Szenen um einen Todesfall und eine Bestattung, präsentiert in sanft-schönen Bildern auf einem vereinnahmenden Klangteppich.
Der Film fängt mit einem ungewöhnlich traumhaft schönen Tod an. Eine Frau am Steuer, der Crash in Zeitlupe, verschwindende Farben wie Wellen, eine Perle an einem Stäbchen schwingt am Ohrläppchen wie eine Miniaturausgabe des Klöppels einer Kirchenglocke, eines Todesglöckleins, eines Himmelsglöckleins, spiegelnd einen verstörend schönen Übergang vom irdischen ins ewige Leben. Selten schöner Kinotod.
Um diesen Tod dreht sich alles in diesem Film. Die Tote war die Frau von Christian und die Mutter von Lars und Elaine, die uns im Folgenden, fast wie in einem Lehrfilm, viel über das Trauern, das Bestatten und dass das Leben und der Sex weiter gehen, erzählen werden.
Man muss einen Sarg auswählen. Todesanzeigen kann das Töchterchen auch in einem Mülleimer entsorgen. Man kommt dahinter, dass die Mutter einen Lover hatte. Und der Vater eine Geliebte. Gern angeführte Gegenmuster, die das Vorgemache und die Illusion vom intakten Familienleben ankratzen. Der Sohn ist am Anfang einer Karriere als Schauspieler, er hat es bereits zu einem Auftritt in einer dieser Gerichtssendungen gebracht. Die Mutter war Autorin, hatte eben Erfolg mit „Wechselnd bewölkt“.
Es wird diskutiert, ob eine Aufbahrung stattfinden soll. Der Film spielt in Münster und da gibt es offenbar die Tradition, dass Nachbarn sich als Sargträger zur Verfügung stellen; die müssen also angefragt werden. Dieses Anfragen offenbart nun allerdings auch einen etwas hölzernen dramaturgischen Konstruktivismus, denn das Töchterchen macht mit einer Freundin gerade eine Feldforschung betreffs Jugendliche und Sex; und der eine Nachbar, der jetzt wegen der Sargträgerei angefragt werden muss, ist nicht nur Polizist, sondern auch der Vater eines Wuschelkopfes, den die Mädels eh schon im Visier haben. Kurz nach dem Tod der Mutter sollte er vor einem Kühlraum übers Onanieren auspacken; sehr theoretisch erfundene Szene, sehr kopfig, die Autorin wird sich gedacht haben, was kann ich der Trauer entgegensetzen. Verwinkelung der Dramaturgie statt Vereinfachung, Bremse statt Synergie, Themenverkappung durch Themenverkoppelung.
Auch eine Liebesszene zwischen Vater und Geliebter, einer Musikerin, die in Amsterdam vorspielen darf. Die Autorinnen Piat Strietmann und Lea Schmidbauer beziehen das Material für ihre Dialoge aus solchen Konstrukten, wie eben der Sexbefragung oder aus dem naheliegend Materiellen, wie eines Bestattungsinstitutes, der Bedarfsartikel um eine Bestattung herum. Da darf der junge blonde Bestatter, ein deutscher Pierre Richart, Michael Kranz, und ein Freund der Familie erklären, warum er jetzt die Geschäfte besorge, weil der Vater Rückenprobleme habe – oder musste er das nur erklären, weil man einen jungen Darsteller haben wollte und die Autorinnen glaubten, das sei nichts Selbstverständliches, dem Vorurteil, Bestatter hätten alt zu sein, erliegend?
Bestattungsdetails, das sind alles sehr wichtige, konkrete Informationen, die aber mit Spielhandlung und dramturgischer Spannung wenig zu tun haben. Die sehr nach halbfertigem Drehbuchworkshop ausschauen. Es muss nach der Info vom Tod der Mutter gefrühstückt werden, da wäre doch ein Satz schön wie „Essen wird jetzt gut tun“. Das ist vielleicht Ausdruck von Lebenserfahrung der Autorinnen, oder von Self-Made-Dramaturgie-Philosophie, denn solche Dialoge entbehren nicht einer gewissen lebenpraktischen Logik. Aber will ich im Kino Hausmittel gegen die Trauer erfahren? Denn, was solchen Dialogen fehlt, das ist die Motivation, oder gelegentlich sogar Begründung eines Satzes, aus den Figuren heraus. Insgesamt könnte man dafür den Begriff des unvollendeten Drehbuches verwenden. Recherche, was die faktischen Situationen an Texten hergeben: gut und sorgfältig; Recherche, was die Figurkonstruktion und die sich daraus ergebenden Texte hergeben: mangelhaft. Denn die gute Arbeit am Faktisch-Glaubwürdigen behauptet doch auch, dass man faktisch-glaubwürdig bleiben möchte. Aber dann bittschön auch hinsichtlich der Figuren und nicht nur der lebenspraktischen Vorgänge. Lebenspraxis-Drehbuchphilosophie. Wird vielleicht von teuren Professoren und Professorinen gelehrt, hift aber dem Erblühen der Kinolandschaft wenig.
Dazu kommt, dass Pia Strietmann, die auch für die Regie verantwortlich zeichnet, unter Dialogregie einzig zu verstehen scheint: die Schauspieler dazu anhalten, die Sätze knapp und kurz und sachlich wegzusprechen. Möglichst ohne Emotion. Was hier leider auf Kosten des Spiels geht. (Von den Amerikanern heißt es, sie würden die Dialoge immer nachsynchronisieren; so können sie im Spiel die Emotion drin lassen und haben dann trotzdem eine verständliche Sprache). Der Begriff Untertext existiert dabei logischerweise nicht, wegen der Nichtbeachtung der Figurkonstruktion, der Komplexität von Figuren. Aber gerade das ist ein wesentliches Element, Figuren und damit auch die Situationen, in denen sie zurecht kommen müssen, spannend zu machen, damit auch der Film spannend wird. (Es spricht übrigens durchaus für die vorhandenen Qualitäten in diesem Film, dass das so präzise auseinander genommen werden kann!).
Aus den vorgetragenen Gründen scheint es vollkommen ausreichend, die Hauptrolle des Vaters mit einem bierernsten, undurchlässigen deutschen Sprecherschauspieler zu besetzen wie mit Götz Schubert (resp. es wäre die raffiniertere Forderung zu sagen, gerade aus Gründen dieser mangelnden Figurkonstruktion heraus wäre die Besetzung mit einem komplexeren Schauspieler, der von sich aus Untertexte arbeitet, ratsam gewesen).
Da also die Figuren nicht von ihren Schicksalen und Defiziten her gebaut wurden, sondern lediglich als Träger und Sprecher von Trauer- oder Sex-Texten, ist auch der Cast relativ egal, ja man kann nicht mal sagen, ob das jetzt ein guter oder ein schlechter Cast sei, wahrscheinlich ein recht beliebiger und jeder andere beliebige hätte es bei der Regie und den Texten, wenn er einigermassen sprechen und auf Position gehen kann, auch getan, hätte dem Anspruch von Buch und Regie genügt. Wobei das sicher eine interessante Interviewfrage an die Macher wäre: was denn ihre Intention mit diesem Film gewesen sei.
Einzig Max Riemelt, der den Sohn und Schauspieler darstellt, der scheint versucht zu haben, persönliche Biographie für die Rolle im Hinterkopf zu entwickeln, was vom Drehbuch her nicht einfach war, immerhin ist er dadurch in jedem Moment interessant. Es kommen auch doofe Szenen vor, wenn der Pfarrer vor den Sarg tritt und das unkonventionelle Modell sieht, dann muss er beim Senken des Kopfes noch „Mein Gott“ sagen, sehr kleinlich gedacht und überhaupt nicht förderlich für die Rezeption des Filmes, noch der Figur Glaubwürdigkeit verleihend; Verzicht auf den Satz wäre mehr gewesen.
Wir sollten was essen. Ich hab keinen Hunger. Das war das letzte Essen, das Mama gekocht hat. Man bleibt lebenspraktisch aber leider nicht figuranalytisch. Lehrfilm für Beerdigungen. Fall- und keine Figuranalyse. Merkwürdiger Dialog an Supermarktkasse, auch lebenspraktisch, aber genauso wenig figuranalytisch: (…vorher war die Befragung von Francis, dem Polizistennachbarsohn, wie oft er es treibe), dann die Info, wie tot, was meinst Du, dann „kann ich ne Tüte haben“.. und die Kassiererin spricht von Treueherzen… das hat schon was, wie Dialoge laufen können, aber realiter müssen sie eben von den Figuren her zwingend sein; und nicht erfunden nach Drehbuchworkshoprezept nach Hausmacherart, so wirken sie aufgesetzt – und bringen gar nichts.
Wie dann der Vater bei der Geliebten auftaucht. „Wow, ich hatte gerade einen Plan, wie ich Dich vergessen könnte“.
Der Vater, Götz Schubert, ein Routine-Sprecherschauspieler. Schafft keine emotionale Bindung zum Publikum. Was auch fehlt, ist ein Handlungstrang, darum erscheinen viele Szenen beliebig, sind zwar alle um den Todesfall arrangiert, aber oft scheint es, was ja schön ist, lediglich in der Absicht, jetzt die und die Figur zu einem Gespräch zusammenzubringen; im Kino ist deutlich mehr möglich. Es muss ja auch ein bisschen Vergangenheit und Boshaftigkeit ausgpackt werden – und Ziele, und zwar nicht nur lautere, hat eine jede Figur in jeder Sekunde. Schließlich noch ein bisschen Feld- Wald- und Wiesenpsychologie über das Sterben und Beerdigen drübergestreut, so empfiehlt es der Drehbuchlehrer, das macht sich immer gut.
„Geh Du zu Deiner Familie zurück“
Die Dialoge charakterisieren nie die Figuren, sie stammen nie aus der Denkweise der Figuren. Das ist vielleicht eines der großen Defizite dieses Filmes, macht ihn möglicherweise festivaltauglich, denn der Klangteppich ist echt verführerisch und viele Bilder auch, aber im normalen Kino seh ich das sehr skeptisch.
„Ich hab jetzt einfach keinen Bock auf ..Piknik (?)
Du musst auf andere Gedanken kommen (Fernsehschmonzetten-Satz).
Die Autorinnen zeigen fast mit dem Holzhammer, damit ein jeder es versteht, dass Sex und Leben nebst der Trauer weiter gehen.
„Du bist Schauspieler, krieg ich vielleicht ein Autogramm“ (der Satz bringt weder für den Fortgang des Filmes noch für die Charakterisierung der Figur etwas).
Fühlst Du denn gar nichts.
Was soll ich denn fühlen, dass es für Dich ok ist (Groschenromandialog)
Belehr-, Schulungsfilm für unverhofften Todesfall.
Eine Tattoo-Geschichte muss auch noch her, Arschgeweih, man ist ja so „in“.
Wie der Vater vom Bestatter noch Gegenstände von der Toten in einer Plastiktüte erhält, steht er länger da, hält sie in der Hand wie einen toten Gegenstand, als ob er damit nichts anfangen kann, also ob die Regie ihm das in die Hand gedrückt hat und er weiß nichts anzufangen damit, als ob er keine Beziehung dazu habe, aber das scheint nicht bewusst so gespielt, der Gegenstand ist einfach tot; realiter wäre er doch voller Leben (von der Toten);
Und sagt ihm dann „Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du Dich auf Deine Rolle als Bestatter konzentrieren würdest“. Ein hirnknotiger Satz.
Deprimierende Erkenntnis: Für so ein Buch und so eine Regie reicht es vollkommen aus, die Schauspieler ab Stange oder ab Katalog einzukaufen.
Völlig undifferenzierte Dialogregie; oft sprechen sie viel zu laut, zum Besipiel in der Kirche; die Diskussion wegen dem Sarg, oder auch „Du hast ein Tattoo?“
„Du hast keine Ahnung von unserem Leben hier, vom Leben Deiner Mutteer hast wahrscheinlich nichts gewusst, ihr Buch nicht gelesen“.
Für die These Lehrfilm spricht der Verzicht auf Handlungsfaden (Handlungen sind Aktionen, die auf Entscheidungen von Figuren beruhen und nicht auf Zwängen von Formalitäten etc.).
Die Geschwister frühstücken im Hotel, wohin der Sohn gezogen ist (ja, dort war auch der Vater, als er die Geliebte oder so ähnlich)
Dann sucht der Vater wen, poltert heftig an die Tür eines Einfamilienhauses.
Dann die mehreren Szenen, in den die Tochter bei den Nachbarn anklopft.
Ich suche sex Typen, die den verdammten Sarg meiner Mutter ((oh wie popelig-nasty!)) in dieses Erdloch schütten.
Was hat der Vater eigentlich für einen Beruf?
„So wohnt also unser kleiner Bulle“
„Du hast immer nur Deinen dummen Sexscheiss im Kopf“
Sitcom?
Drehbuchtechnischer Schnellkochtopf.
Die Schnelligkeit der Themenwechsel und die Unabhängigkeit von den Personen suggerieren das.
Es müssen Gespräche her zwischen Sohn und Frau von Vaters Gelieber, der Musikerin; das passiert so, dass der Sohn Totenwache hält (aber das wird nicht dezidiert eingeführt, er sitzt einfach plötzlich im Aufbewahrungsraum; ist also nicht als bewusste Handlung angekündigt oder gar aus einem Konflikt der Figur heraus begründet) und dann taucht die Geliebte des Vaters auf und der Sohn geht ihr nach. Gleichzeitig unterhält sich der Vater mit der Freundin der Tochter im Auto. Wieso ist auch nicht klar. Und was sie besprechen habe ich schon vergessen; es ist immer schwer, wenn einfach Thesen ausgetauscht werden, unabhängig von den Figuren. Wenn Themen abgehakt werden sollen. Eine merkwürdige Drehbuchtherorie scheint dahinter zu stecken. Die Lebenspraxis sehr eingeengt und sehr theoretisch sieht, die das Wesentlichste und das Spannendste am Menschen ausklammert, nämlich seinen Charakter, seine Charakterzüge, seine Eigenschaften und dass er doch immer sich was vornimmt und oft was dazwischen kommt und die sich daraus ergebenden Erschwerungen von Handlungsentscheidungen oder gar deren Verhinderung.
Weißt du, dass Dein Vater stolz auf dich ist? Er hat alle Deine Filme auf Video, alle gesehen (das ist reiner Kitsch, so wie es vorgebracht wird).
Dann folgt diese noch merkwürdigere Szene, wie der Sohn aus der Videosammlung des Vaters ausgerechnet die dümmlichste Gerichtsszene anschaut (was das mit dem Thema des Filmes zu tun hat? Vielleicht war nur die von Riemelt verfügbar?) und der Vater steht plötzlich hinter ihm und kann die Texte mitsprechen (Schmonzette; weil der Konflikt der beiden nie eingeführt wurde, darum ist das nur süß und rührselig und somit belanglos, dumm dazu, da es sich um eine dümmliche Gerichtssoap handelt). … nichts, aber auch gar nichts, was in seiner bisherigen Figureinführung daraufhindeuten liesse, also reiner Drehbuchkitsch, weil jetzt eine Versöhnung zwischen Vater und Sohn her muss, was nicht passt, wird passend gemacht oder das koproduzierende Fernsehen will es so.
Irgenwann sitzt der Vater im kleinen roten Auto im Regen, der Sohn kommt, sieht ihn und der Vater fragt, brauchst du die Schlüssel; ach wie schön, wie versöhnlerisch, also er geht nicht mehr ins Hotel, schließt der kluge Zuschauer daraus, geistiges Niveau und Anspruch der Zuschauer vermutlich massiv unterschätzt.
Bei der Beerdigung rennt der Vater plötzlich weg, holt sein Töchterchen was nicht wollte, unterbricht den Pfarrer in der Rede (wie dumm sind diese Menschen doch gezeichnet vom Drehbuch her, wie stillos) und dann kommt die kitschige Rede, wirklich Priavatfernsehen, mit Rilke und Mutter und Gedicht von der Tochter. Kein verbindliches spannendes Kino sowas. Da muss auf Versöhnung gebogen werden, dass sich die Dielen unterm Zuschauer biegen, wobei vorher nie ein Konflikt etabliert worden ist.
Vorher Papa zur Tochter in der Kirche „Elaine, Du musst Abschied nehmen von Mama, auch wenn das weh tut“ – solche Sätze tun wirklich weh. Und dann sagt sie noch bei der Beerdiung, dass die Mutter eine Affäre gehabt habe.
Das reduzierte Menschenbild des Fernsehens; insofern hat die Besetzung der Hauptrolle sogar was Trash-Haftes, etwas Groteskes. Vielleicht liegts am Grundentscheid, einen Themenfilm zu machen und nicht einen Personenfilm nicht einen über eine Figur, die mit dem Thema konfrontiert ist. Ein Kino der Sachdienlichkeit?
Szenen um einen Todesfall und eine Bestattung, präsentiert in sanft-schönen Bildern auf einem vereinnahmenden Klangteppich. Der Film fängt mit einem ungewöhnlich traumhaft schönen Tod an. Eine Frau am Steuer, der...