Archiv der Kategorie: TV

Blind Date unterm Weihnachtsbaum (BR, Sonntag, 8. Dezember, 23.30 Uhr)

Einfältige Themenstellung –
Topf gesucht für passenden Deckel,
absolut lieblose Synchro
hackelige Erzählweise, als ob man die Story bald hinter sich bringen möchte.

Ein Film so romantisch wie früher ein Aldibesuch. Man geht zu den Regalen und sucht, ob man eine Frau für den Papa Michel (Florent Peyre) findet. Da keinerlei Charakterisierung vom Papa bekannt ist, stellt sich null Spannung ein. Vom Papa ist nur ersichtlich, dass er ein Schauspieler ist, der einen Papa darstellt, der im Luxusunternehmen „Palais d’Or“ in der Schockoladenbranche arbeitet und dort eine Werbekampagne kurz vor Weihnachten von einer Kollegin übernehmen soll, die gekündigt hat.

Die Kinder wollen die Eltern über die Plattform Love in Sight mit manipulierten Texten verkuppeln. Aber der Film schafft es nicht mal, eine witzige Veräppelung des Internet-Dating-Wesens herzustellen.

Der Film beweist, dass nicht alles, was aus Frankreich kommt, Charme haben muss; wobei die deutsche Horrorsynchro diesem Film von Gilles Paquet-Brenner noch den Todesstoß verleihen würde.

Auswahlkriterien: blond, brünett, sportlich? Auf welchen Typ Frau stehst Du? Dann die Kleinmädchenfragerunde. Einen Pullover kann man umtauschen. Einen Freund auch. Freundinnen, die über Männer reden, wie über Konsumartikel. Alles nervt mich. Du hast ein Problem mit Weihnachten. Und die Liebe? Die billige Grundidee: Männer besorgt man sich wie Geschenke. Dieses TV-Produkt erweckt nicht den Eindruck, eine Kritik an dieser Art Geschlechter-Sprech und Geschlechter-Umgang zu üben.

Und wenn sie nicht weiterwissen, gehen sie duschen.

Schäbig abgewandelt das Prinzip der gefälschten Liebesbriefe.
Hier Tochter Line (Lior Chabbat) des Papas und Sohn Jules (Aliocha Delmotte) von Mama Chloé (Hélène de Fougerolles), der vertrockneten Chefin des Papas.

Aber eines ist sicher, Du hast mich geweckt. Die Frau, die in der Lage ist, mich aufzuwecken, die will ich kennenlernen. Liebe so ganz ohne Liebe. Weil das Drehbuch es so will. Drum: küssen, innig. Sieht so aus, als könnten wir gleich zu Abend essen.

Na ja, dann gibt es noch katalysatorische Sidekicks, den Kumpel und Restaurantier Harold (Lannick Gautry) und Freundin Elene (Marie-Elisabeth Robert) von Chloé.

Es wird auch immer klarer, dass Chats und Internet-Kurznachrichten und derlei Zeugs im Film – erst recht wenn der ins Fernsehen kommt – wenig hilfreich sind. Im klassischen Theater gab es noch die Briefe und die ließen meist aufhorchen, brachten dramatische Änderungen in die Dramaturgie.

Dazu eine sterile Musik wie aus lauter Konservierungsstoffen.

Man könnte gut und gern von einem runtergelotterten, runtergenudelten Film sprechen.

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Engel mit beschränkter Haftung (ARD, Mittwoch, 4. Dezember, 20.15 Uhr)

Engel nach Rezept,

nach Drehbuchrezept. Man nehme zwei Figuren, die nicht zusammenpassen, man stelle Aufgaben, die sie nach menschlichem Ermessen nicht bewältigen können, füge den Faktor Engel im Sinne der Unendlichkeit und Unsichtbarkeit bei, der jeder Anforderung an Logik (warum können Engel Autofahren, dürfen aber nicht in einen Lift einsteigen? Sie können Autotüren öffnen und im Auto Platz nehmen und die Fahrer merken nichts) den Stinkefinger zeigt, man ziere die Dialoge mit ein paar Wien- und etwas Zeitgeistpointen und schon sind 90 Fernsehminuten gefüllt und jegliche Inkompatibilität kann als gelungen Rundes verkauft werden.

Der zauselige Harald Krassnitzer heißt als Engel Oskar Manker, der hat ein Buch geschrieben (‚Schützt die Welt, nicht das Geld‘) und vielleicht ist der Name auch eine Hommage an den berühmt-berüchtigten Theaterregisseur Paulus Manker. Vielleicht ist ja Harald Krassnitzer selber einer von vielen Mankergeschädigten und deswegen schon im Himmel.

Hier soll Manker einen neuen Engel, Mira Aichner (Maresi Riegner), einlernen. Sie wandeln nicht als Zombies, aber als für den Zuschauer sichtbare, für die Mitspieler unsichtbare Engel durch Wien und müssen Leben retten.

Die Engel haben ihren Tod bereits hinter sich.

Manker wohnt in einer physisch-realistischen Wohnung mit Möbeln und Schubladen. Zeitgeist-Dialoge meint, es kommen Begriffe vor wie Vintage, Pager sind was Altertümliches, die Frage, wie man drauf sei – Rezepte aus dem Drehbuch-Schnellkochtopf.

Mit dem Drogenmilieu hat man bei den Öffentlich-Rechtlichen immer gute Karten, erst recht, wenn man den Dealern Engel auf die Bude schickt.

Mira ist ein Ex-Junkie und will wissen wie Manker gestorben ist, aber das gehe sie nichts an. Gefälliges aus dem TV-Drehbuch-Schnellbedienkasten mit ein paar ernsten Brosamen über das Leben und den Tod dazwischengestreut plus zwei Löffel Vater-Töchter-Rührgeschichten, ein Dezi Leukämie, eine Prise Schuldgefühle.

Schutzengel dürfen sich nicht mit dem Ermittlergen infizieren lassen, haben aber ein öffentlich-rechtliches Gewissen. Und als abgeschliffen dramaturgisches Schwert droht über dem Film, dass Manker den Fall nicht wieder vermasseln darf, denn sonst… Was denn sonst? Interessiert das irgendwen?

Über all den moralinsauren Irrationalimus wird eine Musik gelegt, die penetrant hämmert, wie lustig und lüpfig das alles doch sei, und wie man die Humorweisheit mit dem Löffel gefressen habe. Untertext: solchene 90 Fernsehminuten rocken wir mit Routine aus dem Handgelenk ohne einen Finger krumm zu machen.

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Lebenslinien – Tina Schüssler – Mein härtester Kampf (BR, Montag, 25. November 2024, 22.00 Uhr)

„Verrückt, taurig und schön“,

so resümiert Tina Schüssler, die Protagonistin dieser Lebenslinien von Stefan Panzner unter redaktioneller Betreuung durch Christiane von Hahn, ihr bisheriges Leben.

Mit ihrer Erzähllust und Energie, mit ihrem Optimismus und ihrer Lebensfreude rockt sie die Sendung praktisch im Alleingang.

Es sind ja auch ziemliche Extreme, die bei ihr zusammentreffen. In einer harten Männerwelt, Bauunternehmen, Vater, zwei Brüder, wächst sie auf. Phänotypisch sieht sie vielleicht mehr einem Mann ähnlich. Aber kein Gendergejammere, das Thema hakt sie als kleines Mädchen ab, wie sie einmal einen Rock tragen muss. Sollte nicht wieder vorkommen.

Tina Schüssler wird nie im Leben eine Tussi, wie sie später ein Lebenspartner und Künstler beschreibt. Sie interessiert sich nicht für Feminismus, für Frauenthemen. Sie fokussiert sich mit der Volljährigkeit auf Kampfsport, gründet ihre eigene Kampfsportschule in der Nähe von Augsburg.

Es folgen Lebenszyklen wie auf der Achterbahn. Boxweltmeisterin. Schlaganfall. Familiengründung. Ein Sohn. Kampfsport. Herz-OP; Ärzte meinen, nie wieder kämpfen. Dann erneut Weltmeisterin. Nochmal Weltmeisterin. Kurz vor einem Mega-Medien-Kampf-Event Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule. Ende der Sportkarriere. Beginn der Karriere als Sängerin. Dazu Moderation bei Sportanlässen und ehrenamtliches Engagement für junge Menschen, die Ähnliches erlebt haben wie sie.

Eindrücklich an diesen ungewöhnlichen Promi-Lebenslinien ist, dass bei Tina Schüssler kein Platz für Gejammere oder für Selbstmitleid ist; da ist sie eine Ausnahmeerscheinung, eine deutsche Ausnahmeerscheinung, ganz gegen den jämmerlich-jammernden Zeitgeist; ein Frau mit unglaublicher und seltener Begeisterungsfähigkeit.

Und die Schulmedizin mit ihren defätistischen Diagnosen kriegt eins auf den Deckel.

Mitreißend, enthusiasmierend.

3 Paare, ein Ziel – Wir machen uns selbständig, Folge 2: Work-Love-Balance (BR, Sonntag, 24. November 23.30 Uhr)

Wie es bei einem Serienprodukt so ist, nach der ersten Folge ist es auf die Schiene gesetzt und je nachdem fängt es bei der zweiten an zu langweilen, so wie hier – bei aller Sympathie für die Protagonisten – und macht klar, dass das Format kein überzeugendes Produkt ist.

Eigentlich könnte es sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk leisten, etwas nur zu machen, wenn es wirklich gut und mit seinem Grundauftrag zu vereinbaren ist.

Wieder ist vollkommen übertriebene und unpassende Musik drübergelegt, die noch dazu betont, dass einen hier allenfalls der Unterhaltungswert, sicher aber nicht die fachliche Info (das ist leichter bei Youtube zu haben) interessiert, womit kaum mehr als Klatschspaltenqualität erreicht wird.

Der Folgetitel ‚Work Love Balance‘ wirkt willkürlich. Die Darsteller ihrer selbst dürfen über sich reden, über Erfolge und Misserfolge, kurz kommt auch das Thema Liebe vor. Dafür ist aber bei Selbständigkeit wenig Zeit. Grad Glück, wenn Kinder auf die Welt kommen. Mit einem Paar gibt’s einen Abstecher in die Vergangenheit. Beim Mechaniker eine ausführliche DEKRA-Prüfung seiner Werkstatt (was hat das mit Work Love Balance zu tun?).

Es scheint, die Sendung ist gedacht für Leute, die nichts anfangen können mit ihrer Zeit. Kaum ein Zuschauer dürfte sich ernsthaft für die Probleme dieser Menschen interessieren.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

3 Paare, ein Ziel – Wir machen uns selbständig, Folge 1: Einfach machen? (BR, Sonntag, 24. November 2024, 23.00 Uhr)

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen unter der Redaktion von Christiane von Hahn scheint, was Unterhaltungssendungen betrifft, in den Urzeiten stecken geblieben zu sein, in der urzeitlichen Welle von Samstagabend-Unterhaltung, von Familienunterhaltung mit den Wettbewerben zwischen verschiedenen Gruppen; der Turnverein von Türkheim tritt gegen den Sportverein von Hinterwalden im Pyramidenbau an. Das waren richtigehende Ereignisse, die ihren Niederschlag auch in den lokalen Zeitungen fanden, weil Normalbürger es auf diese Art ins Fernsehen brachten.

Die Zeiten sind nur wirklich passé. Heute holen die Öffentlich-Rechtlichen damit niemanden mehr hinterm Ofen hervor, schon gar nicht können sie den Nachwuchs und genau so wenig die verloren gegangenen Zuschauer zurückholen, heute, wo jeder im Internet sein eigener Herausgeber sein, seinen eigenen Kanal betreiben kann.

Die Zeiten haben sich geändert und die Öffentlich-Rechtlichen hinken hinterher mit Formaten, die maximal ein eng umrissenes Zielpublikum erreichen; das sich aber vermutlich längst im Internet kundig gemacht hat. Bei Youtube ist der Zuschauer definitiv besser bedient, weil Leute, die dort von ihrer Selbstständigkeit berichten, dies konzentrierter tun, zielführender und nicht so TV-verhackstückt. Wer fachlich etwas erfahren will, ist hier beim BR schlecht bedient. Die Sendung scheint eher für Mumien geeignet, die nicht mehr in der Lage zum Wegzappen sind.

Hier stolpern Dokumentaristen (Ariane Dreisbach, Lenja Hülsmann, Rachel Roudyani, Juliane Rummel) unter redaktioneller Betreuung durch Saskia Barthel und Christiane von Hahn unbeholfen durch das Leben junger, durchaus sympathischer Selbständiger (Erdnussbauern, Online-Mentoren-Programm-Anbieter, Autowerkstattbetreiber) und verschneiden und vermampfen die Shooting-Strecke zu einem wenig bekömmlichen Brei, der noch in billigst-nervigen Sound getunkt wird. Das Geld für solche Sendung ist offenbar vorhanden; man könnte also auch was Gscheits damit machen. Das ist ärgerlich für den Zwangsgebührenzahler.

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Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang (BR, Freitag, 22. November 2024, 22.50 Uhr)

Australien 1867

Ein australischer Held –
irische Outlaws als Rebellen in Frauenkleidern

Sie wollen Sand ins Getriebe streuen. Sie sind gegen die Staatsmacht. Der Obrigkeit haftet der Geruch des Empires an. Das hat jüngst König Charles bei seinem Besuch in Down-Under zu spüren bekommen, allerdings nicht von irischer sondern von indigener Seite.

Ned Kelly (George MacKay) ist der Kopf der hier im Film von Justin Kurzel nach dem Drehbuch von Shaun Grant und Peter Gray besungenen Kelly Gang. Es gibt auch eine Fernsehserie über sie. Und alles nur, weil Ned Kelly sich berufen gefühlt hat, in einem Tagebuch an seine Tochter seine Geschichte aufzuschreiben.

Seine wahre Geschichte, meint Ted Kelly, und im Filmvorspann wird hinzugefügt, dass nichts hier wahr sei. Beste Vorausssetzung zur Legendenbildung. Der Mythos wiederum ist dazu geeignet, einen Beitrag zur Identität eines Lande leisten. Es sind archaisch-anarchisch antiherrschaftliche Selbstjustiz-Qualitäten, die besungen werden.

Der Film ist in drei Kapitel eingeteilt.

Das erste handelt vom Jungen Ned Kelly (Orlando Schwerdt), gibt als Zeitpunkt 1867 an, da müsste der Bub 12 Jahre alt gewesen sein. Ein Engel mit offenen Augen. Der bekommt mit, wie seine Mutter Ellen (Essie Davis) mit einem Blowjob beim Polizisten Geld verdient. Sie betreibt eine Spelunke, eine Art Verschlag im Niemandsland ist das. Vater ist bald weg, tot, der ist auch kein Vorbild; der ist weder treu noch in der Lage die Familie zu unterhalten – da tötet Ned schon mal ein Pferd aus der Nachbarschaft, um Fleisch zu beschaffen. Hier lernt der Bub das Töten. Und überhaupt soll er ein Mann werden.

Es sind die wildesten Dinge, die der Film berichtet. Aber Ned ist auch ein Lebensretter, er rettet einen reichen Nachbarsjungen vorm Ertrinken. Es sind vermögende Briten und die Mutter möchte dem wunderbaren Jungen eine ordentliche Schulbildung ermöglichen. Denkste, da ist dessen Mutter davor, die verkauft den Buben lieber an einen Straßenräuber; das wird seine Ausbildung. Töten muss der Bub lernen, damit er ein Mann wird.

Das zweite Kapitel ist mit Mann überschrieben. Hier ist Ned als Erwachsener zurück, möchte sein Leben geregelt verbringen. Er lernt Orgien kennen bei den exzentrischen Briten, Frauen, Ungerechtigkeiten, Lügen und Treue, Freundschaften und die Iren, die in Frauenkleidern zu Rebellen werden.

Konflikte mit der Justiz. Mutter im Gefängnis. Die muss befreit werden. Ned plant Großes an Aufstand, will die Staatsmacht in eine Falle locken – und landet doch selber in deren Fängen bis zum bitteren Ende. Aber etwas hat er nie aufgegeben: das Schreiben.

Find The Liar, Mittermeier (BR, Donnerstag, 21. November 2024, 22.00 Uhr)

Missbrauch des öffentlich-rechtlichen Zwangsfunkes

als Promi-PR-Vehikel, die dann auch noch dick auftragen, sie (die als deutscher Schauspiel-Superstar angekündigt wird mit der Behauptung, sie habe sich ihren Beruf nicht ausgesucht, um bekannt zu werden – da gibt es andere Geschichten, die aber gewiss nicht in eine Lügensendung passten…“hier ist das Amphibienfahrzeug unter den deutschen Fernsehstars!“) – und für solch dämlich Anmoderationen sollen wir Zwangsgebührengeld aufbringen? Für eine Sendung, die gleich mit Eigenlob beginnt, „das ist eine super Voraussetzung für eine lustige Sendung“).

Die Verlogenheit der Sendung wird auch auf der Tonspur mit dem hochgedrehten, künstlichen Jubel der Studiozuschauer unter Beweis gestellt. Müder Promi-Eigenbefriedigungs-Sülzquark.

Es wäre interessant zu erfahren, aufgrund welcher Berufs- und Lebenslügen BR-Redakteurin Birgit Baier so ein Format ins Leben ruft und Zwangsgbühren missbraucht, um Mist zu finanzieren, der mit dem Grundauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes rein gar nichts zu tun hat; der lediglich dazu dient, Promis einen bezahlten PR-Auftritt zu ermöglichen.

Wobei das Thema Lüge/Wahrheit ein durchaus ernsthaftes ist, gerade beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dem von manchen Seiten vorgeworfen wird, ein Lügenfunk zu sein. So aber setzt er sich nur noch mehr ins Abseits, wenn er das Thema so veralbert.

Alle setzen verlogen freundlich gutgelaunte Minen auf.

Es steht den Leuten frei, sich auf dem Niveau einer Amphibie zu unterhalten, das ist wohl nur menschlich; aber das hat nichts zu suchen in einem zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der noch dazu ein gravierendes Legitimationsproblem hat. Mit solchen Sendung jedenfalls löst er es nicht.

Also das stört mich schon, dass ich vom Staat gezwungen werde, mittels Rundfunkgebühr Sendungen solch feiner, substanzarmer Promipinkel zu finanzieren; das ist absurd; da komme ich mir glatt zwangsgeneppt vor.

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Lebenslinien: Wie ich auf der Straße landete (BR, Montag, 18 November 2024, 22.00 Uhr)

Reißerischer Titel

Diese routiniert runtergenudelten Lebenslinien von Andi Niessner unter redaktioneller Obhut von Johanna Teichmann täuschen schon mit dem Titel.

Sie fangen damit an, dass die Protagonistin Marion in eine eigene Wohnung zieht. Von einem Heim aus, in dem sie ehrenamtlich sich engagiert für die anderen Mitbewohner. Also nix Straße. Oder längst passé.

An einer Stelle wird vorwurfsvoll bekanntgegeben, dass sich die Familie von Marion geweigert habe, an diesen Lebenslinien mitzuwirken. Das ist ihr gutes Recht. Es erscheint kleinkariert, wenn dann trotzdem Fotos mit solchen Familienmitgliedern verwendet werden und deren Gesichter unkenntlich gemacht sind, als ob sie nur aus dem Gesicht bestehen würden und Körper und Kleidung nicht ihre eigenen wären; das wirkt unangenehm, so als wolle der BR den Wunsch dieser Menschen und vermutlich ebenfalls Gebührenzahler nicht respektieren. Das macht keinen guten Eindruck.

Ansonsten wird der Lebenslauf der Protagonistin ihrer Erzählung entlang durchgegangen und mit Talking Heads angereichert.

Das Filmteam nutzt jede Möglichkeit für einen Ausflug an frühere Lebensstationen. Das bleibt unergiebig, da das im Titel versprochene Thema außer Acht gelassen wird. Durch die Durchlaufmethode bleiben die besuchten Locations austauschbar und erzählen wenig Individuelles über das Leben von Marion.

Im Vergleich zu den Lebenslinien über Dietmar Holzapfel, die konsequent am Thema von Liebe und Gerechtigkeit entlang sich entwickeln, begnügt sich diese anspruchslose Variante des Formates mit Abhaken von Lebenslaufpositionen. Das ist öde, dabei wirkt die Protagonistin interessant und ihre Leben könnte sicher auch spannend erzählt werden. Das passiert hier aber nicht, wirkt gar konfus und durch das viele Gerede verwirrend.

Der Titel ist irreführend, wirkt veräppelnd, weil das auf der Straße-Sein eine Phase in einem wechselhaften Leben war, es ist nicht Charakteristikum oder Thema, es war ein Unfall, ein Unglück, das längst behoben ist.

Marions Thema wäre vielleicht die Gutmütigkeit und auch die Empathie mit anderen, anhand der das Zuschauerinteresse gepackt werden könnte. Das ist ein häufiges Lebensproblem, ein immer wieder virulentes, wie weit der Mensch menschlich und mitleidend handeln soll, wie weit Gutmütigkeit ausgenutzt wird. Aber das scheint dem Regisseur und der Redaktion nicht aufgefallen zu sein, das muss man sich als Zuschauer sozusagen aus den Fingern und den Statements saugen.

Lebenslinien sollten doch fragen, was erzählenswert ist am Leben der Protagonisten. Diese Grundfrage scheint bei der Konzeption zur Sendung nicht gestellt worden zu sein; es schien lediglich das Reizwort von der Straße zu verfangen. Das ist für das Format zu wenig.

Wenig erhellend ist auch die musikalische Untermalung.

Das sind keine Lebenslinien, das sind Schwatzlinien.

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Lebenslinien – Dietmar Holzapfel – Vom Lehrer zum queeren Szene-Wirt (BR, Montag, 11. November 2024, 22.00 Uhr)

Wenn man nicht darüber reden kann,

dass man anders empfindet, als von einem erwartet, wenn man ständig am Rande des Suizides steht, dann ist das nicht unbedingt ein befreiendes, starkes Coming-of-Age. Wenn zuhause ein Vater ist, der in betrunkenem Zustand gewalttätig wird. Wenn bei den Gleichaltrigen im Schwimmclub verächtlich über Schwuchteln gesprochen wird und das in Ingolstadt, so verwundert es nicht, dass es den Protagonisten Dietmar Holzapfel von zu Hause weg nach München zog, wo in Nischen ein liberaleres Klima herrschte.

Der Name des Protagonisten dieser Lebenslinien von Tanja von Ungern-Sternberg unter der redaktionellen Obhut von Martin Kowalczyk ist untrennbar mit dem Kultlokal und der berühmten Männersauna Deutsche Eiche verbunden. Insofern liegt die Verführung zur Produktwerbung nahe.

Aber Tanja von Ungern-Sternberg umgeht diese Falle vorbildlich, wenn man beispielsweise mit der unverblümten Produktwerbung für Madame Chutney des BR vergleicht (wobei es dort allerdings um eine Kochsendung gingt).

Durch Holzapfels Reflektiertheit werden dies ungewöhnlich spannende Lebenslinien. Es ist eine schwule Emanzipationsgeschichte, die immer wieder auch den Stand der Anerkennung resp. Diskriminierung in der deutschen Gesellschaft spiegelt.

Holzapfel erzählt von seinem Kampf um Gerechtigkeit, das meint auch das Recht auf eine Liebe und dass er Ungerechtigkeit nicht ertragen kann. Diese Lebenslinien berichten auch von einer großen Liebe, derjenigen zu Sepp, der eine nicht ganz leichte Ménage à trois vorausgegangen ist, der mit Nicky. Dieser hat Dietmar adoptiert und ihm seinen heutigen Familiennamen gegeben; hat ihm die Deutsche Eiche hinterlassen und Dietmar und Sepp zu Wirten gemacht.

Diese Lebenslinien machen einen mit einem wachen Menschen bekannt, den offenbar nie persönlicher Ehrgeiz getrieben hat, der zuerst sein eigenes Glück gesucht (und gefunden) hat, was er dann mit der Gesellschaft in Einklang zu bringen versuchte; der an seinem Ort Verantwortung übernimmt und vor allem, der nicht einer ist, der jammert und ständig die Schuld bei irgendwem anderen sucht oder mit Pauschalsätzen die Welt verändern will. Es entsteht der Eindruck eines vorbildlichen Bürgers, der sich in keiner Weise über andere erhebt.