Ein Film von sympathischer Machart. Sympathisch auch, dass der Dialekt, der Film spielt in Nürnberg, eingesetzt wird. Und falls der Film über Süddeutschland hinaus eine Bedeutung gewinnen sollte, spielte es auch keine große Rolle, dass das mit dem Fränkischen so eine Sache ist, denn Elmar Wepper, der eine der beiden Protagonisten, fällt doch ständig ins Bayerische. Aber das würde dann vor allem in Süddeutschland denen auffallen, die die Dialektunterschiede kennen.
Leider ist der Film eher nicht dazu angetan, überhaupt eine Bedeutung im Kino zu erlangen. Das Problem liegt nicht an den Schauspielern, nicht an der Regiearbeit von Christian Zübert, es liegt nicht daran, dass der Film in Nürnberg spielt noch daran, dass es sich um eine deutsch-türkische Geschichte handelt. Das Problem liegt einmal mehr und hier besonders krass ersichtlich, an der Konstruktion der Geschichte. Es entsteht kein Spannungsgefälle, wenn ein Mann im Alter von Elmar Wepper, der Taxifahrer ist, eine hübsche Tochter (Marie Leuenberger) hat, die ein Schuh-Café eröffnen will, den noch dazu seine Frau vor nicht allzu langer Zeit verlassen hat, mit einem türkischen Mädchen, das kein Deutsch spricht, konfrontiert wird.
Die Konstruktion der Geschichte also, man verhaspelt sich förmlich, wenn man die nachzeichnen will, denn es ist eine richtig verworrene Fehlkonstruktion, also, die Geschichte ist theoretisch die, dass Elmar Wapper, der zum Zeitpunkt des Filmes ein grantiger alleiniger Mensch sein soll, auf ein 5-jähriges Türkenmädchen stößt und sich aus filmunerforschlichen Gründen um dieses kümmert und sie bringt den Grantler dazu, sein Leben wieder offener zu sehen. Bei ihm zeigt sich das darin, dass er am Schluss des Filmes eine Reise in die Türkei unternimmt. (Sein Japantripp im Film einer bekannten Drehbuch-Professorin lässt wohl inspirierend grüßen).
Kein Zweifel: das Sujet „alter Mann aus Franken und 5-jähriges zahnlückiges Mädchen aus der Türkei“ gibt Anlass für jede Menge anrührender Bildvariationen. Diese Bilder kommen auch sypmathisch rüber.
Aber wo liegt der Hund begraben.
Erstens kann die Dramaturgie, falls es eine solche überhaupt gegeben hat, sich nicht für einen Erzählstandpunkt entscheiden. Die Geschichte wird in der Türkei mit dem kleinen Mädchen eingeführt. Wie es einen Türgriff fest in der einen Hand hält. Denn es soll mit seiner Mutter nach Deutschland fliegen. Der Zuschauer erfährt dabei, dass das Mädchen einen Tick habe und wenn es etwas durchsetzen wolle, einen von niemandem zu lösenden Klammergriff entwickle. Das wird bei der Zollkontrolle manifest, der Zöllner kapiert, er muss ein guter Mensch sein, und lässt das Mädchen samt umklammerter Türfalle passieren. Dass es diese Türfalle in der Hand hält, erklärt die Mutter so, dass das Mädchen sich daran festgehalten habe, um nicht weg zu müssen. Die Falle abzuschrauben sei also die einzige Möglichkeit gewesen, die geplante Reise anzutreten.
Dieses Mädchen wäre somit eine Menschenfigur, um mehr als einen Spielfilm zu füllen. Man denke an Oskar Mazerath aus der Blechtrommel. Aber hier wird dieser Tick noch ein paar Mal als Gag weitergeführt und verschwindet dann unerledigt und auch dramaturgisch ungenutzt einfach aus dem Film. Das kann einen Zuschauer nicht befriedigen. Der Tick wird zu verschenkten Möglichkeit eines heftigen Grundkonfliktes.
Sowieso wird der Erzählstandpunkt bald schon und wie es scheint zufällig gewechselt, nämlich nach der Ankunft in Nürberg. Da besteigen Mutter und Tochter die Taxe von Elmar Wepper. Er bemüht sich eifrig, einen richtigen Grantler zu spielen, aber das kommt sehr aufgesetzt daher, weil auch die Szenen nicht entsprechend zwingend geschrieben sind. Man erfährt dann wie er lebt. In einem einfachen Häuschen in einer einfachen Straße, wo die Nachbarn sich kennen. Und dass er eine hübsche erwachsene und selbstbewusste Tochter hat, dass aber seine Frau ihn vor nicht allzu langer Zeit verlassen hat. Das spricht nicht für eine menschlich extrem isoliert und entsprechend verhärtete Situation, spricht nicht für den Grantler, den er spielen soll. Den aber bräuchte es, wenn ein kleines Mädchen sein Herz wieder erweichen sollte. Man denke an die Geschichte vom kleinen Lord, der den alten Lord, der selbst schon wie ein Gemäuer erschien, in geduldiger Weise wieder zum Menschlichen brachte und rührte.
Kommt hinzu, dass auch das gesellschaftliche Gefälle zwischen Wepper und der Türkenfamilie kein besonderes ist. Die Mutter des Mädchens arbeitet bei der Kreuzschifffahrt und ist öfter länger unterwegs. Taxifahrer und Kreuzschiffstewardess (vermutlich) sind doch sehr ähnliche Dienstleistungskategorien. Das Mädchen muss nun bei der Oma bleiben. Der Bezug zu Wepper ist erst mal abgebrochen. Also bis jetzt kein sich fortknüpfender Handlungsfaden. So wird wieder auf das Mädchen geschwenkt. Spannung bis jetzt: null. Das Mädchen ist mit der Oma allein. Die will ihr das Beten beibringen. Das Mädchen, jetzt mit Kopftuch, soll ihr einfach alles nachmachen. Plötzlich fällt Oma tot um. Das Mädchen macht auch das nach, eine an sich anrührende Szene.
Dann die Sanität. Die Oma im Spital. Vor dem Spital ist die Taxe von Wepper. Ein nicht näher nachvollziehbarer Zufall, den die Dramaturgie bemüht, weil sie ja Wepper und das Mädchen zusammenbringen will und die erste Begegnung das nicht geschafft hat, also ein zweiter dramaturgischer Ansatz, die Geschichte in die Gänge zu bringen, dabei hätte vielleicht der Tick des Mädchens damals bereits spannend für eine Verkettung der beiden Schicksale sorgen können. Aber dem stand das postulierte Grantlertum von Wepper entgegen.
So werden die beiden ausersehenen Protagonisten nach einiger Laufzeit des Filmes quasi mit dem Zufallsjoker ein zweites Mal zusammengeführt. Es ist auch nicht zu verstehen, warum Wepper, wie er entdeckt, dass das Mädchen allein ist, nicht sofort die Behörden informiert, das wäre doch die Konsequenz des Grantlers: nichts mit Menschen zu tun zu haben – dann hätte er allerdings auch seine sympathische Tochter längst aus seinem Häuschen rausgeekelt. Aber Wepper, dem auf geheimnisvolle Weise das Grantlertum über Nacht abhanden gekommen scheint, weil es nämlich gar nie da war, aber zum Verkaufe des Drehbuches wegen dem Rührungsfaktor behauptet werden musste, geht stattdessen zu einem Türkenimbiss und zieht Erkundigungen ein. Es ist alles nicht zwingend, hier werden jetzt verschiedene mögliche Szenen, von denen sicher auch der Regisseur und die Redakteure alle gerührt waren, weil sie “an sich“ rührend sind, durchgespielt. Ohne eine Handlung voranzutreiben, eine Spannung aufzubauen.
Vielleicht war Zübert inspiriert von dem Wepper-Dörrie-Film, der in Japan endete: dort war immerhin ein großes kulturelles Gefälle, was einen gewissen, populär leicht zu vermarktenden Reiz ausgemacht hat. Hier ist das Gefälle so gut wie keines. Ermüdet sich darin, dass Wepper, der bayerisch, resp. in kleinen Ansätzen fränkisch spricht, sich mit dem Mädchen unterhält, aber es spricht nur türkisch und nennt Wepper anfangs freudvoll „Nazi“. Es folgen Szenen mit Treffen Weppers mit seiner abgängigen Ehefrau, eine mutwillige Karambolage mit dem Auto des Neuen seiner Alten, Kontakt zum leiblichen Vater der kleinen Türkin, der aber von seinem Kind und dessen Mutter nichts wissen will. Es plätschert sich die Geschichte so mal hier mal dahin.
Zu abshebar sind die Szenen erfunden, um den intendierten Zusammenprall der Kulturen und das Sujet „kleines herziges Mädchen und alter erstarrter Mann“ wieder und wieder zu ventilieren. Leider ist Wepper nicht als dieser eingeführt worden. Es braucht also nicht viel, um ihn aufzuweichen, kein spannender Vorgang. Seine Ex-Frau arbeitet in der Parfümerie Seifenzahn.
Zübert nutzt die Freiheit und Größe des Kinos nicht für seine an sich anrührende Idee. Aber er folgt ihr nicht konsequent. Er schildert nur in immer wieder neuen Versuchen seine Anrührung von seiner anrührenden Idee. Bei seinem Film „Lammbock“ war noch eine Frische, eine Keckheit, eine Sorglosigkeit, eine leichte Frechheit. Jetzt scheint er gebravt, will keinem seiner Förderer weh tun. Die wiederum waren sicher alle schier aus dem Häuschen, „der Wepper und ein kleines türkisches Mädchen“, das muss mindestens so funktionieren wie der Wepper und Japan. Und, mei wie nett, wenn der Wepper das kleine Türkenmädchen in bayerischen Fluchen unterrichtet – Sowas muss mit staatlichem Geld gefördert werden!