Archiv der Kategorie: Tipp

Lebenslinien: Adele Neuhauser – Die Bibi vom Tatort und ich (BR, Montag, 20. Januar 2020, 22.00 Uhr)

Langer Vorlauf.

Kein Shooting Star. 

1980 Bablin in Andorra bei den Städtischen Bühnen Münster, 1996 Mephisto in Regensburg, seit 2011 Wiener-Tatort-Kommissarin und weitherum bekannt, das ist eine Karriere in Jahrzehnte-Schritten, wie sie selber früh erkannt hat, dass das Leben für sie ein Marathon sei, sie hat durchgehalten: Adele Neuhauser. 

Die ersten vier Kinderjahre ungetrübtes Familienglück in Athen. Bruch. Wien. Familie bröselt auseinander. Trennung der Eltern mit 10 Jahren. Ein extrem empfindliches Alter für ein Kind. Selbstmordversuche. 

Adele Neuhauser, die einerseits nah am Wasser gebaut ist (ihre Wiederbegehung der Räume ihrer Schauspielschule) andererseits immer wieder eine reizvolle Lache aus tiefer Seele hat, ist eine reflektierte und sich selbst gegenüber offene und kritische Schauspielerin wie vermutlich wenige, nie im Verdacht, eine Karrieristin zu sein, der Karriere zuliebe eigene Grundsätze zu verletzen. 

So kommt es zumindeset rüber in diesen Lebenslinien von ORF und BR in der Regie von Birgit Deiterding. 

Diese Offenheit zeigt sich auch in der Beziehung zu Zoltan Paul, ihrem früheren Ehemann und auch dem Sohn Julian, mit dem sie inzwischen Auftritte absolviert und dem der Papa einen eigenen Dokufiction Film gewidmet hat: Breakdown in Tokyo – Ein Vater dreht durch.

Klar, es sind Lebenslinien, die gleichzeitig auch PR für die Öffentlich-Rechtlichen sind, was aber bei einem Menschen, der das Leben offensiv angeht und den Glamour und Stargetue nicht interessiert, legitim scheint, und die paar Oma-Rührbilder am Schluss seien verziehen. 

Geschenkt (ARD, Montag, 18. Dezember 2019, 20.15 Uhr)

Dieses gewisse Menschelnde

das bekommen die Österreicher in Schmunzelkomödien einfach besser hin als die Deutschen. 

Mit dem breit grinsenden, österreichischen Humor und Schmäh watscheln sie über den Fernsehschirm. Sie sind sich nicht zu schön, sich für eine Hauptfigur zu entscheiden, deren Probleme in den Mittelpunkt zu stellen und davon ausgehend einen mit Röntgenstrahlen versehenen Blick auf die Welt zu werfen.

Nach dem Roman von Daniel Glattauer haben Stefan Hafner und Thomas Weingartner das Drehbuch geschrieben, das Daniel Geronimo Prochaska mit charmantem Schmalz angerichtet hat. 

Es geht um die Midlife-Crises des St. Pöltener Lokaljournalisten Gerold Plassek (Thomas Stipsits). Es haust in der Wohnung, in der einst seine flotte WG zugange war, und die jetzt einer früheren Bewohnerin gehört. Diese schickt ihm, da sie überfordert ist, den 14-jährigen Sohn Manuel (Tristan Göbel). Es kracht pausenlos zwischen den beiden. Jeder ist mit sich selber beschäftigt und hat keinerlei Verständnis für die Lebenslage des anderen. Das Verhältnis sprüht förmlich vor gegenseitiger Ablehnung und Abneigung.

Gerold hängt am liebsten mit seinen Kumpels von der Eckkneipe rum oder spielt mit ihnen zuhause auf der Carera-Bahn. Er schreibt für die Lokal- und Gratiszeitung „Von Tag zu Tag“. Da es die Zeit vor Weihnachten und der guten Taten ist, immer wieder kommt das Bild vom Weihnachtsmarkt in St. Pölten vor, passiert auch hier Besonderes. 

Immer wenn Gerold einen Bericht über eine soziale Institution schreibt, geht prompt eine Spende von 10′ 000 Euro für diese Institution ein. Merkwürdigerweise ist dann Schluss damit, wie es die Anonymen Alkoholiker trifft. Allerdings ist er hier selbst betroffen, er gehört zu jener Sorte von Alkoholikern, die behaupten, den Alkohol zu vertragen. 

Dieses vorweihnachtlich lauschige Fernsehmenü wird abgerundet mit einer Affäre mit einer der Lehrerinnen von Manuel, mit Frau Fessler (Julia Koschitz), und mit einem Blick auf eine von der Abschiebung bedrohten Flüchtlingsfamilie im Kirchenasyl, derjenigen des Schulfreundes Machi (Wainde Wane) von Manuel. 

So werden verschiedene soziale Themen aus dem Blick eines selber aus dem Tritt geratenen Lebens und trotz Alkohol vorweihnachtlich freundlich, nie bierernst oder bösartig, sondern eher wie ein Glühweinratsch auf dem Weihnachtsmarkt ventiliert. 

SigiGötz ENTERTAINMENT – Die dreissigste Spur

SigiGötz ENTERTAINMENT ist eine bibliophile und cinéphile Zeitschrift aus München, herausgegeben von Ulrich Mannes. Sie erscheint seit deutlich über zehn Jahren mit lediglich zwei Ausgaben im Jahr. Die Nummerierung ist originell, die jetzige, eben erschienene Ausgabe ist untertitelt: „Die dreiunddreißigste Spur“ – es gibt bereits Sammler dieser Raritäten. 

Mit dem Zusatz „Entertainment“ im Titel zeigt die Zeitschrift, dass sie mehr umfasst als nur das Spektrum des Kinos. SigiGötz ENTERTAINMENT hat ein Faible für Glamour, regelmäßig stellt es Glamour Girls und Glamour Boys vor, das sind Stars aller Arten und jeglichen Alters; in der vorliegenden Ausgabe werfen Rainer Dick, Ulrich Mannes und Hans Schifferle einen respekterheischenden Blick auf „CHARACTER ACTORS“, Darsteller, die mit kleinen Auftritten einem Theater-Stück oder einem Film Glanz verleihen. 

Aber die Zeitschrift bringt auch fundierte Aufsätze zu bemerkenswerten Figuren, die den Mainstream nicht erreicht haben, diese Mal schreibt Rainer Knepperges über Günter Hendel: „Er wäre ein prima Autorenfilmer geworden“ und todesmutig wagt sich Jochen Werner in die Hirnwindungen eines Til Schweiger. 

Der Herausgeber himself begibt sich auf eine „unvorbereitete“ Recherchereise in die Nähe von Hof nach Rehau, dem Geburtsort des Namensgebers der Zeitschrift. Wobei das wieder eine ganz eigene Geschichte ist, die ein wunderbares Licht auf das deutsche Kino und das zwangsgebührenfinanzierte Fernsehen wirft: Sigi Götz war das Pseudonym von dem später als Sigi Rothemund renommierten Fernsehregisseur, der sich in jungen Jahren mit Filmen wie „Griechische Feigen“ ein gutes Geld verdient hat; wobei anzumerken wäre, dass beim deutschen Filmportal der Name Siggi Götz unter „weitere Namen“ als Pseudonym von Sigi Rothmund offengelegt wird, der somit als Regisseur auch von „Geh, zieh dein Dirndl aus“ direkt erkennbar ist; das dürfte mit ein Verdienst von SigiGötz ENTERTAINMENT sein. 

Zu beziehen ist das in vorbildlich gesetzter Sprache verfasste Magazin für 3.50 Euro plus 1.50 Euro Versandkosten über sigigoetz-entertainment.de

Pantalla Latina 2019

Die Pantalla Latina in St. Gallen geht in die zweite Dekade und hat sich ihren Platz im Festivalkalender erobert. Die Begeisterung des übersichtlichen Festivals gilt dem lateinamerikanischen Film, von dem jährlich eine anregende Auswahl präsentiert wird. Das beinhaltet drei Kurzfilmprogramme, die mit einem Publikumswettbewerb verbunden sind. Festivalort ist das einzige in der Innenstadt von St. Gallen noch verbleibende Kino (bis auf das Programmkino KINOK), das Kino Scala. Im Folgenden die Filme mit direkten Links zur Programmvorschau.

LA CORDILLERA DE LOS SUENOS
Chile. Dokumentation über die Kordilleren.

LA DISTANCIA MAS LARGA
Venezuela. Zwei Gesichter des Landes anhand einer Oma-Enkelin-Begegnung.

YO, IMPOSIBLE
Interssexualität in Venezuela.

LA CAMARISTA
Mexiko. Der Traum vom sozialen Aufstieg eines Zimmermädchens.

AGOSTO
Kuba. Coming of Age anno 1994.

LA CASA DE ARGUELLO
Argentinien. Persönlich-familiäre Diktaturaufarbeitung.

EL PUEBLO SOY YO: VENEZUELA EN POPULISMO
Venezuela. Doku, wie es politisch so weit kommen konnte.

LUCIERNAGAS
Mexiko. Auf der Flucht, schwul, irrtümlich in Mexiko gelandet.

RETABLO
Peru. Coming-of-Age im Kunstschnitzermilieu.

PIAZZOLLA, THE YERAS OF THE SHARK
Argentinien. Biopic eine virtuosen Musikers.

LA LLORONA
Guatemala. Diktaturaufarbeitung als Drama.

PELO MALO
Venezuela/Peru. Precoming-of-Age.

WOMEN OF VENEZUELAN CHAOS
Venezuela. Doku: fünf Frauen kämpfen um ihr tägliches Überleben.

CENIZA NEGRA
Costa Rico. Komplizierte Kindheit in einfachen, ländlichen Verhältnissen.

A VIDA INVISÍVEL DE EURÍDICE GUSMAO
Brasilien. Was Machotum eines Vaters anrichtet.

EL AMPARO
Venezuela/Kolumbien. Einfache Fischer oder Guerilleros?

Die Kurzfilmprogramme zeigen Filme aus Argentinien, Chile, Mexiko, Venezuela, Kolumbien und El Salvador. Dazu gibt es ein anregendes Rahmenprogram mit Pantalla Bar, Fotoausstellung, Tango Nuevo, Märchengeschichten und Lieder.

Und hier geht es direkt zur Festivalsite.

Renzo Piano – Architekt des Lichts (DVD)

Für Kulturmenschen. Prominenter Architekt und ein Prestigebau an sensibler Lage in einer Stadt am Meer; dazu ein aufschlussreiches Gespräch zwischen einem berühmten Filmemacher und dem ebensolchen Architekten. Siehe die Review von stefe