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Jerry Cotton

Eine Thriller-Inszenierung, die dem Gag und dem Möchte-Gern-Lustig die Priorität vor dem Thrill einräumt und die den Gag gar nicht erst zur allfälligen Erhöhung des Thrills qua Suspense sondern lediglich als Selbstzweck einsetzt.

Zeit also, sich ein paar grundsätzliche Gedanken zur Besetzung zu machen. Denn damit fing alles an. Bei einem Fotoshooting für einen anderen Film, so berichtet der Produzent Christian Becker, habe Christian Tramitz, der hier Jerry Cotton spielt, einen Anzug tragen müssen und dieses Bild, Tramitz im Anzug, habe ihn, Becker, auf die Idee der Jerry Cotton-Verfilmung gebracht.

Und tatsächlich. Auf Fotos und Standbildern und wenn Tramitz im Film einen Moment lang ruhig hält, strahlt er unbestreitbar internationales Thriller-Flair aus. Kaum aber bewegt er sich im Film oder spricht er, so ist das ganze Bild dahin. Das war vielleicht etwas leichtsinnig oder am falschen Ort gespart, da nicht erst ein paar Probeaufnahmen zu machen und vielleicht doch noch sich nach anderen Schauspielern umzusehen.

Und Tramitz hat noch einen Partner: Christian Ulmen, der in Gottes seligem deutschen Kinogarten eine wunderbare Quasseltante sein kann, doch hier funktioniert das nicht, denn das Zusammenspiel zwischen den beiden Kollegen harzt irgendwie – woran das auch immer liegen mag. Da hätten ein paar Probeaufnahmen in verschiedenen Darsteller-Kombinationen möglicherweise einiges verhüten können.

Kommt der übrige Cast, der von den Namen her mit zum Feinsten gehört, was Deutschland aufzubieten hat – oder zumindest vom Teuersten. Vergleichen wir mit einem Gourmet-Restaurant: Sternedarsteller. Was die aber grossteils hier bieten, die Bemühung, aus der Berufsroutine auszubrechen, lustig zu sein, ein anderer zu sein, das gelingt den meisten eher weniger als mehr und wenn, dann einer ein schauderhaftes Schwäbisch rabaukt, was so gar nicht köstlich, so gar nicht liebenswürdig ist – Schwäbisch ohne die Essenz des Schwäbischen herausgearbeitet zu haben, dieses Niedlich-Freundliche, was mit der gewissen Prise selbstverständlicher Schlauheit gewürzt ist – , so würde man, um den Vergleich mit dem Sternerestaurant weiterzuführen, von einem ziemlich versalzenen Essen sprechen müssen, was der Gast normalerweise entrüstet zurückgehen lässt.

Es wird nicht ganz klar, ob die Darsteller bei Vertragsunterzeichnung darüber informiert waren, dass in dieser Inszenierung der Primat des Thrills radikal hinter den Primat des Gags und des Special-Effects zurückzutreten habe.

Möglich, dass ein comedygewohntes Publikum sich darin vergnügen kann.

Aber vielleicht wäre es ein belebender Impuls für den Film gewesen, sich vorher im Lande umzusehen, was es noch für Darsteller gibt und für die es eine einmalige Chance gewesen wär, vielleich wäre dann wirklich Komik zustande gekommen. Wenn man dem Cotton schon den Thrill austreiben will. Das ist hier zweifellos gelungen. Aber das Statt-des-Thrills – eher nicht.

Immerhin kam ein erstklassiges Demoband zustande, wie trefflich sich in Deutschland New York drehen lässt, wenn einer denn die Bürgersteigkanten nicht allzu genau mustert.

Agora – Die Säulen des Himmels

Ein Tsunami an Bildern, den Alejandro Amenabar von der Leinwand in den Kinosaal schüttet und dabei leichthändig eine Geschichte erzählt von Eros und wissenschaftlicher Lehre aus dem innersten Weisheitskern von Alexandria, aus der berühmten Bibliothek mit der „bekennenden“ Atheistin Hypatia als geistiger Wirkkraft, aber die Glaubenskämpfe, die Religionen in ihrem Wahn und Absolutismus zerstören das, bis Schafe, Esel und Ochsen die berühmte Bibliothek bevölkern.

Henri 4

Der rote Erzählfaden, an dem sich der Zuschauer orientieren könnte, bricht ständig ab. Irgendwann im Film heißt es mit eingeblendeter Schrift „2 Monate später“ und einmal „6 Monate später“; ein Meister, wer dann noch sagen kann, wann das genau ist und wo.

Es fängt schon mit der Merkwürdigkeit an, dass der erwachsene Henri 4 (der dann am Ende auch noch ermordet wird!) voice-over über sich als jungen Knaben, der gerade im Bild am Spielen ist, spricht, er wollte ein stinknormaler Junge sein und für ein Geldstück auch sich auf den Boden legen dürfen, und dann einem Mädchen, das breitbeinig über ihn schreitet, unter den Rock schauen, und meint dazu, er habe eine glückliche Kindheit gehabt. Aber er war halt der Prinz von Navarra.

Was das mit dem Thema, wegen dem Jo Baier den Film angeblich machen „musste“, nämlich “Humanismus in einer inhumanen Zeit“, zu tun hat, bleibt unergründlich.

Während der ersten Minuten denkt man noch, ja, das könnte wenigstens für den Grimmepreis reichen, VHS-Kino, deutsches Subventionskino, was viel erklärt und illustriert. Aber selbst davon wird man nach einiger Zeit abrücken.

Wer hier unsere versammelten sogenannten Subventionsstars die Texte bellen hört (die Rede ist hier vom deutschen Cast-Anteil), wenn dieser Standard-Katalog-Cast ohne jede Überraschung in ständigen Close-Ups Szenen spielen muss, denen ganz offenbar der thematische Unterbau fehlt, so fragt man sich, was das mit dem Thema “Humanismus in einer inhumanen Zeit“ zu tun hat.

Wenn Henri 4 in Paris einreitet, dann werden noch schnell in einer leeren Gasse zwei Schweine vor den Herannahenden gerettet: Humanismus in einer inhumanen Zeit. Wenn Marie de Medici, die er später heiraten soll, während ihrer Reise in der Sänfte über die verschneiten Alpen in ein Schneefeld zum Pinkeln sich begibt: Humanismus in einer inhumanen Zeit. Wenn Henri 4 seine erste Frau von hinten nimmt: Humanismus in einer inhumanen Zeit.

Wenn überhaupt jede Schlacht auf dem gleichen Schlachtfeld geschlagen wird, wenn Bewegungen draussen alle durch das gleiche Kornfeld oder an den gleichen schroffen Felsen vorbei führen, wenn jedes Heereslager in der gleichen Kieshalde aufgebaut ist, wenn nur schwer ein Zusammenhang zwischen den Szenen herzustellen ist und man nie weiss, wo im Film man sich befindet, dann sieht man sowohl den Humnismus in einer inhumanen Zeit als auch die 19 Millionen Euro, die das Werk gekostet haben soll, sich in Luft auflösen.

Fernsehkino. Oder nicht einmal das. Es gibt praktisch nur Nahaufnahmen und keine Szenen für emotionale Überhänger (den Trick beherrscht immerhin Frau Dörrie), ist auch gar nicht nötig, denn es gibt keine Konflikte in den Szenen. Aber Bemerkungen, wie die seiner Braut anlässlich der Hochzeit, die aus Konfessionsgründen vor dem Kirchenportal stattfinden muss, es sei „so heiß“. Humanismus in einer inhumanen Zeit.

Dann kommen immer wieder Musikszenen, Filmmusik von Zimmer zum Überdruss, die aus jedwedem beliebigen anderen Streifen stammen könnten, genau so wie viele Hof- und Fickszenen.

Der Protagonist vermag wenig zu überzeugen. Das Buch gibt ihm kein Futter. Oft ist er grob zu Frauen und Bediensteten. Humanismus in inhumaner Zeit.

Die Kamera ist steif und unbeweglich, vielleicht erstarrt vor dem Budget. Ebenso die meisten Szenen; die Schauspieler bedienen die Kostüme und den unnatürlichen (aber nicht etwa auf das Thema hin frisierten) Dialog, zum Beispiel bei der ersten Begegnung mit der Medici-Braut in Paris. Ergibt alles weder Augenschmaus noch Hörvergnügen noch Erotik.

Die Katastrophe fängt mit dem Drehbuchgebastel an, nimmt ihren weiteren Verlauf damit, dass keiner von den Produzenten und Geldgebern das anscheinend bemerkt hat, setzt sich fort über einen Cast, der vermutlich wider bessere Erkenntnis zugesagt hat und dürfte in ein Desaster an der Kinokasse münden.

Verständnis für die Schmähungen in Berlin.

Hier kommt Lola

Zielgruppenfreundliche Verfilmung eines Kinderbuches für Mädchen, von der Geschichte her eher schnell, schnell nach dem Thema „Suche nach einer Freundin“ lose zu Faden geschlagen und insofern eher mäßig kinospannungsfreundlich und von voraussichtlich beschränkter Haltbarkeit, zudem mit einem nicht überbordend inspirierenden Erwachsenen-Cast bestückt.

Crazy Heart

Dann doch eine eher rührselige, sentimentale und amerikanische Geschichte. Vom alkoholsüchtigen Countrysänger über die Liebe zu einer jungen Lokaljournalistin zum Entzug und schliesslich einer erfolgreichen Spätkarriere als Songwriter. Alles viel zu schön, um wahr zu sein. Aber schön, amerikanisch schön, denn das Handwerk haben sie drauf und das Träumen noch nicht aufgegeben.

Unsere Ozeane

Bildüberfischung der Weltmeere. Cluzaud und Perrin wollen alles zeigen, von der Urechse bis zum Raketenstart, von der Ansicht aus dem Weltall bis zur Mikroaufnahme eines Regentropfens, sie möchten die Harmonie des wundersam prächtigen Fressens und Gefressenwerdens einfangen und erhalten. Und weil sie selbst ihrer Bilderflut aus über 50 sensationellen Drehorten welt- und allweit nicht mehr Herr werden, tritt Perrin höchstselbst mit Sohn (oder ist es der Enkel?) in einem Museum für ausgestorbene Arten auf und lässt moralische Appelle vom Stapel. Reizvoller wäre da Nicolas Cage im parallel anlaufenden Bad-Lieutenant-Remake von Werner Herzog den schönen Satz: „the fish have dreams“ sagen zu hören.

The Book of Eli

Amerikanischer Filmstar stilisiert sich zum Heilsbringer, der der Menschheit das Wort durch Wüste und Chaos rettet. Starker Tobak. Wer diesen Irrationalismus unterstützen und ihn glauben will, darf seinen Obulus an der Kinokasse entrichten.

Die Friseuse

Die Friseuse will Menschen in prekären Lebenssituationen Hoffnung machen, denn ein neuer Haarschnitt macht einen neuen Menschen und „Freundlichkeit und gute Laune, das ist das halbe Leben“.

Aber Menschen in prekären Lebenssituationen werden sich den Kinobesuch kaum leisten können und vermutlich auch gar nicht wollen. Sie werden bestimmt nicht sehen wollen, wie schön, wie upgedatet zillehaft schön oder eher wie fast kitschig schön und lustig ihr elendligliches HartzIV-Leben doch im Kino hingemalt werden kann. Die Friseuse selbst geht schliesslich auch nicht ins Kino. Die geht einmal in die Disco.

Ein Film, der Die Friseuse heisst, muss selbstverständlich, um seinem Titel gerecht zu werden, Friseursalon-Gespräche bringen über Bandscheibenschäden oder Multiple Sklerose oder auch Philosophisches, nicht Trübsal blasen zu wollen, sondern vielleicht Glück zu haben, wie jener Vogel aus der Asche. Griechische Mythologie und Friseursalon.

Dann der Grimmsche Märchenschatz: hier findet sich Hans im Glück. So gings der Friseuse, sie hat praktisch alles verloren und fühlt sich erst mal frei wie besagter Hans. Bei HartzIVlern besser nicht nachfragen, ob sie sich auch so frei und glücklich fühlen. Das Bundesverfassungsgericht spricht da eine andere Sprache bezüglich Würde des Menschen.

Da die Friseuse dick ist, muss das Dicksein gepriesen werden. Der Mann, den sie einmal kennen gelernt hat, der war nicht dick, er war ein Mann mit Format. Die Friseuse selbst ist mit den üppigsten barocken Formen ausgestattet. Da hätte selbst ein Rubens gejubelt, wenn ihm, wie hier im Film, der intime Blick in ihr Schlafzimmer, wie sie nackt aufsteht, uns den Po zuwendet oder in ihr Bad, wie sie Intimpflege betreibt, vergönnt gewesen wäre. Warum sie sich in der Öffentlichkeit dagegen so unvorteilhaft präsentieren muss in ihren knallblauen oder knallgrünen Röcken, mit den künstlichen Verdickungen, das wird das erzählerische Geheimnis von Frau Dörrie bleiben.

Die Friseuse, sie heisst im Film Kathi König und wird gespielt von Gabriela Maria Schmeide, muss also, da sie praktisch alles verloren hat, zur Agentur für Arbeit. Dass da ein grosser Andrang herrscht, man ist ja sozialkritisch, zeigt Frau Dörrie dadurch, dass sie der Kathi ein Klappstühlchen gibt, was ja auch signalisiert, dass sie schwer und müde ist, und so sieht man denn im verengten Bildausschnitt dieses vorrückende Stühlchen umgeben von vielen, vielen, ebenfalls immer wieder vorrückenden Hosenbeinen und beschuhten Füssen. Nur in der Oper könnte das Bild wirkungsvoller sein.

Da sie Friseuse ist, wird sie auch der Beraterin von der Arbeits-Agentur einen Tipp für ihr Haar geben, denn graue Haare verstärken den Charakter, aber leider nur bei Männern. Das ist so ein kleiner Tabubruch, über den sich sicher viele behördenarroganzgeplagte Zuschauer freuen dürften. Doch eine lüpfige Tubamusik führt schnell in die nächste Szene.

Wir möchten zurück in die wohlige Häuslichkeit der hell und freundlich und blumig und farbig ausgestalteten Plattenbauwohnung und veranstalten dort vor der Tochter eine kleine Modenschau, „ist das nicht Zucker, das ist der letzte Schrei, oh, der vorletzte“. Komödie. Dann dicken Aufstrich aufs Brot.

Die Friseuse muss sich nun für eine Stelle bewerben. Sie kommt mit fröhlicher Halskette aus Früchten und Blättern und einer Banane als Ohrhänger. Wenn das nicht wirkt. Leider sucht Frau Krieger eine ästhetische Friseuse. Den Satz soll das Leben geschrieben haben. Da er aber im Film etwas abstrakt daher kommt (Regieproblem), wird die Friseuse, begleitet von einem Akkordeon mit melancholischer Drüberhänger-Musik, auf einen langsamen Gang weg vom Eastside-Center in Marzahn geschickt, damit er dann hoffentlich doch noch nachwirkt.

Zuhause beruhigt die Tochter die Mutter, sie finde sie nicht fett und unästhetisch. Wir, die wir sie nackt gesehen haben, auch nicht.

Nachdem Kathi nun Tochter und Freundin hübsch gemacht hat für den Ausgang, bleibt Mutter allein träumend auf dem Balkon hoch über Berlin zurück, wippt rhyhtmisch, träumt, dunkle Wolken am Himmel, Regenbogen. Ein schönes Bild, das Sympathie schafft.

So nimmt die Erzählung ihren Lauf. Denn Kathi weiss sich zu helfen, nichts kann sie umhauen, erst ein mobiler Frisiersalon, dann mit Mühen ein stabiler, dazu müssen einige Hindernisse bewältigt werden. Sie tut es mit Herz und irgendwie berlinerisch sich anhörender Schnauze. Auf dem Weg dahin spielen ein Schleuser und ein Dutzend zu schleusender Vietnamesen eine Rolle, ein Film im Film, der viele menschliche Gefühle für arme und gute Geschöpfe aufkommen lässt. Operettenhaft, wie die Vietnamesen in Einerkolonne trippeln.

Der Film predigt aber nicht nur die Moral für eine weibliche Variante vom „Hans im Glück“, er kommt teilweise wie ein Fallbeispiel für Wege in die Selbständigkeit daher. So spielen dann Wörter wie Rentabilitätsberechnungen und Gesamtkapital eine Rolle. Momentweise sieht man sich in einem Lehrfilm des Arbeitsamtes.

Der Film will aber auch unterhaltsam sein, fügt mal einen Willy-Brandt-Friseur-Witz ein oder erwähnt den Helmut Kohl oder den Honecker und seine Frau oder die Nena, Koordinaten, mit denen der Normalkinogänger hoffentlich noch vertraut ist. Damit dürfte Entertainment intendiert sein. Um diese Idee zu bedienen wurde auch eine Nummer mit einem Zauberer eingefügt, der Kathi zum Schweben bringt.

Dann will der Film aber auch klassischer Hausfrauenfilm sein, Gespräche über Haarfarben, rot oder brünett und Dauerwellen oder eben, wie Grau wirkt.

Oder er will auch ein Film über Immigration sein, die geschleusten Vietnamesen, ein Film über kulturelle Unterschiede, wenn Kathi erstmals mit Stäbchen isst, oder ein Film über die Liebe zwischen verschiedenen Nationalitäten, vietnamesisch-deutsch.

Oder nur ein Kleinmädchen-Poesiealbum-Film: wenn Frau Kathi mit übergrossem rotem Herzballon und dem knalligen, unförmigen Kleid durch Berlin wackelt, um dann zu äussern, sie sei „fix und Pfirsich“. Volksmund.

Es ist viel drin im Film, viele Themen, viele Szenen immer schön voneinander getrennt mit Stimmungsbildern aus Berlin, Hochhäuser, Himmel, Zeitraffer-Wolken, gelbe Strassenbahn, Einkaufszentrum. Fast kommt man sich vor, wie in einem altmodischen Friseursalon und blättert da in bunten Illustrierten, die man sonst nie im Leben anrühren würde. Aber die sollen ja ganz gute Auflagen haben.

Und natürlich immer wieder ein Mutter-Tochter-Film, so was kommt gut, „Mutter, warum bist du immer so eklig zu mir?“. Passt zwar nicht zum Typ, den Kathi spielt, aber egal.

Dieser Film ist wie ein Streuselkuchen aus zähem dramaturgischem Teig, der Konflikten ausweicht und insofern die Möglichkeiten des Kinos weit hinter sich lässt – aus Unbedarftheit? – aber mit vielen bunten Streuseln wie Glasperlen davon abzulenken versucht und nach Aufmerksamkeit heischt.

Ein Fatploitation-Movie, dessen Bilder doch eher dazu geeignet scheinen als Patchwork-Bestandteile einer fröhlichen Tapisserie für eine große Wand in einem wohlhabenden Münchner Loft zu dienen denn als Material zur Erzeugung von Kinospannung und Kinotiefe zu taugen.

Max Manus

Wer Näheres über diesen norwegischen Nationalhelden, Saboteur und späteren Nähmaschinenfabrikanten Max Manus in Erfahrung bringen will, der ist hier angenehm bedient; am kühnsten die Aktion der Sprengung von Nazi-Kriegsschiffen im Hafen des besetzten Oslo, was mit großem Enthusiasmus nachgezeichnet wird.

Die zwei Leben des Daniel Shore

Ein weiterer Tiefpunkt öffentlich geförderten deutschen Films.

Der Film fängt an mit einer einzigen, minutenlangen Einstellung. Die Kamera fährt erhaben über eine hell geflieste Terrasse (mit einer weiss getünchten Schutzmauer versehen), auf der Terrasse sind Stühle, Drahtgeflechtstühle, einer links halb gekippt, einer rechts stehend. Bedeutungsvoll. Leere Bühne. Die Kamera fährt nun in einer langen, langsamen Bewegung, bedeutungsschwanger über die Brüstung, gibt die Sicht frei auf einen marokkanischen Garten mit Palmen, senkt sich auf einen Pool hinunter, dreht dann ebenerdig zurück in Richtung Haus, findet auf der Freitreppe unter der Terrasse einen toten Jungen in einer Blutlache. Diese auffällige, offenbar auch auffallen wollende Kamerafahrt wird pathetisch untermalt von einer sich stetig bis ins Bombastische steigernden Musik mit dem dramatischen und im weiteren Verlaufe des Filmes nicht mehr zu toppenden Höhepunkt, der Entdeckung des toten Jungen.

Hier hat Dreher sein Pulver bereits verschossen, seine Nicht-Geschichte bereits erzählt. So ein toter Junge, ein ganz offensichtlich gewaltsam zu Tode gekommener Junge, macht betroffen, noch dazu ein marokkanischer Junge.

Um diesen toten Jungen herum bastelt er nun gerne auch mit Reißschwenks und immer wieder bei nichtssagenden Szenen mit Gewicht verleihender Musik unterlegt eine Assoziationskette aus gestelzten, meist bedeutungsvoll stilisierten Szenen mit ebensolchen Figuren.

Darin kommt vor: ein Student, der in Berlin seine Doktorarbeit machen wollte, der Amerikaner ist und im Film Daniel Shore heisst, als Schauspieler nennt er sich Kinski, ein sehr fordernder Name. In seinem Kopf geistern der gewaltsame Tod des Jungen und Schuldgefühle, diesen nicht verhindert zu haben. Dann diverse Bewohner, fast wie Wachsfiguren, in einem geräumigen Altbau in einer Stadt in Deutschland, die nicht Berlin ist, deren Verkehrsbetriebe SSB heissen. Und natürlich Marokkaner. Die sind alle Dealer. Und Marokanerinnen. Die sind alle Nutten. So der Eindruck.

Ausserdem gibt es viele Blicke auf die Meerenge vor Tanger hinüber nach Spanien.. Mit denen erinnert Dreher an seinen Erfolgsfilm Fair Trade, einer thematisch-modellhaften Seminararbeit, die politisch so korrekt und künstlerisch so wenig aussgekräftig war, dass fast sämtliche Kurzfilmpreisjuries jenes Jahres sich auf den Film als Preisträger einigen konnten. Sie katapultierten Dreher gleichsam in einen viel zu hohen Film-Preis-Himmel.

Ausserdem gehören Disco-Szenen in einen jungen deutschen Film, sowohl solche in Deutschland als auch welche in Marokko, man ist ja international.

Der Film scheint ein großangelegter und gewiss millionenschwerer Versuch zur Herstellung von Bedeutsamkeit einer Nicht-Geschichte zu sein.

Leider wird nicht klar, was Dreher wirklich interessiert. Der gewaltsame Tod eines Jungen macht betroffen, klar. Aber was hat das mit den zwei Leben des Daniel Shore zu tun, ist er im einen betroffen vom Tod des Jungen, im anderen nicht?

Um dieser Betroffenheit Ausdruck zu verleihen, genügte allerdings eine einfache Todesanzeige. Kino als Ersatz für eine Todesanzeige. Eine Trauerveranstaltung.