Archiv der Kategorie: TV

Bayerns Gartenküche (Folge 1) (BR, Montag, 10. April 2023, 16.40 Uhr)

Das Leben mit Garten ist eine Challenge

Mit so einer Sendung kann der BR nicht viel falsch machen; jeder Mensch muss essen; jeder Mensch ist ein Experte, wenn es um das Essen geht. Ein Traum von vielen ist es, den eigenen Garten zu haben und dort für die eigene Küche anzubauen. Es gibt verschiedene und gute Gründe dafür: nebst der Geldersparnis dürfte es vor allem das Wissen darum zu sein, was man isst, das Wissen darüber, wie angebaut worden ist, womöglich nur mit natürlichen Düngemitteln unter Verzicht auf die Anwendung von Pestiziden.

Der BR veranstaltet mit dieser Sendung ein Wettbewerbsgärtnern und Wettbewerb mag das Publikum, wer hat die längere Karotte oder wie hier den dickeren Wirsingkopf. Insofern ist Gärtnern auch eine Challenge, wenn man denn über einen eigenen Garten verfügt und bereit ist, über den eigenen Gartenzaun hinauszublicken.

Der BR hat sich wieder sympathische Teilnehmer ausgesucht aus verschiedenen Teilen Bayerns zur Stärkung des Lokalkolorits. Nebst der Wirsing-Challenge gibt es noch eine Baumbankchallenge. Experte Sebastian wird wieder auftauchen mit seinem Notizblatt und wird alles begutachten und Teilnehmerin Elisabeth darf brutal die Raupen eines Kohlweißlings ausdrücken. Vielleicht wird sie ja deren sterblichen Reste genauso wiederverwerten wie sie es mit Badewannen, Schubkarren und ausgedienten Töpfen hält und sie zu Blumenbeeten umwandelt; Badewannenemail habe bei Salat den Vorteil, dass die Schnecken ihn nicht erklimmen könen. Auch Elisabeths Gartenhaus ist ein Vorbild für Baumaterial-Recycling.

Als ob dem BR nicht wohl sei dabei, lauter glückliche Menschen zu zeigen, die mit sich und ihrem Garten im Reinen sind, haut er eine voll nervige Feelgood-Musik auf die Tonspur, dass man sich am liebsten in sein Gärtlein – ganz ohne TV – zurückziehen möchte.

Lebenslinien – Helma und das liebe Geld (BR, Montag, 3. April 2023, 22.00 Uhr)

Was Menschen alles durchmachen.

Vom Vater missbraucht. Vom Priester auch. Von der Mutter verachtet und geschlagen, nichts konnte sie ihr recht machen, das war die Prägung von Helma Sick, die diese Lebenslinien von Arndt Wittenberg unter der Redaktion von Rachel Roudyani porträtiert.

Trotz der üblen Jugend wurde sie im Laufe ihres Lebens erfolgreich und auch bekannt als Autorin und Rednerin. Aber es sind dies nicht die üblichen Promi-PR-Lebenslinien. Sie zeigen vielmehr einen Menschen, der keine Lust hatte, das Opfer zu spielen, eine Frau, die früh zur Erkenntnis gelangt, dass Frauen für ihre Emanzipation, für ihr Selbstbewusstsein eigenes Geld brauchen.

So wurde Helma Sick zur Pionierin in der Finanzberatung für Frauen. Heute wohnt sie im Augustinum, reist aber immer noch von Vortrag zu Vortrag, hat ihre Firma in jüngere Hände gelegt und sieht nicht ein, wie sie ihre Energie, die sie noch hat, nicht nutzen sollte, um ihre Erfahrung, ihr Wissen und ihre Erkenntnis an andere Frauen weiterzugeben; denn schockierenderweise ist die Meinung, dass Männer die Versorger der Familie und die Frauen die Hausfrauen sein sollen, mit Teilzeitjobs allenfalls, was sich dann schlecht auf die Rente auswirkt, immer noch weitverbreitet.

Die Frauen sollen abhängig von den Männern sein und sind es, solange sie kein eigenes Geld haben. Diese Lebenslinien weisen somit auf persönliche und anrührende Weise auf einen immer noch wunden Punkt in unserer Gesellschaft. Womit das Format Lebenslinien seine Berechtigung in einem zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk durchaus belegen kann (mit den üblichen Promi-PR-Leiern eher weniger).

3 Paare, ein Ziel – Mädchen oder Junge (Folge 3) (BR, Mittwoch, 22. März 2023, 23.50 Uhr)

Oberflächlicher Versuch der Spannungserzeugung mit dem Hinausziehen der Antwort auf die Frage, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird, billig.

Albernheiten wie Gender-Reveal-Part nehmen zu viel Platz ein. Tun nichts zum Thema. Genauso wenig wie Fußball-Footage.

Diesmal kriegt Sabrina die befruchtete Eizelle eingesetzt – wegen organischer Schwierigkeiten unter Vollnarkose.

Andererseites, da dem Menschen seine Gesundheit und Fortpflanzung sein A und O sind, kann dazu beliebig viel Sendemasse produziert werden, sie findet immer Abnehmer.

Dann zielt der Film wohl auf die Geburt des Knäbleins der beiden Müttern hin. Ist natürlich lustig, dass von den drei Paaren, zwei Hetero, eines Lesben, just diese den Nachwuchs bis zur Geburt bringen. Der BR zieht das arg in die Länge und füllt es mit Blabla.

3 Paare, ein Ziel – Zusammen schaffen wir alles (Folge 2) (BR, Mittwoch, 22. März 2023, 23.20 Uhr)

Max und Jasmin versuchen es in Prag mit Pünktchen.

Laura und Jasmin veranstalten eine Gender-Reveal-Party mit Family and Friends und im Moment, wo der Luftballon, der das verraten soll, platzt, gibt’s einen Schnitt, damit die Zuschauer auch die nächste Folge anschauen müssen.

In Prag ist es mit Pünktchen, wie Jasmin – was eigentlich? – das aufgetaute Ding nennt, alles besser als erwartet gegangen. Sie hatte das Vertrauen in die deutsche Schulmedizin verloren; in Prag konnten die ihr Dinge sagen, die sie in Deutschland nicht erfahren hat.

Sabrina und Denis sind samt Sohn Julian überzeugt, dass sie es zusammen schaffen werden.

Die deutsche Schulmedizin kommt nicht gut weg.

Die Doku fährt fort in ihrer Mäuschen- und Statementmanier. Ein Dokuverständnis, was sich selbst genügt, indem es einfach dabei ist und die Leute drauflosreden lässt und auf Umgebungsarbeit verzichtet.

3 Paare, ein Ziel – Unser großer Traum (Folge 1) (BR, Mittwoch, 22. März 2023, 22.45 Uhr)

Künstliche Befruchtung

Es gibt den israelischen Spielfilm Two, der wunderbar das Thema der künstlichen Befruchtung anhand einer Beziehung von zwei Frauen differenziert beleuchtet.

Jetzt gibt es diese fahrig gedrehte und fahrig montierte Doku vom BR, der die Leute drauflosreden und -plappern lässt, der dokumentarisch tut, aber dann doch wieder nicht informativ genug ist, von Rachel Roudyani, Ariane Dreisbach, Tobias Henkenhaf und Robert Stöger, redaktionell betreut von Christiane von Hahn.

Von ihren Frustrationen zu dem Thema erzählen, Sabrina (3 Fehlgeburten) und Denis, Sabrina bringt Sohn Julian in die Beziehung. Sie lassen nicht locker. Der Traum von Laura und Julia ist es, ein Kind in die Beziehung zu bringen. Seit über drei Jahren versuchen sie es. Diesmal ist Julia schwanger. Jasmin und Max sind das dritte Paar; die versuchen den Embryonen-Transfer in Prag. Jasmin ist am Rande der Verzweiflung, denn sie sieht den ultimativen Lebenszweck einer Frau in der Mutterrolle, ein doch erstaunlich konservatives Weltbild, was der BR damit nolens volens weitergibt.

Schockierend ist, wie viele Medikamente diese Frauen im Hinblick auf einen Embryonentransfer nehmen müssen. Die Doku geht kaum über die alltäglichen Bewältigungsprobleme hinaus, schon gar nicht fragt sie, ob die Paare denn einen Plan B hätten, falls es nicht gelingt.

Tatort: Hackl (ARD, Sonntag, 12. März 2023, 20.15 Uhr)

Einfach gestrickt

Diesen Tatort dürfte sogar Lieschen Müller verstehen, der grenzt schon an eine Groschengeschichte im Reimsystem von „Erst der Hackl, dann der Dackl“.

Es gibt ein Verbrechen. Ein Motorradfahrer kommt zu Tode, weil er von einem Laserstrahl geblendet wird. Im Münchner Sozialviertel Hasenbergl. Es gibt zwei Tatverdächtige. Den alten Grantler und Streitsüchtigen, Hackl (Burghart Klaußner), und den Bruder des Opfers, Alex (Aaron Reitberger); ein Bruderzwistdrama? Der geneigte Zuschauer dürfte wissen, dass die meisten Morde Beziehungsdelikte sind; insofern suggeriert der Film hier ein exrem starkes Motiv, was er aber im weiteren Verlauf aus den Augen verliert.

Der Fernsehfilm von Katharina Bischof nach dem Drehbuch von Dagmar Gabler unter redaktioneller Obhut von Cornelius Conrad (eine Darstellerin heißt Carolin Conrad, verwandt oder verschwägert mit dem Redakteur? Ein weiterer Fall von Nepotismus bei den Öffentlich-Rechtlichen?) schwimmt undefiniert in einem vermuteten Hasenbergl-Milieu.

Zur Halbzeit wird ein dritter Verdächtiger eingeführt, ein Drohnenvoyeur, Jonas Mittermeier (Lorenzo Germeno), ein fett gestörter Teen.

Am dicksten legt der Fernsehfilm die Hackl-Fährte; da haut er, klischeehafter geht es nicht, mit dem prima Darsteller auf die Pauke, dank dem Schauspieler-Kaliber von Klaußner; eine Solo-Extravaganz.

Das Thema „verbotene Laser“ ist als solches ok, sollte aber vielleicht doch mit einer plausibleren Geschichte auf die öffentlich-rechtlichen Fernsehschirme gebracht werden, um das Zuschauerinteresse zu wecken. So eine – teils haarsträubende, wie die Auflösung zeigt – Groschenromanerfindung ist zu dünn für den Tatort-Sonntag-Abend-Anspruch.

Somit ist es fraglich, ob Lieschen Müller sich für den nicht so richtig im Senkel stehenden oft müde wirkenden TV-Realismus interessiert, der die Hasenbergl-Atmosphäre nur bedingt einfängt, der die beiden Kommissare anfangs wie zwei Staatspräsidenten auftreten lässt, auch den Kalle (Ferdinand Hofer) inszeniert er starlike.

Hinzu kommt das Opfer Adam, der vom BR in der Besetzungliste in der Presselounge nicht aufgeführt wird, der scheint ein Naturtalent von Filmstar zu sein; einzig er und sein Bruder Alex bringen das gewisse Hasenbergl-Etwas, wogegen der Rest des Ensembles subventionsschauspielerisch erfolglos, teils melodramatisch – als ob sie unter diesem Defizit leiden – ankämpft. Man sollte so ein Viertel, das sozialer Brennpunkt ist, in der tatortfilmischen Umsetzung schon ernst nehmen.

Burghardt Klaussner wirkt wie eine Staffage-Figur zur Ablenkung.

Einen Bruderzwist als Tatmotiv gegen einen notorischen Stänkerer in Konkurrenz zu bringen, scheint mir dramaturgisch unausgewogen, kann keine Spannung erzeugen und auch die dritte Figur, ein Coming-of-Age-gestresster Jonas mit wenig plausibel erzählter Story, die irgendwie vollkommen in der Luft hängt, hilft nicht, dem TV-Movie Attraktivität zu verschaffen.

Viel schlecht gefilmte melodramatische Pseudodramatik um Hackls Eskapaden.

Auflösung des Falles ist dürftig wie erklärungsbedürftig – und dürfte nichts, aber auch rein gar nichts mit den Hasenbergl-Realitäten zu tun haben. Weltfremd, am Rechner erfunden, schwach.

Lebenslinien: Mein wildes Hundeleben (BR, Montagd, 27. Februar 2023, 22.00 Uhr)

Eine Heilsgeschichte wie ein Weihnachtsmärchen

Vermutlich hätte der BR, vertreten von Christina von Hahn, die Geschichte von Gerd Schuster in den Lebenslinien nie erzählt, wenn sie nicht, vorerst zumindest, gut ausgegangen wär.

Vom gesellschaftlichen Outcast, vom Straßenjungen, vom Drogen- und Alkoholkonsumenten und Punk zum erfolgreichen Unternehmer. Das ist eine Geschichte wie im Märchen – oder wie aus der Bibel. Das passt in das Weltbild von BR-Redakteurin Christina von Hahn. Ist ja auch eine schöne Geschichte, beinah zu schön, um wahr zu sein.

Gerd Schuster ist heute erfolgreicher Entrepreneur mit Frau und zwei Kindern, Experte für gefährliche Hunde und mit seiner Frau Inhaber des Hundezentrums Mittelfranken. Jahrelang habe nichts darauf hingedeutet, dass er das noch schaffen würde.

Von einer minderjährigen Mutter geboren und ins Heim und dann zur Adoption frei gegeben. Gewalttätiger Adoptivvater. Keine schöne Jugend, nirgendwo zuhause, bald schon bei den Punks auf der Straße. Von Nürnberg nach Berlin in die Hausbesetzerszene.

Irgendwann und irgendwo gab es ein Erweckungserlebnis, hinzu kommt die Liebe zu einer Frau. Wie im Märchen. Wie zum Beweis zeigt Autor und Regisseur Armin Toerkell am Schluss idyllische Bilder seines Protagonisten im Ruderboot mit Hund und Erleuchtungslicht, drum herum Schilf. Erinnert an das Schilfkörbchen aus der Bibel. Eine zutiefst christliche Lebenslinie mit froher Botschaft.

Mein Job – Dein Job: Tänzerinnen – USA (BR, Montag, 20. Februar 2023, 20.15 Uhr)

Demokratieeinlullformat

Hier gelten alle Einwände – oder gar noch verstärkt – wie bei der Tierpflegersendung desselben Formates.

Reines Kitschformat, das alle Mühen, die ein interkultureller Austausch mit sich bringt, ausblendet, das versucht, auf billige Weise glückliche Gefühle zu transportieren. Ein Einlullformat, das so tut, als sei es das Selbstverständlichste der Welt, dass zwei junge Frauen aus einer Prinzengarde in Franken innert drei Tagen in Kalifornien eine Cheerleader-Choreographie perfekt lernen, wofür die Kalifornierinnen monatelang trainieren und umgekehrt, dass zwei junge Cheerleaderinnen aus Kalifornien innert drei Tagen in Franken eine Prinzengard-Choregraphie samt Sprung in den Spagat so lernen, dass sie mit der Gruppe vor Publikum auftreten können. Das geht eben nur bei besonders begabten Tänzerinnen und mit viel besonderem Drumherum. Es wird also dem Publikum eine Realität vorgeschwindelt, die es so nicht gibt. Denn der Aufwand hinter den Kulissen zur Herstellung dieser Märchenwelt, also einer getürkten Realität, dürfte beachtlich sein.

Das Format hat nichts mehr mit der Grundidee eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkes zu tun, nämlich die Demokratieidee zu transportieren, lebendig zu erhalten; es scheint hier lediglich darum zu gehen, dass private Firmen fantasielosen Fernsehredakteuren Formate aufschwatzen, die für sie quotenversprechend scheinen, um damit Geld vom Zwangsgebührenhaufen für diese Firmen abzuräumen. Das ist eines öffentlich-rechtlichen Senders nicht würdig, sich so letztlich nicht nur ums Geld, sondern auch um seinen Anstand bringen zu lassen. Denn ein Fernsehen, was den Bürger einlullt, ihm billig ein paar hübsche Frauenbeine präsentiert, arbeitet gegen die Demokratie, hat also keine Berechtigung mehr, vom Zwangsgebührenzahler finanziert zu werden.

Das sind Sendungen, auf die kann der BR im Zuge des Sparzwanges getrost verzichten. Muss lange her sein der Dreh, die reden noch vom Schnee in Bayern, nix da 2023. Das nimmt Bildzeitungsniveau an, wenn lauter hübsche Frauen ins Meer springen und es enthält schamlose Schleichwerbung für DS Sports, Textilveredlung, Activewear, Teamwear; öffentlich-rechtlich-werbeverseucht.

Was haben sich die Rundfunkzwansgebührentreuhänder Matthias Luginger und Ingmar Grundmann gedacht, als sie das Sendeformat einkauften, das eine dermaßen geschönte Welt darstellt? Haben sie sich dafür irgendwo fein einladen lassen? Denken sie nur an Quote, wie Redakteure der Bild-Zeitung, bei denen in jeder Nummer ein paar hübsche, attraktiv gekleidete, junge Frauen abgebildet sein müssen?

Bei diesem sich selbst dauernd peinlich bewerbenden Format geht es lediglich um das Abgreifen von Zwangsgebührengeldern mit einem Produkt, das in keinster Weise im Sinn des die Demokratie frischhaltenden Grundauftrags der Öffentlich-Rechtlichen ist. Es ist ein Einlullformat.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Bonn – Alte Freunde, neue Feinde (DVD)

Diese ARD-Miniserie kommt mit pompösem Anspruch daher: nämlich die junge Bonner Republik, die aus den Trümmern des Nazireiches emporsteigt, und ihre Verwicklungen mit diesem zu schildern.

Die Eröffnungsszene dieser ARD-Mini-Serie unter redaktioneller Aufsicht von Götz Vogt ist gleichzeitig die Schlüsselszene.

Sie zeigt zweierlei. Zum einen den Vorgang, der im Laufe der Serie enträtselt wird. Zum anderen, dass hier mit möglichst wenig Geld und viel schnellem Studio eine glaubwürdige historische Atmosphäre erzeugt werden soll. Historisches im Film und im Fernsehen ist immer aufwändig und teuer, umsomehr fällt auf, wenn gespart werden soll – und das ist hier so.

Es ist eine typische Zweit-Weltkriegs-Studio-Wald-Szene. Soldaten kämpfen. Ein Titel besagt, dass es sich um die Ardennen 1944 handeln soll. Die Figur im Mittelpunkt dieser Szene wird Dreh- und Angelpunkt der Recherchen und Nachforschungen, der Enthüllungen und Verhüllungen, der Verwicklungen in der jungen Bundesrepublik zehn Jahre später.

In Salamitaktik bringt die Serie Stück um Stück die Erklärung dieser Szene an den Tag.

Es ist ein dramaturgisches Machtspiel, wenn man so will, mit einer Serie eine anfangs im Unklaren belassene Studiowaldszene zu erklären. Ob das eine gute Idee ist? Erzähltechnik im Stile des Vergeheimnissens – eher billig.

Die Absicht dieser ARD-Miniserie in der Regie von Claudia Garde nach den Drehbüchern von ihr selbst, Peter Furrer, Gerrit Hermans, Martin Rehbock und Lucas Thiem scheint es zu sein, einem möglichst breiten Publikum in der Form eines Thriller zu zeigen, wie naziverseucht die junge Bundesrepublik war.

Dies ist zwar immer wieder schockierend. Andererseits handelt es sich hierbei um eine Banalität, war doch der Großteil der Deutschen entweder Nazis oder Mitläufer; Widerständler, die nach dem Krieg glaubwürdig entnazifiziert werden konnten, gab es wenige, darauf weist die Serie an einer brisanten Stelle hin, wie eine mutmaßliche Verschwörung vom Verfassungsschutz hops genommen werden soll.

Die Banalität besteht in der simplen Überlegung, wer hätte denn das Land wiederaufbauen sollen, wer wäre übrig geblieben, wenn alle Exnazis und alle Mitläufer nicht hätten mittun dürfen? Das Land wäre wohl heute noch nicht wiederaufgebaut.

Dass die Serie für ein einfacheres Publikum gedacht ist zeigen Dialogsätze, die genauso gut als Füllsätze interpretiert werden können; es sind dies überwiegend beliebig austauschbare Sätze, die weder eine Figur charakterisieren, noch die Handlung vorwärtstreiben, noch der Geschichte eine Besonderheit geben, es sind Sätze von einer erbärmlich sterilen TV-Austauschbarkeit, Sätze wie aus einem Do-it-yourself-billig-Baukasten für TV-Drehbuchautoren. Sätze, die Könner bei der ersten Überarbeitung des Textes sofort wieder streichen würden.

Ich komme diese verdammte Fliege nicht gebunden, hilf mir.
Sie betreiben ein schmutziges Geschäft Herr John.
Ich kümmere mich um ihn.
Nein, ich kann nicht, ich kann sie nicht alleine lassen.
Wovor hast Du Angst?
Du tust, was du für richtig hälst.
Was ist passiert?
Pass gut auf dich auf, ich muss los.
Damit du über die Runden konmst.
Und das ist ein sehr schönes Nachthemd.
Du darfst jetzt nicht aufgeben.
Sie können jetzt einen Kaffee trinken gehen.
Wir sollten uns heiraten, weil wir uns lieben.
Ich glaube, die Farbe könnte Ihnen sitzen.
Ich gebe immerhin großzügig Trinkgeld.
Esse bitt, jetzt iss doch was.
Er muss sich jetzt erholen ..
und das sollten Sie auch tun,
Schlafen Sie, wenn Sie können.

Ab und an werden Sprichwörter in die Dialoge eingeflochten wie „Reisende soll man nicht aufhalten, heißt es“, was auf eine oberflächliche und schnelle Drehbucharbeit schließen lässt.

Die öffentlich-rechtliche Moral muss selbstverständlich bei so einem schweren Thema auch Eingang finden in den Dialog mit dem Vorwurf: „Wie kann man eigentlich damit leben, dass Millionen Menschen ins Gas geschickt wurden?“.

Mercedes Müller spielt die reine, zentrale, ehrliche Figur Toni Schmidt, die den Nazidreck sieht, der überall noch vorhanden ist. Ihre wichtigste Frage ist diejenige nach dem Verbleib ihres Bruders Stefan. Darum ranken sich Texte und Geheimnisse. Toni wird vorgestellt bei einer Party in London, wo sie eine Au Pair Stelle angenommen hat. Das wird für sie von Nutzen sein, denn nach ihrer Rückkehr wird sie als Sekretärin und Übersetzerin für Reinhard Gehlen arbeiten und tiefe Einblicke in diese Organisation erhalten, sie erfährt Dinge, die sie kaum glauben möchte.

Martin Wuttke als Reinhard Gehlen (Organisation Gehlen) ist einer der beiden männlichen, markanten Eckpfeiler dieser Miniserie. Sein Gegenspieler ist der nicht weniger markante Sebastian Blomberg als Otto John vom Verfassungsschutz. Dieser ist ein Nazijäger, während Gehlen der Nazivertuscher und -schützer ist.

Für Toni wird eine schematische Liebesgeschichte nach den mutmaßlichen Ansprüchen der Fernsehunterhaltung erfunden. Sie wird sich mit dem Betreiber eines Radio- und Fernsehgeschäftes verloben. Ihr wird der Konflikt zwischen Liebe und Job aufgehalst, der einmal auch das Thema der Gebärmaschine in einen Dialog einbringt. Ihr Vater ist Bauunternehmer (Juergen Maurer). Die Familie wohnt extrem repräsentativ für die 50er Jahre. Ihrem Vater hat sie den Job bei Gehlen zu verdanken. Die beiden kennen sich lange. Gemeinsame Nazivergangenheit, gemeinsame Ziele heute.

Der vierte im Bundes des dramaturgischen Grundpfeiler-Quartetts ist Max Riemelt als Wolfgang Berns, ein Nazijäger aus persönlichen Gründen. Er sitzt zwischen allen Stühlen, und, das ist nun wirklich billig, weil er mit Toni zu tun hat, können laut Fernsehautoren auch hier die Gefühle nicht geleugnet werden. Ihm wird eine Biographie zugeschrieben mit Abgründen und Schicksalsschlägen, wie sie zu dem prima Schauspieler und generell vertrauenswürdigen Typen, der er ist, überhaupt nicht passen; er ist eine sympathische Fehlbesetzung, wenn denn das Buch Glaubwürdigkeit beanspruchen wollte. Die ihm zugeschriebene Biographie verlangte nach einem kaputten Typen oder zumindest nach einem mit seelischer Verkommenheit, untauglich für die Rom-Com, die das Buch in Heimatfilmmanier ihm an Ende noch unterjubelt; da stimmt dann zwar der Riemelt, aber die Geschichte nicht mehr. Riemelt ist einfach zu nett und zu sympathisch, selbst in Zweikämpfen.

Es ist eine illustrierende Serie mit zu viel austauschbarem Fülltext und zu oberflächlich und schematisch konstruierten Liebesgeschichten. Blomberg und Wuttke, dazwischen der gummiartig freundliche, sich anpassende, undurchsichtige Agent Berns und dann die reine, nicht käufliche Sekretärin, die neuen Verbrechen auf die Spur kommt. Was jeweils am Anfang einer Folge in kurzen Takes von der Vorfolge wiederholt wird, ist im Wesentlichen auch die Substanz jener Folge, also sehr wenig, was dann jeweils auf etwa eine Stunde aufgeblasen und mit blassen Figuren und dünnen Texten aufgefüllt werden muss; diese werden von den Darstellern in professioneller Konzentration dargeboten.

Karlsplatz (BR, Donnerstag, 19. Januar 2023, 22.00 Uhr)

Rosi Mittermeier ist gestorben. In der Studiokulisse dieser Fernsehsendung ist eine Werbung für Rosi Mittermeier und Christian Neureuther, die PR-Profis, integriert und eine ebensolche für Hansi Hinterseer. Zu dem Zeitpunkt, an welchem stefe die Sendung in der BR-Presslounge sehen konnte hatte Rosi Mittermeier noch gelebt. Normalerweise hätte stefe dieses Productplacement bemängelt. Jetzt aber ist er gespannt darauf, wie der BR damit umgeht; ob er im Nachhinein eine schwarze Trauerschlaufe unter die Werbetafel per Computeranimation hineinzeichnet? Oder ob er die Namen rausretuschiert hat? Oder ob das gar keinem aufgefallen ist und erst die Zuschauer sich melden werden?

So ein Fernsehformat ist von Anfang als PR-Veranstaltung für die Teilnehmer, alles sogenannte ‚Namen‘ in der TV-Branche, geplant. Einer der Gäste lässt einblenden, dass er gerade auf Tour ist. Und die zwei anderen Gäste sind auch auf ihre bekannten Namen angewiesen, ebenso die Moderatorin.

Das ist ärgerlich für den Zwangsgebührenzahler. Immerhin kann er hier ablesen, wer wieder alles an den Töpfen der Zwangsgebührengelder nascht, ohne akzeptablen Gegenwert zu liefern (dazu weiter unten), es sind dies die Autoren Jaqueline Floßmann, Christian Lex, Christoph Wind, Dominik Bauer, Teresa Reichl, ferner eine Firma Superfilm.

Für die ungeschickte Studioregie steht ein Julian Weber. Aber das ist auch schwierig in einer Sendung, in der die Protagonisten ständig aufstehen und zum Sportplatz rübergehen, Liegestütze machen und dann wieder zurückgehen müssen und dann wieder eine Art Brille aufsetzen und dann wieder eine Art Sportjacke drüberziehen und dann wieder same procedure aufstehen und rübergehen, Liegestütze, aufstehen und zurückgehen: ein Kuddelmuddel nicht gerade fernsehergiebig; es bräuchte Regiepfiff, daraus etwas zu machen.

Dafür, dass Zwangsgebührengelder so wenig ertragreich eingesetzt werden, oder eben vor allem für persönliche PR, stehen die Redakteure Lorenz Urban, Anja Lenhart, Nikola Rudolf unter Leitung von Pamela Wershofen.

Die Sendung behauptet, ein Treffpunkt für Talk und Tumult zu sein; nein, sie ist lediglich ein PR-Vehikel für die von der Redaktion Begünstigten, die Eingeladenen – und sogar für Nicht-Eingeladene, siehe den ersten Absatz oben. Sowieso kommt beides nicht so richtig vor, weder Tumult noch Talk, Tumult wär ja geil, aber nur Durcheinander reicht dafür nicht aus und Talk wäre auch nicht schlecht, wenn denn ein Thema vertieft und vielseitig beleuchtet würde; nirgendwo steht geschrieben, dass Talk nur dämlicher Smalltalk sein soll.

Die Redebeiträge sind dank verschiedener Autoren und verschiedener Protagonisten von höchst unterschiedlichem Niveau. Wobei die Herren unter den Protagonisten mit ihrer Humorlosigkeit und mangelnden Wortgewandtheit den plauderbegabten Damen weit hinterherhinken. Mit Liegestützen ist dieses Defizit nicht wettzumachen.

Wozu die Musik im Hintergrund engagiert ist, dürften sich beim Anschauen selbst die Redakteure gefragt haben, da könnte man auch eine billige Konserve einspielen, ohne dass das unreife Format Schaden litte und aus welchem Ladenhüter-Fundus, die ihr Publikum requiriert haben, ist eine weitere offene Frage.

Das Thematische, nämlich Sport, Kinder, Sportförderung bleibt fragmentarisch, bringt nicht eine geistige Anregung zum Thema hervor. Was immer funktioniert, sogar hier mühsam, sind Gesellschafts- und Ratespiele, die schlingern hier am Rand der Peinlichkeit.

Am Charmantesten sind noch die Erzählungen der Kabarettistin Martina Schwarzmann über den Fußball in ihrer Jugendzeit. So etwas könnte man als Anknüpfung für eine Sendung einsetzen. Aber nichts davon, der Anstoß verpufft im allzu Beliebigen des Geschwätzes.

Wenn die Akteure wenigstens das Lied am Schluss sorgfältig eingeübt und performed hätten, so hätten sie etwas gutmachen können, denn wir wissen, der letzte Eindruck kann der prägende sein (siehe Babylon). Haben sie aber nicht, haben, so scheint es, wohl nicht mal schludrig eine Probe gemacht. Da sollten die sich mal anschauen, wie Profis das machen in Amsterdam wenn die Englisch sprechenden Weltstars als Trio ein französisches Lied singen. Da fällt einem nur noch das Wort Größenwahn und Arroganz im deutschen TV ein. Denn Geld haben die Beteiligten trotzdem ohne Abstrich genommen für den schwachen Auftritt.