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Niemals weit genug – Die Geschichte des Tomi Ungerer (BR, Dienstag, 16. Dezember, 22.45 Uhr)

Eine rasend schnelle, blitzwache Dokumentation von Brad Bernstein (USA 2012) über das Multitalent von Zeichner Tomi Ungerer (Der Mondmann), der Zeit seines Lebens unter dem Kindheitstrauma Vaterverlust, später der Nazischulzeit gelitten hat; der aber Traumata als Auslöser von Kreativität sieht, worüber sollte er sonst nachdenken, und der diese in seinen Kinderbüchern auch behandelt, darin muss das Furchterregende vorkommen, denn die Kinder müssen sich mit der Angst auseinandersetzen.

Tomi Ungerer stieg in New York, wo er 1956 mit 60 Dollar angekommen ist, in kurzer Zeit als Zeichner in die Top-Klasse auf, zeichnete ein Kinderbuch nach dem anderen, erhielt Preise dafür, Elogen in der New York Times. Er brach Tabus, wurde dadurch auch viel angefeindet.

In der aufkommenden Unruhe der 60er verarbeitete er auch politische Probleme, Vietnam („Kiss for Peace“), Rassentrennung. Er malte einprägsame Plakate dazu. Gelernt habe er das bei den Nazis, das Plakat als Faustschlag. Effektvoll. Das war aber auch die Zeit der sexuellen Revolution. Auch die brachte er wach und offen zu Papier, fing an Ideen zu entwickeln und mit den Ideen erweiterten sich auch seine Erlebnisbereiche.

Erfolgreich Kinderbücher zeichnen und gleichzeitig pornographische Zeichnungen publizieren, noch dazu unter demselben Namen, das konnte im prüden Amerika nicht lange gut gehen. Ungerer erinnert sich noch sehr gut an jenen Abend der Vorstellung eines Kinderbuches, wie er in der Diskussion auf diese anderen Werke angesprochen wurde. Das löste wie man heute sagen würde einen Shitstorm der Entrüstung aus, eine richtige Hetze, so dass alle seine Bücher in den Vereinigten Staaten verboten wurden und aus den öffentlichen Bibliotheken entfernt werden mussten. Er habe dann kurz die Contenance verloren und gesagt, wenn nicht gefickt würde, dann gäbe es ja keine Kinder und dann bräuchte man auch keine Kinderbücher mehr.

Ungerer hat ständig Puppen in Atelier, an denen er rumdoktort, eine habe AIDS, dafür ziehe er für die Behandlungen und Operationen Gummihandschuhe an.

Der Film von Brad Bernstein ist einerseits ein rasender Schnellabriss des gigantischen, zeichnerischen Werkes von Tomi Ungerer, wie schon sein Vater sehr begabt gewesen sei, ist eine Reise zu den Orten seines Wirkens: Straßburg, Colmar (hier hat der Isenheimer Altar von Matthias Grünewald ihn geprägt; den hat er immer studiert, wenn er auf den Bus warrten musste, denn der Eintritt war frei), New York, Kanada, Irland. Angenehm wenige und kurze Statements von Kollegen, einer Dame vom Tomi Ungerer-Museum, einem Historiker, einer Kinderbibliothekarin, einem Kinderbuchautor, einem Kritiker und Kinderbuchautor, einem Comiczeichner, einem Literaturwissenschaftler und der Tochter des Zeichners.

Der Hauptmasse des Filmes ist ein Interview mit Tomi Ungerer selbst. Er plaudert drauf los, ein unerschöpflicher Quell, kein Geschwätz, immer geht es um die Begründung, das Need zur Kunst, die Widersprüche, die Traumata, der irre Strom an Ideen, der in ihm fließt, so dass er sich manchmal vorkomme wie ein Zahnarzt in seiner Praxis, mit einem Wartezimmer voller Ideen, die er noch behandeln müsse.

Nach der Hetze in den USA hat er 25 Jahre lang kein Kinderbuch mehr gezeichnet. Inzwischen ist der Bann gegen ihn aufgehoben. Und er hat wieder ein Kinderbuch gezeichnet. In Irland scheint er eine gewisse innere Zufriedenheit gefunden zu haben.
Ungerer schaut immer noch aus wie ein Schuljunge, voller Neugier, voller Wachheit, nicht ohne Schlauheit (die haben sie gegen die Nazis gebraucht).

Süßes Gift (arte, Freitag, 12. 12. 2014, 20.15 Uhr)

Schwarze, finnische Komödie (Roman von Arto Paasilinna) auf Französich mit abtörnender deutscher Routinesynchro, da dürften ein paar Diskrepanzen, Missverständnisse oder Kulturklüfte dazwischen liegen, so dass letzlich nur eine höchst einfach gestrickte, holprige, teils kindertheaterhafte Filmaufführung zustande kommt. Die kauzige Absicht dagegen, die kommt dicke daher.

Charlie ist ein nicht ganz gelungener Charakter, ein Rumtreiber, der mal Poetenambitionen hatte, wobei es ihm am Poetischen fehlte, regelmäßig taucht er bei seiner Omama, seiner nicht ganz echten Oma, einer Chefarztwitwe auf, um die 1800 Euro Rente abzukassieren, brutal und herzlos. Sie wohnt in einem schönen Landhaus.

Omama hat jedes Mal Bammel vor seinem Auftauchen. Diesmal kommt er mit zwei runtergekommenen Kumpels, der eine behauptet, zu studieren, der kassiert aber nur die Stipendien ab und der andere ist ein erfolgloser Schauspieler, überproportioniert und ist aktuell in einem TV-Werbespot für einem Diätmittel zu sehen.

Die drei machen es sich gemütlich bei der alten Dame. Sie haben ein Ferkel geschlachtet und braten es im Garten, sie benutzen die Sauna, tanzen nackt davor herum, saufen. Die alte Dame ist entsetzt. Sie haut ab, nimmt dem falschen Enkel das Geld wieder ab, hetzt den Lausbuben die Polizei auf die Fersen, die aber gibt sich damit zufrieden, sie in den Busch gejagt zu haben. Die alte Dame hat Zuflucht bei einem früheren Freund in einer vornehmen Stadtwohnung gefunden. Das übelgesinnte Trio macht sie ausfindig.

Die Dame hat bei ihrem Freund ein Giftlabor entdeckt und mixt ein „süßes“ Gemisch. Jetzt ist die Frage, wer wird überleben und an das Erbe der Dame gelangen. Denn inzwischen ist die schrille, überrissene Freundin des angeblichen Studenten aufgetaucht, dem eine Begegnung mit der alten Dame nicht wohl bekommen ist.

Bernard Stora, der diese Möchte-Gern-Schwarzhumor-Story fürs Fernsehen zubereitet hat, konnte sich nicht richtig entscheiden zwischen Klamotte, plumpem Kindertheater, Anbiedertheater, Boulevardkomödie, Kriminaltheater, zwischen Übertreibung im Spiel und Zurückhaltung, maßvoller die alte Dame, Line Renaud, die ist entzückend, wie es sich gehört, auch ihr alter Freund, Jacquot, Pierre Vernier, kennt das richtige Maß an Charme, während die drei jungen Männer sich eher an einer Comedy-Tradition, die zu Übertreibungen neigt, orientieren, hey, wir machen hier einen auf Deppert, wodurch der Film zum schlichten Vergnügen mutiert, das man vielleicht anschauen würde, falls es so eine Situaiton noch gäbe, in der man einen öden Abend im Niemandsland verbringen muss mit nur einem Fernsehkanal, der gerade nur diesen einen Film bringt.

Zeit der Zimmerbrände (arte, Freitag, 5. Dezember 2014, 20.15 Uhr und ARD, Mittwoch, 9. Dezember,20.15 Uhr))

Das Ziel dieses Filmes von Beate Langmaack in der Regie von Vivian Naefe ist die Geschichte der Anmassung einer nicht gegebenen Vaterrolle. Ein Mann, der sich nach einem Sohn sehnt, nimmt allzu gerne die Position des unbekannten Vaters ein, den sich der Sohn sehnlich wünscht. Das Buch von Beate Langmaack ist brav, brav und allzu zielbewusst. Es geht nicht von den Figuren aus, sondern vom Ziel dieser erfundenen Beziehung.

Der Titel selbst weist auf eine zwanghaft eingefügte Nebengeschichte. Dieser sohnlose Mann angelt sich nämlich auch noch eine Frau. Diese arbeitet ausgerechnet bei der Feuerwehr als Telefonistin und läuft dem Mann durch einen plumpen dramaturgischen Einfall über den Weg. Sie nimmt auch Anrufe mit Infos über Zimmerbrände entgegen.

Uwe Ochsenknecht, Sporttrainer Harry, wurde in Vancouver abgesägt und hängt in Freiburg im Breisgau herum. Er trifft – Zufall – auf Ben, geht aber gleich zielbewusst auf ihn ein (als ob er das Drehbuch gelesen hätte). Zum Behufe der Glaubwürdigkeit müsste da allerdings ein dramaturgisches Handlungsgerüst mit mehr zwingenden Situationen gebaut werden, so dass die Begegnungen überraschend kommen. Die Macht des Zufalls tritt hier nicht in Aktion. Hier sehen die Begegnungen geplant aus, denn das Drehbuch hat nicht das Spannende im Sinn, das Schicksalshafte, es scheint Scheuklappen aufzuhaben und will umstandlos auf die beabsichtige falsche Beziehung und den damit einhergehenden Wahrheitskonflikt zusteuern.

Willkürlich schwenkt/schwankt jetzt die Geschichte zwischen Ochesenknecht allein in seinem Hotelzimmer, wo er Seifenblasen pustet, und Ben allein zuhause mit Eiskochkeyzeitschrift von 98 hin und her.

Viel zu schnell und zu absurd wird die Behauptung aufgestellt, Harry sei Bens Vater, da muss er mit dem Kabriolet doch gleich Slalom fahren, wo wir noch gar nicht wissen, dass er darunter leidet, kein Vater zu sein.

Das schönste an diesem Film sind die Bächle von Freiburg mit dem Papierschiffchen und der Satz: passen Sie auf, dass sie nicht reintreten, sonst müssen sie eine Freiburgerin heiraten. Hier wird immerhin eine Erwartung geschürt.

So wie Ochsenknecht vorm Spiegel das Geständnis übt, „Benni, ich bin nicht dein Vater“, ist das weder in seiner Figur angelegt, einem eher verlotterten Habitus, noch hat sie Plausibilität für einen Mann in seinem Alter.

Problem: der Zuschauer erlebt nicht den Leidensdruck, kann empirisch nicht nachvollziehen, dass Ochsenknecht darunter leidet, dass er keinen Sohn hat und dass Ben drunter leidet, dass er nicht weiß, wer sein Vater ist. Ein rein theoretischer Input, der uns erzählerisch vorenthalten wird.

Bei der falschen Info schauspielert Ochsenknecht noch dazu schlecht „schlecht“. Er stottert rum wie ein Teen.

Thema Frau, Thema Anna. Die intendierte Love-Story wird so zielgerichtet „zufällig“ entwickelt, dass man an einen schlechten Witz glaubt, dass sie einem vorkommt, wie eine missglückte Schauspielerübung.

Dramaturgisches Hauptproblem: das Fehlen eines Handlungsgerüstes, das die Begegnungen erzwingt und die Story fortentwickelt. Die Figuren kommen jeweils zusammen, um diese Vater-Sohn-Geschichte vorzuführen, die mit ebenso an den Haaren herbeigezogenen Szenen mit Anna vermischt werden, zum Beispiel der Besuch an Weinachten; sie mit der Weihnachtesallergie. Für sie ist Weihnachten die Zeit der Zimmerbrände und der Selbstmorde.

Fistelstimmen-Ehefrau schlägt vor, Ben und Harry sollen allein zusammen Weihnachten feiern.
Nach weiterer Kussszene ist bereits Sylvester und der vermeintlicher Vater und sein Sohn sitzen um Mitternacht betrunken in einem Strandkorb vor Sohns Villa. Man nimmt dem Sohn den Geschäftsmann nicht ab.

Und schon wieder Kussszene vor Feuerwehr: ich wollte nur mal kontrollieren, ob deine Person Schaden genommen hat. Etwa alle halbe Stunde liegen Ochsenknecht und Anna im Bett. Im Hotel Bären rennt er ihr halbnackt im Flur nach, weil seine Aussagen über den Sohn widersprüchlich waren. Deswegen rennt die weg? Sie ist nicht als Wahrheitsfanatikerin vorgestellt worden. Dann wäre das plausibel.

Wie ein begossener Pudel steht Ochsenknecht vor der Feuerwehr und stiehlt Anna nach, der man ihren Job nicht in einer Faser abnimmt.

Campen von Vater und Sohn im Schwarzwald.
Gespräche der beiden Männer.
Jetzt hab ich einen Vater. Motel statt Zelt. Weichei. Du hast mir nie gezeigt, wie man sich rasiert. Was wir verpasst haben. Wie eine Drehbuchautorin sich so eine Männerbeziehung halt ausmalt, wie Lieschen Müller, hat nichts, aber auch rein gar nichts mit Menschenbeobachtung zu tun. Selfie auf dem Eisfeld. Jetzt kommt die Polizei überproportional hart und praktiziert Behandlung wie bei Schwerverbrechers. Absurde Erfindung der Autorin. Mein Vater und ich sind nicht illegal im Land. Wohl als politisches Statement gedacht.

Feuerwehr, Frühling, Harry steht wieder wie ein mondsüchtiger Hund vor dem Feuerwehrgebäude. Wie viele Monate willst du ihn noch schmoren lassen, fragt ein Kollege die Feuerwehrtelefonistin. „Ich finde, ihr Frauen seid das Grausamste, was es gibt“.

Ochsenknecht mit Hirschgeweih. Lächerliches Requisit. Er hat keinen Bezug dazu und ganz offensichtlich auch keine Lust auf den fett symbolischen Hinweis.

Schuldbewusster Ochsenknecht fängt Anna ab, gesteht und gesteht, dass er immer noch lügt. „Ich kann nicht glauben, was ich hier tue“. Beide auf dem Eis.
Ben schmeißt Job hin (auch das kommt aus heiterem Himmel, Handlung ohne Vorlauf).

Drehbuch pendelt konturlos zwischen Eisbahn, Feuerwehr, Firma, Privathaus Benny und Hotel hin und her. Außerdem eine Besetzung, die hinten und vorne nicht passt.

Nach einer Stunde äußert die Mutter von Britta erstmals Zweifel an der Vaterschaft, weil er die Mutter auf dem Foto nicht erkannt hat.

Ben möchte ein halbes Jahr aussteigen (merkwürdig für einen jungen, aufstrebenden Firmeninhaber). Nicht nachvollziehbar, warum Ben nur noch rumhängt, warum er das Haus verkaufen und mit Britta auf Tour gehen will.

Zelten mit Anna und Wandern. Ochsenknecht stottert rum beim Hochzeitsantrag. Man nimmt den beiden die Liebe nicht ab. „Ich hab die beste Frau der Welt kennengelernt und sie hat noch nicht nein gesagt“. Öde, seelenlose Routineschauspielerei.

Die ganzen Verdächtigungen wegen Schwindelei, die sind so aus der Luft heraus erfunden, die sind nicht richtig entwickelt, nur theoretisch.

Annas Auftritt vor dem Fenster mit der Feuerwehr bei der Verkaufsverhandlung mit den Japanern fünf Minuten vor Schluss. Jetzt muss es anfangen auf ein versöhnliches Happy-End hinauszulaufen. Ben besucht Harry in Eishalle. Wenigstens die Japaner haben Verständnis. Aber auch die Szene war schlecht gearbeitet.

Redaktionelle Verantwortung für diese Kopfgeburt, die nicht zu fesseln vermag, tragen Michael Schmidl, Manfred Hattendorf. Empfehlung an die arte-Direktion: die beiden Herren in einen Kurs zum Drehbuchlesenlernen zu stecken.

Statt Charaktere zu entwickeln, die durch ihre Eigenschaften Konflikte erzeugen und lösen müssen (die sind das Substrat für Demokratie), erfindet die Autorin lächerliche Figuren, die sie in ihr Puppenstubenweltbild einpasst (was dem diktatorischen Prinzip entspricht), eine Kunst, exakt konträr zum Grundauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers.

Alexander Granach – Da geht ein Mensch (BR, Montag, 2. Dezember, 22.45 Uhr)

Alexander Granach ist der Schauspieler, der sich 1913 hat die Unterschenkelknochen brechen lassen, um größer zu wirken.

Dieses Biopic von Angelika Wittlich ist vor allem eine illustrierte Lesung aus biographischen Texten des galizischen Schauspielers Alexander Granach, der es dank der Emigration bis Hollywood geschafft hat, zum Beispiel in Ninotschka von Ernst Lubitsch und bis an den Broadway, wo er 1942, etwas über 50jährig an Blinddarmentzündung starb.

Die Lesestellen aus dem Briefwechsel zwischen Granach und seiner Freundin Lotte, die teils gleichzeitig gelesen werden von ihm und seiner Adressatin, sind mit enorm viel Füllmaterial/Bilderverhau an Straßen- und Ortsansichten aus dem Heute unterfüttert. Holocaust – Schnitt – Ziegen auf ungeteerter Straße im heutigen Galizien.

Die Texte lesen Samuel Finzi, hervorragend als Double von Alexander Granach und Juliane Köhler, die list ganz nett, ist aber oft stumm im Bild als die ewig Geliebte aus Rapperswil-Jona, der Villa Grüntal. Über die schauspielerischen Qualitäten von Lotte allerdings schweigt des Sängers Höflichkeit, wie Thomas Langhoff andeutet, dass er die Meinung seines Vaters, der mit ihr gespielt habe, nicht wiedergeben möchte.

Der Film stellt durch die Bebilderungsmethode eine Art pangeographisches Bewusstsein eines Menschen her, der immer unterwegs war. Oft wenn von den Stationen Galizien, Berlin, Rapperswil-Jona, New York, Los Angeles, Ukraine, Polen, Moskau die Rede ist, lässt die Filmemacherin die Kamera durch die Straßen oder Seestraßen oder Bahntrassen der entsprechenden Städte und Gegenden fahren.

In groben Zügen folgt der Film chronologisch dem Leben von Granach, der in ärmsten jüdischen Verhältnissen in Galizien mit 12 Geschwistern aufwächst und dort als Bäckerlehrling arbeitet, bis er mit 14 das Theater kennenlernt und sofort weiß, dass das seine Welt sein würde.

Granach brennt mit der Kasse seines Lehrmeisters nach Berlin durch. Spielt bald bei Max Reinhardt und Erwin Piscator. Kehrt für einige Zeit nach Galizien zurück bis es brenzlig wird. Dann Moskau inklusive 18 Tage Prominentengefängnis in der Ukraine, anschließend Emigration in die USA.

Ein Archivar zeigt die Akten, die über Granach angelegt worden waren. Ein Sidekick in der Story ist sein Sohn. Der wurde im ersten Weltkrieg gezeugt. Er lebt in Israel und dürfte den Vater nicht zu oft gesehen haben; er kommt hier überaus ausgiebig zu Wort.

Es gibt viele historische Fotos aus Alben, Plakate, und immer wieder Ausschnitte aus dem Briefwechsel zwischen Granach und seiner Geliebten, der Mutter seines Sohnes, Lotte Lieven. Es fehlt nicht ein Ausschnitt aus Nosferatu, wo Granach am Pult hockt und großartig Grimassen schneidet. Fritz Lang hätte ihn gerne öfter beschäftigt, er und Hollywood konnten ihn aber dank des Akzentes nur als Europäer und Nazifigur einsetzen. Ironie der Geschichte, dass die Naziflüchtigen in Hollwyood bald schon die schlimmsten Nazis darstellen mussten.

In einer eindrücklichen Szene erklärt ein Arzt, wie Granach sich die Beine hat brechen lassen, um größer zu wirken und bei den Frauen mehr Eindruck zu machen; um 1912 war das eine hochriskante Operation.

Charles Dickens Little Dorrit (arte, ab 27. November 2014)

BBC-Serie von 2008

Dickens-Welt, wie wir sie uns vorstellen. Lauter quirlige, ihrem vermeintlichen Lebensvorteil nachhechelnde Figuren, die dadurch sehr schräge Figuren geworden sind. Extrembeispiel ist Jeremia, der Diener im Kaufmannshaushalt Clenman.

Ein jeder trickst und hat was zu verstecken. Indiz dafür ist die Uhr des kürzlich noch vor der Rückkehr von einer langen Seereise verstorbenen Kaufmanns Clenman. Sohn Arthur, der ihn auf der Reise begleitet hat, bringt sie der barschen, harten, abweisenden Mutter und jetzt Witwe, die auf einer Art Dachboden an den Rollstuhl gefesselt scheint, zurück. Er erkundigt sich nach dem Geheimnis der Uhr (ein handgeschriebenes Stück Papier „do never forget“). Da hat er wohl eine Grenze überschritten. Vom Moment an will die Mutter nichts mehr von ihm wissen. Sie macht das schiefe Hausfaktotum zum Teilhaber. Der Sohn wird fortgejagt.

Arthurs nächste Spur zu dem Geheimnis ist die Titelfigur Amy, little Dorrit, die mit ihrem Vater in einem Schuldengefängnis aufgewachsen ist und die jetzt, wie es scheint, aus Großherzigkeit bei Clenmans Witwe eine Stelle bekommen hat. Was verbindet diese beiden?

Arthur der verstoßene Sohn und Amy Dorrit aus dem Schuldengefängnis, das sind in diesem von Gewinnstreben und Gewinntricksen dominierten, sündigen und gleichzeitig pittoresken Wuseluniversum aus verkorkstem Reichtum, aussichtlosem Elend und brutalen Mieteintreibern, aus Imbeciles und Mondänen die einzigen „reinen“ Figuren, die noch nicht verbogen, noch nicht schief, noch nicht verkrustet sind. Wie weit können sie in die Krustenwelt eindringen, in die Welt der durch das ökonomische Denken verformten Menschen? Wie weit können sie Mensch bleiben, gar es richtig werden?

Zündfunk Radio Show (BR, Dienstag, 25. November, 22.45 Uhr)

Sympathische Sätze zeigen eine coole Einstellung der Kultsendung Zündfunk zum Medium:
„Es muss sich nicht immer alles erschließen.“
„Da ist leider immer dieser fucking Kühlschrank drauf.“
„Wenn wir in Rusland versuchen, Entschuldigung, da ist ein Seitenumbruch, wenn wir in Russland versuchen..“

BR-PR in eigener Sache, verständlich, dass hier die Frage nach dem Grundauftrag des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks nicht gestellt wird.
Ein etwas traniger Sänger schreibt, nachdem er gesungen hat, auf den Boden eines Pappbechers „Zündfunk“, reißt den Boden raus und macht einen Sehschlitz draus. Schnipselverschnitt. 40 Jahre Zündfunk.

Sympathisch an diesem über 90-minütigen Stück Infotainment ist, dass es sich um eine Selbstreflektion der Institution Zündfunk handelt, dem im modernen Mediengewusel und im Internetzgezwitschere längst das Alleinstellungsmerkmal abhanden gekommen ist und dass diese Dokumentation von Jörg Adolph und Gereon Wetzel das auch ganz offen darstellt, dass sie dabei sind bei Redaktionssitzungen, bei selbstkritischen Diskussionen, Lifestyle oder politische Position, da sein, wo’s weh tut (Genua 2001 – auch schon eine Weile her), der Kampf um Hörer und Autoren, um den Markenkern. Dass sie uns nicht vorenthalten, dass die Macher jetzt viel mehr wuseln müssen, hinterm Netz herrennen müssen, um wenigsten sich die Aufmerksamkeit zu erhalten, die sie sich über Jahrzehnte erarbeitet haben.

Thema Schleichwerbung, dass sie um das neue Album einer Band vorzustellen mit großem Aufwand und Übertragungswagen vorfahren, was selbstverständlich PR ist, während schon bei einem Buch minutiös und skrupulös darauf geachtet wird, keine Werbung zu machen. Die Selbsterkenntnis, man sei schlampig geworden, es fehle oft an der Übersicht.

In die übliche, fernsehkurzatmige Szenenineinanderschneiderei ist ein Abriss der Kultinstitution Zündfunk eingefügt, den Zündfunk-Urgestein Roderich Fabian ins Mikro liest: von den 70ern, weil die öffentlich-rechtlichen den Aufbruch der Jugend verschlafen hatten, über Wackersdorf, als der Zündfunk der Opposition in Bayern eine Stimme verlieh bis zum Netzkongress im Volkstheater und zum Interview mit Pussy-Riot.

Die Dokumentaristen begleiten den Zündfunk bei Exkursionen ins Land hinaus, zum ehemaligen Quelle-Gelände in Nürnberg oder zu einem Hörer, der ein Musikkenner ist. Dass die Journalisten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanziell in einem hochprivilegierten Umfeld agieren im Vergleich zu vielen ihrer freien Kollegen, das hätte vielleicht auch noch angemerkt werden können.

Toleranz (TV ARD alpha Bildungskanal, Freitag, 21. November 2014, 20.15 Uhr)

Dieser Film von Hans-Ulrich-Krause (Drehbuch) und Marc-Andreas Bochert (Regie) und unter den redaktionellen Auspizien von Ulrike Lovett und Werner Reuß betreibt Bibel-Exegese, setzt seiner Geschichte, besser: seiner Predigt Hiob 40.8 hintan „willst du wirklich mein Recht zerbrechen, mich schuldig sprechen, damit du Recht behältst?“.

Auf dieses Wort hin wurden offenbar der Fall konstruiert, dass eine prominente Sportlerin in die Schlagzeilen gerät, weil ihr Freund ein prominenter Neonazi ist. Krause und Bochert möchten in ihrer Predigt den Zuschauer davor warnen, die Sportlerin zu verurteilen, wie es in ihrem Film die Medien und die Massen mit einem Shitstorm tun, denn ihr Privatleben ist ihr Privatleben und sie selber versuche ja, ihren Freund vom Neonazismus wegzubringen. Wenn ich das richtig abgelesen habe, dürfte das die Moral von der Geschichte sein, die ihren Mahnfinger gegen Selbstgerechtigkeitsapostel erhebt. Wobei sie in der Tat ein verbreitetes Phänomen trifft, gleichzeitig aber selbst wohlfeiles, nicht gerade couragiertes, allgemeines Medienbashing betreibt.

Allerdings ist es so eine Sache, das beweist der Film auch, wenn ein Drehbuch auf eine derart vorgefasste, aus der Bibel geholte Moral hin konstruiert wird. Da muss passsend gemacht werden, was nicht passt. Da werden Figuren im Hinblick auf die Moral erfunden und nicht nach dem Leben gebaut. Was sie ziemlich schief aussehen lassen kann vor dem Hintergrund von Lebenserfahrung. Weshalb der geneigte Zuschauer am Schluss sich fragt, ist an dieser Moral etwas faul, selbst wenn sie aus der Bibel stammt oder ist nicht viel mehr an der Geschichte, die auf diese Moral hin getrimmt wurde, etwas faul?

Leistet der Film mit diesem Geschichts-Moral-Konstrukt einen sachdienlichen Beitrag zur Bekämpfung der Unmoraliät von Shitstorm und Medienhetze? Wohl kaum. Denn das hierzu bemühte Konstrukt hat ein grundsätzliches Glaubwürdigkeitsproblem. Das ist zuallererst die Figur der Sportlerin (Jennifer Ulrich als ewig smilende Karoline Benzko). Der Film unterlässt es, zu zeigen, wie groß und bedingungslos ihre Liebe zu Martin (Martin Laue als Neonazigröße) ist. Davon ist jedenfalls bei den Begegnungen nichts zu spüren, das mag am Buch, an der Inszenierung oder an der mangelnden Chemie der Schauspieler liegen. Die Glaubwürdigkeit dieser Liebe wäre jedoch das A und das O, um dem Fall – und damit auch der beabsichtigten Moral – Brisanz und Glaubwürdigkeit zu verschaffen, damit auch der Berechtigung der Verwendung öffentlich erzwungener Gebührengelder.

So wie das hier von Hans-Ulrich Krause als Autor fabriziert wurde, ist es allerdings kaum glaubwürdig. Das wäre die Geschichte nur, wenn die Liebe von der Sportlerin zum Nazi eine absolute, blinde Liebe wäre. Die wird so jedoch nicht beschrieben und inszeniert. Deshalb wirkt das gute Mädchen leider politisch vollkommen blind und dumm (was bei Sportlern andererseits wiederum nicht verwundert, wenn man von Franz Beckenbauer hört, dass er in Katar keine Sklaverei gesehen habe). Dass sie nicht mitgekriegt haben will, dass ihr Freund eine bekannte Größe in der Neonazi-Szene ist, das lässt sie als ein ganz besonders naives Dummchen erscheinen. Mit Dummchen eine reelle Moral zu predigen, ist ein Ding, das zumindest auf recht laxen Beinen steht.

Statt sich darauf zu konzentrieren, eine glaubwürdige Grundlage herzustellen, kapriziert sich der Film ellenlang auf Vorgeplänkel. In den ersten zehn Minuten erhält der Zuschauer lediglich die Info, dass die Protagonistin ihre Mannschaft in die Qualifikation für den Europacup in Amsterdam geschossen hat, und dass der Sponsor auf sie als Werbeträgerin setzt (das neue Gesicht zum Slogan „Fairness und Toleranz zum Erfolg“). Ferner, dass sie einen Freund hat, der spielt bis dahin so gut wie keine Rolle, außer dass er Martin heißt und dass er in die Disco, in welcher die Mannschaft den Erfolg feiern will, nicht eingelassen wird mit dem Argument „Nazis sind hier nicht erwünscht“. 10 Minuten für das bisschen Info, das ist Zwangsgebührengeldverschleuderei.

Statt also eine glaubwürdige Basis für den Konflikt zu bauen, wird lieber die Info über den Sporterfolg gedehnt und gleich doppelt gebracht, nämlich zuhause auch nochmal erzählt. Das ist keine gute Erzählökonomie. Das wirkt wie Zeit und Sendeminuten schinden, weil man offenbar nichts Wichtigeres zu erzählen hat.

Der Film geheimnisst den Nazi so lange wie möglich weg, schenkt den Zuschauern nicht reinen Wein ein, gewährt uns keinen Einblick ins Innere der Protagonisten. Die Produktion glaubt offenbar, wenn sie die Rolle mit einer Smile-Schauspielerin besetzt, alle diese Glaubwürdigkeitsprobleme gelöst zu haben. Nix da. Der Film plänkelt dahin. Wie dumm muss diese Frau sein, dass sie nicht merkt, was längst in allen Zeitungen zu lesen war, welch hohes Tier ihr Freund bei den Nazis ist.

Immerhin. Jetzt gibt’s Gespräche mit dem Trainer. Es geht um das Image und den Werbefaktor und ob es nichts gebe, was diesen gefährden könne. Nein, Dummchen denkt nicht daran. Hat kein politisches Bewusstsein.

Stattdessen hat Martin eine Wohnung für sie beide organisiert. Auch damit wird viel Zeit verplempert, die zum Konflikt, den der Film entwickeln will, gar nichts beiträgt. Auch mit dieser privaten Szene wird dem Zuschauer die Info, wie wichtig Martin in der Nazi-Szene sei, vorenthalten, noch zeigt sie, dass Protagonistin ihn wahnsinnig liebt.

Es folgt die längst bekannte Info, zeitschinderisch, dass Protagonistin demnächst in der Nationalmannschaft spiele.

Nach einer endlos langen Trödelhalbstunde fragt man sich genervt, wann kommt der Film endlich auf den Punkt, wann plappert er nicht mehr nur rum. Sportstarlet verbreitet in totaler Naivität, Martin sein dabei, auszusteigen. Nur ist dieser Fakt dem Zuschauer nicht zugänglich gemacht worden. Ein weiterer Punkt, der die abgrundtiefe Dummheit dieser Lächelprotagonistin bestätigt.

Nach einer halben Stunde langweilig nacherfundener Realität und breitgetretener Ausgangssituation, in der man kaum etwas von Belang über die eh schon dünne Info aus den ersten zehn Minuten hinaus erfahren hat, hat der Pressefotograf das prominente Foto von Martin als Nazi-Rädelsführer gefunden. Und nach 31 Minuten fährt der Bus mit der Mannschaft endlich nach Amsterdam los, wo es dann, und das zieht sich wieder, zu dem lang und filmschwatzhaft vorbereiteten Eklat kommt, dem moralischen Exemplum, das der Film vorsätzlich statuieren möchte.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers. Durch diesen Film wird kein Zwangsgebührenzahler toleranter, im Gegenteil.

Das Ende der Geduld (TV, ARD, Mittwoch, 19. November 2014, 20.15 Uhr)

Dieser Fernsehfilm von Stefan Dähnert (Buch) und Christian Wagner (Regie) zeigt, dass ein Justizfilm auch in Deutschland spannend sein kann. Die Filmemacher haben pragmatisch gehandelt. Sie hatten das Buch der Jugendrichterin Kirsten Heisig zur Grundlage, das diese vor ihrem Selbstmord 2010 geschrieben hat und das zu einem stark diskutierten Titel geworden ist (wie der Film: „Das Ende der Geduld“).

Hier im Film heißt die Richterin Corinna Kleist. Sie wird fabelhaft mit Charme und ganz ohne Verbiesterung gespielt von Martina Gedeck, die allein mit ihrer Rolle den Film schon trägt. Sie ist eine moderne Heldin. Sie will der Verwahrlosung des Rechtes in Berliner Problemvierteln Einhalt gebieten, sie bekommt nach einer Krise oder einem Burnout wie ihr Chef meint, eine Stelle in Neukölln angeboten, weil sie unbedingt Jugendrichterin bleiben und etwas verändern will: beschleunigte Verfahren, damit die Jugendlichen den Zusammenhang zwischen Tat und Strafe auch spüren und kapieren.

Sie macht sich nicht beliebt in dem Viertel. Sie legt sich mit einem einflussreichen, libanesischen Clan an. Hauptfigur ist Rafiq, ein Junge, der just in der Nacht zu seinem 14. Geburtstag einen Drogerieeinbruch begeht, wobei das Einwerfen der Fensterscheibe vor Mitternacht noch unter die Strafunmündigkeit mit 13 fällt, aber das Ausrauben und Abschleppen des Diebesgutes nach Mitternacht mit jetzt 14 juristisch verfolgt werden kann.

Was die Richterin, die ihren Klienten schon länger kennt, auch als ein Exemplum durchzieht. Der entscheidende Fall, der zur Verhandlung kommt, ist die Vergewaltigung einer jungen Frau, Susanne, an der peripher auch Rafiq beteiligt war. Allerdings wird das vor Gericht verzwickt, die Drohungen der Mafia verändern die Wahrnehmung der Zeugen und auch des Opfers. Es kann für eine Richterin zum Verzweifeln werden.

Ein Film, der sicher im Sinne des öffentlichen Rundfunkauftrages ist, und nicht nur das, er ist sogar spannend; die ganze Vielfalt an Figuren, die er auffährt, die Polizeistation, die Behörden, der Gerichtsdiener (“Käffchen?“), die alle irgendwie aufgegeben haben, die aber durch motivierende Reden aufzuwecken sind. Demokratie braucht Wachheit. Und Mut. Der Film wird dadurch zum vehementen Votum für einen aktiven Rechtsstaat, für ein funktionierendes Rechtssystem. Ein kurzweiliger Fernsehfilm mit ernstem Thema und mit Hand und Fuß.

Walaa! (BR, Dienstag, 18. November 2014, 22.45 Uhr)

Sportgrößen sind tendenziell unpolitisch. So ist es auch bei Walaa Hussein, einer faszinierenden Fußballerin, der beim Spielen zuzuschauen enorm Spaß macht, so schnörkellos wie sie den Ball mit fantastisch sicherer Motorik bezwingt. Nicht nur den Ball bezwingt sie, auch die Dokumentaristin Noemi Schneider scheint von diesem Drive, den die Sportlerin nicht nur beim Spiel hat, angesteckt und wendet den um in einen wunderbar filmischen Drive, der dem Zuschauer einen spannenden Einblick wie aus einem Guß in die hochkompliziert israelisch-palästinensische Gesellschaft bietet.

Noch lebt die Plästinenserin ihr kompliziertes Leben in legerer nicht allzu damenhafter Kleidung und mit blondiertem Haar zwischen Israel und Palästina, denn sie lebt in Israel, ist dort geboren, hat einen israelischen Pass, spielt dort in der Nationalliga. Seit einigen Jahren ist sie auch Teammitglied in der palästinensischen Nationalmannschaft, wodurch sie ständig in ihrem pannenanfälligen Kleinwagen unterwegs ist zwischen Israel und Palästina. Das bedeutet Warten, Warten und wieder Warten an Check-Points, manchmal gar nicht reingelassen werden. Ein geplantes Spiel gegen eine Mannschaft aus einem Emirat kann nicht stattfinden, weil die Israelis die Mannschaft nicht ins Land lassen.

Immer führt der Weg Walla an der gigantischen Mauer entlang, die Israel gegen Palästina gebaut hat und die Dokumentaristin versucht, diese zu thematisieren. Aber beim Politischen stößt sie bei der Sportlerin auf Beton. Walaa sagt nicht, die Verhältnisse sind schlecht, die müssen geändert werden, sie sagt, „mein Leben ist kompliziert“. Sie schiebt es auf sich, sie muss mit ihrer Rostlaube damit zurechtkommen, „Fußball, Studium, Unfall, das ist mein Leben und Checkpoints“, „Für den Fußball mach ich alles“.

Das größere Problem für ihre Zukunft sieht Walaa in der arabischen Gesellschaft, in der die Stellung der Frau im Gegensatz zu Judentum und Christentum eng als Familienmensch und Mutter definiert ist. Auch bei ihr zuhause wurde es nicht gern gesehen, dass sie immer nur mit den Jungs Fußball spielte. Die Brüder wollen nicht, dass die Mädchen spielen. In der arabischen Gesellschaft sieht Walaa für sich keine Zukunftsperspektive; die bietet ihr nur das Ausland. Denn wenn sie im Land bleibt, wird sie sich den islamischen Gepflogenheiten beugen, heiraten, Kinder aufziehen, sich verschleiern, das fordere der Islam.

Walaa ist wie ein Chamäleon, wenn sie bei den Palästinensern spielt, ist sie eine von denen, wenn sie mit den Israelis spielt, ist sie eine von denen, und wenn sie für eine arabische Hochzeit zum bassen Erstaunen ihrer Mutter ein langes Kleid anzieht, dann tanzt sie darin mit derselben Schicksalergebenheit im Gesichtsausdruck wie die anderen arabischen Frauen.

PULS: Die Frage: Wie porno sind wir (BR)

Herzallerliebst, diese Fürsorge des öffentlichen Zwangsfunks um das Pornobefinden seiner Zwangsbeitragsbezahler, als ob diese nicht selbst wüssten, wie es darum steht und dass es sich dabei um eine private Angelegenheit handelt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist allerdings der Ansicht, dass diese Fürsorge ums Pornofeeling zu seinem Grundauftrag gehört, man sollte das Recht darauf direkt im Grundgesetz verankern. Weil ihm, dem Rundfunk aber doch nicht so wohl ist bei der Sache, so verteckt er sie tief in die Dunkelheit der Sendenacht, noch besser wäre, die Sendung unter der Bettdecke oder in den eigenen vier Wänden stattfinden zu lassen – und ganz ohne Rundfunk.

Da ferner die Nachfrage, weil es sich um eine privat-persönlich-intime Sache handelt, in Straßenumfragen nicht befriedigend erörtert werden kann, landet sie notgedrungenermaßen beim Sex-Business, bei dessen moderner Kombination von Foto, Sexfilm und Internetangeboten von Sexarbeiterinnen – dabei darf der Moderator unschuldig reinschauen und kichern, ihn ekle – so wäre doch logisch, wenn denn die Fürsorge um das Pornowohl des Rundfunkzwangsteilnehmers ehrlich und ernst gemeint ist, dem Zwangsgebührenzahler die Gebühr zu erstatten, damit er sich stattdessen wenigstens eine Internetsession mit einem der aufgemotzten Models leisten kann. Das wäre echte, staatliche Pornofürsorge. So aber bleibt es beim unergiebigen Geschwätz.

Um der Angelegenheit einen seriösen Anstrich zu verpassen, damit ja nicht der Verdacht aufkommt, hier mache sich einer auf Kosten von Zwangsgebühren einen lustigen Lenz mit Lustmolchreisen zwischen Zürich und Wilhelmshaven (der Kapuzenpulli-Moderator wird ganz nervös, wenn er gleich einen Pornostar trifft und es übersteigt sein Vorstellungsvermögen, Sex vor andern zu treiben), beruft er sich doch tatsächlich auf eine mehrwöchige „Recherche“.

Dass Porno Anlass für schmierigen Ersatzblabla ist, auch das beweist diese Sendung, von der nicht ganz klar ist, an welchem Puls sie sich befindet und misst, was sie überhaupt mit dem Begriff „porno“ meint: adjektivisch-adverbiale Abkürzung für Pornographie oder Ersatzwort für Sex? Egal, am Schluss muss wie in der Kirche die Moral angeführt werden, dass wir nämlich eine Verantwortung haben, welche Pornos wir uns anschauen – damit der öffentliche Zwangsgroschen in seine korrekten Bahnen fällt. Diesen Gedanken fortgesponnen hieße, dass auch der Zwangsgebührenzahler künftig Verantwortung übernimmt, was gesendet wird, und dass er solchen Magazinen, die mit dem gesetzlichen Grundauftrag des Mediums nichts zu tun haben, die rote Karte zeigt.