim Schnitzler und auch hier im Film die Erotik in der Luft, sie scheint Sinn und Zweck des Daseins zu sein. 

Wenn die Liebe durch romantische Ruinen, luxuriöse Bars oder Villen, schicke Autos als verfeinernden Zutaten illustriert werden kann, umso besser. 

Liebe muss nicht tief sein, geht aber tief und tendiert immer wieder zu Besitzanspruch oder Käuflichkeit; so wechseln auch Scheine schnell mal die Hand, den Besitzer. 

Und Liebe gibt es auch im modernen Mexiko nicht nur zwischen Männern und Frauen. Hier ist besonders eine Schauspielerin den Frauen zugewandt. 

Die Kapitelüberschriften zeigen den Gatten an, das Mädchen, die ganz junge Frau, die Schauspielerin, die Herrin, den Matrosen, den jungem Mann und so weiter kreisum. 

Liebesreigen allüberall, eine Beerdigung ist nicht immun gegen Begierden und ermöglicht subjektive Blicke, die an Komik grenzen. Wenn ein junger Mann fragt, „wo ist mein Saft“, so ist das mehr als nur eindeutig. Und auch grenzüberschreitende Verfolgung junger Männer einer jungen Frau gegenüber gehört zu diesem Liebesreigen, der einmal in ein Verfolgungsjagd mündet, wie das Auto oder der Bus als Liebesgefährt nicht ohne ist – neben dem Riesenrad. Im Abspann spinnt Kugler einige der Beziehungen also Schlusspointen weiter. 

Superdeep (VoD, DVD)

Zwischen hippokratischem Eid und Mutation

Ana (Milena Radulovic) ist die heroische Heldin dieses mächtigen russischen Sci-Fi-Thrillers mit dem hochakuten Thema der Mutation. Ihr Kampf besteht aufopfernd darin, den hippokatischen Eid zu erfüllen und trotzdem an grenzwertigen Forschungen teilzunehmen. 

Vorgestellt wird Ana in einer kurzen Schwarz-Weiß-Sequenz, in der es um die Entwicklung vom Vakzin MX23 und Selbsttests der Forscher geht. Sie muss aushalten, dass sie den Selbsttest nicht gemacht hat, ihr Kollege aber schon. Dieser hat nicht überlebt. Das ist eine schwere Hypothek für den Auftrag, den sie mitten in einem familiären Fest vom Institut für biologische Verteidigung erreicht und sie umgehend zu einer extrem geheimen, extrem gefährlichen Forschungsstation im Ewigen Eis Russlands beordert. 

Etwas ist schiefgegangen in einem Labor namens „Sahara“ 12 Kilometer tief unter dem Permafrostboden. Der Film spielt 1989, am Fernsehen spricht Michael Gorbtschow. Entsprechend sehen die technischen Ausrüstungen, malerisch allemal, aus, die Lifte in diese extreme Tiefen und die brandgefährlichen Labors. 

Es wird in diesem sauber gemachten und entsprechend sorgfältig auf Deutsch synchronisierten Film von Sergey Todchilin, der mit Victor Bondaryuk, Milena Radulovic und Arseny Sukihn auch das Drehbuch geschrieben hat, um Kontrollverlust im Sinne Goethes vielleicht, die Geister, die ich rief, um Verselbständigung von grenzwertigen biologischen Forschungen an Pilzen und unerwarteten Entwicklungen, wenn sie mit Menschen in Kontakt kommen. 

Auch diese Gruselbilder zeigen nicht nur, wozu Film inzwischen fähig ist, welche Schauderstimmungen er kunstvoll entwickeln kann; er schürt auch ständig den ethischen Konflikt von Ana, die später nicht nur storyhalber, sondern bestimmt auch filmakttraktivitätshalber im engen Body kämpft, zwischen ärztlicher Ethik und eventuell auch einer Grenzziehung zwischen einem Menschen, den sie erst flirtenderweise kennengelernt hat, der sie immer nach ihrem Herkunftsland frägt, und seinem Aussehen, wie er selbst infiziert wird. 

Es besteht große Gefahr für die Menschheit, deutlich schlimmer wohl als die Covid19-Virusangelegenheit. Aber Machtgier und Neugier sprechen dagegen, auf solche Forschungsergebnisse zu verzichten. 

Pilze und eine extrem aggressive Form von Schimmel (was gerade auch für die Bilder höchst reizvoll ist). Stefe hat sich die kürzere Fassung angeschaut. 

Im Mediabook ist auch die ursprüngliche Schnittfassung in 4K zu finden.