Archiv der Kategorie: Review

Buchbesprechung: „Der Seelenhändler“ von Peter Orontes

Ich bin ein furchtbarer Journalist, wenn es um Buchkritik geht: Ich könnte keine Kritik schreiben, wenn ich das Buch nicht Deckel bis Deckel gelesen hätte, ich hätte ein furchtbar schlechtes Gewissen. Nun, Der Seelenhändler kommt auf stolze 591 Seiten, zuzüglich Anhang. Das Hardcover ist kein Buch für die U-Bahn, und schon rein sprachlich lässt sich der Roman sicher nicht nebenher lesen, im Gegensatz zu so vielen In-Büchern der jüngeren Vergangenheit. Das heißt, ich brauche für die Kritik inklusive Lesezeit geschätzte 40-60 Stunden, und das zahlt mir keine Publikation. Also bleibe ich bei der Filmkritik und schreibe nur sporadisch und freiwillig über Bücher, die ich interessant finde. Wie Der Seelenhändler eben.

Die Handlung spielt im Jahr 1385 in der Steiermark, rund um die Orte Admont und Markt Sankt Gallen mit ihrer Burg Gallenstein. Hauptfigur ist Wolf von der Klause, ein geheimnisvoller Eigenbrötler, dessen Vorgeschichte weitgehend im Dunkeln bleibt, der aber mit Äbten, Grafen und anderen hochgestellten Persönlichkeiten per Du ist. Wolf wird als Sonderermittler eingesetzt, denn ein unbescholtener Köhler wurde samt Frau und Kindern bestialisch ermordet, aber nicht ausgeraubt. Die Sache stinkt zum Himmel, und das nicht nur, weil die Leichen erst nach einigen Tagen entdeckt werden. Nur kurze Zeit später wird ein (eigentlich wohl gesicherter) Geldtransport überfallen, das Geld geraubt und die mitreisenden venezianischen Kaufleute gefangengenommen. Auch hier soll Wolf ermitteln, und lange ist nicht klar, ob die beiden Fälle zusammenhängen oder nicht.

Während Wolf von der Klause immer wieder tageweise durch Ermittlungen mal hierhin, mal dorthin verschlagen wird, wird immer deutlicher, dass es ein „Insiderjob“ gewesen sein muss, und dass die Gefahr noch lange nicht gebannt ist. Es dauert nicht lang, und aus der mittelalterlichen Gemütlichkeit wird ein knallhartes Rennen, bei dem es um Menschenleben geht. Ein Rennen in mittelalterlichen Zeiteinheiten, nicht heutigen, wohlgemerkt.

Peter Orontes zeigt in seinem Erstlingswerk ein erstaunliches Erzähltalent und beweist absolute Liebe zum Detail: Ein Großteil der Figuren hat zu dieser Zeit tatsächlich an den angegebenen Orten gelebt, nur wenig künstlerische Freiheit war nötig, um die Hauptfigur und die Handlung in den realen Rahmen einzuflechten. In brillianten Farben zeichnet Orontes ein realitätsnahes Bild des Mittelalters, das bisher oft, meist durch Fantasyliteratur, beinahe schändlich verklärt wurde. Zwar geht auch Orontes auf die weniger attraktiven Alltagsetails wie Zahnpflege, Intimhygiene, Krankheiten und Parasiten nur mit reduzierter Deutlichkeit ein, doch liegt der Fokus der Erzählung ja auf den Ermittlungen in einer Zeit, als Beweismittelsicherung, Fingerabdrücke, DNS und selbst Sherlock Holmes noch weit, weit entfernte Zukunftsmusik waren. Vom Fotoapparat, Handy und GPS mal ganz zu schweigen.

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Eagle Eye

In meiner Review zu Eagle Eye versuche ich zu vermeiden, dem Publikum zuviel über die Hintergründe, Motivationen und Implikationen des Films zu erzählen. Die klassische Filmkritik verrät natürlich nicht, wie es ausgeht, wer der Böse ist und warum das alles passiert. Manch Kollege hat sich schon unbeliebt gemacht, indem er oder sie freizügig über ebensolche Implikationen philosophierte und so jedem Leser seines Artikels die Möglichkeit der Überraschung im Kino raubte. Klassisches Beispiel: Der Twist von The Sixth Sense.

Ich habe mich entschlossen, einige Gedanken zu Eagle Eye hier niederzuschreiben und farblich auszublenden (zum Lesen also Text markieren, so ein Plugin gibt’s leider noch nicht), und außerdem erst zum Filmstart zu veröffentlichen – die Pressevorführung war heute, ausgerechnet am 11. September. Ab hier Spoiler!

Eagle Eye ist auf den ersten Blick ein Actionthriller, der die Überwachbarkeit und den Datenschutzmißbrauch der Gegenwart und nahen Zukunft anprangert. Wo Schäuble und Konsorten sowie das Heimatschutzministerium der USA feucht werden, rollt es dem mündigen Bürger nur noch die Zehennägel auf.

Das Tolle an Eagle Eye ist jedoch, dass der durchdrehende Computer (siehe HAL in 2001, oder Colossus, War Games und Matrix, um nur einige verwandte Filme ähnlichen Themas zu nennen) gar nicht wirklich durchdreht. Vielmehr stößt er auf einen Interessenkonflikt und entscheidet strikt logisch. Im Falle von Eagle Eye heißt das, dass die US-Regierung bei der Ermordung eines Terrorführers (war aber nur ein normaler Moslem*) Mist gebaut hat und daher „In the Name of the People“ ersetzt werden muss. Folglich wird ein menschliches Instrument (Figur Jerry) gebraucht, um dieses Ziel zu erreichen. Im Grunde arbeiten Jerry, das FBI und die Army Intelligence (oder wie die Organisation heißt, wo Rosario Dawson arbeitet) also auf derselben Seite, und auf dieser stehen sowohl die Regierung als auch der Überwachungscomputer Eagle Eye selbst.

Dass der Zweck nicht die Mittel heiligt, ist die Kernaussage des Films, und da Mord keine Option ist (weder für den Computer, noch per Implikation für die US-Regierung selbst), muss der Computer (der wahrscheinlich auf Windows Vista läuft, anders kann ich’s mir nicht erklären) natürlich aufgehalten werden. Ein erstaunlich vielschichtiges und erstaunlich systemkritischer Film also, was ich nie erwartet hätte. Dass ein amerikanischer Computer natürlich nach den Grundwerten der US-Verfassung arbeitet und nicht nach den Asimov’schen Robotergesetzen (Link), ist natürlich mal wieder typisch, siehe das angebliche Grundrecht der Amerikaner, Waffen zu tragen (Link).

Alles in allem also ein empfehlenserter Thriller, der zwar technisch total übertrieben und dramaturgisch oft hanebüchen ist, aber in der Kernaussage weit mehr Tiefgag aufweist, als man von ihm erwarten würde.

*Auf die Frage, ab wann überhaupt jemand in den Augen der Amerikaner ein Terrorist ist, und ob man so jemanden einfach ermorden darf, will ich hier gar nicht näher eingehen.

Ein paar Reviews

Da ich ja jetzt auch für MovieMaze.de schreibe, kann ich bequem zu meinen jüngsten Reviews verlinken:

schon abgegeben, aber noch nicht veröffentlicht, sind:

Und Die Geschichte vom Brandner Kaspar hab ich ja im anderen Post schonmal erwähnt. Und jetzt geh ich erstmal auf die Wies’n, ein nachmittäglicher Recon-Spaziergang mit maximal einer Maß, wenn wir überhaupt irgendwo einen Platz bekommen. Gestern nacht um fünf nach eins hat’s übrigens angefangen: Ein angeheiterter Freund meines Bruders rief mich an, ob noch ein paar Bier gehen irgendwo in der Stadt. Es stellte sich heraus, dass er einen zweiten Julian anwählen wollte und sich im Handy verklickt hat. Ich war zum Glück noch auf (gerade beim Zähneputzen), wäre aber sowieso nicht mehr aus dem Haus gegangen.

Krabat

Die Pressevorführung zu Krabat fand bereits in der vorletzten Juliwoche statt, doch verbat mir eine Sperrfristklausel, vor dem 1. September darüber zu schreiben. Hier also eine Review aus dem Juli, auto-veröffentlicht zum September. Vielleicht bin ich zu diesem Zeitpunkt ja schon Lotto-Millionär und auf den Seychellen, während dieser Artikel hier brav online geht. Coole Vorstellung… (Nachtrag vom 1. September: War mal wieder nix…)

Dass Krabat eine absolute Pflichtlektüre für ältere Kinder und Jugendliche ist, steht außer Frage. Ebenso sollte jeder das Buch unbedingt gelesen haben, bevor er oder sie sich dieser oder jeder anderen Verfilmung hingibt.

Die Handlung ist hinreichend bekannt: Krabat, ein bettelarmer Junge von 14 Jahren, wird als Knecht bei einer großen, düsteren Mühle angenommen. Bald stellt sich heraus, dass der Müller nebenher auch noch Schwarze Magie unterrichtet, die anderen elf Knechte sind bereits seine Schüler. Krabat ist zunächst fasziniert von den Möglichkeiten, erkennt aber bald auch die Schattenseite der schwarzen Magie. Er stellt sich gegen den Meister, was nicht nur ihm das Leben kosten kann.

Technisch halte ich Krabat für einen der besten deutschen Filme der letzten Jahre. Bereits in der ersten Einstellung schweben computeranimierte schwarze Raben über einer kargen, winterlichen Landschaft. Die Raben sind perfekt animiert und verhalten sich wirklich so, wie man es von ihnen erwarten würde. Lediglich wirkten sie ein wenig ins Bild hineingesetzt, was aber auch an der Kopie für die Pressevorführung gelegen haben mag (die vielleicht noch „Work in Progress“ war). Doch die Eröffnung ist schonmal perfekt. Krabat weiterlesen

Nun auch MovieMaze

Da ich noch „ein paar Kapazitäten frei hatte“, wie man so schön sagt, habe ich beschlossen, ab und zu auch für MovieMaze.de zu schreiben. Das soll nicht heißen, dass es hier nie wieder Reviews geben wird: Hier schreibe ich über Filme, die mir persönlich sehr am Herzen liegen (oder die mich tierisch aufgeregt haben), und wenn ich Lust habe, mach ich eben eine Review für MovieMaze. Wie genau ich die Aufteilung vornehmen werde, sehen wir im Lauf der Zeit. Hier mein Einstand, nämlich Die Geschichte vom Brandner Kaspar.

Viel Akte, wenig X

Heute war die Pressevorführung von Akte X – Jenseits der Wahrheit, dem zweiten Akte-X-Film. Der Film startet diesen Donnerstag, also in drei Tagen.

Pater Joe, im Bild ganz vorne, ist ein verurteilter Pädophiler und zugleich katholischer Geistlicher. Er lebt zurückgezogen in einer Art Wohneinrichtung für entlassene Straftäter. Nur, dass er Visionen hat, scheint seinem Leben einen Sinn zu geben.

Besagte Visionen erlauben es dem Mann, dem FBI zu einer Serie von Leichen(teil)funden in einer zugefrorenen Winterlandschaft zu verhelfen. Doch eine entführte Agentin, auf der das eigentliche Hauptaugenmerk des FBI liegt, bleibt verschollen, auch wenn sie laut Pater Joes Visionen immer noch am Leben ist.

Bei Scully wird angefragt, ob sie nicht Mulder anhauen könnte, wieder mit auf die übernatürliche Pirsch zu gehen – als unbewaffnete Zivilisten. Beide Ex-Agenten, noch immer ein Paar, zurückgezogen in einer langweiligen und wenig spektakulären Einsamkeit lebend, beginnen, an dem Fall mitzuarbeiten. Mulder glaubt („I want to believe“) an die Visionen von Pater Joe und das generell Übernatürliche (kein Wunder nach dem letzten Film), Scully sieht in dem Mann nur den Päderasten, der nun versucht, sich sein Gewissen halbwegs reinzuwaschen, indem er der Justiz hilft.

Es dauert nicht lang, und Mulder stößt tatsächlich auf einige merkwürdige Umtriebe. Natürlich klappt sein Alleingang nicht so, wie er sollte, und die Standard-Dramaturgie nimmt ihren Lauf.

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Lesetipp: Trick or Treatment

Schon lange bin ich ein Fan des indischstämmigen, britischen Wissenschaftsautors Simon Singh. Sein Fermats letzter Satz hätte mir, wäre es mir in der Schulzeit begegnet, die Motivation zu einer wissenschaftlichen Karriere gegeben, und ich wäre heute Physiker, Biologe, Chemiker oder Genetiker.

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You don’t mess with the Zohan

Wenn Adam Sandler einen Film dreht, dann erwartet der Filmjournalist seichteste Unterhaltung für die Masse und einen langweiligen Kinobesuch mit wenigen Lachern auf unterem Niveau. Ein Garant für Kasse ist der Mann ja schon immer gewesen, doch waren seine bisherigen Auftritte oft ein gutes Stück jenseits der Grenze des guten Geschmacks. Was ein Monty Python nur andeutet, braucht ein Adam Sandler nicht zu zeigen.

Nundenn, mit entsprechend gemischten Gefühlen fand ich mich bei der heutigen Pressevorführung von Leg Dich nicht mit Zohan an ein und erwartete seichte Unterhaltung, die meinen Geschmack mehr oder weniger knapp verfehlen würde. Knapp zwei Stunden später war ich begeistert.

Kurz zum Inhalt: Zohan, ein israelischer Anti-Terror-Agent (interessanterweise in der englischen Originalfassung korrekt, aber deutlich als „Counter-Terrorist“ bezeichnet) ist es leid, für sein Land immer die Kohlen aus dem Feuer zu holen, da die festgenommenen Bösewichte (nämlich das „Phantom“) meist nur wenige Wochen später gegen entführte Israelis wieder ausgetauscht werden. Er inszeniert seinen Tod, fliegt nach New York und verfolgt seinen heimlichen Traum, der beste Friseur der Stadt zu werden.

In einem entsprechenden Stadtviertel stellt er fest, das Juden neben Arabern (Palästinensern) friedlich leben und arbeiten, findet seinen ersten Job bei Dalia, ausgerechnet einer Palästinenserin. Bald darauf holt Zohan seine Vergangenheit wieder ein, das Phantom ist wieder da, und seine Agenten-Fähigkeiten werden gebraucht.

Was nach einer klassischen Dramaturgie im Schenkelklopfer-Milieu anmutet, entwickelt sich schnell zu einer spritzigen, überdrehten Burleske mit immer härteren Seitenhieben gegen den Nahost-Konflikt und jede Menge gewissenlose Idioten in gehobenen politischen und wirtschaftlichen Positionen. Die Kernaussage, dass nämlich eigentlich nur die großen Politiker und Machtmenschen miteinander im Clinch liegen, und dass das einfache Volk beider (aller) Seiten sehr wohl völlig friedlich mit den Nachbarn auskommen würde, schleicht sich im Lauf der 112 Minuten eher unbemerkt ein. Der Film startet als klassicher amerikanischer anti-arabischer anti-palästinensicher anti-muslimischer fremdenfeindlicher Agentenfilm mit typischer Schwarz-Weiß-Trennung zwischen Gut und Böse und endet exakt in der Realität. Zwischendrin werden dermaßen viele Klischees aufs Korn genommen, dass wirklich kein Auge trockenbleibt. Die Bluetooth-Mac-Handy-Szene mit Mariah Carey allein lohnt Nerds den Kinobesuch.

Äußerst geschickt verballhornt Zohan unter anderem den Zensurwahn der amerikanischen Kinoindustrie und umschifft die Klippen der Altersfreigabe mit kreativem Jiddisch aller Art (man denkt an Borat). Da wird zum Beispiel niemals Bullshit gesagt, sondern stets Bullshlabach, und die Message ist klar, der Film dennoch für Jüngere genießbar – für uns Erwachsene durch dieses Schnippchen sowieso umso mehr. Die Frage, ob Zohan vielleicht schwul sei, wird auf englisch-jiddisch gekonnt mit „Are you a Fagele?“ gestellt – zum Brüllen! Die Drehbuchautoren schafften es, wirklich jede noch so dreckige Fantasie, jedes Schimpfwort und alle „banned“ Ausdrücke auf jiddisch (natürlich meist erfundene Wortschöpfungen) einzuflechten und in den Fällen, in denen die Bedeutung nicht eindeutig klar ist, der verdrehten Fantasie jedes Zuschauers einfach freien Lauf zu lassen. Das schlimmste Wort im Film dürfte „Bush“ sein, bezugnehmend auf die prominente Schambehaarung der Hauptfigur.

Eine Auswahl an unerwarteten, aber fähigen Schauspielern füllen den Film, neben John Turturro und Rob Schneider im regulären Cast findet sich auch Cameos von (angeblich) Robin Williams ganz am Anfang, Chris Rock, Kevin James, John McEnroe, Mariah Carey, George Takei, diesem Boxkampf-Ansager und sicher vielen mehr. Die meisten sind leicht erkennbar und manchmal wohl auch gar keine echten Cameos, Robin Williams jedoch habe ich übersehen.

Durch die Story werden eine ganze Menge Themen humoristisch angerissen, zum Beispiel Frisuren der 80er (hilarious!), doch zu meiner großen Freude wurden sämtliche Gag-Handlungsfäden wieder aufgenommen und zu einem Abschluß geführt, anstatt sie, wie so oft, im Sande verlaufen zu lassen.

Natürlich stoßen mir auch Dinge auf, persönliche Unzufriedenheiten gibt es ja in jedem Film, aber hier habe ich praktisch keine gefunden, außer: In Palästina wird sicher nicht aus Holz und Pappe gebaut wie in Amerika, das fällt einem bei einer Schlägerei durch eine Wand auf, und dass es – Spoiler – doch immer wieder auf den Bau einer Mall hinausläuft, ist einfach kacke und typisch amerikanisch, und leider, leider, leider wohl der Realität am nähsten. Übrigens: Das offenbare israelische Kultgetränk Fizzy Bubbelech will ich unbedingt auch mal probieren. Die erfundene Marke ist ja schon durch den Film etabliert, da kann man das Zeug ja auch gleich herstellen.

Alles in Allem rutscht Zohan gekonnt an der Grenze des guten Geschmacks entlang, allerdings stets auf unserer Seite, nie auf der anderen, nichteinmal bei sexuellen Themen, bei denen übrigens auch die Beschneidung nicht unerwähnt bleibt. Die Pointen sitzen, zumindest in der englischen Originalfassung (deutsche Synchro auf eigenes Risiko!), und der klassische Hänger im dritten und bisweilen vierten Akt bleibt völlig aus. Der Film bedient nicht nur das Schenkelklopfer-Publikum, sondern auch den leicht gehobenen Geschmack und verfügt über einige tiefere Anspielungen, die eine gut konzipierte Vielschichtigkeit (im kleinen Rahmen, wollen wir mal nicht übertreiben) erkennen lassen.

Am liebsten möchte ich mich hinreißen lassen, den Film „ein Lehrstück für Komödien“ zu nennen, doch dann fällt mir Some like it Hot ein und dass Billy Wilder möglicherweise im Grab rotieren könnte. Also einige ich mich (das geht!) auf „ein Lehrstück für Mainstream-Komödien, die ihr Geld mehrfach wieder einspielen müssen und dennoch ambitioniert genug sind, dem Zuschauer maximales Vergnügen bei hierbei noch maximal möglichem Tiefgang zu bieten“. Also: Viel Spaß im Kino!

Wall•E

Wie könnte ich Wall•E sehen und nicht darüber schreiben? Ich mach es kurz und so spoilerfrei wie irgend möglich:

Aus den Trailern wissen wir, dass ein kleiner Roboter namens Wall-E nach einer nicht genannten (aber erahnbaren) globalen Katastrophe auf der in Müll erstickenden Erde „aufräumt“, und das seit Jahrhunderten. Einst waren es wohl Heerscharen seiner Art, nun scheint er der einzige zu sein. Zu Besuch aus dem All kommt ein weiterer Roboter, offenbar weit höherentwickelt und damit jünger, Eva. Eva und Wall-E lernen sich kennen und scheinbar auch lieben, bekommen aber Probleme mit den Menschen, die im All auf einem Raumschiff mit dem bezeichnenden Namen Axiom leben. Soweit das, was aus den Trailern herauszulesen ist.

Die Geschichte des Films ähnelt der in den Trailern vermittelten genau, im Film gibt es natürlich noch mehr Lagen, Handlungsstränge und Motivationen, und natürlich zeigen die Trailer nur Ausschnitte. Auch wurden für die Trailer Szenen gerendert, die so nicht oder nur in ähnlicher Form im Film auftauchen (z.B. das Händchenhalten auf der Bank). Dies würde ich nicht als Irreführung interpretieren, sondern als legitime Informationsvorenthaltung zum Zwecke des Wasser-im-Mund-Zusammenlaufen-lassens-ohne-unnötig-zuviel-zu-verraten.

Man sollte Wall•E genießen, wie man ale Kind E.T. genossen hat. Man sollte nicht hinterfragen, wie all die technischen Wunder funktionieren. (von denen ich 99% für absolut realisierbar halte, wenn auch nicht in diesem Jahrtausend). Man sollte nicht über die seltsame Kommunikation zwischen den Maschinen wundern und andere Kleinigkeiten. Man sollte unbedingt loslassen, sich wieder jung fühlen, am besten an die erste Kindergartenliebe zurückdenken und den ersten Kuss, auf den man so lange gebangt und gehofft hat, und der einen dann völlig aus den Latschen gehauen hat, egal, wie keusch er auch gewesen sein mag, und der damals noch „Kuß“ hieß. Man sollte keinen Alkohol konsumieren und keinen Schenkelklopferfilm mit lustigen Sidekicks erwarten. Man sollte seine Kinder mitnehmen, denn dieser Film eignet sich bestens zur Einstimmung junger Geister auf großes Kino, menschliche Gefühle, leichte Gesellschaftskritik und die Liebe. Man sollte sich das Weinen (vor Freude) nicht verkneifen, sofern man nah am Wasser gebaut ist, und in diesem Fall vielleicht Taschentücher mitnehmen. Und, um Himmels Willen, unbedingt die Logik abschalten, sonst kann Wall•E nicht funktionieren.

Die Handlung ist unwichtig, es geht um Mutter Erde und was wir Arschkrampen ihr angetan haben, um Machthunger und Gier, um galoppierenden Kapitalismus (falsch! falsch! falsch!) und um die armen Verlierer, die uns hinterherputzen.

Ich weiß, das klingt total kitschig, ist aber genau so. Wer sich emotional schon nicht auf diesen Blogeintrag einlassen kann, sollte den Film gänzlich meiden, weil er sonst dem restlichen Publikum zur Last fallen wird.

Bild © Disney