Archiv der Kategorie: TV

Stimmen vom Feuer (BR, Mittwoch, 6. März, 2024, 22.45 Uhr)

„Obwohl die Sklaverei weltweit abgeschafft ist, werden jedes Jahr schätzungsweise 40 Millionen Menschen Opfer des modernen Menschenhandels.
Von diesen 40 Millionen Fällen wird nur ein Bruchteil bemerkt. 2020 wurden weltweit nur 48.000 Opfer entdeckt. 70 % davon weiblich. Über 50 % waren in sexuelle Ausbeutung gefangen. Über 30 % der Opfer waren Kinder.
Der Rest der 40 Millionen Opfer blieb ohne Gesicht und Stimme. Ihre Geschichten sind unbekannt.“

Die Welt der Frauen retten,

das wollen wohl BR-Redakteurin Clauia Gladziejewski und Dokumentaristin Helen Simon mit diesem Film. Sie wollen den 40 Millionen Opfern ohne Gesicht und Stimme zur Vernehmlichkeit verhelfen. Sie wollen auffordern zum Handeln. „Hütet das Feuer. Treibt die Flammen an. Es ist höchste Zeit, all dies Leid zu beenden und die Dunkelheit in Licht zu verwandeln.“ – so heißt es im Film.

Was also macht dieser Film, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen?

Er bedient sich bei der beim TV präferierten Verzopfmanier verschiedener Erzählstränge. Einer davon besteht aus zwei Aktivistinnen und Medienprofis, die auf dem internationalen Aktivismus-Parkett – luxuriöse Hotels, feine Tagungsräume – gekonnt von ihren Erlebnissen als Ex-Prostitutierte erzählen. Schauderliche Dinge sind es, die sie erlebt haben und die in dieser Umgebung noch gruseliger wirken.

Ein weiterer Zopf treibt sich privat-tv-haft im Prostituiertenmilieu in Prag herum. Die Ausbeute ist im Rahmen des Erwartbaren üblicher Schaudergeschichten.

Der dritte Zopf springt auf den Zug des internationalen Doku-Jetsets auf mit Titeln wie: Provinz Gauten, Südafrika, Provinz Chaing Mai, Thailand oder Provinz Manitoba, Kanada. Hier wirkt die Doku am Diffusesten mit einem Chor von nicht grad super „nachgestellten“ Frauenstimmen nicht identifizierbarer Herkunft und mit weiteren Scheusslichkeiten aus anonymen Leben.

Zweifel bleiben, ob mit so einem Film auch nur ein Frauenleben gerettet, auch nur eine Frau zur Emanzipation animiert werden kann und insofern stellt sich die Frage nach der Sinnigkeit der Finanzierung so einer Produktion durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dessen Finanzierung wiederum an mir als Zwangsgebührenzahler hängen bleibt.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Ein Mann zum Verlieben – L‘ Homme Fièle (BR, Sonntag, 18. Februar 2024, 23.15 Uhr)

Französische Eleganz-Routine
Trottel zwischen Frauen

Mei, was das Fernsehen, hier das Bayerische, so auf Zwangsgebührenzahlers Kosten einkauft, um es tief in der Nacht zu versenden; wäre echt nicht nötig; könnte Geld sparen, so ein schnell runtergedrehter, schnell skizzierter kaum mehr als 70-minütiger Film wäre verzichtbar.

Einfache Grundkonstellation, drei Ich-Erzähler/innen. Mann, Trottel zwischen zwei Frauen. Er sieht filmgut aus, Louis Garrel, hat mit Jean-Claude-Carrière in Zusammenarbeit mit Florence Seyvos auch das Drehbuch geschrieben und spielt zudem die Hauptrolle des Abel, eines Journalisten in Paris.

Der Film fängt mit einem Knaller an. Abel erzählt, das sei passiert, nachdem er etwa drei Jahre mit Marianne (Laetitia Casta) zusammengelebt habe. Sie offenbart ihm, dass sie schwanger sei. Aber nicht von ihm. Hoppla. Von seinem Freund Paul.

Er zieht sofort aus. Schon da tröstet ihn auf der Straße Ève (mit 13: Diane Courseille; dann Lily-Rose Depp), die ihm nachstiehlt. Sie ist die Schwester des Mannes, der Marianne geschwängert hat.

Acht Jahre später später stirbt dieser Paul eines völlig unerwarteten Todes in der Nacht. Bei der Beerdigung begegnet Abel Marianne wieder. Jetzt geht es hin und her, denn auch Ève ist da, jetzt älter, hungriger, aktiver.

Der Trottel ist zwischen den Frauen hin- und hergerissen, muss mit all seinem Gepäck bald da, bald dort ausziehen; nicht nur die Frauen spielen ihr Spiel, auch der kleine Joseph (Joseph Engel) aus der Beziehung von Marianne und dem verstorbenen Paul mischt intrigant mit mit Verschwörungstheorien und Behauptungen – und sucht doch nur nach einem Ersatz für den Vater.

Countdown auf einem ehrwürdigen Pariser Friedhof.
Friede über diesen Film und über Doktor Pfingstrose (Vladislav Galard), der auch eine unklare Rolle spielt.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

School of Champions – Folge 2 (ARD, Mittwoch, 14. Februar, 21.00 Uhr)

Musikgesülzt
stinkig clicheereich; Naval, die lieber Sport macht – und von der Besetzung her überhaupt nicht nach Sport aussieht, Konflikt, Konflikt, die extravagante Mutter (viel fehlt ihr nicht zur Eiskönigin) will, dass Tochter Naval ein anderes Gymnasium besucht; aber sie stürzt bei der Testabfahrt, ha, ha, Konflikt mit Mutter, der dann, ohne ausgetragen zu werden, verständnisvoll gelöst wird. Man erfährt so nichts über die Personen, über ihre Charaktere, die ihr Handeln verständlich gestalten würden.

Eine schauderhaft Musiksüßsauce drüber.

Konflikt, Konflikt, Nikki (interessanter Typ), der Sohn des aalglatten Trainers (dem man den Sportler auch nicht abnimmt), ha ha, Konflikt, Konflikt…. der dann ohne ausgetragen zu werden sanft in eine Lösung übergleitet. Nikki, der sich etwas bunt kleidet.
Dann der schmierige Politiker, so richt auf schmierig gespielt.

Ok, es gibt jede Menge rasender Skiabfahrten, die schauen gefährlich aus – und sind auch mal gefährlich, siehe den Film über die Streif – One Hell of a Ride. Immerhin, das Thema wird am Ende der Folge auch angedeutet; beim Feiern der Aufgenommenen in der Disko (obligater Bestandteil für das „Gut zum Dreh“ einer deutschen Fernsehserie), wird Nikko vorgeworfen, er sei nur dank seinem Vater reingekommen; dieser wird als Mörder bezeichnet. Da ist dann kurz Schluss mit süßlich und es setzt einen Faustschlag, poing, Ende der Folge.

Teilweise wirkt die Folge wie eine Fernseh-Übertragung von Skirennen …

Ein gemeinsamer Nenner bei den Erfindungen ergibt sich daraus, dass drei Alpenländer an der Produktion beteiligt sind, als muss Bayerisch, Österreichisch und Schweizerisch gesprochen werden. Daraus ergibt sich ein fröhliche Sprachensalat … da haben die Redaktionen wohl lange drüber diskutiert, weil das wieder einen neuen TV-Realismus schafft, vielleicht liegt es an diesem dass die Erzählung so erfunden wirkt. Im Sinne: was fällt Ihnen ein, wenn sie an Skisport und an Sportgymnasium denken; was könnten sich hier für Konflikte ausdenken lassen?

Die öde Aufnahmediskussion: auch diese wirkt wie aus der Retorte; „man“ weiß, dass Aufnahmekriterien nicht immer objektiv sind; also soll der schmierige Bürgermeister sich für den Lokalproporz einsetzen; warum er in dieser Kommission ist, wird nicht plausibel gemacht. Aber Moment, der Zausel ist vielleicht gar nicht der Bürgermeister.

Gewicht des Themas: Es geht um die tollen Karrieren – Gedankenpause – in einschläferndem TV-Realismus.

Ein Stück wie geschafffen aus der TV-Retorte, wobei beim Casting der jugendlichen Protagonisten mehr Wert auf Fernsehsüße und nicht auf athletische Street-Credibility gelegt worden zu sein scheint.

Es ist ein Drehbuch, was nicht von Menschenbeobachtung ausgeht, es wirkt so, als ob einer nach einem Teach-Yourself-Buch „TV-Drehbuchschreiben leicht gemacht“ geschrieben hätte. Und da gehört heute die Genderdiversität dazu, sehr ordentlich ist auch diese eingebracht in die Folge.

Vermutlich wäre eine Doku, aufgenommen mit versteckter Kamera, über das Zustandekommen und die Entwicklung von so einer Serie hundertmal spannender als das nach allen Seiten geglättete Produkt einer tüftelig-komplexen Redaktions-Konsensnotwendigkeit.

Aus sich heraus lässt sich jedenfalls bis jetzt aus der Serie kein Need für die Notwendigkeit ihrer Herstellung und ihrer Versendung im ARD-Programm erkennen.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

School of Champions – Folge 1 (ARD, Mittwoch, 14. Februar 2024, 20.15 Uhr)

Man sieht, dass es mühsam ist, so eine Serie in Gang zu setzen.

Immerhin gibt es einige Klarheiten bei der Exposition: die Bauernmädel vom Land und die von der Skiakademie. Das einfache Ehepaar Strobl mit den beiden schnuckeligen Töchtern mit dem Skitalent. Die Skiakademie Gastein, die finanzielle Probleme hat und einen Todesfall auf der Pist. Das Semester, das anfängt. Wie das Rezept für einen College-Film.

Die Kandidaten kommen an. Eine Gruppe kristallisiert sich heraus, mit der man dann wohl mitgehen soll, ob sie es schaffen, wie Rivalitäten aufkommen und Liebschaften. Es ist so geüblicht. Erstaunlich ist, dass Bauerntochter Dani Probleme bei den Prüfungen hat. Aber die Familie ist für sie da. Naval, Outsiderin aus der Schweiz. Und auch hier ist die Mutter für sie da. Und alle haben sie ihren Handy-Kontakt nach zuhause.

Ach, Du Kacke, und der österreichisch Schulleiter Mark knutscht mit der Assistentin Franziska rum und erwischt Nicki und noch einen Kandidaten, die nachts ausgehen. Oh, das ist so abgefuckt langweilig, läuft auf so ausgeleierten Erzählbahnen.

Und dann ist da diese Leiche, die immer wieder in die Handlung platzen könnte, zum Beispiel in Form von deren Eltern oder in Form von einem Gedenkkreuzerl im Schnee. Die Musik, die von stäubend-treibendem Schneewalzerglück erzählt, hilft auch nicht weiter.

Wahrscheinlich müsste man, wenn man so eine Serie spannend beginnen wollte, genau wissen, was man damit erzählen will. Sich also das erst mal gründlich überlegen. Hier scheint es, als ob die Überlegungen die waren, man wolle was mit Skiakademie machen, womöglich gab es eine Beziehung zu Gastein, mit irgendwelchen a priori festgelegten, erzählerisch vollkommen belanglosen Parametern. Und dann muss drum herum die Story zurechtgebogen werden. So ist es auch für die Schauspieler schwierig, auf so wackligem Boden plausible Performances zu bieten.
Zu dünn für ein ARD-Hauptprogramm.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Lebenslinien: Wolfgang Krebs – Stoiber, Seehofer, Söder und ich (BR, Montag, 12. Februar 2024, 22.00 Uhr)

Seltenes Talent

Da hätte man vielleicht richtig spannende und aufregende Lebenslinien machen können, wenn das ganz besondere Talent von Wolfgang Krebs, das der Imitation bayerischer Ministerpräsidenten, in den Fokus des rechereleitenden Interesses gestellt hätte.

Aber Petra Wiegers hat sich für den Mittelweg, der in der Kunst den sicheren Tod bedeutet, entschieden, für eine verehrende Hommage im Windschatten des berühmten bayerischen Parodisten, genau das richtige wohl für das Ü-60-Krebs-Publikum, das sich mit dem des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes zum großen Teil überlappen dürfte. Insofern eine der schwächeren Lebenslinien, die lediglich der PR des Senders und der Fortschreibung des Status Quo im abgestandenen Fahrwasser seiner Erstarrung dienen.

Ein breiteres Publikum, außer diesem Stammpublikum der Sendung, dürfte damit kaum zu gewinnen sein. Andererseits heißt es, die Öffentlich-Rechtlichen müssten jünger werden. Sie könnten es auch mit so einem Stoff. Aber er müsste eben spannend aufgedröselt werden. Wie konnte sich das seltene Talent von Wolfgang Krebs seinen Weg bahnen, als dezidiert interessenleitende Frage. Aber nein, lieber köchlen im abgestandenen Sud eines bewährten Sendeformats.

Klar, es werden Stationen auf diesem Weg nacherzählt, aber eben nicht so, dass es spannend wäre auch für Leute, die keinen Bezug zum Parodisten haben. Was nicht bedeutet, dass er selbst unsympathisch rüberkommt. Er ist dankbar für das, was er erreicht hat und nah am Wasser gebaut, wenn es um die Rührung über das Erreichte, die Familie, den Hund, den Erfolg, geht.

Und wenn der Imitator schon vom richtigen Ministerpräsidenten in die Zirbelstube in der Staatskanzlei in München zum Frühstück eingeladen wird, so würde einen schon interessieren, was die beiden da besprechen; oder ob das bloß ein Gag für die Lebenslinien als PR für den Ministerpräsidenten gedacht war und er sich, kaum ist die Kamera aus, gleich wieder verabschiedet und sich das Lebenslinienteam am Aufgetischten gütlich tun kann, was dann wegen der Staatsnähe wiederum problematisch wäre.

Brav wie ein Schulaufsatz. So entwickeln sich die Öffentlich-Rechtlichen nicht weiter, gewinnen keine gesellschaftliche Relevanz zurück. Für das dahindämmernde Stammpublikum mag das genügen. Dabei wäre gerade dieses Lebenslinien-Format, eines, in dem das eventuell möglich wäre; Menschen interessieren sich immer dafür, wie andere Menschen leben und ihr Leben meistern. Aber das sind andere Probleme, als diejenigen eines Kabarettisten, der mit einer Spezialfähigkeit die Bühnen erobern will.

Vielleicht könnte sich die Redaktion wachere Fragestellungen an die Protagonisten einfallen lassen, die auf gesellschaftliche Relevanz zielen. Das Leben ist heute ja nicht einfacher zu meistern als ehedem. Und Besuche in früheren Schulen sind nun so ziemlich das langweiligste, was man am Fernsehen verbreiten kann. Das bringt grad gar keine Verbindlichkeit. Und lockt nicht einen neuen Zuseher aus dem Modern-Media-Dschungel hervor.

Tatort: Das Wunderkind (ARD, Sonntag, 4. Februar 2024, 20.15 Uhr)

Knast macht die Menschen nicht besser.

18 Minuten lässt sich dieser Tatort von Thomas Stiller unter redaktioneller Verantwortung von Cornelius Conrad Zeit, die Atmosphäre in einer JVA zu schildern.

Man denkt momentweise an Ein Prophet, einen strafvollzugskritischen Film aus Frankreich von 2010, der gerade auch die Verbindung zwischen Knast, Verbrechen und Außenwelt hervorragned schildert.

Auch hier scheint der Tatort sich auf den Grundauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu besinnen, scheint gesellschaftliche Missstände in gut verdaulicher Krimiform zu ventilieren, hier das Thema Strafvollzug in der Bundesrepublik, kein Ruhmesblatt.

Geradezu grotesk, wie Häftling Dieter Scholz (Carlo Ljubek), der einen Tag vor seiner Freilassung steht, behauptet, dank einem Buch über Ikigai, das er in der Bibliothek gefunden hat, ein besserer Mensch geworden zu sein.

Kommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) ist zurecht skeptisch, auch wegen dem Thema Kindsmissbrauch, das bei diesem Gefangenen mitschwingt. Dessen Bub Ferdinand (Phileas Heyblom), ein Pianowunderkinder, das über die Knastzeit seines Vaters bei gut kulturbürgerlichen Pflegeeltern unterkommt (Sarah Bauerett und Lasse Myhr), die ihm alle nötigen Vorausssetzungen für die Talententwicklung bieten, will deshalb auch nicht zu seinem Vater zurück.

Hierzu fällt einem der Film Silent Girl ein. Das fällt angenehm auf bei diesem Tatort, dass er sich so viel Zeit für die Exposition nimmt, die das Milieu schildert, in dem der Mord passieren wird, der die Kommissare auf den Plan ruft.

Bis dahin hat man viel Personal kennengelernt, das mindestens mit Mordphantasien kein Problem hat und das auch Gründe hätte, einen Mord zu begehen. Der Mord selbst wird so geschildert, in der Dusche, dass der Zuschauer nicht sehen kann, wer der Täter ist.

Es sind lauter Figuren, die in Zwischenwelten zwischen Gut und Böse leben und agieren, am deutlichsten wird das bei der Gefängniswärterin Bremmer (Jule Ronstedt), aber bei weitem nicht nur bei ihr.

Der Film lugt sanft in den Dunstkreis der alltäglichen Korruption in so einem Knast, die auch plausibel wird durch die Routinen. Trotzdem gefährdet er das Tatortsystem in keiner Weise, ja er scheint es geradezu positiv für die Folge zu nutzen; und er findet noch Zeit, für diskretes Product-Placement zumindest, was den Dienstwagen der beiden Kommissare betrifft, hier scheint ein Sponsorenwechsel von BMW zu Mercedes stattgefunden zu haben.

Die Frage ist, ob das Drehbuch des Kniffes wirklich bedurft hätte, dass Ferdinand ein Wunderkind ist; ob nicht ein ganz normales Kind, wie in The quiet Girl genügt hätte, ob dann der Tatort nicht noch stärker geworden wäre. Die Wunderkind-Erfindung ist augenfällig wenig plausibel. Verbrechersohn als Wunderkind. Hm.

Angenehm auch die ruhige Erzähltart, die nicht unter TV-Asthma leidet, also der panischen Angst vorm Wegzappen der Zuschauer – vielleicht bleiben diese so sogar eher dabei.

Gier nach Gold. Ein Krimi aus Passau (ARD, Donnerstag, 1. Februar 2024, 20.15 Uhr)

Bei diesem neuen Krimi aus Passau durfte wieder Michael Vershinin das Drehbuch schreiben und Felix Karolus durfte von Redaktionsgnaden von Claudia Luzius und Katja Kirchen die Regie führen.

Es fängt actionhaft an mit einer Motorradgang und dem Niederschlagen des Schmiedes Höllriegel, der Emaillier ist (Hubert Schmauser), und man hat das noch nicht verdaut, bringt der Drehbuchautor dankenswerterweise das inzwischen vernachlässigte Thema des Zeugenschutzprogrammes wieder ins Spiel: auf Frederike Bader (Marie Leuenberger) ist in Berliner Gangsterkreisen ein Kopfgeld ausgesetzt und nicht nur auf sie, in Sippenhaft wird auch Polizeichef Mohn (Stefan Rudolf) genommen. Das ist immerhin eine Exposition.

Aber, um es spannender zu machen, wird jetzt, eher schwer, wie der Teig im Brot, eine Texas-Passau-Heimkehrer-Rühr-(Fernsehteig)Geschichte eingeführt, vermengt mit einer Musikauftritt-Story und die gute, overdressde Bäckerin (Bettina Mittendorfer) darf auch noch die Kamera übernehmen. Etwas arg nett und gemütlich ist die Putzfrauennummer mit den Bikern beim Höllriegel geraten.

Die Konstruktion mit Mia (Nadja Sabersky) als Journalistin mit Zugang zu den Archiven der Presse ist sinnig; das Witzchen mit dem Entsafter dünn.

Gute Beobachtung des Autors: wie das Englisch immer mehr ins Deutsche und ins Bayerische eindringt.

Der Emaillier (falls es diese Bezeichnung für einen Mann, der Email herstellt so überhaupt gibt), der ist zwar prima gespielt, aber als Rolle vom Drehbuch her dünn konstruiert, auch die Beziehung zu Franzi. Detektivlyrik: Gespräche die die beiden (Leuenberger und Ostrowski) beim Observieren führen, die haben Potential über die Fernsehdurchschnittsware hinaus.

Die Story ist arg überkonstruiert vom Email-Fälscher („wir brauchen jetzt nicht den ganzen Familienstamm“ – und dann gibt es doch noch sehr viele, sehr verwirrende Erklärungen, samt Referenz auf Schwarzmarkt und Nachkriegsdeutschland und dann endlich die Spur zur Kriegsbeute), seine Beziehungen, die Rockergang, die falschen Orden nach Mexiko, die Amistories, warum kann sich so ein Drehbuch nicht mal auf eine einzige Story beschränken und diese dafür spannend erzählen – wieviel reden da die beiden Redakteurinnen mit?

Hubert Schmauser spielt den Emailisten überzeugend als einen verzweifelten, niedergeschlagenen Mann. Das reicht zwar für Schauspielerkomplimente, nicht aber für die Schaffung von Interesse für die Story, wenn der Hintergrund zu papieren ist, die Figur nicht genügend durchdacht.

10 Minuten vor Schluss ist alle Spannung raus, weil der Schatz gefunden ist; nun wird der BR-Degeto-Ami-Rührteig ausgewalzt bis die anderthalb Stunden um sind.

Vielleicht wäre es für so eine Serie wirklich spannender, ein Einzelschicksal mit einem einzigen Projekt, zB das des Ami-Touristen Dave (Jeff Zach), in den Mittelpunkt zu stellen, der in die Serienkonstellation hineingerät und sie am Laufen hält.

Lebenslinien: Ich habe Auschwitz überlebt (BR, Montag, 29. Januar 2024, 22.00 Uh)

Sinnstiftung im Alter

Dr. Eva Umlauf, die Protagonistin dieser Lebenslinien von Christian Streckfuß unter redaktioneller Betreuung von Christiane von Hahn, hat sich erst nach mehrmaligem Überlegen entschieden, das Bundesverdienstkreuz anzunehmen als Anerkennung für ihren Einsatz als Zeitzeugin; Beate Uhse habe es ja auch gekriegt, so eine der Begründungen der so Geehrten für die Annahme. Gefeiert wird anschließend mit Freundinnen in einer klar identifizierbaren Münchner Promibar.

Vom Schumanns aus in München wendet sich das Movie Auschwitz zu, wo Ewa am 3. November 1944 kurz nach ihrem 2. Geburtstag mit ihren Eltern mit einem Transport im Viehwaggon angekommen ist und laut Erzählung der Mutter sofort die Nummer eintätowiert bekommen hat.

Überlebt habe sie, weil die Gaskammern bereits gesprengt waren; sie sei auf die Station des Arztes Josef Mengele gekommen; wird aber nicht sein Opfer; auf die Todesmärsche im Januar 45 konnten sie und ihre Mutter nicht geschickt werden, weil sie zu krank gewesen seien; Befreiung am 27. Januar 1945.

Zu Auschwitz wird es ziemlich genau einen Monat nach der Ausstrahlung dieser Lebenslinien im Kino einen gänzlich anderen Film geben: The Zone of Interest.

Wobei Auschwitz für diese Lebenslinbien eher ein Aufhänger ist; ganz andere Schicksalsschläge werden die Frau noch treffen in der an sich sicheren BRD, die sie im erwachsenen Alter dann ganz bewusst verdauen muss.

Stichworte: Kinderärztin, Psychotherapeutin, ein Leben mit Traumata, Kinder, zweite Ehe kaputt, Herzinfarkt mit 71, Buchautorin, Zeitzeugin. Verzeihen gehe nicht, meint sie, aber man müsse miteinander leben.

Zeit zu Beten. Ein Krimi aus Passau (ARD, Donnerstag, 25. Januar 2024, 20.15 Uhr)

Allerweltsfall.

Die eröffnenden Bilder mit einer Kamera, die durch die engen, nächtlichen Gassen Passaus fährt, suggiert Horroroptik.

Wahrer Passauer Horror wird aber des weiteren nicht aufkommen. Es ist eher ein Allerweltsfall von internationaler Geldwäsche, den sich Michael Vershinin unter den redaktionellen Auspizien von Claudia Luzius und Katja Kirchen hat einfallen lassen.

Schweizer Firma baut Luxuskliniken in Niederbayern, Verdacht der Geldwäsche. Ausgerechnet der Strohmann ist der neue Partner der Ex vom Polizeipräsidenten Mohn (Stefan Rudolf); der kündigt auch gleich zu Beginn schon seinen Selbstmord an und dass er damit ein Vermächtnis mit Material hinterlassen werde, das in der Öffentlichkeit Aufregung verursachen würde.

Der Film wirkt überkonstruiert und viel wird einfach erklärt. Die erste halbe Stunde kommt uninspiriert daher, das mag an der Regie von Johanna Moder liegen oder am Drehbuch, schwer zu analysieren. Manchmal funktionieren Dinge einfach schlecht, obwohl sich – oder gerade deswegen? – eine Vielzahl von Personen damit befasst.

Erst nach und nach gibt es Momente, wo der alte Charme der Ermittlerpaares Marie Leuenberger und Michael Ostrowski aufleuchtet. Allerdings hat sich inzwischen das Atmosphärenmoment, dass beide unterm Radar ermitteln, in Luft aufgelöst, an seine Stelle tritt öde Fernsehroutine.

Der Altöttingstrang scheint Energie zu sein, die besser auf die Ausarbeitung der Haupthandlung verwendet worden wäre. Er steht für sich, wie eine Fremdenwerbung des Touristenamtes des Wallfahrtsortes.

Auch der Ausflug zum Resilienztraining ins Kloster, um an den Verdächtigen ran zu kommen, wirkt reichlich an den Haaren herbeigezogen genau so wie die Eigenschaft des Verdächtigen, Spionagereomane zu verschlingen und daraus die Idee mit den Schuhen; weshalb vermutlich als falsche und dann doch richtige Fährte überprominent der Schuhladen in der Passauer Altstadt eingeführt wird. Warum muss das Fernsehen immer dem Zwang der Serie nachgeben, wodurch dann auf Teufel kommt raus gedreht werden muss, bevor das Drehbuch richtig sitzt und durch Einmaligkeit zu bestechen vermag?

Der Schmidt Max auf der Suche nach dem Glück (BR, Montag, 15. Januar 2024, 20.15 Uhr)

Das Glück des Max Schmidt

Max Schmidt verfügt jetzt nach Abdrehen dieser öffentlich-rechtlichen Glückslaber-Sendung über ein ihm geschenktes Glückstagebuch. Vor der Kamera hat er Einträge gemacht. Wir malen uns aus, was der Max Schmidt ganz geheim noch reingeschrieben hat über sein eigenes berufliches Glück, dank welchem er diese Sendung machen konnte, in der er mit Menschen, die nach undurchsichtigen Kriterien ausgesucht wurden, übers Glück schwatzte, Allgemeinplätze vor allem, wie sie überall und in allen Medien bis hin zur Apothekerzeitung billigst ausgetauscht werden können, in jeder Bar, an jedem Stammtisch: nicht nachvollziehbar, was so eine Sendung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der endlich ernsthaft sparen sollte, zu suchen hat.

Als Auswahlkriterien könnte eines feststehen: es müssen Interviewpartner aus verschiedenen Regionen Bayerns sein von wegen dem Regionenproporz.

Also was wird der Schmidt Max über sein Glück notieren, dass er diese Sendung machen „durfte“ und damit Geld vom Megahaufen öffentlich-rechtlicher Rundfunk auf bequeme Art und ohne allzuviel Vorbereitung verdienen „durfte“?

Vielleicht hat er ja geschrieben: ein Glück für mich, dass ich den Ingmar Grundmann vom BR kenne, der da eine wichtige Redaktionsfunktion innehat und der mir so eine Sendung, ohne dass ich einem Wettbewerb ausgesetzt bin, zuschustern kann.

Vielleicht schreibt er ja auch einen anderen Namen aus der verantwortlichen Redaktion: Iris Messow Ludwig oder Veronika Geier oder Joachim Walther oder Verena Vogel oder Daniela Schiffer oder vielleicht auch Iris Mayerhofer als zuständig für die Leitung und für die Gnade. Wie genau die Verbandelung läuft, ist von außen schwer nachzuvollziehen, aber es ist kaum denkbar, dass so eine Sendung ohne eine Verbandelung zustande kommt – oder hat irgendwer davon gelesen, dass der BR ein neues Format zum Thema Glück erfinden und produzieren möchte (so in etwa gernstlepigonal)?

Der andere, dem Schmidt vorausgehende BR-Glücksforscher, der Gernstl-Franz-Xaver, legt in seinem neuen Format Call a Gernstl immerhin offen, wie er seine Kandidaten gesucht hat, da ist er seinem Nachahmer voraus; nein, dessen Glückslabersendung ist kein Pleasure-Walk.

Dafür muss ich auch noch Zwangsgbühr entrichten –
für einen Blabla, wie ich ihn überall und gratis haben kann.
(Da sollte die Intendantin mal ein Auge drauf werfen, ob der BR solche Formate wirklich braucht).

Rote Karte des Zwangsgsebührenzahlers!