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Drei Kurzfilmpreziosen aus bayerischen Landen

Zu kulturell-demokratisch düsteren Coronazeiten mit Kinoverbot passen ganz gut düstere Erzählungen aus dem Bayerischen Wald, von lange her oder neuere. 

Philipp Wagner aus Passau hat eine Trilogie solcher Geschichten nicht ohne Schalk im Nacken verfilmt und im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht – wobei deutsche oder gar englische Untertitel für Anklicker aus der weiteren Umgebung hilfreich wären. Die Filme sind jedoch angenehm dialogarm und die wunderbare niederbayerische Erzählstimme bildet eine tragende Klangwolke wie aus dunklen Tiefen. 

ARME SEELE gleich Fegefeuer. Arme Seelen sind Wiedergänger, die in den Rauhnächten zurückkehren als Erlöser vom Leiden.

Die Idee für FINSTERE AU enststammt Johann Dachs‘ „Wahre Geschichten von Wilderei und Fürstenmord“, eine Wilderergeschichte. 

S‘ LICHTL ist ein Vorkommnis „nach einer wahren Begebenheit“ aus dem Buch „wenn’s weihrazt“ von Karlz-Heinz Reimeier. 

Protagonisten sind Barbara Dorsch (demnächst mit einem Gastauftritt im heiß erwarteten „Kaiserschmarrndrama“), Klaus Stiglmeier, Veronika-Marie von Quast, Johannes Weikl, Vanessa Calvano und Eva Wagner. 

African Kung-Fu Nazis – Die Doku zum Film (als Bonus-Material auf der DVD)

Kumawood

In Kumasi, der größten Stadt Ghanas, gibt es eine ausgewachsene Filmindustrie. Die hat vor allem DVDs für den heimischen Markt, allenfalls den afrikanischen, produziert. Hier in Europa wird ab und an darüber berichtet, die Filme erreichen uns auf dem normalen Kinoweg nicht. In Ghana nennen sie es statt Hollywood oder Bollywood konsequenterweise Kumawood. 

In Japan lebt seit Jahren ein junger Deutscher, Sebastian Stein heißt er, spricht Japanisch und produziert dort Werbevideos. Er hatte nun eine Idee. Eine Idee, die sich verrückt anhört, die er aber konsequent umsetzte. 

Stein hat von der Filmindustrie in Ghana gehört. Er war verzückt von der Vorstellung, dort einen Film zu drehen, in welchem er deutsche, japanische und ghanaische Elemente zusammenbringen könnte, am besten mit einer Komödie. 

In seinem Film möchte Stein also Hitler und sein japanisches Pendant Hideki Tojo in Ghana überleben lassen, dort eine Kung-Fu-Schule betreiben und weitere Pläne zur Welteroberung entwickeln. Dagegen lässt er den Helden Addae antreten, damit der in gekonnten Mann-zu-Mann-Kämpfen sich der Diktatoren erwehre, so die Grundidee für den Spielfilm. Die Kosten wurden mit etwa 10′ 000 Dollar veranschlagt, die Stein erst mal selbst aufbrachte. Für die Regie konnte er den ghanaischen Regiestar Samuel K. Nkansah, der sich „Ninja-Man“ nennt, gewinnen, ein Autodidakt, der sich an asiatischen Kampffilmen über das Metier kundig gemacht hat, Jackie Chan als großes Vorbild. 

Diese Dokumentation, die ausschließlich auf dem limitierten Mediabook als Bonus-Disc zur DVD zu finden ist, erzählt diese verrückte Geschichte mit Temperament, die Vorbereitungen von der ersten Kontaktaufnahme aus Japan an bis zum Roten Teppich Ende 2020 in Ghana, von den Castings, dem Training (der Regisseur war mit seinem Protagonisten Sebastian Stein, der den Hitler spielt und seinem japanischen Hausmeister Yoshito Akimole, der Hideki Tojo spielt, und deren Actionkünsten gar nicht angetan und hat sie extra trainieren lassen). 

Der Film berichtet unterhaltsam nicht nur von der ghanaischen Filmindustrie, den Dreharbeiten, von Pannen und Ereignissen, sondern auch über das Leben in Ghana gibt es Eindrücke im Zusammenhang mit der Motivsuche, zwei Kirchengründer braucht es für eine Beerdigungs-Szene, Sargschreinereien, die Vodoo-Welt und auch das Kulinarische kommt vor mit dem ghanaischen Nationalgericht Fufu, das unter anderem Kuhhirn und Ratten enthält und sehr lecker sein soll. 

Oder es wird gezeigt, wie der ghanaische Filmschauspieler Marsuel Hoppel „Taylor“ für die Rolle des Horseman Göring deutsch, vor allem rrrs und chrrrs und Führerrrr übt, oder wie eine Schnapsbrennerei als Sponsor gefunden wird und vielleicht auch noch vom Einfluss des Alkohols am Set … oder der Schauspieler Steven Yaw Mawungo, „Biggi“, blondiert als Fettwanst Akpeteshi-Master, ein Kungfu-Lehrer, der Werbung für Alkohol macht, oder Details vom Action-Training: Stretches, Punches, Kicks und Moves. 

African Kung-Fu Nazis (VoD)

Gerechte Strafe.

Das ist die gerechte Strafe für den Knock-Down des Kinos durch die Corona-Politik. Das Kino muss verduften, wird in den Untergrund – oder ins Internet getrieben, muss sich verkleiden bis unkenntlich machen. Und es lässt – mal wieder – den Führer überleben – in Ghana, trashig in der Nähe des Verarsche- oder Veralbergenres, der Action-Komödie, und dort eine Karateschule gründen zusammen mit dem japanischen Pendant zu Hitler, Tojo, der ebenfalls den Krieg überlebt hat. 

Letzteres ist die rasant kurzmontierte schwarz-weiß Info der ersten Sequenzen dieses Filmes von Sebastian Stein und Samuel K. Nkansah/„Ninja-Man“. Stein hat bereits eine Doku über die japanischen Yakuza gedreht. Er ist also nicht ganz unbedarft, was Asien betrifft, besonders die Kampfart Kung-Fu. 

Leicht kung-fus wird die Ausgangslage in Ghana geschildert, immer wieder unterbrochen von Drohnenfahrten über Kumasi, dem Drehort. 

Den Ghanaern ist Hitler mit seinen weisßgeschminkten Kämpfern (Symbol für die Gehirnwäsche), die Ghan-Arier genannt werden, ein Dorn im Auge. 

Mit Kämpfer Addae (Elisha Okyere) genannt Horst, gewinnt die Story an Fahrt. Er soll sich zum Kung-Fu-Superkämpfer ausbilden und dann den überlebten Führer und den mit ihm aus Japan ebenfalls geflohenen Tojo besiegen. Hitler und Tojo haben in Ghana eine Kampfschule aufgebaut, Karate.

Das Training von Addae durchläuft mehrere Stationen, die mit kurz eingeblendeten Tageszahlen fix geschnitten und schnell abgespult werden. Einer der Lehrer ist ein versoffener Fettwanst mit blondiertem Haar und Säufer dazu. Letzte Ausbildungsstation ist die Wutpriesterin, bei der soll er lernen soll, wie den Fluch der Blutfahne brechen. 

Es folgen die einerseits gesitteten, andererseits blutig-trashigen Kämpfe am Hofe des Führers, so wie man sich vielleicht die Todesskämpfe der Sklaven in Rom vorzustellen hat; es ist Wrestling mit Todesopfern und harten Grausamkeiten, dem Genre geschuldet, bis zum Endkampf. 

Der elementare Spaß der Macher am Genre ist dem Film anzusehen genau so wie der Spaß an den Effekten und den Kämpfen und der Führer hat sich in Ghana mit einer Frau namens Eva Braun-Gebrannt zusammengetan. Es gibt hervorragend inszenierten Kampfsport zu sehen, ohne Verzicht auf das Komödienhafte.

Der Film gewährt uns zudem einen raren Einblick in Ghanas Filmindustrie, die sich sehen lassen kann. 

What You Gonna Do When The World’s on Fire? (VoD)

Bestechende schwarz-weiß Photomediation über die schwarze Community im Süden der USA. Hochaktuell angesichts sich wieder häufender rassistischer Übergriffe der Staatsmacht. Siehe die Review von stefe. 

Eine Frage der Haltung (DVD & VoD)

Bienen-Dialektik.

Felix und Miriam Remter haben einen spannenden Fachfilm zum Thema Bienenhaltung gemacht. Was heißt Fachfilm; nein, es ist auch ein Film fürs Auge durch die vielen Nahaufnahmen von Bienen und all dem, was die Menschen, die mit ihnen zu tun zu haben, dafür verwenden, vom Baumsteiggerät über das Räuchergerät hin zu mannigfachen Arten von Bienenkästen und ganze Labors und Pipetten und Mikroskope für die Behandlung von Bienen gegen die Varroa-Milbe. 

Dialektik: der Film sortiert sich in zwei ineinander geschnittene Stränge. In Schwarz-Weiß geht es um „Diskurs“. Hier sprechen Experten über Bienenhaltung – dass diese keineswegs mit Viehhaltung zu vergleichen sei -, über Bienenzucht und über den Kampf gegen die Milbe. Sie vertreten konträre Meinungen und als Gegenbeispiel wird die Zeidlerei erwähnt; zu diesem Thema wäre auf den wundervollen Spielfilm Land des Honigs hinzuweisen; was die Hauptfigur in diesem oscarnominierten Film macht, ist eine Art von Zeidlerei. Die ist ein Beispiel für Nachhaltigkeit in der Bienenhaltung; den Bienen so viel Honig lassen, wie sie brauchen; sie auch in vorgegebenen Räumen, die Beispiele im Film zeigen hohe Baumstämme, ihre Waben selber bauen lassen. 

Besonders umstritten sind die Themen der Bienenzucht, an sich schon schwierig und bei der kommerziellen Imkerei der Schutz vor der Milbe. Die Anstrengungen dazu führen zu starken Labor- und Wabenbildern und was die Wissenschaftler damit machen bis hin zur Einpflanzung von Milben und minutiöser Kontrolle, ob das Bienenvolk sie bekämpft oder umgekehrt. 

Im Gegensatz zum Film More than Honey von Markus Imhof, der einen alarmierenden Befund über den Schwund der Bienen abgibt, widmet sich der Film der Remters der nüchternen Betrachtung mit illustrierenden „Kapiteln“ dazwischen, die in Farbe sind und vor Ort; da gibt es kühne Bilder, aber auch verblüffende Details oder einen verlangsamten Tanz wie in Trance eines Imkers in Rauchschwaden oder wenn über Mikroskope mit zwei Metallstiften Milben eingesetzt werden sollen oder wenn eine Königin behandelt und numeriert und ihr einTropfen eingeflößt wird. 

Der Film berichtet von verschiedenen Formen des Umgangs mit der Biene und am Ende dieser Dialektik gibt es eine neue These, eine Synthese, man könnte sie als diejenige des „betreuten Zeidelns“ bezeichnen; ein Schweizer hat nicht irgendwo in der Natur, sondern bei sich auf dem Hof die neue Synthese bereitet, den Bienen gefakte Verhältnisse wie in einem Felsspalt oder in einem Baum aus Plastik vorgegkauelt, wo sie ganz selbständig ihre Waben bauen. Der Initiator des Experiments wundert sich, dass obwohl er keine Antivirus-Behandlung gemacht habe, auch im zweiten Jahr noch keine Milbe zu sehen war. Er würde einzig, wenn nötig, etwas Zufütterung organisieren, wenn die Bienen nicht genügend selbst finden. 

Kontrovers: Demeter und Antobiotica-Behandlung; zählen Bienen zur Wildtier- oder zur Nutztierhaltung? 

Extrem, fast Horror: wenn die Bienen von Milben gereinigt werden sollen und in einer Art Mehl geschüttelt werden. Varroa, mit dem Angstpotential von Seuchen wie Rinderpest, Borkenkäfer oder Corona.

Yummy (DVD und VoD)

Das Virus. Das Virus. Die Körbchen. Die Körbchen.

Selber schuld, kann man nur zombihaft sich freuen, wenn jemand aus Belgien in Osteuropa seine Körbchengröße verändern will. Siehe die Review von stefe. 

Lebenslinien: „Die Isarnixe“ (BR, Montag, 26. Oktober 2020, 22.00 Uhr)

Die Probleme wegschwimmen,

meint die Protagonistin Marie-Louise Jordan, die seit Jahrzehnten regelmäßig schwimmen geht; dies sei nicht nur gegen die Kilos gut. 

Interessant und beachtenswert sind die Lebenslinien (und damit sind sie auch bekannt geworden), wenn sie nicht korrumpiert sind mit Promi- und Schleichwerbung, die letztlich nur dem Geschäft der Protagonisten dienen sollen; sondern wenn sie von Menschen berichten, die gerade nicht in den Schlagzeilen sind, die eben nicht prominent sind, die nicht hinter dem Medienauftritt hinterherhecheln. Und die doch faszinieren. 

Diese Lebenslinien von Marie Wiegern (Redaktion Christina von Hahn) sind zusätzlich zur Schwimmerinnengeschichte auch eine Urmünchner-Geschichte. Marie-Louise ist in München geboren, in Haidhausen und hat hier und in der Au den Großteil ihres Lebens verbracht; es folgte der Alterssitz in Neuperlach. 

Es ist ein Ohrwurm, Marie-Louises Münchnerisch zu hören, eine Rarität, in München geboren, in München sprechen und denken gelernt, in München das Leben verbracht, verliebt, geliebt, ein Sohn; aber auch Schicksalsschläge. 

Als Mädchen hat Marie-Louise den Krieg erlebt, in der Nachbarschaft in Haidhausen das erste Haus, was von einer Fliegerbombe getroffen wurde und wie das Leben aber weiterging. Verschickung aufs Land, doch das Heimweh zur Familie war größer. 

Protagonisten von solchen Sendungen sind immer bemerkenswert, wenn sie auch gelernt haben, zu denken, ihre Leben zu reflektieren; sie habe das ihrem Mann zu verdanken, ebenfalls Münchner, der aber noch vor dem Ruhestand verstarb. 

Der Kontakt zu dieser Persönlichkeit könnte über den Sohn entstanden sein, der beim Fernsehen Cutter ist. Denn solche Menschen bewerben sich garantiert nicht von sich aus bei so einem Fernsehformat. Eine gewisse Prominenz hatte Marie-Louise Jordann allerdings zeitweilig erlangt: mit ihrer Synchronschwimmergruppe, mit der sie sogar weit gereist ist und in der sie heute noch aktiv ist. Zum Abschluss des Filmes bei einer Vorführung in einem Münchner Bad erntet sie großen Applaus, den man ihr von Herzen gönnt.