Fatih Akin gibt uns eindrücklich zu verstehen, dass sein Thema das Ausländerthema und seine Sehnsucht die nach einer Kneipe ist – eine spannende Geschichte ergibt das allerdings noch nicht.
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Lila, Lila
Das Halblustige ist zum Feedbacken das Unlustigste. Auf Papier auf dem Redaktionstisch mögen sich manche der Witzchen noch amüsant lesen, im Kino sind sie es nicht.
Ein weiterer deutscher Film, bei dem es einem weder weh noch leid tut, wenn ein Protagonist, obwohl man ihn länger hat agieren sehen, zu Tode kommt, hier mittels Fenstersturz. Es handelt sich um Henry Hübchen, der einen kleinen Erpresser spielt, weil er dahinter gekommen ist, dass Daniel Brühl mit einem gestohlenen Roman (von einem Kumpel von Hübchen, darum wusste der Bescheid) Furore und Karriere gemacht hat.
Alain Gsponer macht, was er immer macht: Er will die Oberflächlichkeit der deutschen Kulturwelt parodieren und kritisieren, aber er tut es mit denselben Mitteln der Oberflächlichkeit, vielleicht ja nur ein Denkfehler, vielleicht auch Unfähigkeit, dadurch fällt nicht mehr ab als ein paar Witzchen, dafür Kinogeld zu bezahlen dürfte das Publikum nicht einfältig genug sein.
Der Plot wäre wunderbar, die Geschichte könnte sehr anrührend sein und gleichzeitg viel schärfer die Oberflächlichkeit des Kultur-, hier präziser des Literaturbetriebes, unter die Lupe nehmen.
Daniel Brühl ist Kellner in einem In-Café im Stil der 50er Jahre, findet durch Zufall das Roman-Manuskript, seine Freundin bringt es im guten Glauben, er sei der Autor, an einen Verleger, und der falsche Autor startet durch. Zwar stottert er beim Lesen, kann Rendezvous nicht richtig aussprechen, aber all das ist so übertrieben inszeniert, dass nicht ein Moment, ausser am kitschigen Schluss vielleicht, Empathie für ihn aufkommt.
Er wird durch den Literaturbetrieb geschleust und eines Tages hat er den kleinen Erpresser am Hals, der über die Hintergründe dieser Geschichte Bescheid weiss. Könnte spannend, umwerfend und komisch sein, wenn man die Figuren ernst nehmen würde. Oder wenn man mit wirklich scharfem, schwarzem Humor die Sache brilliant durchschauen und auf die Spitze treiben würde.
Beides ist aber Gsponers Sache nicht.
Wie er den Erfolg inszeniert, zum Beispiel Lesung an der Volksbühne oder Fan-Gekreisch nach der Lesung oder den Rummel an der Frankfurter Buchmesse, das lässt immer vermuten, er leide darunter, dass er das nicht schaffe, er leide darunter ,dass er diesen Erfolg zu erlangen nicht im Stande ist.
Fürs Kino bei weitem nicht gut genug. Da hätte der Konflikt zwischen Hübchen und Brühl viel präziser und fundierter herausgearbeitet werden müssen, vor allem hätte man gerne was über das Need der Figuren erfahren, also schon vom Drehbuch her. Darüber schweigt es sich aus, die Figuren bleiben eindimensional, zwar auf nettem handwerklichem Niveau, also langweilig und klischeehaft.
Der Flop an der Kinokasse dürfte programmiert sein. Ein richtiges Ärgernis, wenn man sieht, wer diese Produktion bescheidenen Geistes wieder alles gefördert hat: DFF-Deutscher Filmförderfonds, Medienboard Berlin-Brandenburg, Mitteldeutsche Medienförderung, FFA-Filmförderungsanstalt.
Séraphine
Ein schöner Film für die dunklen Tage. Von der Magd zur gefeierten Künstlerin. Allein wie Yolande Moreau als Séraphine, verdiente César-Gewinnerin, einem atemberaubenden Staatsakt gleich einen dickstämmigen Baum erklimmt und selig (ihr Künstlertum) schaut und träumt, ist den Eintritt schon wert. Den César fürs Drehbuch würden wir dem Film allerdings absprechen, denn es bleibt zu ausmalend auf Séraphine, vernachlässigt auf Kosten der Langzeitwirkung des Filmes den Kunsthändler Tukur, der eher als ein müder Buchhalter denn als eine getriebene und treibende Kunstspürnase daherkommt.
12 Meter ohne Kopf
Fördersystemgenehme Schauspieler in Piratenkostümen diskutieren in Seeräuberkulisse immer alles aus. Dazwischen schlägern sie.
Unter Strom
Nach all dem Stadttheater-Screwball wird’s am Ende doch noch saukomisch, wenns denn erlaubt ist, den explosiven Countdown als erzürnte Rachefantasie der liebesenttäuschten Kommissarin Melles zu sehen.
Tulpan
Matrose kehrt in die dahinsiechende Nomadenwirtschaft in kasachischer Staubsteppe zurück und sucht Frau. Sie ist mäkelig. Er hat keine Haifische gesehen. Yogurtproduktion. Esel bespringt Eselin. Eselsherde donnert vorbei. Totgeburt eines Schafes trotz menschlicher Mund-zu-Mund-Beatmung. Transport eines bandagierten, jungen Kamels auf Motorradbeiwagen, Mutter trottet über 100 Kilometer hinterher. Windhose. Elende Wüstenei. Tote Hose in der Wüste?
Wenn Ärzte töten
Das Kino als Ort höchster Konzentration auf abgründigste Abgründe menschlichen Handelns, wenn der Heiler zum Töter wird.
Für so ein heikles Thema wählt man am Besten einen angenehmen Ort aus. Man besucht den namhaften amerikanischen Psychiater und Autor Robert Jay Lifton in seinem Haus auf der Nobelhalbinsel Cape Cod vor der US-Ostküste.
Ausserdem verzichte man vollständig auf jegliches Anschauungsmaterial, denn das würde von den Handlungen nur ablenken. Ausser beim Vorspann, bei dem sich die Musik von Jan Tilman Schade bereits als auffangender Begleiter diskret und non-aggressiv anbietet, hier werden anfangs einige Familienfotos gezeigt, von jungen Menschen, von Studenten und Studentinnen, von Paaren, glücklichen, hoffnungsvollen, sorglosen Paaren … es bleibt völlig offen, ob aus ihnen später Täter oder Opfer geworden sind.
Dann zum Professor in sein Arbeitszimmer auf Cape Cod, der Tisch soll nach Arbeitstisch aussehen. Zwischendrin kann auf den Atlantik geschwenkt werden, auf Bäume, oder auf eine Metallfigur, wie sie von Max Ernst sein könnte (genau so wohlig sollen sich übrigens die Ärzte eingerichtet haben in ihren Nachkriegskarrieren).
Und, keine Bange, am Ende des Interviews wird Lifton uns verraten, mittels einer Zeichnung, wie er sie zur Entspannung zu machen pflegt, leicht ironisch, leicht humorvoll, das gehört zum Menschen, dass er nach 30 Jahren Beschäftigung mit diesen seelischen Abgründen sich leicht besser fühlt.
Die Lage ist zwar nicht hoffnungslos aber auch nicht sehr hoffnungsvoll. Zuerst einige Erklärungen zur Methode. Lifton hat Dutzende von 3.-Reichs-Ärzten, die in Menschenversuche und KZ-Tötungen involviert waren, besucht, gleichzeitig aber auch Dutzende von Opfern, ohne welch letztere er kaum Zugang zu den Tätern gefunden hätte.
Sie fühlen sich heute allesamt nicht als Täter. Wenn in den Interviews der Punkt kam, wo sie zur Gasspritze griffen, dann stockte das Interview. Keiner hatte gesagt „und dann tötete ich den Menschen“.
Einer versuchte, es sich schön zu reden, bei kleinen Kindern sei man ja stufenweise vorgegangen, man hätte ihnen Schlafmittel gegeben und die Dosis immer mehr erhöht. Das sei also mehr wie in einen Schlaf fallen gewesen.
Wobei es sowieso was anderes ist, einem Kleinkind oder einem Erwachsenen Aug in Auge gegenüberzustehen (die KZ-Maschinerie hat durch ihr Verfahren wieder genügend Distanz zwischen verantwortlichem Arzt, den Underlingen, den Untergebenen und den Opfern geschaffen – hier kommen einem die Drohnen der Amerikaner unter Obama in den Sinn).
Auch der Umschwung vom Heiler zum Töter, der passierte eher graduell. Oder Lifton ist an solche, die das dann ganz bewusst getan haben, nicht rangekommen, nicht an dieses Bewusstsein jedenfalls.
Es fing an mit den Sterilisationen. Da waren die Amerikaner und die Engländer viel weiter als die Nazis. Erst ging es also darum, diesen Rückstand aufzuholen. Der nächste Schritt war dann der Ausbau der Euthansie. Und erst dann, das wird im Interview aber sehr kurz geschlossen, kam der Schritt zu den Gaskammern.
Es fing an mit einem Versuch der Perfektionierung der biologischen Auslese. Gegen die Perfektionierung setzt Lifton, dass der Mensch Mensch sei und also nicht nur beruflich arbeiten könne, wo auch immer, dass er am Wochenende zuhause sein möchte, dass er ein Liebesleben haben möchte, dass er Humor braucht.
Ein weiteres wichtiges Thema ist der Eid des Hippokrates und vielfältig mögliche Solidaritäten von Ärzten. Die sich eben nicht nur auf die Gesundheit des Menschen, auf die Rettung von Leben beschränken, sondern immer auch politische Loyalitäten sind, der Universität gegenüber, dem Professor gegenüber oder eben wie in Deutschland exzessiv geschehen, die Loyalität der SS und den Nazis gegenüber.
Wie Lifton Mitscherlich zitiert, dass in den Forschungen nur die Spitze des Eisberges betrachtet werde, so empfindet man diese im Interview und möchte noch viel mehr über die Abgründe im Menschen, der nicht als Monster geboren ist und es offenbar auch nicht per freier Willensentscheidung wird, erfahren.
Die Tür
Anno Saul möchte uns bestimmt was Interessantes erzählen. Das spürt man auf jeden Fall. Das erzählt seine Liebe zu lichtvollen Bildern.
Aber was will er uns genau erzählen, hm, Ratlosigkeit.
Eine Time-Channel-Geschichte dürfte es sein. Mitten im Leben 5 Jahre zurück gehen, den Unfall mit dem Töchterchen wieder erleben, des Töchterchens, das mit weissem Käscher und Sonnenhut auf der Jagd nach einem Blauen Falter in den Swimming-Pool der schwabulös definierten herrschaftlichen Villa fällt und ertrinkt, weil ihr Schnürsenkel sich im Gitter um den Abfluss verfängt.
Vater ist derweil kurz die Nachbarin ficken. Die Nachbarin, das ist Frau Makatsch, als Gast in den Credits aufgeführt – die Bezeichnung Gast soll wohl darauf hinweisen, dass sie eine andere Schauspielerklasse sei als das übrige, glatte B-Ensemble.
Die Exposition ist deutlich. In den Dialogen erklären die Akteure, ein Mads Mikkelsen als „Ivan der Bedröppelte und der Blaue Falter Gewissen“, schlechtes Gewissen, das spielt er von Anfang an, noch bevor er Grund dazu hat, also die Akteure erklären was sie tun, so dass der erste Zuschauer schon nach wenigen Minuten wieder rausgegangen ist, weil so werden Figuren einfach nur stinklangweilig eingeführt.
Den Figuren fehlt jede Dreidimensionalität. Sie treten immer nur auf, um das Thema Gewissen zu illustrieren. Handlung und Zeitsprünge werden mit den fortlaufenden Filmminuten zusehends konfuser, aber immer versuchen die Figuren in den Dialogen ihre Handlungen zu erklären.
Nach etwa 45 Minuten gibt es wirklich kurz eine spannende Szene, da erfährt man endlich, dass der Hauptdarsteller, Ivan der Bedröppelte, ein höchst erfolgreicher Maler ist und dass sein Freund, von dem man bisher auch nichts erfahren hat und auch weiter kaum was erfahren wird, will man auch gar nicht, gerade eine Videoinstallation für eine Bank am Vorbereiten ist. Das hätte man den Beiden nicht gegeben, das können wir als überraschende, die Story aber auch nicht im Geringsten bereichernde Information zur Kenntnis nehmen.
Also im Atelier, da ist es einen Moment lang spannend, wenn der Maler ein Gespräch mit seiner Frau führt, wie es denn weiter gehen soll mit den beiden und im Hintergrund ein Gemälde zu sehen ist, auf welchem Mutter und Tochter gemalt sind, beide mit Fleischerhaken durch die Wangen. Das macht neugierig, das Gemälde im Hintergrund erzeugt Spannung zum Kontext.
Aber wie erwartet, nur ja keine irdische Spannung aufkommen lassen in einem überirdischen Werk, das wäre doch viel zu gewöhnlich, viel zu albern, nein, gleich wird im Garten eine Leiche verbuddelt, eine zusammenhangslose Leiche.
Notizen während des Screenings: wäre erträglich als Videoinstallation in einer großen Kunsthalle mit 103 Monitoren auf denen je ein youtubegerechter 1-minütiger Schnipsel aus diesem Film in Endlosschleife läuft, dann wäre in 8 bis zehn Minuten das Werk geniessbar und vollkommen zureichend zu konsumieren unter dem erwähnten Titel „Ivan der Bedröppelte und der Blaue Falter Gewissen“, ächzend vor Symbolik.
Das Buch ist ein Durcheinander und viel zu erklärlastig, es gibt keine Konflikte, die die Dramatik vorwärts treiben könnten und der Cast tut das Seine zur Unverständlichkeit der Handlung, dem Etikett B-Cast Rechnung tragend. Vielleicht hätte ein Cast mit Kanten und Ecken und gegen den Strich gebürstet noch was rausholen können.
Eine Tür aus undurchdringlichem Material, die sich gleich hinter einem schließt oder, nö, eigentlich schon vor einem. Aussichtslose Aussichten gewissermassen. Insofern vielleicht phänotypisch für unsere Zeit.
Helen
Der Film zum hochaktuellen Thema Depression. Eine ausgezeichnete, sensible Studie von Sandra Nettelbeck. In Kanada gedreht, weil sie sich dort geschützter fühlte? Ein Muss für alle, die sich geschockt gaben ob des Todes des Torhüters Enke.
66/67 – Fairplay war gestern
Prototypisch zu nennendes deutsches Filmausbildungsprodukt. Verdient Bestnoten am laufenden Band für die einzelnen Departments. Trotzdem erscheint das Ganze wie leeres Blendwerk, lediglich wie die Kulisse in einem Film ohne interessierende Geschichte, ohne interessierende Figuren davor. Eager-Beaver-Produkt als Kassengift fürs Kino.