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Amelia

Abfliegen, landen, abfliegen, landen, abfliegen, landen, abfliegen, landen, abfliegen, landen, dann, irgendwann, abstürzen. Verschollen auf Nimmerwiedersehen. Doch die deutsche Synchronstimme lispelt munter weiter in der Ich-Person.

Anknüpfen mit seinem Interesse möchte man da, wo Amelia, dargestellt von Hilary Swank, erzählt, dass ihr Vater Alkoholiker war. Hier flasht in Relation ihrer Worte zu ihrem Gesicht abgrundtiefe Spannung. Von da aus liesse sich vielleicht der (dramaturgische) Bogen spannen, eine Begründung finden für den unzähmbaren Pioniergeist.

Stattdesssen I: ein Mädchen steht in einem Kornfeld, träumerisch versonnen einem Propellerflugzeug nachschauend – das haben schon viele Mädchen getan, kaum je ist daraus eine Flugpionierin geworden.

Stattdessen II: abfliegen, landen, abfliegen, landen, abfliegen, landen. Dazwischen Meer von oben, Berge von oben, Savanne von oben, Giraffen von oben, Wolken, Wolken und Menschen, die das landende Flugzeuge begrüssen, einige Takes von Richard Gere, der immer noch fotogen ist, und dann wieder Abflüge. Eine Erdumrundung dreht sich gezwungenermassen im Kreis.

Für einen Film über eine bemerkenswerte Frauengestalt ist es leider undankbar, wenn diese nullkommaplötzlich aus dem Äther und damit aus der Weltgeschichte verschwindet. Dieses Handicap wird nicht dadurch aufgewogen, dass von Anfang an immer wieder auf diesen letzten Flug vorausgeblendet wird.

Biopic begriffen als schlichtes, nachzeichnendes Kinderbilderbuch. Für die gebildete Klientel zu wenig: für die Massen kaum attraktiv genug. Die Möglichkeiten des Kinos nur an der vermeintlich leicht handhabbaren Äusserlichkeit und Oberfläche genutzt.

Mammoth

Die Globalisierung durch die Vergrösserung des Kinos gesehen, oder: so schön kann Globalisierungskritik sein.

Die Globalisierung ist ein Mammut, auf englisch Mammoth. Da steckt auch die moth, die Motte drin. Auch die Melone am Obststand hört sich an wie Mammoth, Interpretation offen.

Die Globalisierung spiegelt sich im Kleinen, im Detail. Einmal ist es ein 3000 Euro teurer Kugelschreiber, den die thailändische Gespielin unseres Protagonisten aus Not praktisch für nichts verscherbelt.

Nicht der Suspense zählt hier, es sind präzise einzelne Punkturen im grossen globalen Zusammenhang, die den Reiz dieses immer ungewöhnlichen, immer hochfahrenden Gemäldes ausmachen.

Es geht nicht um realistische Rollendarstellung. Die punktgenaue Besetzung ist unwichtig. Dem Protagonisten würde man so den erfolgreichen Geschäftsmann, der im Business-Jet um die Welt düst, nicht abnehmen. Egal. Wichtig ist der Zusammenhang. Dass seine Frau auch arbeitet, als Unfallchirurgin, für sie reicht aus, dass sie bildhübsch ist und dass sie wie ihr Mann quicklebendig spielt. Wichtig ist hier, dass die beiden ein philippinisches Kindermädchen beschäftigen müssen, so vom Ungleichgewicht der globalisierten Welt, in der sie ein Rad mitdrehen, profitierend.

Das Kindermädchen wiederum braucht den Job, um ihre Familie in den Philippinen zu ernähren.

Ein Bub des Kindermädchens gerät derweil in kindsmissbrauchende Ausländerkreise, die so das Wohlstandsgefälle ausbeuten.

Der Geschäftsmann leistet sich in Thailand eine Gespielin. Auch diese macht das nur wegen ihrem eigenen Kind.

Die Frau des Geschäftsmannes versucht in der Unfallchirurgie einem schwerverletzen, fremden Jungen zu helfen.

Der Traum wäre doch der, wie es der Film am Ende zeigt, dass die Familie, will heissen: jede Familie – ohne Kindermädchen – glücklich vereint wäre, wie die Heilige Familie von Raffaelo Santi, ganz ohne die perversen Folgen der Globalisierung und überdrehter Geschäftsaktivitäten.

My Name is Khan

Für den selbstgerechten, mit dem amerikanischen Kino sozialisierten, christlichen Europäer dürfte an diesem Film, der nicht ein Film über das Asperger-Syndrom ist, sondern dieses als Vehikel für ein Werben für Toleranz und eine vorurteilsfreie Welt einsetzt, das überraschendste sein, dass es ein Inder ist, der diese Message mit großer Leichtigkeit fast wie ein Mural Painting schnell und noch dazu musikalisch-indisch beschwingt amerikanischer als die Amerikaner selbst hinpinselt und vor allem, dass die Botschaft von einem Muslim und nicht von einem Christen stammt.

The Messenger

Ein Film für all jene, die noch an die Mär von der Notwendigkeit von Krieg und von „Gefallenen“ glauben. Ein Film, der sich nicht traut, den zynischen Gesamtzusammenhang von skrupelloser Machtpolitik einerseits und der fahrlässigen Inkaufnahme frühzeitiger individueller Tode andererseits konsequent klargeistig aufleuchten zu lassen, sondern der im Glitsch menschentümelnder Anrührigkeiten ausrutscht.

Diamantenhochzeit

Was wollen uns die Macher dieses Werkes erzählen? Was wollen sie uns mit auf den Weg geben?

Dass es Humor sei, wenn man trotzdem lacht, deutscher … Humor nämlich?

Dass es das selbstverständlichste von der Welt sei, wenn der Sohn ausgeflippter Eltern, Mutter mit Ostasientrip, Vater verwahrloster Tüftler, und weil das noch nicht einträglich genug ist, noch dazu mit illegalen Diamantenlieferungen beschäftigt, dass der Sohn aus solchem Hause nämlich das reinste Milchbubisöhnchen wie aus bestem bürgerlichem Milieu sei und wie gemacht für die Werbung von Zahnpasta und Deo und mit der langweiligen Stimme eines Versicherungsvertreters? Ich meine, wer das glaubt, der wird möglicherweise einen Zugang zum Humor dieses Filmes finden.

Mein Eindruck war allerdings eher der, dass es meinem Humor ähnlich erging, wie jenen beiden Hochzeitsfiguren auf der Hochzeitstorte, die ständig umkippten und die die Mutter  ständig aufzustellen versuchte, running Gag, der wohl den Film erklären sollte.

10 Minuten vor Schluss, da habe ich dann doch gelacht. Da kam ein Gag, der was mit Verhaltenspsychologie oder mit Verhaltsenforschung zu tun haben könnte (vorher waren die Gags vor allem von der Art, dass die Figuren recht blöd sind und ungefähr kaputt machen, was kaputt zu machen ist, dusselig halt, angefangen mit dem Autospiegel, was man hierzulande unter Slapstick versteht). Wie nämlich die schwäbischen Schwiegereltern der Braut, biedere Geschäftsleute, die nicht mal schwäbisch sprechen, den Gauner im Kofferraum ihres Autos entdecken und wie sie darauf reagieren. Da dachte ich, aha, da schraubt sich screwballmässig was hoch.

Es folgt dann noch ein kurzes Zombiemoment, wenn das Obergauner- und schwule Liebespaar, der Dicke und der schon halbwegs erschossene Schwerenöter, dieser mit Torte im Gesicht, seinen Fettsack unfreiwillig erschiesst.

Die Frage ist, ob es sich dafür lohnt, vorher über eine Stunde lang einem Film zuzuschauen, der es mit grosser Gründlichkeit vermeidet, die gewiss konfliktträchtige Ausgangs-Familien-Situation wie oben geschildert erst mal ernst zu nehmen und nämlich glaubwürdig darzustellen (falls das überhaupt möglich ist und es sich nicht einfach um ein Studentenulkprodukt handelt) und diese dadurch gezielt zum Aufbau einer Kinospannung zu nutzen. Statt dessen wird sie billig dazu verwendet, sie unlustig, unoriginell und oberflächlich auszuschlachten.

Tandoori Love

Was war das jetzt? War es der bieder/unbiedere Versuch eine „postmoderne Naivität“ zu postulieren unter gleichzeitiger Wahrung helvetischer Weltoffenheit und eines ebensolchen Internationalismus in den Schranken der Folklore?

Ist es vielleicht der bewusste oder unbewusste Versuch, ein grummelndes Unbehagen am Filmproduktionsland Schweiz zu artikulieren?

Ist es der Versuch zu zeigen, was man alles könnte, wenn man denn nur richtig könnte?

Man könnte ein tolles Ballett indisch verkleidet im Supermarkt inszenieren, weil wir ja gehört haben, dass es in Indien Musikfilme gibt.

Man könnte indische Gerichte werbewirksam ins Bild setzen, auch wenn es sich um die Berner Wirtschaft zum Hirschen handelt.

Man könnte mit Stefanie Glaser aus den Herbstzeitlosen einen oberverrückten Auto-Stunt mit massiv überhöhter Geschwindigkeit bei der Anfahrt zum Hirschen hinlegen und sie anschliessend mit ihrem Stock auf dem Unfallopfer herumstochern lassen.

Man könnte versuchen, die Darstellerin einer Schweizerin auf Schweizer Dialekt nachzusynchronisieren.

Man könnte versuchen, eine Zollszene zu inszenieren, nur um zu erzählen, dass indische Filmproduzenten mit nichts als Filmrollen und Bargeld in ihren Koffern um die Welt düsen.

Man könnte eine Messerstecherei in der Küche des Hirschen inszenieren, weil der indische Produzent den verliebten indischen Koch zurück haben will.

Kurz, man könnte dies und das und jenes, und Liebesgeschichte sowieso, wenn man denn könnte und wenn es darum ginge, zu erzählen, dass Film ausschauen kann wie ein überladener Souvernirladen mit einem kunterbunten Angebot an Bildern zum Thema „indische Filmcrew bringt Liebes- und Kochverhältnisse in Berner Wirtschaft zum Hirschen durcheinander“ … wenn man denn so richtig könnte.

Vertraute Fremde – Quartier Lointain

Der Ton macht die Musik, und wie der Schaffner den Protagonisten dieses filmischen Annäherungsversuches an ein Künstlertum mit einem „Monsieur“, dem man das Grinsen in den Mundwinkeln und das leichte Amüsement in der Stimme nur minimalsurrealistisch zudeuten darf, anmacherisch anspricht, dürfte der Schlüssel zu dieser nicht ganz Eins-zu-Eins zu nehmenden Rückbesinnung eines erfolgreichen Comic-Zeichners auf seine Ursprünge sein.

Tiger Team – Der Berg der 1000 Drachen

Es sind handwerkliche Produkte, die Kindern genügend Abenteuer bieten, ihnen aber nicht gleichzeitig auch Kinobildung angedeihen lassen. Denn dieses Handwerk ist viel zu nah am Fernsehen dran. Man hat nicht die Zeit, Dinge entstehen zu lassen. Es geht einfach darum, die Zuschauer zu überschütten mit Bildern und Aktionen und Attraktionen und Fremdem und Vertrautem, ohne ihnen den Atem zu lassen, ohne ihnen die Chance zu geben, wegzuzappen.

Eine schmierige Sprecherstimme erzählt anfangs über den Mondscheinpalast in China, der vor 600 Jahren gebaut und zugesperrt worden ist, vom hell leuchtenden Elixir, was einem ewiges Leben gibt. Dazu kommen Kinobilder, die sich an großem chinesischem Kino orientieren, diesem jedoch nicht das Wasser reichen können. Schnell hingehudeltes Palastritual ohne tieferen Sinn.

Schnitt. Prater in Wien. Kinder lassen sich vom Countdown in die Höhe schießen. Sie ertappen einen Taschendieb. Abenteuerliche Jagd über die Geisterbahn. Ach, und das Ganze nur, damit sie sich vorstellen können. Denn schon sind sie in einem chinesischen Restaurant. Hier fühlen sie sich zuhause, man weiss nicht wieso.

Unglücklicherweise zerbrechen sie eine Statue, die ein zufällig anwesender Experte für Pandabären aus China mitgebracht hat. Darin ist ein Schlüssel zu oben erwähntem Palast. Das ergibt die schnelle Internetrecherche der pfiffigen Kids. Zufälligerweise gibt es gerade einen Wettbewerb, bei dem man eine Reise nach China gewinnen kann. Den manipulieren sie, Tricks fürs Leben.

In China fängt die Abenteuer-Story endlich richtig an: den Schlüssel suchen und dabei von Iris Berben und Stipe Erceg verfolgt werden. Das ergibt viele aufregende Bilder aus China. Auch die chinesische Mauer darf nicht fehlen. Und natürlich ist es amüsant, wenn der eine der Jungen sich als Braut verkleidet, um den in der Mauer versteckten dritten Schlüssel zu finden.

Aber ein Verräter in der Mannschaft hat die Gegenpartei informiert. So dass sich schliesslich alle auf den Weg zu diesem Palast machen, die Guten verfolgt von den Bösen.

Frau Berben versucht richtig mit Stemmen der Stimme und Mundverziehen die Böse zu spielen, die böse Konzernchefin – ob sie als Präsidentin der Deutschen Filmakademie auch so viel Biss entwickeln wird?

Die Texte, die die Darsteller zu sagen haben sind nicht mehr als lieblose Fernsehdurchschnittsware. Frau Berben sagt zum Beispiel an einer Stelle „Dafür sollen wir uns die Pfoten, kleiner Scherz, die Hände, reichen“. Und wenn im Schloss das Licht angeht, sagt Stipe Erceg „sieht aus, als bräuchten wir die nicht mehr“ und meint damit die Stirn-Lampen, die sie patenterweise dabei hatten. Oder dann sagt er „Schluss jetzt mit dem Gequatsche“. Der eine der Buben, Patrick, meint an anderer Stelle „Hätte aber ins Auge gehen können“. Und nachdem der eine Junge aus dem Abgrund vor der ersten Tür gerettet worden ist, sagt er ganz ordentlich „Danke“.

Schon in Wien im chinesischen Restaurant macht der Satz der Wirtin stutzig „ich habe soviel zu tun, der Laden läuft schlecht“ – ein Lektor müsste über diesen Satz gestolpert sein, denn die Logik ist doch die, wenn ein Laden schlecht läuft, dann hat man gerade nichts zu tun..

Wie in dieser Art Kinderfilme üblich, können die Kids alles, sind fit in Karate, teilen ihren erwachsenen Gegnern schamlos Tritte in die Eier aus, sind spitze im Überlisten, im Interpretieren mathematischer Formeln, können sich problemlos gestikulierend mit den Chinesen unterhalten, abseilen sowieso, Gewinnspiele manipulieren und gewinnen, oder sie strahlen telegen-lieblich, wenn sie vor dem Panda-Gehege stehen.

Es gibt auch ziemlich bescheuerte Gags aus der Mottenkiste, wenn die Kids die leere Wohnung des chinesischen Opas erkunden und dann die beiden Buben rückwärts ineinander laufen. Schon lange nicht mehr darüber gelacht.

Außerdem beunruhigt eine gewisse Liederlichkeit dessen, was über die Kids erzählt wird. Nachdem sie schon über die Gefahren informiert sind, und ihnen der erste Schlüssel geklaut worden ist, möchte man als Zuschauer unbedingt sehen, wie sie den zweiten sicher verwahren. Nichts davon.

Solche Bildmengen halten einen jeden Zuschauer auf Trab, aber er ist mehr mit dem Sortieren der Bilder beschäftigt als mit Dran-Teilhabendürfen an Dingen, die nur das Kino bieten kann, wie die besondere Art menschlichen Ernstgenommenwerdens, wie Verständnis für andere Kulturen; hier wird eher sich mokiert darüber, zum Beispiel auf dem Markt mit dem Getier oder auch bei der Brautfotoszenerie auf der Mauer. Die Chinesen sind lediglich Versatzstücke in einer abenteuerlichen Geisterbahn.

Ayla

Im Vergleich dazu, dass es jetzt in einem Bundesland bereits eine türkischstämmige Ministerin gibt, die sich auch flott dran macht, die Kreuze abzuhängen in den Schulen, mutet dieses Werklein doch recht rückständig an; das uns noch ständig im Untertext erklären möchte, dass Türken Menschen sind wie andere auch, wobei diese hier noch dazu makel- und farbloses Hochdeutsch sprechen im Gegensatz zu Saskia Vester, die auch mit von der Partie ist, und mit ihrem breitbeinigen Bayerisch den einzigen sprachlichen Tupfer setzt.