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LOL

Der Film ist das amerikanische Remake des gleichnamigen, französischen Filmes derselben Autorin und Regisseurin Lisa Azuelos, bei der Bearbeitung für das Buch hat ihr Kamir Ainouz geholfen.

Im französischen Original von 2009 hatte Sophie Marceau die Mutter gespielt, hier wurde sie herber mit Demi Moore besetzt, was vielleicht ganz signifikant ist für den Unterschied der beiden Fassungen. Im Original dominierten noch Charme und Kurzatmigkeit, welche wohl mit Tempo verwechselt worden ist. Hier ist gründlich über den Stoff gegangen worden und wie mir scheint, hat die Autorin/Regisseurin diesmal den Stoff gezielt auf ein Feel-Good-Movie zum schnellen Ablachen getrimmt, ohne Rücksicht auf Charme, Story oder Charaktere.

Da die Klasse diesmal in Amerika lebt, geht der Schulausflug nach Frankreich und die Franzosen werden extrem karikiert. Eine französische Gastgeberfamilie ist Jeanne-d’Arc-Fan, überall hängen Portraits der Heldin, im Flur steht eine Ritterrüstung, das kleine Mädchen heißt Jeanne und ist nach dem Portrait der Heldin frisiert, eine Heizung scheint es in dem Haus nicht zu geben, was die Girls zu dem Kommentar veranlasst, hier sei alles so wie bei der Heldin, und eine Heizung sei ja wohl nicht nötig, denn sie habe doch den Scheiterhaufen gehabt. Dies vielleicht ein gutes Beispiel, wie hier der Humor um des Humors willen eingesetzt wurde.

Die Story geht um Coming-of-Age, es geht um das erste Mal, die Verliebtheit in den Mathe-Lehrer oder in diesen oder jenen Lümmel, der eine scheint mir eine recht aufgespritzte Lippe zu haben und macht Musik dazu.

Die Szene mit dem Mathelehrer, wie Emily diesen anhimmelnd vor ihm steht und er in einen Apfel beißt, und das Crack-Geräusch dazu, ziemlich wenig subtil, ziemlich überdeutlich. Sozusagen kleine Gags auf die Spitze getrieben, kleine Witze groß gemacht.

Auch die Psychiatrin ist wie aus einem Karikatur-Album, die immer nur ähäm sagt, was die Patientin, die Mutter von Lola ziemlich nervt. Viel Raum braucht auch der kleine Gag mit der Frage nach dem Nachfolger des amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter, die Lehrerin versucht zu helfen, Ro, Ro, Ronald… und die Schülerin antwortet Ronald MacDonald.

Die erwachsenen Männer, bis auf die beiden schnuckeligen Lehrer (der Mathelehrer und der Antidrogenlehrer), die sind alle wie Dumpfbacken gezeichnet. Die erwachsenen Frauen, andere Mütter oder Lehrerinnen, dürfen nie weniger herb als Demi Moore sein.

Typische Teenie-Bemerkung über eine dicke Mitschülerin: dieser Arsch ist ein Fulltimejob für sie. Hier geht man lieber über die Essenz der Story für eine Pointe. Auch die Oma ist eine reine wie in Stein gehauene Karikatur, die zuviel Alkohol trinkt, wie LOL während der Abwesenheit von Mutter zuhause Party macht.

Der Spielort ist Chicago und die Auslandsreise geht nach Paris. Beim ursprünglichen Film ging es von Paris nach London. Es gibt auch ein Kapitelunterteilung. Die erste Stunde läuft unter „1. Halbjahr“ und die letzten knapp vierzig Minuten unter „2. Halbjahr“. Auch der Vater von Kyle ist grobschlächtig gezeichnet, wie er dem Sohn die Gitarre zertrümmert. Und wie er dann beim Konzert am Schluss im Saal auftaucht und plötzlich strahlt, nun, das ist doch ziemlich billig. Der Film ist gegenüber dem Vorbild handwerklich besser gearbeitet, aber ob die Verbesserungen da stattgefunden haben, wo der Film hätte gewinnen können, bleibt zumindest eine offene Frage.

Leb Wohl, meine Königin!

Ein genüsslicher und gekonnt gemachter Untergangsfilm. Ein Film fesselt mich immer dann, wenn die Struktur des Erzählten wie eine Folie auf meine Erfahrungs- und Erlebniswelt übertragbar ist, wenn sie möglicherweise hier etwas sichtbar machen kann. Egal in welchem Jahrhundert, in welcher Weltgegend der Film spielt. Die Franzosen können das einfach.

Jetzt machen wir mal wieder einen Film über die französische Revolution, um die vier Tage um den Sturm auf die Bastille, wird sich Benoit Jacquot, der Autor und Regisseur gesagt haben. Diesmal, weil es das Tagebuch gibt von Sidonie Laborde, „dem Landei aus verarmtem“ Adel, das seit vier Jahren am Hofe von Louis XVI im Hofstaat von Marie-Antoinette, einer Rolle wie für Diane Kruger auf den Leib geschrieben, als Vorleserin und Lieblingszofe von Marie-Antoinette dient. Ihre Sicht auf Welt und Hofstaat ist eine wache, unvoreingenommene, aber ihre Haltung ist voller Gehorsam und Disziplin.

Der Film fängt am 15. Juli 1789 an und hört am 17. Juli wieder auf. Er fängt also am Tag des Sturms auf die Bastille an. Bis die Nachricht sich ins ausladende Schloss Versailles fortgepflanzt hat und in den innersten Gemächern angekommen ist, das dauert. Hier geht vorerst das höfisch exakt austarierte Leben seinen Gang als sei nichts geschehen.

Sidonie wacht fast pünktlich auf, schafft es fast pünktlich bis zur Kammerzofe, die sie dann zur Königin reinlässt; vorher wird noch drüber diskutiert, was sie ihr vorlesen solle. Sie sei aber augenblicklich nicht an Literatur interessiert, das eine sei ihr zu traurig, das andere zu schwer. Sie will Modezeitschriften zusammen mit Sidonie lesen. Sie träumt von Kleidern, von Stickereien, von einer gestickten Dahlie.

Da Sidonie sich ständig kratzt, befiehlt die Königin Rosenholzwasser zu bringen und liebevoll massiert sie damit der Vorleserin den flohzerstochenen Arm. Das erbittert die Kammerzofe, darüber wird noch geredet werden müssen, dass sie sich kratze vor der Königin. Aber die Unterkünfte fürs Personal im riesigen Schloss sind nun nicht gerade erster Klasse, auch Ratten gibt es hier.

Der Gondoliere Paolo bezirzt alle Frauen, und will ihnen seinen Cazzo zeigen. Sidonie weiß nicht mal, was das Wort bedeutet. Ein Hofgespräch sind die 80 Desserts, die es eben beim Kardinal gegeben habe (die Bastille dürfte schon gestürmt worden sein). Der Hoftratsch, dass der König um zwei Uhr nachts geweckt worden sei, verursacht einen Aufruhr beim Hofstaat, der sich oft wie eine irre Herde in den Gängen von Versailles drängelt.

Sidonie kommt das alles wie ein Traum vor. Dieses Leben in der fast hermetischen Hofgesellschaft. Aber sie ist ja auch eine Privilegierte. Sie stickt ab und an mit der Stickerin und wird die Dahlie für die Königin selbst sticken.

Eine der Figuren am Hofe, die sich eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt haben ist Moreau, der Bibliothekar, der bis an sein Lebensende, Revolution hin oder her, sich Notizen machen wird.

In die Adelige Gabrielle de Polignac ist Marie-Antoinette, die schon zwei Kinder hat, unsterblich verliebt. Auch um dieses Verhältnis herum bilden sich Hofintrigen.

Wie die Revolution der feinen Hofwelt immer näher auf die Pelle rückt, wie sich erste Absatzbewegungen vom Hofe und vom König zeigen, kommen die Charaktere von so manchen Hofschranzen unverhohlen an den Tag, wie sie sich teure Kostbarkeiten untern Nagel zu reißen versuchen.

Wie sich Marie-Antoinette selbst mit Fluchtplänen nach Metz trägt und man schon zu packen beginnt, die Edelsteine müssen aus den Fassungen gerissen werden, dann brauchen sie weniger Platz; da bittet Marie-Antoinette Sidonie, die anstelle der sich erhängt habenden Stickerin die gewünschte Dahlie gestickt hatte, dies aber verleugnete, gebeten, sie möge, verkleidet als die Polignac mit Polignac und ihrem Mann, diese verkleidet als Zofe und Page, in die Schweiz fliehen.

Auf dieser Kutschenfahrt passiert man kurz die Revolution. Am Strassenrand taucht flüchtig eine widerliche Fratze mit Kapuze auf, die das Zeichen des Halsabschneidens macht.

Im Schloss zirkuliert bald nach dem Sturm auf die Bastille die Liste mit den 286 Köpfen, die rollen sollen auf. Blut war bislang allerdings nur an den Kratzwunden von Sidonie zu sehen. Dem Zuschauer Einblick in eine weitgehend bekannte historische Situation zu geben aus ungewöhnlichem Blickwinkel, meisterhaft geschildert; und der weiß um den Aufruhr in der Stadt, kennt die Revolutionsbilder von Gemälden und Filmen zur Genüge und ist fassungslos über dieses merkwürdige Personengefüge der Abhängigen, das sich um die Macht gebildet hat und zu wissen, wie endlich diese Macht sei und sich fast zu freuen, was mit all den Wichtigtuern und Hofschranzen beim Zusammenbruch der Macht passiert.

Wir haben es seit einem Jahr nachrichtennah miterlebt, Tunesien, Ägypten, Libyen, wie lange bleibt Assad noch. Oder ich sehe auch diesen Hofstaat um die 300 Millionen Subvention beim Deutschen Film herum; wie die Leute sich Zugang zu verschaffen suchen zu den wichtigen Geldgebern, das Getue und Gerede um die sogenannt Wichtigen. Dabei ist alles eine aufgeblasene Sache, möglich nur dank dem Wohlwollen des Staates, der dummerweise dabei noch primär an Wirtschaftshilfe denkt, und wie so ein Kino zustande kommt, was keinen interessiert, wie Popanze aufgeblasen werden, die kaum fiele die Förderung weg, in Nichts zusammenkrachen würden, so wird hier grandios sowohl der Hofstaat, seine Aufgeblasenheiten und Mechanismen wie auch dessen panischer Zusammenbruch geschildert. Zur These der deutschen Film-Fernsehlandschaft als eines aufgeblasenen Hofstaates fand sich in der FAS vom Pfingstwochenende ein passender Abschnitt in einem Interview von Jakob Buhre mit Katrin Sass, der damit endet: „Was die für Bücklinge machen, um die Karriereleiter hochzukomen, da wird mit zum Teil kotzübel“ (vorausgegangen ist die Frage nach der Einflussnahme (und nach der Quote), und dass darüber nicht offen geredet werden dürfe … „Und wenn mir mal jemand aus dem Westen sagt „bei Euch war ja jeder Dritte bei der Stasi“, dann denke ich, man könnte das Ganze doch mal umdrehen. Wer heute vom kleinen Aufnahmeleiter zum Produktionsleiter seine Karriere macht, da sind Leute dabei, wo ich denke: „Du wärst der  Erste, der für die Stasi gearbeitet hätte.“ Was die heute für Bücklinge machen, um die Karriereleiter hochzukommen, da wird mir zum Teil kotzübel“.)

Bulb Fiction

Das Gütesiegel für die Recherchequalität haben diesem Film des Österreichers Christoph Mayr unfreiwillig einige der Großen der Lichterzeugung und des Geschäftes mit dem Licht gegeben: Osram, Philips, Vito, ELC. Sie alle haben, so steht es im Abspann zu lesen, Interviewwünsche von Christoph Mayr für diese Dokumentation abgelehnt. Aus unguten Gründen, wie zu vermuten ist, weil sie wohl nicht allzu viel Licht in ihre Lichtgeschichten bringen wollen.

Osram, Philips, Vito, ELC waren offenbar auch nicht bereit, das Gegenteil seiner Behauptung zu beweisen, dass die EU-Verordnung zur Einführung von Energiesparlampen einzig das Resultat der Lobbyarbeit der Lampenindustrie und zu ihrem Nutzen und zum Nachteil des Verbrauchers sei.

Nicht nur, dass das mit Demokratie nichts mehr zu tun hat, sondern diese EU-Verordnung zu Einführung von Energiesparlampen gefährde auch noch die Gesundheit der betroffenen EU-Mitbürger. Denn in den verordneten Energiesparlampen ist hochgiftiges Quecksilber drin. Was nicht nur ein Entsorgungsproblem darstellt. Es stellt ein ernstes Gesundheitsproblem dar, besonders wenn eine der Lampen zerbricht, während sie brennt.

Ein solcher Unfall mit einer von der EU verordneten Energiesparlampen ist für Christoph Mayr der emotionalen Ankerpunkt für den Zuschauer. Mayr fährt ins bayerische Land zum Buben Max, dem alle Haare und die Augenbrauen und Wimpern ausgefallen sind, nachdem eine brennende Energiesparlampe zu Brüche gegangen ist, so was kann nun wirklich jedermann und überall passieren, und der Bub muss Quecksilber inhaliert haben. Wie die Folgen des Unfalles offenbar wurden, hat die Familie eine Ersatzwohnung gesucht.

Die Frage, die Mayr in Brüssel stellt, ob das der Sinn dieser neuen Verordnung sei, die Familie zu gefährden, um die Erde zu retten. Gegen einen solchen Unfall gibt es tatsächlich ein Sanitätskästchen, das alle Utensilien zur Bekämpfung eines Quecksilberaustritts enthält. Es kostet 130 Euro und einige Teile sind zum einmaligen Gebrauch bestimmt. Es erinnert an Atom-Dekontamination.

Andererseits hantieren in Indien in Kleinbetrieben Angestellte mit zerbrochenen Energiesparlampen und recyceln sie ohne besondere Schutzvorrichtung und ihnen scheint nichts zu passieren. Ist also der Fall von Maxi übertrieben? Ein Spezialist aus Konstanz, der lässt, und das muss er sicher aus Gründen der wissenschaftlichen Seriosität, durchaus offen, ob es andere Einflüsse gebe und ob bei Maxi eventuell eine bestimmte Veranlagung für den Haarausfall verantwortlich sei. Es ist aber nicht nur der Haarausfall, zusehends kriegt er auch Zitteranfälle, so dass er beispielsweise den Frühstückskakao verschüttet.

Bei Günter Oettinger, dem zuständigen EU-Kommissar, wird Mayr mit der faulen Ausrede abgefertigt, die Verordnung habe sein Vorgänger zu verantworten.

Eine besonders aparte Reaktion auf diese EU-Verordnung hat Rudolf Hannot, der Erfinder des Heatball. Der lässt in China die hier inzwischen verbotenen Glühbirnen herstellen und deklariert sie als Heizkörper. Was sie ja auch sind. Allerdings hat die EU eine Sendung dieser „Heizkörper“ an der Grenze beschlagnahmen lassen. Wegen der von der Lampenindustrie betriebenen höchst fragwürdigen, garantiert nicht bis zur Entsorgung des Quecksilber durchdachten Energiesparlampenverordnung.

Hannot sieht die Produktion seiner Heatballs als Nonprofit-Kunstprojekt. Vielleicht sollte ihm ein Museum zur Hand gehen und diese Heatballs (mit anschließendem Abverkauf) ausstellen; vielleicht gibt’s dafür eine Einfuhrgenehmigung. Hannot ist hartnäckig und gibt sich nicht so schnell geschlagen.

Zum Film ist vom Kinostandpunkt aus zu sagen, schade, schade, dass er zwar in einem Irrsinns-Tempo mit häufig auch schnellen Fahrten zwischen den Rechercheorten ein Riesenpensum an Interviewpartnern und Positionen und Erkenntnissen und Informationen reinpackt in die 90 Minuten; dass aber wenig dafür getan wurde, den Film als eine im Kino spannende Geschichte zu entwerfen. Dafür wäre vermutlich ein nachdrücklicherer Focus auf eine Sache, sei es die Lobby in Brüssel oder alles um den Maxi in Bayern als Kern für eine möglicherweise auch kinostarke Geschichte, die dann umso massenwirksamer werden könnte, sinnvoll gewesen.

Aber auch so, ein wichtiger Film, wie denn überhaupt das Genre des recherchierenden umwelt- und antibürokratieengagierten Dokumentarfilmes, der sich die Machenschaften großer Konzerne vornimmt, die bis in die Politik hinein ihren eigennützigen Einfluss geltend machen und sich unter Inkaufnahme brutalster Opfer wie eine Krake ausbreiten, immer wichtiger wird. Film kann vermutlich mehr Unabhängigkeit riskieren als reines Fernsehen.

Buck

Eine Dokumentation über den Pferdeerzieher Buck Brannaman. Er selbst war Vorbild für den Roman „Der Pferdeflüsterer“ und hat auch bei den Dreharbeiten zu dessen Verfilmung durch und mit Robert Redford mitgewirkt. Davon sind hier kleine Ausschnitte zu sehen.

Die Bilderwelt in diesem Film ist traumhaft wildwesthaft. Von den schönen Landschaften über die Pferdekoppeln, Lassoschwingen, Cowboyhüte, Cowboylederhosen, Jeans, aber auch die Trailer und die Pferdeanhänger. Viele Bilder auch von den Kursen, die Buck gibt. Er ist mit einem am Kopf befestigten Mikro ausgestattet, so dass die Teilnehmer mit ihren Pferden, die sich im Kreis um ihn herum versammeln, ihn auch verstehen. Das ist sein Lebenserwerb, mit dem Trailer und einem oder zwei Pferden von Ortschaft zu Ortschaft zu tingeln und die viertägigen Kurse, die „Clinics“, zu geben.

Die inhaltliche Seite dieses Filmes ist von weit härterer Natur. Denn Buck ist nicht einfach nach dem Prinzip, na, nun wähl ich mir mal nen Beruf aus, zu diesem Job gelangt. Er erlebte in seiner Jugend brutale Gewalt durch den Vater, er und sein Bruder.

Der Vater hat die Buben, praktisch kaum dass sie stehen und gehen konnten, schon zu Shows mit dem Lasso eingesetzt. Und immer wieder wurden sie geschlagen. Ein Weggefährte erzählt von einer Situation, in der die beiden Kids sich zum Duschen ausziehen sollten. Das wollten die nur widerstrebend. Denn ihre Körper waren voll von Striemen, Zeugnissen von Misshandlungen.

Eindrücklich ein Bild von einem der ersten Fernsehinterviews, das sie noch ganz jung gaben, die Jungs im Spotlight zu sehen und gleichzeitig zu wissen, wie ihr familiärer Background ist. Die Kids sind später ihrem Vater weggenommen worden und kamen in eine Familie, die sich ihren Lebensunterhalt mit Pflegekindern verdiente, denn die hatten sehr viele davon.

Buck hat seine jugendliche Leidenszeit positiv umgemünzt in eine Passion fürs Leben. Er hat seine Philosophie über das Spiel zwischen Mensch und Pferd immer weiter ausgebaut und sieht auch heute noch sein Leben als ein ständiger Lernprozess. Oft geht es eher darum, dass das Pferd etwas über den Menschen lernt. Aber selbstverständlich muss der Mensch dem Pferd auch Respekt beibringen. Das geht nur über Konsequenz des Verhalten und sicher nicht mit Gewalt.

Ein eindrückliches Beispiel über ein verzogenes Pferd kann der Zuschauer live miterleben. Eine Frau hat sich damit zum Kurs von Buck angemeldet. Es ist ein psychopathisches Pferd. Das muss bei der Geburt unter Sauerstoffmangel gelitten haben. Sei dann aber von der Besitzerin aufgenommen worden, die bereits 18 Hengste in ihrem Besitz hatte, was Buck zu einer galligen Bemerkung veranlasst. Die Frau scheint ziemlich gestört zu sein. Sie habe das Pferd in ihrem Haus mit der Flasche groß gezogen und muss es vollkommen verzogen haben. Ein einziger Mann kann dieses Pferd überhaupt an der Leine führen. Wir sehen, wie es selbst vor diesem den Respekt verliert und in einem Moment der Unaufmerksamkeit ihn anfällt und in die Stirn beißt. Blutig. Buck hat dieses Pferd einen Psychopathen genannt. Es musste eingeschläfert werden.

Sein Thema ist die Erziehung zum Respekt.
Sätze: man soll niemals Verachtung für ein Pferd zeigen.

Vom dramaturgischen her: es ist sicher schwierig, aus 300 Stunden Material einen 88 Minuten Film zu machen. Inhaltlich ist aber das Pulver praktisch von der ersten Sätzen an schon verschossen. Die Doku zeichnet also nicht etwa die Entwicklung, die Buck durchgemacht hat als eine Spannungsgeschichte nach, sondern illustriert Hintergrund und Lehre von Buck in verschiedenen Varianten.
Ein Lehrfilm zur Erziehung von Mensch und Pferd.

Cindy Meehl hat diese Dokumentation über dieses aufregende Thema gemacht.

1453 – Die Eroberung von Konstantinopel

Jetzt auch in deutscher Synchronisation im Kino. Stefe sagt: „Türkisches Monumentalkino, was sich international sehen lassen kann; hier sind allerdings die Christen die Bösen.“ Seine Review gibt’s bei uns schon seit Februar.

Moonrise Kingdom

Den Titel dieses Filmes von Wes Anderson, der mit Roman Coppola zusammen auch das Buch geschrieben hat, haben die beiden ganz jungen Protagonisten Sam und Suzy mit Steinen auf den kleinen Sandstrand der Bucht ihrer Liebe geschrieben.

Es sind dies die 12jährige Suzy Bishop und der gleichaltrige, wenn auch noch nicht so weit entwickelte Sam Shakusky, die beide abgehauen sind, sie von zuhause und er aus dem Pfadfinder-Camp und sie haben sich hier ihren ersten, keuschen Kuss gegeben, da kam auch noch Sand dazwischen.

Diese Liebe, die so ahnungsvoll schön, gleichzeitig für die beiden auch selbstverständliche und nötig gewordene Entdeckungsreise ist, ist eingebettet in einen größeren gesellschaftlichen und naturhaften Kosmos.

Mit der Schilderung des gesellschaftlichen Kosmos auf der kleinen Insel fängt Wes Anderson an. Der Film spielt im Jahr 1965. Symbol für diese geregelte, fast geometrische, enge Welt ist die Familie Bishop. Selbst die Kamera fährt nur gerade Linien durch die Flure des Hauses. Bleibt vor den einzelnen Zimmern stehen. Lässt die Bewohner gewähren, die Buben spielen und Töchterchen Suzy sucht mit dem Fernglas die Gegend ab. Gleichzeitig gibt es gesprochenen Text über Musik, über Benjamin Britten und Purcell, darüber was eine Variation sei, dass der eine Komponist ein Thema des anderen vielfältig variiert habe.

Die Frage, welches Thema Wes Anderson mit seinem Film variiere.

Ein anderer Teil des gesellschaftlichen Kosmos dieser Insel an der amerikanischen Ostküste ist ein Pfadfinder-Camp. Auch hier ist die Organisation geometrisch. Und rhythmisch. So wie auch die Kamera diesen Rhythmus, diese Ordnung und Regelung übernimmt.

Aus diesen strengen Geflechten bricht nun die junge Liebe zwischen Suzy und Sam aus. Sam ist im Pfadfinder-Camp. Seine Eltern sind gestorben und er lebt bei professionellen Pflegeeltern. So wie die Ordnung auf der Insel streng ist, so zielbewusst und genau hat Sam den Ausbruch aus dem Lager und das Abhauen mit Suzy geplant. Ganz raffiniert hat er sein Zelt von innen abgeschlossen, ein Loch in die Wand geschnitten und auch noch ein Papier davor gehängt. Sie sucht ihn mit dem Feldstecher. Auf freiem Feld treffen sie sich. Er ist ausgerüstet wie ein Abenteurer, ein Trapper mit Pelzmütze mit Fuchsschweif, Tabak-Pfeife, Tornister und Gewehr. Suzy dagegen stöckelt in den Sonntagsschulschuhen mit einem Köfferchen, einem Körbchen mit ihrer Katze und Dosen mit Katzenfutter über die holprigen Wege.

Wie das Abhauen der beide entdeckt wird, löst das eine Kettenreaktion der Suche aus, Polizei und die Pfadfinder, die Eltern und die Medien machen sich auf den Weg, Spurensuche und Konfrontation folgen. Aber da legt Sam das Gewehr an, legt ein Holzstück vor sich auf den Boden und sagt, bis zu diesem Holzstück und nicht weiter. Gleichzeitig bedroht Suzy die Verfolger mit ihrer Linkshänder-Schere. So können die beiden nochmal entkommen und erreichen ihre Liebesbucht.

Aber nicht nur die ganze Menschenwelt scheint sich gegen eine solche absolut extraordinäre und doch notwendige und selbstverständliche, und wie Wes Andersen die beiden Darsteller ausgesucht und mit ihnen gearbeitet hat, das allein ist ein Kinowunder, junge, ahnungsvolle Liebe zu vereinen, auch die Natur scheint sich dagegen zu verschwören, was schließlich ein grandioses Bild mit gebogenen Kirchturm und drei Figuren, die wie Scherenschnitt-Figuren oder es könnte auch aus einer Zeichnungen aus Max und Moritz von Wilhelm Busch entstammen, an einem Seil daran hängen.

Die Pfadfinder-Camp-Szenen erinnern in der Machart stellenweise an den wundervollen französischen Film „Krieg der Knöpfe“. Merkwürdigerweise kommt mir der Film mit der Wendung gegen Ende hin, mit dem Einsatz der Naturgewalt gegen Menschenschicksal wie eine Erinnerung an ein Ibsen-Drama vor. Der wie ein Puppenheim, Titelvariante des Dramas „Nora“, mit einer Puppenstube anfängt, und sich ins Dramatische wendet. Auch hier sind die ersten Schilderungen der Milieus puppenstubenhaft, nie niedlich, aber durch die geometrisch-räumliche Stilisierung, auch die rhythmische Stilisierung an eine künstlich ausgestellte Puppenstube erinnernd. Eine Welt, die den Eindruck erweckt, dass der Mensch sie im Griff haben will und er auch das Gefühl hat, dass er sie im Griff habe, was zwar eher nicht stimmt, nehmen wir die Bishops beispielsweise, der Vater ist Anwalt, aber seine Frau hat Dates mit dem Polizisten. Der Vater möchte wohl deshalb einen Baum fällen, so läuft er denn mit nacktem Oberkörper und einer Axt gerne aus dem Haus raus.

Aus Distanz besehen vielleicht sogar ein Drama, das Schicksal einer jeden Liebe, einer jeden Blüte, es gibt einen, vielleicht nur einen einzigen, kurzen Moment, da ist sie traumhaft, da ist sie groß und frei, aber selbst da findet sie in einem Raster nach strenger Vorgehensweise von Field Mate Sam statt, auch das Picknick, was die beiden veranstalten kann bürgerlicher und organisierter nicht sein. Das organisierte Glück.

Das Buch „Coping with the very troubled Child“, kommt im Film vor. Der Film ist vielleicht auch eine Nachzeichnung eines Weges der Transformation. Schönes Bild auch, wenn Sam Suzy zwei selbstgefertigte Ohrringe, getrocknete Käfer an einem Angelhaken, durch die Ohrläppchen sticht. Und die Margeriten, die sie im Haar hat, fast so schön wie die Primavera vom Botticelli. Sie tanzen zur Musik aus dem Plattenspieler am Meer, leicht ungelenk, ein Moment des Nichtorganisierten, nicht Perfekten – und wie schwer sie sich damit tun, vielleicht einer der freiesten Momente. Der Moment der Liebe im Leben scheint kurz und die gesellschaftliche und naturgeschichtliche Umrandung, Vorbereitung und Verhinderung, Abtötung, lang. Eher eine melancholische Geschichte, mit vielen wunderschönen Momenten erzählt.

Act of Valor

Was wohl die Verleiher geritten haben mag, diesen Film hier ins Kino zu bringen? Glauben sie, es gebe so viele Deutsche, die scharf sind auf amerikanische Antiterrorkriegspropagandastreifen, die eine einzige Lobhudelei auf den Mut, den Valor, der „Seals“, einer Elitetruppe der US-Army, sind? Der Film schildert einen Einsatz einer Gruppe von Seals, der als Routineangelegenheit anfängt, sich verkompliziert und mit einem „Act of Valor“, mit einer Heldentat, den Höhepunkt erreicht.

Schon bei „Black Hawk Down“ (der sicher der beachtlichere Film war), sind sie baden gegangen, die Verleiher, weil es sich um reine Propaganda handelte. Und auch dem „Battleship“ geht noch vor Erreichen der Millionengrenze an Zuschauern allmählich die Puste aus; in diesem Film gibt’s immerhin einen Trottel, der zum Helden wird und wenn die blinden, lahmen und zahnlosen Veteranen nochmal ran müssen, so ist das wenigstens eine Gaudi und ein bisschen eine Geschichte.

Nichts davon in „Act of Valor“. Das ist bierernste Schönmalerei der Seals-Aktivitäten, ohne Humor, statt einer Geschichte Vorzeigen eines erfundenen Modellfalles, der sich noch zusätzliche Wahrhaftigkeit und Legitimation zu verschaffen versucht, indem die Truppe der Hauptdarsteller „echte“ Seals seien, wer weiß, wieviele Menschenleben die schon auf dem Gewissen haben. Im Abspann wird nochmal versucht, diese Wahrhaftigkeit zu zementieren mit Fotos aus den Privatalben der Beteiligten.

Propaganda ist der Film, indem er dem Kriegshandwerk die schönsten Seiten abzugewinnen versucht. Indem er zeigt, wie sorgsam die Amis ihre so verrufenen Raids ausführen, wie sie hier in Mexiko in ein Zimmer mit schlafenden Frauen eindringen und behutsam diese gar nicht aufwecken und leise den Raum wieder verlassen.

Sowieso findet hier der Krieg oder der Einsatz meist vor herrlichsten Sonnenauf- oder -untergängen statt. Wie aus einer Zigarettenwerbung könnten die Bilder sein, für ein Abenteuerunternehmen, wenn ein Helikopter vorm Sonnenuntergang und das Schiff mit den Soldaten und Verwundeten aus dem erfolgreichen Einsatz unten angehängt über einer schönen Landschaft entschwebt. Für so einen Krieg gehen wir meilenweit.

Der Film zeigt ferner, wie nützlich und hilfreich für so einen Einsatz doch die mörderischen, heimtückischen Drohnen sind.

Die Terroristen spielen in ihrem teuflischen Labor, in dem sie höchst gefährliche Selbstmordattentäterjacken mit 500 eingenähten Keramikkügelchen herstellen, Mendelssohn, nein: Brahms.

Um eine geplante Selbstmordattentatserie mit diesen verheerenden Jacken zu verhindern, brauchen wir die Helden unserer Seals-Truppe. Kügelchen und Attentatsplan sind eine rein hypothetische Drehbucherfindung, Fiktion. Die Seals aber sollen echt sein. Auf der einen Seite wird also erfunden, was das Zeugs hält, auf der anderen Seite wird Ernsthaftigkeit und Realiät vorgegeben, nicht nur durch die Besetzung der Seals mit Originalsoldaten, auch beim Begräbnis des Helden, der den Act of Valor begangen hat, wird dokumentarische Realität des Zeremoniells behauptet, dass es einem Europäer ob all dem Heldenverehrungsgetue fast den Magen umdreht. Ganz zu schweigen vom haarsträubenden Abschiedsbrief, den der Held seinem Sohn hinterlassen hat.

Die Fotografie versucht, wie wir es aus der Automobilwerbung gerne kennen, das Objekt, das mit diesem Film beworben werden soll, aufs Schönste zu präsentieren, vor aufregend schönen Landschaften, Flüssen, Meer, Hügeln, Wald, warme Lichtquellen hinter Fluren; Produkt- und Werbefotografie und von den Naturaufnahmen her stellenweise geeignet für National Geographic.

Ein stimmungsvoller bis triefend sentimentalischer Imagerettungsversuch für die US-Army-Seals, allein wie ruhig die Landung bei ihrem ersten Einsatz vor sich geht, wie malerisch die geschwärzten Gesichter wirken, wie leise die Kommunikation vonstatten geht, wie schön die Natur, in der das alles stattfindet, wie eindrucksvoll, wenn so ein Soldat geräuschlos aus dem Wasser auftaucht, mitten in den herrlichsten Naturlichtspielen; und die Soldaten sehen gar nicht so martialisch aus, wie man sie von den Afghanistanbildern her kennt. Wir lernen auch die segensreiche Wirkung von tragbaren Raketen kennen. Fast im Gegensatz zu den schönen Aufnahmen, hören wir den Satz „Das ist ein harter Rückzug“ und einer meint „was für eine Scheiße“. Dann wieder Schiff und Helikopter vorm Abendhimmel. Ein Kalenderfotografiefilm. Etwas altmodisch vielleicht. Chromatographie am Rande des Kitsches.

Der Film kommentiert sein erstes Kapitel selbst, denn einer sagt, das sei eine „standardmäßige Geiselbefreiung“ gewesen; die geht nämlich, so haben wir gesehen, zwar nicht ohne größere Probleme, aber die sind alle lösbar und so endet dieser Einsatz erfolgreich.

Menschenjägerfilm. Propagandafilm und Legitimationsversuch für das amerikanische Menschenjägertum.

„Zum Glück wars ein Blindgänger, sonst hätten wir uns noch weh getan.“
Malerischer Christo alsTerrorchef auf Yacht mit Bikini-Schönheiten.

Aufforderung an die Selbstmörderin: „Jetzt musst Du es machen, Du triffst Deinen geliebten Mann im Himmel.“ Unter Tränen drückt die Frau den Auslöser; die Folge: ein Feuerball schön wie ein Hiroshima en Miniature, so gefährlich sind diese Terroristen.

Der Act of Valor, um den es hier geht, der soll allerdings nicht gespoilert werden. Auf ihn folgt Süßmusik.

„Dein Vater war ein guter Mann.“ „Die Regeln, die aus Deinem Vater gemacht haben, was er war, werden auch aus Dir einen guten Mann machen“.

Für dieses Propaganda-Werk haben sich hergegeben: Kurt Johnstad als Autor und Mike McCoy und Scott Waugh als Regisseure.

Ein ruhiges Leben

Rosario betreibt seit 15 Jahren in der Nähe von Wiesbaden mit seiner Frau ein italienisches Restaurant. Sie haben einen neunjährigen Buben. Sie führen, wie der Titel sagt: ein ruhiges Leben. Für Rosario ist das allerdings das Leben nach seinem Leben, ein Zusatzleben. Er hat in Italien eine ziemlich düstere Vergangenheit und viele Feinde. Er liess die Nachricht von seinem Tod verbreiten, ist untergetaucht und hat in Wiesbaden dieses ruhige Leben aufgebaut.

Wie sichs für so eine Exposition gehört, wird sein vermeintlich begrabenes Leben in seinem neuen Leben auftauchen, in den Personen von Diego und Eduardo, ersterer mit einem besonderen Bezug zu ihm. Diese haben in der Nähe einen mafiösen Auftrag zu erledigen.

Das ist alles keine Neuerfindung des Genres. Filippo Gravino, der Autor und Claudio Cupellini, der Regisseur, erzählen die Geschichte auch nicht so, als wollten sie uns unbedingt die ganz individuelle Geschichte von Rosario als einem Einzelfall und einzigartigem speziellen Individuum aufzeigen.

Claudio Cupellini tut eher so, so ist mein Eindruck, wem auch immer zu belegen, dass er unter Regieführen versteht, Stimmung zu erzeugen. Stimmung, die vermuten lässt, dass etwas in der Luft liegt. So mischt er schon in der ersten Szene Naturstimmungen, Jäger auf Wildschweinjagd, immer aquarellen aufgenommen die Natur, die Blätter, der Wald, die Borke und dann wieder Autoreifen, Stiefel, Knarren, Männerbewegungen. Eine aparte Mischung, aber noch nicht angetan, auf eine Geschichte neugierig zu machen.

Man fragt sich erst mal, worum wird es hier gehen? Also irgendwie doch ein bisschen neugierig gemacht. Die Figuren werden zwar gut geführt, sie spielen auch gut, aber es kommt mir vor, als versuchten sie alle, dem Genre zu genügen, es atmosphärisch rüberzubringen. Das erweckt über große Strecken den Eindruck eines sehr sorgfältig gemachten Fernsehspiels. Bleibt einem irgendwie fremd. Der Zuschauer bleibt distanziert. Im Grunde ist ja alles vorhersehbar. Aparte Präsentation von Vorhersehbarem.

Der Film erweckt den Eindruck, als hätte sich der Regisseur die Aufgabenstellung zu eigen gemacht: erzeugen Sie mit nicht besonders originellem, eher abgestandenem Plot, Krimiatmosphäre. Das hat er prima gelöst. Wenn ich Produzent wäre und ein gutes Buch hätte, das nach atmosphärischer Verfilmung schreit, ich würde auf jeden Fall Cupellini als einen möglichen Regisseur auf meine Liste nehmen. Die nicht besonders inspirierte Story wird sozusagen in einer Art Sterilstudio mit reiner Krimiatmosphäre angereichert , hat dadurch stellenweise etwas von einem Hochschulabschlussfilm, aus den erwähnten Gründen. Ein akademisches Konstrukt.

Janosch – Komm, wir finden einen Schatz

Einen Schatz suchen und über das Erlebnis des Abenteuers Freunde finden, das ist schon mal nicht schlecht und da kommt es gar nicht so darauf an, was am Ende mit dem Schatz, einem richtig schönen Seeräuber-Goldschatz, passiert.

Jochen Gummibär hat insofern ein Problem, als er zwar Gummibär heißt, aber eigentlich ein Hase ist und um in diesem Zwiespalt nicht so allein zu sein, Freunde sucht. Er lebt in dem wunderschönen Janoschland, das einen Wegweiser nach Panama hat. In diesem Land leben ganz gemütlich der Bär und der Tiger. Ihr oberstes Glück ist die Häuslichkeit. Gerne fahren sie in einem Boot zum Angeln. Und wenns den Bären an der Nase juckt, so ist es, wie er glaubt, garantiert kein Schnupfen, der sich ankündigt, dann, so ist er hundertprozentig überzeugt, wird er gleich was ganz Besonderes angeln.

Und in der Tat angeln er und Tiger, der gerne ein Holztigerentchen hinter sich her zieht, eine große Kiste. In der Kiste ist eine weitere Kiste und darin noch eine und noch eine. Und in der letzten ist ein kleines Holzmodell eines Segelbootes und als Segel dient eine zusammengefaltete Schatzkarte. Jetzt könnte man sich in Ruhe aufmachen, den Schatz zu suchen.

Nun leben aber in diesem herrlich-fröhlich-bunten Janosch-Land auch noch Gokatz und Kurt. Die vertreiben sich die Zeit mit Großtun und Bienenwerfen. Diese schleudern sie in gestreckter Form mit dem Stachel wie einem Pfeil voran in eine Zielscheibe. Gokatz hat auch ein Auto, das so zu manchen Kapriolen fähig ist, die lustig an frühe Disneyfilme erinnern; blinde Maulwürfe sollten sich vor solch rasenden Fahrzeugen hüten.

Gokatz und Rosa kommen nun dahinter, dass Tiger und Bär eine Schatzkarte haben. Sie wollen sich diese unter den Nagel reißen. Dem Jochen Gummibär haben sie inzwischen weisgemacht, wenn er sich an der Schatzsuche beteilige und den Schatz finde, dann werde er Freunde finden.

Jedenfalls sind jetzt die Voraussetzungen für eine wunderbare Abenteuer- und Entdeckungsreise inklusive Verfolgungsjagd geschaffen. Es gibt Schneeballschlachten, die die Kinder besonders amüsieren, oder die Überquerung des gefährlichen Tintensumpfes, hier sind sowohl Taktik, List als auch artistisches Geschick gefordert, um den Krokodilen nicht zum Opfer zu fallen. Im Schiff im ewigen Eis schließlich, wo sich der Schatz befindet, da ist keine normale Lebenslage möglich, denn das Schiff steckt im Eis fest wie das Kreuzfahrtschiff Costa Concordia im Mittelmeer vor Italien. Auch das ist für die Kinder besonders lustig, wenn es dem Bär, dem Tiger oder Jochen Gummibär immer wieder nicht nur den Boden unter den Füssen wegzieht – das ist doch irgendwie auch ein Sinnbild für die Situation des Aufwachsens und Stehens und wieder Hinfallens und Trial und Error bis man die Dinge gerafft hat und wenn dann sogar noch Gegenstände aus Schränken und Schubladen über die Akteure kullern, da kennt das Vergnügen der Kleinen im Zuschauerraum keine Grenzen.

Aber Gokatz hat die Verfolgung aufgenommen und es wird nochmal sehr spannend und abenteuerlich und es braucht viel Einfallsreichtum der Abenteurer, bis alle wieder zuhause angelangt und dann endlich Freunde geworden sind.

Tiger und Bär, die vertreten von mir aus gesehen die guten Onkels von Kindern, die zwar am liebsten häuslich sind, mit denen man aber durchaus mal Pferde stehlen oder eben eine Schatzsuche veranstalten kann, und die nicht überall gleich den pädagogischen Zeigefinger ausstrecken müssen. Eine Verfilmung, die sich nicht vor dem Vorbild von Janosch zu verstecken braucht. Auch die Sprecher der Stimmen wurden ganz angenehm dem Charakter der Figuren entsprechend ausgesucht und haben etwas Vertrauenerweckendes.

Yellow Sea

Durch die Dauer von über zweieinhalb Stunden entsteht gegen Ende doch noch so etwas wie ein Kinogefühl. Das dürfte vor allem dem Hauptdarsteller geschuldet sein, der den Film trägt und immer interessant ist. Er hat einen stets wachen Blick, kann vom Bewegungsgestus her bald wie ein aufgeweckter Junge, bald wie ein Taxifahrer vom Lande wirken. Vor allem fasziniert er, und das wiederum ist dem Buch und der Regie von Na Hong-Jin zu verdanken, durch diese innere Autonomie unter der er zu handeln scheint.

Unser Protagonist, ein hochverschuldeter Taxifahrer aus China handelt zwar unter Auftrag. Um seine Schulden zu begleichen hat ihm sein Schuldner ein Angebot gemacht, illegal nach Südkorea einzureisen und dort jemanden umzubringen, das erstere eine offenbar gängige Praxis. Privat geht es dem Typen auch nicht gut. Seine Frau hat ihn verlassen, ist nach Südkorea abgehauen. Da es ihm wirtschaftlich wie menschlich beschissen geht, entscheidet er sich, das Angebot anzunehmen. Er, der nun nicht gerade ein Killer ist. Genau das wird den Reiz seiner Küchenmesserkämpfe in Südkorea ausmachen.

Nach vielen Impressionen aus China, wie er Taxi fährt, wie er spielt und verliert, gibt es Eindrücke von der illegalen Überfahrt; dicht gedrängt hocken sie im Schiffsbauch und unser Protagonist mitten unter ihnen, in einem kahlen, grauen, großen Schiffsbauch schaukeln sie über die See.

Mitten in der Nacht werden die Leute brutal geweckt und praktisch vom Schiff in zwei wartende Schlauchboote gestoßen. Die meisten springen erst ins Wasser und klettern dann in die Schlauchboote. Eine Person ist im Schiffsbauch gestorben, man sieht von einem der sich entfernenden Schlauchmotorboote aus, wie ein Körper ins Wasser geworfen wird.

Unser Protagonist ist gut ausgestattet mit Geld und Papieren. Und sieht sich in Seoul um. Er findet eine bescheidene Unterkunft. Er beobachtet sein ausersehenes Opfer. Das hat ein bestimmtes Ritual mit Heimfahrt in der Schwarzen Limousine. Mit dem Lift hochfahren in den 4. Stock. Es gehen Flurlampen an und später wieder aus, die an Bewegungsmelder angeschlossen sind. Das wird sehr schön und klar im Film gezeigt.

Er macht sich in seinem Zimmer Notizen. Da hängt auch ein Kalender, denn genau zehn Tage später ist die Rückfahrt für ihn geplant. Einmal ersticht er erfolgreich sein Opfer. Das ist aber ein Traum gewesen. Er kann das in dem Moment tun, wo der Fahrer auf das An und Aus der Lampen im Treppenhaus achtet, dazu muss er sich an einer bestimmten Stelle verstecken.

Dann macht er sich auf die Suche nach seiner Frau. Vorher hatte er übrigens, das hat ihm einer geraten, eine Mütze gekauft, weil er mit seiner chinesischen Frisur sofort als Illegaler erkennbar wäre. Mit dieser Mütze sieht er recht cool aus.

Dann ist er wieder vorm Gebäude seines Opfers, auch das wurde von den Location Scouts gut ausgesucht, es ist ein Gebäude, was so ein bisschen ausgewuchtet scheint, was recht einmalig ist und gut zu merken, eine filmische Qualität.

Dann folgt der definitive Mord. Und wer sich jetzt die Spannung an dem irgendwie doch bemerkenswerten Film nicht nehmen lassen will, der sollte tunlichst nicht weiter lesen.

Täter beobachtet zwei Individuen, die sich ins Haus schleichen und das Opfer in Kämpfe verwickeln, bis einer aus dem Fenster stürzt, direkt auf das Dach der Limousine, der Fahrer nix wie ins Haus und der Auftragskiller hinterher. Der findet sein Opfer nur noch tot und darf in koreanisch genüsslicher Manier, so wie sie genüsslich Schmatzen beim Essen, in einer längeren Sequenz, in der man nur sein Gesicht und seinen Bewegungen sieht, den Finger abzutrennen versuchen.

Doch da ist schon die Polizei im Anmarsch. Es folgt eine der üblichen Fluchtgeschichten. Wobei das sicher eine koreanische Originalität ist, wie 50 Polizisten hinter ihm her rennen und Polizeiautos dazu und wie er denen einfach entkommt, das macht schon was Superheldisches aus ihm, das attestiert ihm unheimliche Kräfte, diese Autonomie der Figur, die offenbar durch nichts aufzuhalten, noch zu bremsen noch vom Kurs abzubringen ist. Das sind fulminante Actionszenen, aber irgendwie wirken sie auch ein bisschen hausbacken, es fallen einem amerikanische Filme ein, bei denen doch viel durchgeknalltere Verfolgungsjagden stattfinden, zum Beispiel wie die Fast and Furios Five mit ihrem Autos schreddernden Tresor als Anhänger und der Jagd durch Rio.

Hier wirken die Polizisten immer auch ziemlich deppert und benehmen sich wie Kindsköpfe, unfähig, einen einsamen nordkoreanischen Wolf dingfest zu machen.

Ab hier etwa kommt mir die Chose doch sehr fernsehmässig vor und ich verstehe überhaupt nicht, wie manche Leute von Film Noir reden können oder vom besten Mafiafilm seit langem. Dafür ist doch die Konstruktion zu routiniert, wer da wem ins Gehege kommt. Und die Figuren, die verschiedenen Gang- und Polizeibosse bleiben mir zu wenig charakterisiert.

Der Film zieht sich und man fragt sich, was daran noch so spannend sei. Der Täter entkommt dem riesigen Polizeiapparat, erledigt noch diverse rivalisierende Gruppen, bis er ein Boot kidnappt und damit auf See sticht, wo er stirbt und vom Kapitän ins Meer gekippt wird.

So faszinierend ich den Schauspieler finde, irgendwie agiert er ins Leere. Die Gegenfiguren sind nicht spannend genug entworfen, das dürfte der Grund sein, dass es lediglich um Verfolgungsjagd geht und überhaupt keine Psychologie im Spiel ist. Eine oberflächliche Verfolgerei. Die dauert und dauert. Und sehr viel Gemetzel, was auf die koreanische Art vor allem mit Küchenmessern erledigt wird. Brutalität, die mir nicht viel erzählt.