Archiv der Kategorie: TV

Heimatrauschen (TV BR)

Mit dem Begriff „Heimat“ etikettenschwindlerisch verbrämtes Shopping-Magazin, garantiert inkongruent zum Begriff „Rundfunkauftrag“. Immerhin geht es nicht um industrielle Massenware made ich China, sondern um Kleingewerbe und Kleinkunst aus Bayern, welche sich mit manchen Folklore-Insignien schmücken. Die Macher sollten sich allerdings entscheiden, ob sie sich primär für die Präsentation geldwerter Waren (dafür sprechen die lobhudelnden 08/15-Kundeninterviews) oder für die Macher, also den Menschen (und damit für den identitätsstiftenden Heimatbegriff) interessieren. Im ersten Fall wäre ihnen zu empfehlen, sich mit ihrem Billigprodukt bei einem privaten Shopping-Kanal zu bewerben. Im zweiten Fall sollten sie versuchen, sich an Herrn Gernstl hochzuranken und sich überlegen, ob sie ihm Konkurrenz machen wollen. Nur zu, Konkurrenz belebt das Geschäft. Wobei nachzufragen wäre, ob Kleingewerbler und Kleinkünstler, die ins Raster dieses Magazins passen, eine faire Chance haben, in die Sendung zu kommen oder ob das per Wohlwollen und als Gunsterweis geschieht.

Estalgia – Einfach leben (TV BR)

Alles ist hier wie im richtigen Film: die Bilder, die pseudodokumentarische Wackelkamera, die Musik, die Maske, die Kostüme, die Ausstattung, die Beleuchtung, der Schnitt, die Darsteller und ihre Inszenierung von dramatisch bis dramatisiert, Atmosphärisches, alles brauchbar, professionell. Nur einen Punkt, den ganz großen Schwachpunkt, haben wir bei der Aufzählung der Qualitäten dieses Filmes von Daria Onyshchenko noch nicht erwähnt: das Buch, das Buch, das Buch, das die Regisseurin mit Miroslaw Mandic geschrieben hat und zwar dessen Substanz, dessen Essenz, will heißen, deren Abwesenheit.

Und trotzdem hat Hubert von Spreti, der den Bürgern und Steuerzahlern gleich doppelt auf der Tasche liegt, als BR-Redakteur dem Zwangsgebührenentrichter und als Professor der HFF München dem Steuerzahler diesen Film protegiert und es kommt nichts dabei herum außer so einem nichtssagendem Film, den der BR tief vor seinen Zuschauern in der Nacht versteckt, auf dass er das Debakel nicht bemerke, auf dass möglichst wenige Zuschauer darauf aufmerksam werden und womöglich sich beschweren, was mit ihrem Gebühren- und Steuergeld hier angestellt werde, nämlich nichts weiter, außer der schön verpackten Verbreitung der überraschenden Weisheit, dass wenn ein Mann und eine Frau zusammenkommen, sie unweigerlich dazu neigen, anzubandeln, dass ein körperliches Zusammengehen in der Luft liege, egal, was die Hintergründe, die kulturellen und sozialen sein mögen, das ist doch die große Erkenntnis dieses Filmes, die im Titel angedeutet wird: einfach leben (und vermutlich über nichts nachdenken). Wenn wir also nicht brav unsere Steuern und Zwangsgebührengelder entrichtet hätten, hätten wir das womöglich nie erfahren. Ähnlich inhaltsarm und nett war schon „Your drive me crazy“ ebenfalls von Hubert von Spreti gepusht.

Das Milieu, in welchem uns diese Anbandelungserkenntnis präsentiert wird, ist Emigranten-Immigranten-Milieu: Immigranten in München, Emigranten aus Serbien und der Ukraine. Der dadurch bedingte Sprachensalat ist reizvoll.

Was wollen uns Miroslaw Mandic und Daria Onyshchenko mit ihrem Buch aber erzählen? Es scheint, sie wollen erzählen, dass wenn ein Mann und eine Frau zusammen in einer Szene sind, dass ihnen nichts anderes einfällt als entweder Dinge aus ihrer Vergangenheit zu erzählen und damit für die Zuschauer auf dem Erklärwege Drehbuchdefizite zu kompensieren oder aber vor allem, wenn Mann und Frau zu zweit vor einer Kamera sind, so müssen sie zwanghaft anbandeln, allenfalls noch singen, lieber aber ficken.

Diese Weisheit wird natürlich weder spannender noch weiser, wenn sie in den genannten Milieus platziert wird. Wobei allfällige weitere Messages aus diesem Film insofern schwierig zu dechiffrieren sind (es fehlt auch an jeglichem Anreiz, dies zu versuchen), als vom Bild her sowohl München als auch Kiew als auch Belgrad kaum zu unterscheiden sind, die Filmemacher voraussetzen, dass der Zuschauer auf Anhieb sofort Locations als auch handelnde Personen ihren Zusammenhängen zuordnen kann; auch die Namen sind zumindest für einen genuin Deutschsprachigen nicht leicht auseinanderzuhalten: Bogdan, Zhora, Zoran, Vladan und welche war nun Ruslana, Aida, Maria?

Nervöse Atmosphären mit schönen Impressionen von künstlerischem Flair herstellen, ist zwar eine wichtige Zutat, gar Voraussetzung zum Erzählen einer Geschichte; es kann dieses aber keinesfalls ersetzen.

Gernstls Zeitreisen, Vom Allgäu bis zum Taubergrund (TV BR)

Seit 30 Jahren reist Franz X. Gernstl mit dem Kameramann HP Fischer durchs Land und berichtet dokumentarisch über Begegnungen mit Menschen, denen er mehr oder weniger zufällig begegnet. Dabei hat er viele hübsche, von der Weltgeschichte nicht beachtete Figuren ins Fernsehen gebracht und zu den Zuschauern ein persönliches Verhältnis aufgebaut, eine familiäre TV-Marke entwickelt, hat seine einst kreative Idee, die das Fernsehen revolutionieren wollte, zu einer Institution gemacht, die den Menschen von Menschen berichtet. Er ist sozusagen eine Vertrauensperson im Fernsehen für viele Zuseher im Land. Denn er denunziert nie jemanden, behandelt die Leute respektvoll und doch mit Neugierde und findet meist Berichtenswertes.

Gernstl hat eine gute, leicht pastorale Art. Die meisten Menschen erkennen ihn, wenn er mit seinem VW-Bus auftaucht. Bis vielleicht auf den Mann aus Ulm, der von der Brücke aus Enten füttert und sein Brot auf einer Malerpalette schneidet. Der arbeitet in einem Aquarium, in dem zwei Bären sind. Nein, keine Eisbären, Braunbären.

Jetzt hat Gernstl sich zum Jubiläum auf die eigenen Pionierspuren begeben und Leute wieder aufgesucht, die er auf seiner ersten Reise angetroffen und überrascht hat, einer Reise, die in einer Zeit stattfand, als junge Männer lange Mähnen trugen. Die Geissenhanni, die immer noch ganz zufrieden ist und bei der sich nichts geändert hat, glaubt immer noch an die Vorhersehung und scheint glücklich dabei, die junge Frau vom Bus, „das Landei mit der Löwenmähne“, die nicht weg wollte vom Land und die heute gut situiert verheiratet ist und nach wie vor zufrieden und glücklich auf dem Land lebt oder der Jäger und Lindenblattpfeifer, der nur einmal im Leben ein schwaches Rehkitz geschossen und dann die Trauer der Mutter und der anderen Rehe beobachtet und seither nie wieder ein Tier erlegt hat.

Natürlich verliert so eine Sendung ihre Unschuld, nachdem ihr Überraschungseffekt sie etabliert und beliebt gemacht hat. Vermutlich melden sich viele Leute bei Gernstl, die gerne ins Fernsehen kommen möchten und die er dann auch berücksichtigt. Wie der Sammler technischer Geräte, der wundersame Waschmaschinen und kuriose Plattenspieler (ein Spielzeugauto mit Tonabnehmer kreist selbstständig über die Rillen der Schallplatte) vorführen kann.

Gernstl sagt, dass sich bei ihm genauso wie bei der Geissenhanni nichts geändert habe in den 30 Jahren, außer dass sein Bus jetzt nicht mehr grün sondern rot sei. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Er scheint zwar die Neugier auf die Menschen und die Freude am Reisen nicht verloren zu haben. Aber das Projekt hat sich doch insofern geändert, als er nicht mehr davon spricht, die Welt des TVs revolutionieren zu wollen, sondern dass er jetzt mit seiner Marke und seiner eigenen Firma megaherz in Unterföhring mit 35 Mitarbeitern Geld verdienen will. Das ist zwar nichts Anstößiges, umso mehr als es sich um ein beliebtes TV-Produkt handelt – aber es ist die nicht erwähnte andere Seite der menschenfreundlichen Medaille. Geändert haben dürfte sich auch, dass in der aktuellen Sendung mindestens einmal das Logo des Hersteller seines roten Buses doch mehr als nur zufällig ganz gut ins Bild gerückt worden ist.

Bayern! – Im Osten (TV BR)

Wieder viel „Bayern von oben“ mit gerne sich drehenden Luftaufnahmen, wieder der ehrgeizige fotografische Auftritt, wieder die Ineinanderstickerei von vier Geschichten, die nichts miteinander zu tun haben, wieder vier Menschen im Mittelpunkt, über die man nicht allzu viel erfährt und die nicht ganz alltägliche Aktivitäten entwickeln. Diesmal zeichnet Lisa Eder-Held für Buch und Regie verantwortlich.

Marco Heurig möchte vom Wildluchs Kika endlich die Daten von seinem Halsband mit einer Antenne abfragen; dies gelingt allerdings nicht im bayerischen Wald, sondern erst in Tschechien, denn Luchse kümmern sich nicht um Landesgrenzen.
Der Glasbläser von der Glashütte Lambert in Waldsassen bereitet Gläser für die international renommierte Künstlerin Kicki Smith für eine Ausstellung in München vor.
Der Bariton und Kulturgschaftler Thomas Bauer aus Bleibach tritt nicht nur mit dem Brucknerorchester Linz im Kloster Niederaltaich auf, wo er „Freude schöner Götterfunken“ singt, er möchte auch in Bleibach einen Konzertsaal für Niederbayern und internationale Begegnungen auf die Beine stellen.
In Regensburg, das besonders schön in der Luftaufnahme kommt, will der Althistoriker Josef Löffel das Leben der Underdogs in der Vergangenheit, die Kampftechnik der römischen Gladiatoren auf Grund von Schädelfrakturen nachvollziehen und außerdem möchte er eine Arena bauen.

Ende Jahr scheint der Fernsehredaktion die Zeit für Kalenderblattfotografie gekommen zu sein.

Bayern! – Im Süden (TV BR)

Kunstgewerbliche Doku mit großem fotografischem und musikalischem Aplomb für die kleine Info von Richard Ladkani über rare berufliche und nebenberufliche Aktivitäten von Menschen im Süden Bayerns ohne allzu großes Interesse an den Menschen (vor allem: an allfälligen Konflikten) und den konkreten Vorgängen, wobei die ineinander verzopfte Parallelerzählung von vier Kapiteln offenbar unumgänglich ist.

Klimaforscher Hans Vogelmann möchte auf der Zugspitze mit einem Laserprojekt internationalen Erfolg einheimsen. Mona Göttl möchte als erste Frau mit ihrem Husky in der Lawinenhundestaffel aufgenommen werden und übt das Abseilen vom Helikopter. Ulrich Brendel untersucht am Watzmannmassiv im Sinne des Steinadlerschutzes Konfliktsituationen zwischen Adler und Gleitschirm. Andreas Burmester konserviert im Münchner Kunstareal Kunstwerke gegen Erinnerungsverlust.

Kalenderblattfernsehen mit dem Hauptaugenmerk auf ehrgeiziger Fotografitis, dem Formalen, der ästhetisch ungewöhnlichen Aufnahme, der Bildspielerei (sich drehende Flugaufnahmen, Zeitraffer).

Tatort: Allmächtig (TV, ARD, BR)

Dieser Tatort ist grober Unfug auf Gebührenzahlerkosten und pinkelt dem eigenen Sender ans Bein, dem BR (Intendant Ulrich Wilhelm), mit einen Plot, der davon ausgeht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag nicht erfüllt. Kein reeller Kaufmann würde dafür 1,3 bis 1,5 Millionen Euro hinlegen. Denn der Skandal, der dem Fall zugrunde liegt, geht von einer dysfunktionalen Öffentlichkeit aus und ist so groß, dass auf ihn der Slogan der Abendschau angewandt werden müsste: „Wenn’s so wäre, wüssten Sie’s aus der Abendschau“. Die in diesem Tatort postulierte Öffentlichkeit, weiß es aber nicht. Wenn der Skandal so groß wäre, wie in diesem Fall angenommen („bei der Motivlage kommt da halb München in Frage“), und die Öffentlichkeit jenseits des Internets hätte davon nichts mitgekriegt, dann hätte diese Öffentlichkeit ein Problem. Und dann müsste diese kritisiert werden. Der Fall geht von einer Öffentlichkeit aus, der der reihenweise Ruin ehrbarer, gestandener Mitbürger (u.a. ein gut eingeführtes Fischrestaurant am Viktualienmarkt, eine angesehene Finanzbeamtin) durch ein perfides Internetstartup-Unternehmen (AAA), das mit wachsendem Erfolg ehrenrührige, denunziatorische Mobbing-Clips im Internet verbreitet, verborgen bleibt oder die den Skandal verschweigt. Falls die Öffentlichkeit der Medien jenseits des Internets in München noch funktioniert, so entzieht das diesem Tatort allerdings den Boden unter den Füßen, und er darf gewiss als grober Unfug bezeichnet werden. Denn die Öffentlichkeit, von der hier die Rede ist, ist ein demokratischer Grundpfeiler, und wenn der nicht mehr funktioniert, dann haben wir ein Problem mit der Demokratie. Dieser Tatort setzt just dies voraus. Die verfasste Öffentlichkeit tritt erst mit den beiden Kommissaren auf den Plan, erst nach dem Verschwinden einer Person. An zwei Stellen fragen die Kommissare dann immerhin wegen Schadenersatzklage und Anzeige, vermutlich um den Vorwurf des Unfugs im Drehbuch vorbeugend zu heilen.

Um den haarsträubenden Plot zu übertünchen, wurde nun viel zähe TV-Handwerkerei-Paste mit prononcierter Kinosehnsucht, Kameraspielereien, einer Fülle an Ausstattung mit liebevollen Details, einer sanften, angenehm zurückhaltenden und nicht unnötig dramatisierenden Musik drüber gestrichen; aber gegen die Unglaubwürdigkeit der Rollen helfen auch keine noch so hübschen, noch so TV-beflissenen Darsteller.

Plot-Rekapitulationsversuch. Ein aggressives Internetstartup-Unternehmen, „AAA“, generiert im Internet mit perfiden Kameraüberfällen auf ahnungslose Opfer („gehen einfach rein und filmen“) zur Herstellung von Mobbing- und Denunziations-Clips (das „k“ von „kein Nazi“ wird einfach weggeschnitten) über 170’000 Klicks pro Clip, mit der Provokation von Hass (Hassmails) und Häme (Sarah Nazibraut), ruiniert damit reihenweise Existenzen, wird aber von der verfassten und medialen Öffentlichkeit nicht wahrgenommen und hat jetzt eben eine Siegesfeier hinter sich, denn das „richtige“ Fernsehen ist interessiert (BR?, ARD? Interessieren die sich für Clips, die ihre eigenen Kommissare als „Dreck“ bezeichnen müssen?). Das ist eine „Riesenchance“, wie die Mitgesellschafterin Lohmiller dem Kommissar gegenüber versonnen meint (ihr kümmernder Ton bei diesem Begriff steht in merkwürdigem Gegensatz zum Erfolg, den die großzügigen Studioräumlichkeiten (wie sich später zeigen wird allerdings ohne Sprinkleranlage, ein Schwarzbau?) und das luxuriöse Loft von AAA, dem Namen und Gesicht des Unternehmens, über den Dächern von München vorgeben; was brauchen die noch händeringend eine „Chance“, wenn es ihnen schon so gut geht?). Allerdings war AAA bei der Siegesfeier unentschuldigt ferngeblieben, ein Fakt, der die Firma hätte alarmieren müssen, es aber offenbar nicht getan hat, die Feier scheint, als ob nichts gewesen wäre, ohne ihn stattgefunden zu haben.

Der nicht ganz keusche, katholische Pfarrer Fruhmann aus Schwabing ist eines der Opfer von AAA („noch ein Braten im Ofen?“). Dafür wurde er von der Kirche nach Obertaufkirchen strafversetzt. Er gründet eine Selbsthilfe-Gruppe der Opfer von AAA. Dies sind u.a. eine Finanzbeamtin, die ihren Job verliert und zur Messi wird, ein Nazi-Aussteiger, der andauernd neu untertauchen muss, ein Restaurant-Betreiber, der den Abstieg zum Wurstbudenbetreiber verkraften muss und der Pfarrer selbst, der von Schwabing nach Obertaufkirchen gemaßregelt wurde. Offenbar hat aber keines der Opfer Vertrauen in den Rechtsstaat oder in die Medien außerhalb des Internets, auch nicht in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, noch in eine der Münchner Tageszeitungen und alarmiert diese oder erstattet Anzeige. Keiner traut sich, dem Treiben von AAA juristisch zu begegnen, keiner traut sich, die Presse oder Medien zu informieren – trotz enormem Ausmaß des Skandals: keine Öffentlichkeit.

Diese Grundlegung des Falles, die zu den Todesfällen führen wird, die dann wenigstens die verfasste Öffentlichkeit in den Personen der beiden Kommissare auf den Plan ruft, ist schlicht nicht nachvollziehbar, ist haarsträubend und ohne jeden realen gesellschaftlichen Hintergrund; der Film muss also woanders spielen; garantiert nicht in München, wohl kaum in Deutschland. Diese Konstruktion ist, das darf man wohl mit Fug und Recht behaupten, hirnrissig bis grober Unfug zu nennen; um so mehr, als die Opfer nicht so dargestellt werden, als sie von der Wirksamkeit von Medienöffentlichkeit keinerlei Ahnung hätten; das muss ja eine sehr dumme Spezies von Mensch sein, die offenbar nur im Internet lebt, welches hier so stark ist, dass es solche Opfer zustande bringen kann.

Vor diesem Hintergrund wirkt die Begründung des Pfarrers für den Verzicht auf die Beiziehung der medialen und verfassten Öffentlichkeit mit Hinweis auf Mandelas Politik der Vergebung so, dass sich die katholische Kirche nur wundern dürfte, was für strohdumme Pfarrer das Fernsehen erfindet und engagiert, die den Mandela so bescheuert interpretieren. Nun ist allerdings sein Anwärter auf das Priesteramt, den der Pfarrer auch in die Kunst des Exorzismus einführt, etwas übereifrig. Es geht einiges schief, was dann doch den Rechtsstaat in Form der beiden langjährigen Kommissare mit ihrem werbewirksam inszenierten BMW (mal nachfragen, was die PR-Verabredungen zwischen BR und der Automobilfirma sind; wie weit das Sponsoring auf die Inszenierung des Wagens und damit des Filmes Einfluss nimmt) auf den Plan.

Ein haarsträubender Plot, der in einer offenbar von der verfassten Öffentlichkeit, juristisch wie medial abgeschotteten, gesetzlosen Internetwildnis spielt, jenseits aller anderen Medien-Öffentlichkeit und an dem gleich drei Autoren mitgekocht haben: Harald Göckeritz, Gerlinde Wolf, Edward Berger – für diesen schwach durchdachten Mist, der noch seinen Auftraggeber schlecht aussehen lässt, werden sie ein ansehnliches Honorar aus Gebührengeldern kassiert haben. Die Firma Hager Moss hat den Film für den BR produziert.

Ein Ensemble von soliden Berufsleuten vor und hinter der Kamera kämpft nun verzweifelt gegen diesen hahnebüchenen Plot, der mit den üblichen TV-Methoden auch gar nicht plausibel darstellbar wäre, versucht mit diversen Mittelchen von der Hirnrissigkeit des Buches abzulenken. Hirnrissig im Sinne, dass es in der Realität unserer Gesellschaft nicht vorstellbar ist, dass ein Skandal dieses Ausmaßes, reihenweise ruinierte Existenzen durch Hunderttausende von Klicks im Internet, nicht ins Bewusstsein der restlichen Öffentlichkeit gedrungen sein soll; dass keines der Opfer sich weder an die juristische verfasste Öffentlichkeit noch an die Presse oder Medien außerhalb des Internets gewandt hat. Das ist reine Zombiefantasie der Autoren. Sie haben einen Zombieplot geschrieben und den wollen die Macher zurecht nicht als solchen erkennbar machen, weil dann wäre es ja kein „Tatort“, dann wäre es Sonntagabend-Trash. Mit viel Kamera- und Inszenierngshokuspokus und -firlefanz bemüht sich das Team hinter der Kamera den Eindruck von Eleganz und Modernität zu erwecken, um von diesem hinterwäldlerischen Plot, der bestenfalls Schaum aus sensationslüsterner Schlagzeilenschlägerei ist, abzulenken.

Mittel zur Entzombisierung des Plots.
Während den beiden Kommissaren durchaus anzusehen ist, dass ihnen Buch und Regie (und möglicherweise auch einige Kollegen) nicht allzu sehr behagen, täuschen sie wiederum grandios durch den Rhythmus ihres seit Jahrzehnten wie bei vorgerückten Ehepaaren eingeübten Pas-de-Deux, den sie beim gemeinsamen Betreten eines Raumes oder wenn sie mit vorgehaltenen Pistolen in Räume eindringen, hinlegen, nicht nur über den abstrusen, lebensfernen Plot hinweg, sondern sie balancieren auch noch allfällige Ansätze von Arthrose in den Knien geschmeidig aus (Ingwer wäre zu empfehlen).

Kameraspielereien zur Plotverschleierung: die Verhörsituation der beiden noch lebenden AAA-Gesellschafter hintereinander in parallelen Räumen, die Befragung gespiegelt in der Linse der, Achtung Markenwerbung: „Handycam“, durch ein Lüftungsgitter oder aufgenommen mit normaler Fiktionskamera und dies gedoppelt hintereinander und die beiden Akteure stört je die mitfilmende Kamera. Solche Spiegelungsspielereien lenken wirkungsvoll ab von einer unterirdischen Story.

Ablenkungs-Inszenierungschoreographie im prächtigen Kirchlein von Obertaufkirchen mit den beiden Kommissaren und dem Pfaffen und seinem Zauberlehrling. Ein Hin- und Hergegehe zwischen Kirchenschiff und Empore, richtig kopflos. So kann Text barock verspielt werden.

Auch die Castingabteilung versucht gegen den Plot zu halten, zu besänftigen, indem sie Schauspieler bestellt, die gar nicht erst den Anspruch haben, Realität abzubilden, „Figur-Sein“ rüberzubringen, sondern die klar zu verstehen geben, dass sie „gekonnt gelernt“ einen fremden Text präsentieren und performen und locker vorschauspielern. Die einzige Figur, die Geheimnis hat, und insofern reales „Sein“ behauptet, ist der Täter. Der sich damit vom ersten Auftritt an schon verrät.

Innere-Monolog- und Wartesituationen. Um die Leere der Figuren, die so ein hirnloser Plot impliziert, zu überspielen, gibt es zwei Intermezzis mit vorgetäuschten inneren Monologen, je nach einem Drittel des Filmes, das eine Mal werden alle möglichen Täter in Gedanken versunken gezeigt, rasch hintereinander geschnitten, das andere Mal versuchen die beiden Kommissare in schnell wechselnden, verschiedenen Positionsarrangements in ihrem Büro Klarheit über den Fall zu gewinnen. Ein Mittel, was den Eindruck von Tiefe erweckt, die der Plot nicht bietet.

Auch die Musik versucht suggestiv zu beschwichtigen. So schlimm ist das alles doch gar nicht. Es gibt hier keine Schmerzen.

Kein reeller Kaufmann würde für dieses lausig-gearbeitete, sensationslüsterne Plotwerk mit so unsolide erfundener Story 1,3 bis 1,5 Millionen Euro auf den Tisch legen. Der BR tut es. Wie viel geht davon für die Story, wie viel für deren Reparatur resp. deren Vertuschung und Halbwegs-Erträglichmachung drauf? So einen miserabel recherchierten Plot würden eingefleischte Splatter- oder Horrorfilmer für wenig Tausend Euro drehen: aber dann: „holla die Waldfee!“

Bei genauer Lektüre des Drehbuches hätte die meisten Mitwirkenden ihre Teilnahme an diesem Tatort absagen müssen (so ’n Schmarrn mach ich nicht mit). Aber es locken die Gebührengelder, die nach der Reform noch reichlicher fließen, sie locken mindestens so stark wie manche Politiker der Kuchen der große Koalition.

Geschickt und mit viel Fleiß und Aufwand verbrämter Trash. Im Grunde genommen ist die Gesellschaft, die hier skizziert wird, die sich abseits der juristisch verfassten und medialen Öffentlichkeit bewegt, eine Zombie-Gesellschaft, müsste dann korrekterweise auch als solche dargestellt werden. Das wäre echter Horror: dies mitten unter uns.

Fazit: dieser Tatort ist ein unverzeihliches Gebührenverbrennungsdesaster, weil er mit unglaublichem Aufwand versucht, den Trash, den der Plot darstellt, zu vertuschen. Redaktion: Claudia Simionescu.

Nett. Die Katze, die vorm Count-Down die Fahrbahn der beiden Fahnder kreuzt. Die schwerhörige Bayerin im Friedhof: „was is?“. Während das Studio sich zum flammenden Inferno entwickelt, versucht der Kommissar ein Verhör = Suspense. Der junge IT-Mensch, der dann doch lieber in seinem fensterlosen Kellerraum bleibt. Herr Kolbeck, der während der Befragung mit einem Metzgermesser Karotten zerhackt und dazu sagt: klar war ich wütend. Die abgefilmte Exorzismusfantasie des Kommissars. Und last not least, Werbung für die Trauerhilfe Denk unter dem Namen „Herz“. Wer bietet Trauerhilfe für diesen Tatort? Das Herz nicht, hier muss man denken.

Als unsere Berge Skifahren lernten – Goldrausch im Gebirge (TV BR)

Der zweite Teil dieses Archiv- und Interviewgestöbers von Katarina Schickling über die Entwicklung der Skifahrerei in den Alpen setzt mit den Amis ein, die nach dem Krieg hier waren und auch Skifahren wollten, geht nahtlos über zum Wirtschaftswunder und der sich entwickelnden Touristikindustrie mit dem aufkommenden Massentourismus („das Skifahren verliert seine Unschuld“) und endet mit der deprimierenden Einsicht, dass der Schnee immer weniger („In 20 Jahren ist das Geschäft mit dem weißen Rausch beendet“) und die Pisten immer künstlicher werden (Trostpflästerchen: „Kunstschnee ist kompakt, echter Schnee stört da nur“). Hier gibt es viel Material aus Nachrichten und Features, was der BR selber zu dem Thema produziert hat.

Und über allem irrlichtert ein Musiksalat.

Als unsere Berge Skifahren lernten – Pioniere im weißen Rausch (TV BR)

Ob sich Katarina Schickling mit dem Titel „Als unsere Berge Skifahren lernten“ einen Gefallen getan hat, ist eine offene Frage. Dieser Titel erweckt die Assoziation an die Bilder, die laufen lernten. Das war die Begründung des Kinos. Was aber hat das Skifahrenlernen mit den Alpen zu tun, außer dass es dort stattfand, stattfindet? Insofern ein recht weiträumig gefasster Titel, eine unscharf gefasste Thematik, was zur Folge hat, dass der Eindruck entsteht, die Redaktion habe eben mal einen Azubi ins Archiv geschickt mit dem Auftrag, Aufnahmen aus der Geschichte des Skifahrens zu finden und dann mit Interviews von Enkeln oder Urenkeln von Pionieren und Profiteuren des Skiaufschwungs in den Alpen zur üblichen, kurzatmigen TV-Doku zu mixen. Immerhin kommt der Zusammenhang zwischen städtischem Bürgertum, was es sich leisten konnte, und dem Geschäft mit dem Skifahren in den Alpen deutlich zum Ausdruck, später auch die Schäden, die diese Industrie anrichtet mit ihren Pistenplanierungen und Schneekanonen, ferner auch die Aussicht auf immer weniger Schnee. Dazwischen war der Einfluss der Weltkriege, weiße Skier für braune Nazis. Das ergibt 44 Minuten übliches TV-Archiv- und Interviewgestöber über 40 Jahre Entwicklung der Skifahrerei in den bayerischen Alpen. Wobei die Archivfilmchen je älter sie sind, desto uriger wirken – besonders aus der Zeit als die Bilder (nebst und in den Bergen) das Laufen lernten.

In Bayern war es der Buchhändler August Finsterlin, ein Münchner Geschäftsmann, der sich die ersten Skier, 3 Meter lange Holzbretter, aus Skandinavien hat schicken lassen und damit nächtens am Monopteros im Englischen Garten übte, der später ins Voralpenland gezogen ist und die erste Skizeitschrift herausgegeben hat.

Die Sterilität der Sprecherinnenstimme erweckt den Eindruck neutraler Wahrheit, die so ein Film natürlich nicht bieten kann.

Einer bleibt sitzen (TV BR)

Glattgemähtes Aufklärungs- und Mutmachtheater geleckter Daily-Soap-Darsteller um die Querschnittslähmung eines jungen Mannes als in Kauf genommener Folge von „bester Freund schnappt Freundin weg“ – pürierte Gefühlssuppe – alles wird gut, denn wer beide Beine noch bewegen kann, hat gut Optimist sein. Auf der Stieralm, da gibt’s koa Sünd, da trieft das Melodram, gerne auch hochdramatisch, denn der Impetus „sich nicht runter kriegen lassen“ wabert wie ein Regenbogen über allem.

Das Buch der Bücher – Über das Hören (TV BRalpha)

Die Bibel am Fernsehen lebendig werden lassen, ist sicher keine schlechte Idee, ist dieses Buch der Bücher doch immer noch ein Kernbestandteil unserer Kultur.

Inhaltlich ist diese 18-teilige Lese-Miniserie zu je 15 Minuten von der ersten Folge her zu schließen bestimmt auch klug durchdacht. In dieser ersten Folge geht es um das Hören, es geht darum, was die Bibel selber darüber sagt mit Zitaten aus dem 1. Buch Samuel, Jeremia, Jesus, dem Deuteronomium, Jesaja.

Die Bibelstellen lesen Markus Fisher, Anna-Isabell Zils und Gert Heidenreich. Sie lesen die Stellen nicht dem Zuschauer zugewandt, sondern sich gegenseitig vor. Das erweckt den Eindruck einer geschlossenen Gesellschaft.

Die Vorleser befinden sich in der Staatlichen Bibliothek in Passau. Als kleine Rahmenhandlung sieht man sie vorher ihre Bücher aus der schönen Bibliothek greifen; sie sind voll mit Markierungen.

Die Leser selber versuchen sich in unterschiedlichen Stilen zu kleiden: Gert Heidenreich als überzeugter Intellektueller mit schwarzem Anzug und schwarzem Rollkragenpullover am Stehpult, Anna-Isabelle Zils trägt über dem kleinen Schwarzen ein weinrotes Samtjackett und sitzt an einem Tisch in einem Winkel zu Markus Fisher, der über hellblauem, offenem Hemd ohne Krawatte eine Lederjacke trägt und sich zum Lesen eine schwarzrandige Lesebrille aufsetzt.

Sicher ein kniffliges Problem: Lesung im Film. Im Bild dem Wort die Ehre geben. Dass die drei praktisch für sich sind, sich selbst die entdeckten Fundstellen zum Thema mitteilen und sich auch mal anerkennend zulächeln, ist die Lösung, die hier gefunden wurde und von Martin Posselt in einer Art Regie umgesetzt wurde, die sich als Nicht-Regie zu zeigen versucht. Vielleicht um dem Eindruck, es könnte sich um eine Predigt handeln, zuvorzukommen? Um nicht in den üblichen, gerne pathetischen Duktus der Lesung im Gottesdienst oder vor geneigtem Publikum zu verfallen?

Es könnte funktionieren, diese Lösung des Insiderischen, sie gerade könnte die Neugier wecken, zuzuhören. Was erzählen die sich hier?

Andererseits konnten die Macher und Vorleser den Gedanken, es für ein Publikum zu tun, nicht ganz ausblenden, die Heiligkeit der Bibelworte in der Intonierung nicht ganz eliminieren. Die Lesehaltung scheint mir dadurch etwas zweideutig: einerseits den Zuhörern zu zeigen, dass man lesen kann, andererseits dieses Lesen-Können sowohl den Anwesenden in der Bibliothek als auch den Zuschauern zuhause nicht allzu sehr verdeutlichen zu wollen. Dieses Zweideutigkeit kann momentweise auch den Eindruck einer gewissen Müdigkeit, Betulichkeit, ja fast Lustlosigkeit oder eine Routineverhaftung erwecken. So dass ich mich gefragt habe, entdecken die denn so gar nichts neu für sich, für ihre Zuhörer? Denn das Wort Gottes, wie es über die Bibel heißt, das muss doch eine ungeheure Kraft haben, hat sie immer auch gehabt, sollte direkt wirken und braucht keinen Hauch bemäntelten, professionellen Lesekunsteinschlags. Die Performance schwankt zwischen der Ambition gepflegter Vorleseübung und der Absicht, dem Publikum den Text frisch und spannend zu vermitteln.

Anderer Beschreibungsversuch: der Eindruck einer gewissen Ratlosigkeit der Bibel oder dem Unternehmen Bibellesung am Fernsehen gegenüber; gegen eine solche Ratlosigkeit wäre nichts einzuwenden, wenn klar wäre, um welche es sich handelt. Es scheint aber eher die Ratlosigkeit dem Leseunternehmen gegenüber; das wirkt tendenziell wie performerische Unsicherheit, statt sich unbefangen vom Bibelwort verunsichern zu lassen durch ganz genaues Hineinhören.

Die Bibel verdient mehr Frische!