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Zero Dark Thirty

Kino unter der Käseglocke oder im Dom für Antiterrorkriegsgläubige. Die von Bush Junior in Gang gesetzte Menschenjagd, dead or alive, nach dem Oberterroristen Osama Bin Laden nacherzählt in smarter zeitgemäßer Kinosprache als ein spannendes Räuber- und Gendarmspiel aus der Sicht einer breitlippigen CIA-Menschenjägerin. Die Regie führte Kathryn Bigelow. Das Drehbuch schrieb Mark Boal.

Den Oberbösewicht, der für den Anschlag von 9/11 verantwortlich ist, den erlebt man erst nach seiner Tötung. Da ist er längst ein alter, kranker Mann mit kaum mehr Einfluss auf die Terrorszene. Denn der Terror, der in Afghanistan mit einem Krieg bekämpft werden sollte, hatte sich bis dahin, 2011, längst in andere Winkel der Erde verzogen. Tötung ohne jede Wirkung auf die Sicherheit auf der Welt. Tötung einzig als Triumph für einen wahlkämpfenden amerikanischen Präsidenten, der auch Friedensnobelpreisträger ist. Hinrichtung eines kranken Greises a posteriori ohne jeden Gerichtsprozess. Insofern ein Film in den Wind hinaus.

Der Präsident wird auch zitiert, dass er ganz genau die Situation betrachte und analysiere. He is a thouroughful and analytical guy. Insofern ist dieser Film, der die Geschichte mit barer Münze und treuherzigen Blickes wiedergibt, ein verspätetes Wahlkampfgeschenk an den Menschenjäger und Friedensnobelpreisträger Obama.

Jessica Chastain spielt mit einem Blick, der Gewissenhaftigkeit und Betroffenheit ausdrückt, die CIA-Agentin, die sich hartnäckig auf die Spur des Terroristen-Hirnes setzt. Und die sehr spät erst, als die Stürmung seines Sitzes in Pakistan stattfindet, Erfolg hat, zu spät, denn für den Terrorismus war Bin Laden zum dem Zeitpunkt nicht mehr von Belang. Insofern scheint mir auch der Film von großer Belanglosigkeit zu sein, von schönster, aufregend unterhaltender Belanglosigkeit. Mit Locations in aller Welt, Langley, Bagram Air-Base in Afghanistan, Camp Champman in Khost, White House in Washington, Jalalabad, Mexiko, Kuwait (hier Disco und Lamborghini-Geschenk für einen heißen Tipp), London, Polen und wo auch immer der CIA seine Black Sites zur Folterung Verdächtiger angelegt hat.

Mit schön vorgeführten Foltermethoden. Aber die beiden Agenten, der Partner von Chastain, Dan und sie selbst, sie tun immer so, als haben sie ein schlechtes Gewissen dabei. Bei Verhören in Pakistan trägt sie brav ein Kopftuch. Ganz nette Folterer sind das. War ja auch alles gut gemeint. Im Sinne der guten Sache. Des guten Antiterrorkrieges.

Und schön brav, wie jene Inseratenkampagne in großen deutschen Zeitungen, die dem mangelnden Support der Deutschen für den bescheuerten Antiterrorkrieg, in dem Deutschland stupid mitlaufen sollte, begegnen wollte, die immer brav all die Anschläge mit x Toten rekapitulierten, so rekapituliert auch der Filme prominente Anschläge, London, Marriott-Hotel in Islamabad, Mexiko und in einem Militärlager in Afghanistan. Damit versuchend, die Wichtigkeit seiner selbst zu begründen. Denn für den, der nicht an die Sinnigkeit eines Antiterrorkrieges glaubt, das dürfte die Mehrheit der Deutschen sein, wirkt es doch etwas strange, so ganz ohne Distanz diese Geschichte nachzuerzählen, die Menschenjägerin zur Heldin zu stilisieren.

Was am Schluss ins Melodram ausartet, wie sie pathetisch am „Body-Bag“ steht, in dem die berühmte Leiche transportiert wird, wie sie da steht, als gedenke sie des Holocausts, als habe sie eine ganz große Mission erfüllt. Und hat doch nur einen kranken Greis zur Strecke gebracht. Diesen Leichensack mit dem toten, ermordeten Greis haben wir die letzte halbe Stunde schon ständig mit dickem Fingerzeig im Bild gesehen, da ist sie drin die Leiche vom Verbrecher!

Da hat der Film auch längst schon angefangen sich zu ziehen, sich selber in der Menschenjagd zu zelebrieren. Zäh wie das Zähneziehen, fast in Originalzeit wie es scheint, wird der Sturm mit den zwei Tarnkappenhelikoptern auf die kleine Festung, in der sich Osama zurückgezogen hat, gezeigt. Jetzt wohnen wir einer historischen Aktion bei. Sorry, wirklich lächerlich, wenn man sich bewusst macht, dass der Terror längst woanders Fuss gefasst hat zu diesem Zeitpunkt, dass er längst ohne Osama weiter wirkt. Eine halbe Stunde scheint mir dieser Sturm zu dauern, bei dem in lustiger Action ein Helikopter noch abstürzt an der Mauer zum Compound.

Dann muss mühsam eine Türe nach der anderen gesprengt werden. Verschüchterte Kinder und Frauen müssen im Zaum gehalten werden. Die Distanzlosigkeit und der biedere Versuch der Objektivität können meines Erachtens nicht verschleiern, dass so ein Projekt ohne massive Hilfe des Militärs oder des Geheimdienstes, ohne Einsicht in die Akten und damit gegenseitige Einsicht ins Drehbuch und vermutlich mit viel Geld aus dem Antiterrorpot gemacht werden kann. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.

Sätze von der Folter: he has to learn, how helpless he is. Your are a discgrace to humanity. When you lie to me, I hurt you. You can help yourself by being truthful. Your are not my friend. I can not give help to you, I break you (Vorbereitung zum Waterboarding). Und Obama beteuert am Fernsehen, dass es keine Folter gebe. Der Gefolterte zum Folterer: you are a midlevel guy.

Mich wundert, dass die Verleiher den Film in Deutschland ins Kino bringen wollen. Meines Erachtens fehlt hier der ideologische Boden für so einen Film. Und das Kino am Kino ist hier zwar meisterlich beherrscht, aber doch nicht so, dass dies schon Grund genug für Interesse sein könnte.

In einem Meeting beim CIA pathetisches Schuldbekenntnis unter dem Zwischentitel „Human Error“. In theatralischer Rede bekundet ein Beamter: we are failling… billions of dollars and no closer to the target.

Und noch eine kleine Werbung für die Drohnen: wie schön man doch mit denen das Anwesen, in dem Osama vermutet wird, aus der Luft beobachten kann. Nur weiß man nicht, ob er drin ist. Allerdings ist bei der entscheidenden Besprechung unsere süße, schuldbewusste, gewissenhafte Menschenjägerin 100% sicher. Ihre männlichen Kollegen sind es zu mindestens 60 Prozent. Das wird die Grundlage für den Befehl des Präsidenten, Friedensnobelpreisträgers und Menschenjägers zum Sturm auf das Anwesen. Dead or alive. Einer schickt ihm noch einen Todesschuss hinterher wie er schon am Boden liegt.

Lustiger Begriff aus einer Besprechung: Clust-Fuck. Vielleicht gilt etwas davon auch für diesen Film. Und am Schluss, wenn sie ihr Wild erlegt hat, lässt sich unsere Menschenjägerin ganz filmstarlike ablichten mit offenem Haar und Sonnenbrille.

Das wahre Drama von dieser Menschenjägerin ist doch, dass sie einen Mann zur Strecke gebracht hat, der längst keine Gefahr mehr weder für die USA noch für den Rest der Welt war. Da hätte ein echtes Drama draus werden können, statt nur ein nettes, auf Betroffenheit schielendes Menschenjägertum.

Willkommen in der Bretagne

Willkommen in der Bretagne“, soll wohl erinnern an „Willkommen bei den Sch’tis“ – ist aber eine garantiert vollkommen andere Baustelle.

Carhaix ist ein Provinznest in der Bretagne. Groß genug für eine Klinik und eine alte Steinkirche mit einem Turm, der für ganz andere Filme einsetzbar wäre. Aber auch in diesem Film macht er sich gut. Denn die Klinik arbeitet nicht richtig kostendeckend. Darum kommt aus Paris die Dame Catherine, die mit einem raunzigen Kunsthändler verheiratet ist. Die Dame soll Einsparpotential bei dieser Klinik erforschen.

In der Klinik stößt sie schnell auf einige Mitarbeiterinnen von der Entbindungsstation, Hebamme, Babypflegerin, die gerne Bowling spielen, denn eine Bowling-Halle gibt es in Carhaix auch. Schnell spielt Catherine im Bowling mit. Sie ist immer fein angezogen. Wenn sie auf einem Hof aus dem Auto steigt und da ist eine Pfütze, dann macht sie einen Siebenmeilenschritt drüber hinweg. Das kommt sehr lustig wie so vieles, was Marie-Castille Mention-Schaar, die Regisseurin, die mit Jean-Marie Duprez auch das Drehbuch geschrieben hat, direkt aus dem Provinzleben berichtet.

Gegen das lustig menschelnd-menschliche Bild von der Provinz wird als Negativ-Folie ein Bild von Paris gesetzt. Wie ein frisch-froher Werbespot, wie menschlich man in der Provinz doch lebe, wie man sich um einander kümmere, wie man gar nicht so viel dümmer sei als der Stadtmensch. Der Stadtmensch in unserem Film ist Catherine. Sie fängt schnell Feuer für den Provinzmodus. Sie ergänzt die drei Frauen in der Bowling-Mannschaft. Sie will Auto fahren lernen.

Vor uns breitet nun Marie-Castille Mention-Schaar einen Provinz-Mikrokosmos aus bestehend aus diesen drei Frauen. Mathilde, sie gilt als die zielstrebige, harte; sie ist mit dem Fahrlehrer verheiratet, der eher wie ein Musiker aussieht; und ihr Bub möchte, obwohl nicht getauft, plötzlich die Firmung mitmachen, weil der Chor in der Kirche so schön ist. Firmine hat einen kranken Mann zuhause und keine Kinder. Sie stammt aus den Antillen. Und Luise hat ein Verhältnis mit dem Bürgermeister, von dem sie schwanger wird.

Zu diesen praktischen, greifbaren, konkreten Frauen stößt nun Catherine. Sie ist begabt im Bowling. Die vier Frauen wollen an einer Bowling-Meisterschaft teilnehmen. Durch die Arbeit von Catherine kristallisiert sich nun heraus, dass ausgerechnet die Entbindungsstation geschlossen werden soll. Dagegen formiert sich ein von Frauenpower angeführter Widerstand. Parallel dazu wollen die drei Damen die Bowling-Meisterschaft für sich entscheiden.

Bisher war der Film ein frisches Statement, wie von Herzen, fröhlich, die Menschen wahrnehmend, ein Loblied auf die Provinz und den Frauenpower. Wie jedoch die Ziele definiert sind, verändert sich die Erzählhaltung, Sie wird jetzt merkwürdigerweise richtig provinziell, als wolle sie das bisherige Lob auf die Provinz in ihr Gegenteil verkehren. Pseudokönnerisch strebt sie auf die deklarierten Ziele zu. Mit dem Verwaltungsentscheid über die Schließung der Klinik und mit dem Turnier, da haut es den bisherigen Erzählstil aus der Kurve, da wird versucht, mit viel Dudelsack und Blasmusik die Stimmung in die Höhe zu treiben, und zwischendrin rollen immer mal schöne Bowlingkugeln. Die Art, wie uns über diesen Provinzsieg erzählt wird, die ist leider rundum provinziell. Wäre der Film bei seiner augenzwinkernden Provinzialität, die er anfangs praktiziert hat, mit kleinen Abschweifungen zu einer Fahrstunde, zu der einen und der anderen der Protagonisten zuhause geblieben, hätte er genauso unterhaltsam zu Ende gebracht werden können. Schade um einen ansprechenden Anfang, der immerhin sehr erfrischend ist.

Vergiss mein nicht

Privater Einblick in eine deutsche Intellektuellen-Familie.

David Sieveking, der hier seine eigene Familie dokumentiert, ist ein Spross aus der Ehe von Gretel Sieveking geb. Margarete Schaumann und Malte Sieveking. Gretel hatte Linguistik studiert und hatte 1965/66 beim NDR eine eigene Sendung „Deutsch für Deutsche mit Margarete Schaumann“. Ihr Mann Malte hatte Mathematik studiert und lehrte an verschiedenen Universitäten. Einige Jahre lebten die beiden in der Schweiz. Von Ehe war noch nicht die Rede. Weil Gretel politisch aktiv war bei der RAZ in Zürich, der Revolutionären Aufbauorganisation Zürich, weil die den Schweizer Behörden suspekt war, sammelten diese minutiös, was immer sie über Gretel und Malte erfahren konnten. David erhielt jetzt für diesen Film erstmals Einblicke ins Archiv.

1966 heirateten Malte und Gretel. Sie wollten eine offene Ehe führen. Gretel hatte schon in Zürich eine Liaison mit Walter Niggli, einem ebenfalls führenden Mitglied der RAZ. Die Affären von Malte waren zahllos. Wegen der Kinder blieb das Verhältnis aber bestehen. Eines davon ist David. Er tritt auch in diesem Film oft mit einem schwarzen Krempenhut auf, auf intellektuell getrimmt mit der schwarzrandigen Brille wie in seinem Vorgänger-Film „David wants to fly“, der eine geschmackvolle Recherche über den fragwürdigen Guru Maharishi war und in dem David auch sein filmisches Idol preisgegeben hat, nämlich sein zu wollen wie David Lynch. Auf der Suche nach ihm ist er der Maharishi-Sekte und ihren Machenschaften auf die Spur gekommen.

Vielleicht wiederholt sich in diesem Lynch-Traum ein Traum seines Vaters. Der sagt an einer Stelle, dass er jetzt, wo er pensioniert sei, sich vor allem der reinen, der schönen Mathematik widmen wolle. Denn die Lehraufträge an den Unis, die waren doch mehr aufs Praktische ausgerichtet. So kommt es mir mit David Sieveking vor. Er träumt zwar davon, wie David Lynch zu sein. Macht aber mit pragmatischer Klarsicht Dokumentarfilme – für die Brötchen vermutlich.

Auch das könnte ihn mit seinem Vater verbinden. Der hofft, obwohl ein Mathematiker seine beste Zeit mit 30 habe, jetzt im Rentenalter mit seiner Beschäftigung mit der reinen Mathematik noch das eine oder andere Tor zu schießen. Ähnlich dürften die Intentionen von David sein. Mit 30 war er zwar noch kein David Lynch. Aber das eine oder andere Tor zu schießen, müsste noch drin liegen. Wobei dieser Film sicher kein schlechter Schuss ist, ob er bereits als ein Tor beurteilt werden kann, da muss vielleicht noch etwas Zeit drüber hinweg streichen.

Jedenfalls scheint die Intellektuellen-Familie Sieveking ein offene Familie zu sein. David hat ihr Einverständnis im Haus der Familie in Homburg zu drehen. Privat zu drehen. Anlass für den Film war die rapide Veränderung in der Person von Gretel durch eine schnell sich entwickelnde Demenz. Was dem Egomanen Malte zu schaffen macht, der auch mit gegen siebzig noch sportlich und jugendlich wirkt, wenn er im Garten Schnee schippt oder Hecken ausdünnt für „verwunschene Durchblicke“.

Der Einblick, den David in seine Familie gibt, ist allerdings mehr als nur verwunschen. Der äußere Anlass ist also die fortschreitende Demenz von Gretel, der Mutter von David. Und da auch er Egomane genug sein dürfte wie sein Vater, dem sein Spielzeug Mathe und ihm der Film doch wichtiger ist als alles andere, irgendwie muss man ja beweisen, dass man Intellektueller ist, so hat David sich entschieden, 3 Monate lange die Mutter zu pflegen und das dokumentarisch auch zu exploiten und zwar ganz ohne Gefühlsduselei.

Trotzdem ist nicht primär ein Demenz-Film herausgekommen. Obwohl die Pflegekraft Valentina aus Litauen nicht fehlt, die sich mit Malte gestritten haben muss, weil sie sagt, Demente sind wie Kinder und entsprechend muss man sie behandeln. Nicht anders hat übrigens David vor allem in den ersten Phasen des Filmes mit seiner Mutter gesprochen, und hat so erst eine unsichtbare Wand, vielleicht aus Selbstschutz, zwischen ihr und ihm aufgebaut.

Herausgekommen ist primär ein Film über eine deutsche Intellektuellen-Familie, die gut situiert lebt mit eigenem Haus und mindestens einem guten Draht zu einem Chalet im Berner Oberland. Die einen angenehmen Lebensstandard hat. Wenn es um ein Altenheim geht, dann schon Kursana premium (ebenso die Mutter von Malte, die 98 ist und nicht reicht weiß, ob man Malte durch die Pflege seiner Frau aufbrauchen darf – ein bemerkenswerter Satz einer greisen Mutter). Über die Wirksamkeit in der Öffentlichkeit, über den Einfluss dieser Familie auf Öffentlichkeit und Gesellschaft erfährt man wenig. Außer dass die Mutter politisch aktiv in der Schweiz war. Und dann als die Familie im Hessischen wohnte, aktiv in einer Frauengruppe war und auch bei den Grünen.

Ich habe mich jedenfalls bei der Familie Sieveking sofort heimisch gefühlt, kam mir nicht als ungebetener Gast vor und hatte das Gefühl, mit den Leuten könnte man sich sicher prima unterhalten, vielleicht gerade, weil ihre Welt auch nicht eine hundertprozentig glatte Welt ist und so wie sie die Dinge dieser Welt sehen und angehen, oder auch darin, was sie nicht interessiert.

The Last Stand

„Abuelito“ nennt Cortez (Eduardo Noriega) vorm Count-Down auf der plötzlich über einem Grenzcanyon zwischen USA und Mexiko gelegten Flucht-Brücke Ray Owens (Arnold Schwarzenegger). Großväterchen heißt das zu deutsch. Und großväterlich nostalgisch kommt mir dieser nette, gemütlich Action-Streifen auch vor.

Das Großväterchen indiziert praktisch die persönliche Sicht des gealterten Action-Stars Schwarzenegger auf das Genre. Der Eindruck, hier erzähle ein Opa aus seinen großen Zeiten. Zeiten, in denen Schießen noch schick und benzinfressende Heulmotoren-Autos noch in waren.

Schwarzengger spielt den Sheriff Ray Owens in dem kleinen Grenzort zu Mexiko Summerton, in dem so gar nie was los ist. Er hat gerade seinen freien Tag. Ein junger Cop, der was erleben möchte, bittet den Chef, ihn nach L.A. zu versetzen. Beste Voraussetzungen dafür, dass hier bald die Hölle los sein wird. Mindestens im Sinne der Westernhölle in leeren Kulissendörfern.

Während die in Summerton sich langweilen soll in der Nähe von Las Vegas der größte lateinamerikanische Drogenboss, der vergleichbar nur mit Escobar ist, in die „Death Row“ überführt werden. In einer geheimen und gänzlich überraschenden Polizeiaktion. So geheim, dass Cortez selbstverständlich Wind davon bekommen hat und alle nötigen Vorbereitungen zu seiner Befreiung in die Wege leiten konnte. Entweder ist er ein übermenschliches Genie oder die Polizei ist wirklich nur mit Dummhanseln bestückt.

Die hastige, diskrete Wagenkolonne wird vor einem Bahnübergang per Funk zum Anhalten aufgefordert. Ein Kran mit einem riesigen Magneten dran zieht exakt das Auto aus der stehenden Wagenkolonne, in dem Cortez sitzt. Es wird auf ein Hochhausdach gehoben.

Und schon wimmelt es in der Gegend nicht nur von Polizei, sondern auch überall von Männern, die in orangen Sträflingskleidern rumrennen. Alles falsche Fährten, hinter denen die Cops nun ihre Kräfte verschwenden. Damit erhalten wir aber gleich die Chance, die Humorlage dieser großväterlichen Erzählung genauer kennen zu lernen. In einem Polizeiraum sind all diese Männer in orangenen Overalls verhaftet und versammelt. Warum sie ausgerechnet so angezogen seien. Nun, ja, sie seien Holländer. So sehen sie aber nicht aus. Und den Rest der kleinen Pointe habe ich schon wieder vergessen.

Was ich auch zu erwähnen vergessen habe. Sehr früh schon im Film ist ein kräftiges grauschwarzes Auto eingeführt worden, eine gedrungene Corvette, die unglaubliche Geschwindigkeiten rausfahren kann. Das gehört zur Nostalgie zu den 70ern, die Begeisterung für solche benzinschluckenden, erotisch geformten Fahrzeugen. Dieser wird hier im Film auch gefrönt. Die andere Begeisterung ist die für Waffen und das Rumballern, die gehört zu Amerikas unumstößlichen Grundrechten. Auch davon gibt’s es in diesem sympathischen Schwarzeneggerschen Kaffekränzchen noch genug. Alles Situationen, die man aus x Filmen kennt, die man alle irgendwo schon mal gesehen hat. Nun, so gehört es sich auch für die Nostalgie, die schwärmende Erinnerung. Auch tausend Mal gesehene Bilder werden bemüht: die alte Frau mit der Knarre, die den Eindringling erledigt oder der alte ausgemergelte Greis auf dem Traktor mit der Knarre. Was waren das für Zeiten.

Schwarzenegger kommt mir vor mit seinem vierschrötigen Gesicht, wie ein Neandertaler der Filmgeschichte und gehen tut er so, als hätte er künstliche Hüftgelenke.
Vielleicht eine romantic, nostalgic Thrillerdy.

Meist sprechen sie auch sehr deutlich, vor allem Schwarzenegger. Schön Satz für Satz, so dass keine Kostbarkeit verloren geht. Und man das Gefühl bekommt, jeder Satz sei als eine Pointe gedacht, selbst wenn dem nicht so ist. I dont know you and I dont answer you. I have seen enough blood and death; I know what is coming. You are deputized (ein Häftling, der zum Abwehrkampf gebraucht wird). Und ein oder zwei Mal schien mir sogar, die Pointensetzer auf der Leinwand haben ihre Pointe direkt ins Publikum gerichtet. Auf das Romantic komme ich, weil die Hingabe an das Genre so gefühlvoll ist und auch weil es einen Moment gefühlvoller Trauer gibt. Romantic Killerdy. Eine nette romantic Thrillerdy. Ein nettes, romantisches Thrillerchen, erzählt vom Opa für die Opas der National American Rifle Association. Für die Veteranen von Kino und Waffenindustrie. Ein Schwelgen in den Ideologien der 70er, als Rumballern noch schick und PS-starke Autos noch in waren.

Opas Hollywood-Schrullen. Stehengeblieben. Aber wirklich nett. Opa kennt halt nichts anderes. Und an seinem Ehrenbegriff lässt er nicht knabbern, auch nicht gegen ein Angebot von 20 Millionen: My honour ist not for sale.

The Impossible

Eine wahre Geschichte aus der Tsunami-Katastrophe von 2008. Das Überleben einer Familie bestehend aus Papa, Mama und drei Buben. Die Familie will einen schönen Strandurlaub in Khao Lak in Thailand verbringen. Sie hat sogar dritte Etage gebucht. Da muss aber etwas schief gelaufen sein mit der Reservation. Jedenfalls wird ihnen eine Strandhütte angeboten. Paradiesisch.

So sind wir schon mitten in der nach Filmwahrheit großartig erzählten Geschichte. Jeder, der diesen Film anschauen wird, wird diese Minimalinfo sowieso schon beim Betreten des Kinos intus haben. Es gibt hier nichts zu spoilern. Die Frage ist immer, wie löst ein Regisseur, hier Juan Antonio Bayona, ein solches Drehbuch, hier von Sergio G. Sánchez, filmisch auf.

Der Film fängt mit dem Hinflug an. Wie ein Refrain zu einer Katastrophenmelodie sind ein paar Turbulenzen eingebaut. Dann wird einige kurzweilige Minuten lang das Familienglück, das paradiesische Strandleben auf die Leinwand projiziert. Auch noch die Info, dass die Frau und Mutter (Naomi Watts als Maria), die eigentlich Ärztin ist, eventuell zurück in die USA will, berufshalber. Denn momentan lebt die Familie wegen dem Job des Vaters (Evan Mc Gregor als Henry) in Japan.

Die Bilder vom Tsunami selbst, die sind uns Zeitgenossen noch zur Genüge präsent. Geschickt nutzen Sánchez, seine Ausstatter und Kameraleute das, um mit filmischen Mitteln eine mitreißende Echtheit herzustellen. Nur dass im wahren Leben ein Mensch, der sich an einen Baum oder an eine Betonsäule klammert, garantiert nicht noch Energie fürs Schreien verschwendet, da in eh niemand hören kann.

Es gab im Internet einen Clip von einem Menschen in so einer Lage. Aber wir wollen ja im Kino kein real-life-TV sondern der Katastrophe genüsslich beiwohnen. So wird viel Blut und Dreck für Masken aufgewendet, viel schwer geatmet, im Desaster herumgeirrt. Irgendwie läufts von der Story her doch merkwürdig hindernislos ab, findet die Familie relativ unkompliziert wieder zusammen.

Und schon sitzt die Familie im eigens gecharterten Rettungsflugzeug und ganz privat auf dem Rückflug. Dank einer guten Versicherungspolice. Kurz meldet sich der Gedanke, ob der Film, der so smart gemacht ist, einzig der Bewusstseinsbildung zu dienen habe, wer gut rettungsflugversichert ist, der kann getrost in Tsunami-Gebieten Urlaub machen.

Fünf Freunde 2

Irgendwann habe ich mich gefragt, was mich noch an diesem Film hält, denn was er fürs Auge und für den Geist geboten hat, war nicht dazu angetan, allzu brennendes Interesse zu wecken, zu behaglich schlurfte die Geschichte vom Kinostandpunkt aus über die Leinwand.

Es war tatsächlich die Musik! So wäre ein Experiment zu versuchen, sich nur die Musik zu diesem Film anzuhören und mal schauen, was für ein Film im eigenen Kopf ablaufen würde, ob der nicht spannender wäre als diese Fortsetzung der „Fünf Freunde“, die diesmal vor allem im düsteren, engen Gemäuer eines Schlosses spielt.

Im ersten Teil ging es immerhin peripher noch um Naturschutz und zentral um von Gaunern gesuchte wissenschaftliche Erkenntnisse. Hier sind wir nun in einer „reinen“ Abenteuergeschichte. Es geht um das „Grüne Auge“, das vor Zeiten einer Statue gestohlen worden ist und hinter der im Moment zwei ziemlich dumme Halunken her sind. Die kriegen alsbald Verstärkung durch einen dritten Mann, der eben erfolgreich aus dem Knast ausgebrochen ist.

Auch die vier Freunde bekommen Verstärkung: mit Hardy als Nummer fünf, einem Buben wie aus einer Strahlemann-Kinderserie und Sohn eines schwerreichen Millionärs, der mit einem Butler in einem riesigen Schloss wohnt und entführt werden soll.

Weil einer der Freunde gerade des reichen Buben motorisiertes Vierrad ausprobiert, wird der nun entführt. Die anderen müssen ihren Freund retten. Ihnen hilft dabei noch ein Hund. Das ist das Muster, nach dem solche Geschichten ablaufen. Für Schauspieler sind die Rollen meist ein gefundenes Fressen. Das vermittelt uns glaubwürdig Oliver Korritke als Fil, einer der beiden Halunken. Mit seinen langen, strubbeligen Haaren und großen Augen ist er immer für einen kleinen Spaß oder auch mal einen Fehltritt zu haben. Seine Figuren sind nie richtig bösartig. So wie solche Kinderfiguren idealerweise sind.

Dagegen versucht sich Peter Lohmeyer in der Rolle des Oberbösewichtes mit Glatze und merkwürdigen Gesichtsverzerrungen, die mehr von Bemühung als von Rollenverständnis erzählen, gänzlich uncharmant, gänzlich unbeleckt von der Erkenntnis, dass Bösewichte in Kinderfilmen immer auch Sympathie einheimsen sollen. Wenn eine Figur nur hässlich abstossend ist, so mundet das nicht mehr so richtig.

Die Darsteller-Kids sind am Älterwerden. Sie sind die dabei die obere Altersgrenze für diese Art von Abenteuergeschichten zu erreichen. Das ist vielleicht auch noch so eine Diskrepanz, die sich hier andeutet. Da könnte es bald vorbei sein mit der Sorglosigkeit von Abenteuern um gestohlene Smaragde und um eine Burg namens „Eulennest“.

Mir kommt die Inszenierung gegenüber der Vorgängerfilm ruhiger, lahmer vor; zudem wirkt durch die vielen Innenaufnahmen vom Schloss alles viel düsterer, weniger frisch und fröhlich.

Für das Buch zeichnet Peer Klehmet (nah Enid Blyton), für die Regie Mike Marzuk.

Die Männer der Emden

Eine richtige Männer-Abenteuer-Geschichte mit historischem Hintergrund hat sich Berengar Pfahl, der mit Axel Ricke auch das Drehbuch geschrieben hat, hier vorgenommen, einen Stoff für großes Kino. Gefördert von jeder Menge Institutionen.

Zeitpunkt ist kurz vor und während der ersten Monates des ersten Weltkrieges. Deutschland hatte in China eine halbe Stadt gebaut, war auf Kolonialisierungskurs. In China ist die Mannschaft des kleinen Kreuzers Emden gerade dabei ein Fest zu feiern. Da bricht der erste Weltkrieg aus. Die Männer müssen sofort antreten.

Sie fahren los mit ihrem Schiff, der „Emden“, und erobern eine kleine Insel im Indischen Ozean, die von den Engländern besetzt ist. Ein Landungszug von 50 Männern erledigt das ohne Blutvergießen. Derweil wird ihr Kreuzer in Sichtweite vom Gegner versenkt.

Der Offizier, nach dessen Aufzeichnungen das Drehbuch entstanden ist, und der insofern die glaubwürdigste Figur schon vom Buch her abgibt, Hellmuth von Mücke, sieht in der Bucht vor der Insel einen Schoner dümpeln und befiehlt seiner Truppe, den zu requirieren und damit die Fahrt zurück an den chinesischen Standort anzutreten.

Schlecht ausgerüstet nicht nur für kriegerische Verhältnisse. Sie landen auf Sumatra. Dort erfahren sie, dass ihr chinesischer Standort inzwischen eingenommen worden ist. Also entscheidet Mücke, den Rückweg in die Heimat anzutreten. Ein Wahnsinns-Entscheid.

Das Schiff wird umdekoriert zu einem italienischen Handelsschiff und kann so ungeschoren zwischen den gegnerischen Kriegsschiffen passieren bis an die Küste Arabiens. Von hier schlagen sich die Soldaten durch die Wüste bis zur nächsten Eisenbahnstation durch.

Ein wilder Stoff also, der ein wenig die Gefahr in sich birgt, bewusst oder unbewusst, direkt oder indirekt für Kriegspropaganda missbraucht zu werden. Doch der erste Weltkrieg ist schon lange her. Und die Machart eher bescheiden, so dass die Propagandagefahr gleich Null ist.

Was hat nun Berengar Pfahl aus diesem Stoff gemacht? Wenn ich mir die Tonspur anhöre mit dem stets voluminösen Filmorchester, so müsste es sich um großes, ja gigantisches Kino handeln. Da wir aber in Deutschland sind, dessen Drehbuchkultur irgendwo in unbekannten Gewässern verschollen sein muss, so scheitert das ganze Unternehmen wohl schon vorm ersten Drehtag, obwohl es schöne Bilder, schöne Inseln, schönes Meer, schöne Schiffe, gute bis schöne Typen von Männern und als eine der wenigen Frauen Sibel Kekilli zu bieten hat. Denn das Drehbuch hat ungefähr all das zu Szenen transskribiert, was nicht spannend ist an so einer Abenteuergeschichte.

Zum Beispiel muss so eine Reise, wenn sie spannend werden soll, einen Rahmen haben. Die Haupt-Figuren müssen einen Bezugspunkt zu einer anderen Realität als dieser Reise haben. Das ist im Abenteuerfilm nicht anders als im Horrorfilm. Das wird am Anfang zwar von Mücke geboten, der sitzt in einem Zug, und man weiß nicht recht in China oder in Europa und er räsoniert. Als Anker zum Tragen von Kinospannung ist das wenig, dass er nur über das Vergangene nachdenkt; denn mehr erfahren wir über seine Gegenwart nicht. Falls er überhaupt als Identifikationsfigur gedacht ist.

Nicht besser ergeht es uns mit den anderen Figuren. Die hängen als reine Figurinen, die fürs Abenteuerspiel gebraucht werden, in der Luft. Es fehlt die Basis für die Spannung.

Wie Mücke von der gestürmten Insel aus die Versenkung der „Emden“ sieht und seine Truppe vor sich, da entdeckt er ganz „zufällig“ den Schoner in der Bucht dümpeln und sagt, den werde man requirieren. Schnitt: jetzt sind sie schon auf See. Das wichtigste aber, um diese Seefahrt prickelnd zu machen, das wäre nicht, irgend einen Sturm aufzubieten. Das wäre vor allem dem Zuschauer die Info zu liefern, wie gut dieser Schoner beieinander ist, wie viel und was sie an Proviant an Bord genommen haben, wie und ob er überhaupt seetüchtig sei. Und auch den Konflikt von Mücke, die Abwägungen, ist das zu riskieren oder nicht. Ein elementares Spannungscharnier. Das aber fehlt hier. Dramaturgie wie ein Knie ohne Gelenk.

So aber weiß der Zuschauer so gut wie nichts über die Gefährdung der Passagiere. Also ist es auch nicht spannend. Spannend an Geschichten sind doch die Momente der Veränderung, des Überganges vom Urlaubsparadies auf ein eventuell meeruntaugliches Schiff. Genau das erzählt uns Pfahl nicht.

Hätte Mücke seine Truppe so geführt, wie Berengar Pfahl sein Drehbuch geschrieben hat, dann wären sie nicht mal bis Batavia gekommen.

Auch ist bei der Fahrt die Fahrtrichtung des Schiffes gelegentlich etwas verwirrend. Und so geht das weiter im ganzen Film. Es wird nicht gezeigt, wie die wüsten- und kameluntaugliche Truppe sich zur Karawane formt, und dem Zuschauer damit die Schwierigkeiten, als Erwartungshaltung zu pflegen, die die Spannung ausmacht. Es heißt lediglich von Mücke, wir durchqueren die Wüste. Dann fragt ein Soldat, zu Fuß? Mücke antwortet, nein, wir reiten, auf Kamelen. Schnitt. Schon sehen wir die Karawane wie eine Karawane seit eh und je durch die Wüste schreiten. Keine besonderen Vorkommnisse.

Auch ohne Vorwarnung für den Zuschauer wird die Karawane plötzlich angegriffen. Wie aus dem Nichts. Mag ja so gewesen sein. Aber für die Filmerzählung müsste das doch als Gefahr erkennbar sein. Hier bricht eine Durcheinander-Hektik aus, die vielleicht realistisch sein mag, filmerzählerisch jedoch ist sie vollkommen unergiebig.

Die Gelenke, die Scharniere einer Geschichte sind das spannende. Bei Bresson finden die meisten Szenen quasi zwischen Tür und Angel statt. Wenn ein Gefährt auf einer Schiene ist, auf ruhiger Fahrt, so ist es erzählerisch unergiebig (bestenfalls episch schön; aber hier soll ja eine Abenteuergeschichte erzählt werden von einem wilden Haufen entschlossener und verwegener Soldaten), oder die ruhige Fahrt wird von Meistern der Erzählkunst dazu benutzt, tiefere Einblicke in die Komplexität der Charaktere oder des Filmthemas zu geben. Das passiert hier aber auch nicht.

Pfahl macht es umgekehrt. Er setzt das „Gefährt“, also das ist jetzt die Truppe, auf eine Erzählschiene, von der wir vorher nichts wissen, und über die holpern unbedarft  die Ereignisse, die Abenteuer. So kann Kino nicht funktionieren. Hier fehlt eindeutig das Know-How. Die Situationen hängen in der Luft oder sind im theoretischen Rahmen der Abenteuergeschichte zwar abgesichert, empirisch aber schlecht vorbereitet, zur Austreibung des Zuschauergenusses.

Schließlich und vollkommen unersichtlich wird viel Drehmaterial für den Tod und die Verabschiedung eines Kameraden verwendet, von dem wir vorher so gut wie nichts gesehen haben und schon gar keine Vorgeschichte. Der Tod eines Unbekannten lässt einen kalt. Auch im Kino. Zu schweigen vom dämlichen TV-Gejuchze der Truppe, wie sie der Eisenbahn in der Wüste ansichtig wird. Oder es kommt zu einem langatmigen Friedensritual mit Beduinen.

Da kann man nur sagen: schade, schade, schade, der ganze Aufwand für nichts und wieder nichts.
Verkorkstes Drehbuch. Absehbar ein weiterer, vollkommen überflüssiger Millionenförderflop.

Die Besucher

Als ein Exemplum wird uns hier von Constanze Knoche, die mit Leis Bagdach zusammen auch das Buch geschrieben hat, vorgeführt, wie verlogen und kaputt Familie doch sein kann. Für alle, die es noch nicht wussten. Mehr dazu hier.

Peter der Große

Auf überwältigenden Starpower getrimmte, kostüm- und ausstattungsprächtige Lektion in russischem Macchiavellismus, die durch die Patina von 25 Jahren derart veredelt wirkt, dass man sich gar nicht richtig traut, daran zu kratzen. Und an der behutsamen, sorgsamen Synchronregie von Osman Ragheb könnten sich viele der heutigen Nachsynchronisierungen noch ein Vorbild nehmen.
Es ist die Verfilmung der Biographie von Zar Peter dem Großen von Robert K. Massie nach dem Drehbuch von Edward Anhalt in der Regie von Marwin J. Chomsky und Lawrence Schiller.
Diese amerikanische Fernseh-Mini-Serie von 1986 erscheint hier als ein ansprechendes Stück aus der DVD-Reihe „Juwelen der Fernsehgeschichte“. Aus der Sicht von Zar Peter dem Großen wird seine Geschichte und damit ein Stück russischer Geschichte in epischer Opulenz erzählt.
Maximilian Schell ist die Besetzung für den alten Peter. Mit einer Selbstreflexion über sich und sein Leben, wie er sich allein dem Land gegenüber sieht, fängt der erste von vier Teilen an.
Dann Sprung zurück in seine Kindheit. Ein Kinderdarsteller spielt den kleinen Peter. Er hat noch einen älteren Bruder, Iwan. Die ältere, schon erwachsene Schwester Sophie übernimmt die Regentschaft, um Russland vor dem Aufstand der Strelitzen zu bewahren.
Der Film führt uns mitten in den gnadenlosen Machtkampf in Russland hinein: die Pole im Machtkampf sind einerseits die Kirche andererseits der Adel, die Bojaren. Russland scheint in einem Zyklus von Armut einerseits und Unbeweglichkeit von Adel und Kirche andererseits gefangen. Die Bauern sind ungebildet. Das Land wird sich nicht entwickeln. Es wird anfällig für Angriffe der Tartaren. Es wird keinen Anschluss an den Westen finden. Das sind alles Analysen, in denen trotz der charmanten Patina von über 25 Jahren die sich über Film gelegt hat, auffällige Parallelen zur Putinisierung Russlands sichtbar werden.
In dieser schwierigen Situation nun, 1682, gibt es eine merkwürdige Thronregelung im Kreml. Sophie, der wunderbar eigenwillige Weltstar Vanessa Redgrave, ist also die Regentin. Ihre beiden kleineren Brüder werden in einer prunkvollen, aufwändigen Zeremonie noch als unmündige Kinder zu Zaren inthronisiert. Wobei Iwan nicht gerade mit den größten Verstandesgaben gesegnet scheint, um es mal milde auszudrücken.
Mit dem Heranwachsen der Buben wird der Machtkampf, wer am Schluss allein auf dem Thron sein wird, immer härter. Dallas auf russisch. Früh schon setzt Sophie auf den vielversprechenden Alexander, einen Priester an, der Peters Vertrauen gewinnen soll, damit sie informiert bleibt über seine Pläne. Informiertsein ist Macht.
Es gibt auch ganz nette Mordversuche. Der kleine Peter und seine Mutter, noch ein Weltstar: Lilli Palmer, sollen ermordet werden. Der junge Alexander Meschikow, Helmut Griem, ein Junge aus dem armen Teil von Moskau, ist gerade dabei, Leichen zu fleddern und beobachtet eine merkwürdige Figur, die sich in den Kreml schleicht. Neugierig folgt er dieser. Es ist ein gedungener Mörder, der Peter und seine Mutter erschießen soll. Er findet die beiden. Legt das Gewehr an. Da stößt Alexander ihm den Dolchen von hinten in den Rücken. Und verschwindet sogleich. Durch den Dolch wird Peter Alexander finden. Und ihn zu seinem Freund auf Lebzeiten machen.
Nach einem Zeitsprung von zehn Jahren, 1692, ist Peter erwachsen geworden. Ihn spielt nun ein prächtig aufgelegter Jan Niklas mit all der Neugier und dem Nonkonventionalismus, den wohl eine geschichtlich herausragende Figur für ihren Weg braucht. Und den Jan Niklas, dem mit dieser Rolle Vergleichbares passiert sein dürfte, wie traumhaft aus dem Ärmel schüttelt. Er bricht aus dem Kreml aus. Er will die Ausländersiedlung kennen lernen. Er kommt dort mit Holländern in Kontakt, die Ahnung von Schifffahrt haben. In der Kneipe lernt er die hübsche Holländerin Anna Moon kennen. Diese Neugier und diese Kontakte versucht die Kirche und hinter ihr Sophie, die immer noch Regentin ist, gegen ihn zu verwenden.
Ein weiterer Mordversuch soll gegen Peter gestartet werden. Aber er und seine Eskorte schaffen es, die Angreifer zu überwältigen. Er kann nachweisen, dass der Auftrag gegen ihn von Sophie kam. Sie wird ins Kloster verbannt. Peter ist dem Ziel der Alleinherrschaft einen Schritt näher gekommen. Er will jetzt für Russland eine Flotte bauen. Denn, so seine Philosophie, eine Flotte ist unabdingbar für den Handel. Handel ist unabdingbar für das Gedeihen seines Reiches. Ist unabdingbar für die Verbreitung von Bildung. Ohne Bildung bleiben die Bauern Leibeigene. Bleibt die Erstarrung im Lande bestehen, macht es schwach und angreifbar.
Es wird zwar noch Jahre dauern, bis die erste Flussflotte einsatzbereit ist. Die wird aber erfolgreich an der Mündung des Don ein Fort der Türken angreifen. Peter beobachtet die Schlacht mit dem Fernrohr. Seinen unmündigen Sohn Alexej hat er immer dicht neben sich. Den hatte ihm nämlich eine Russin, die ihm zur Frau gegeben worden ist, glücklich geboren. Ehefreuden hatte sie in ihrer Strenggläubigkeit ihm wenige gegönnt. Heute würde man sagen, sie hat sich zickig benommen. Noch in der Hochzeitsnacht ist Peter abgehauen, hat seinen Freund vor dem Schlafgemach postiert und sich im Ausländerviertel Anna Moon hingegeben. Dann auf Touren gekommen, schlich er sich zurück ins Ehegemach, ritzte sich den Finger, strich das Blut aufs Leintuch und präsentierte dieses triumphierend den sich schon fast unter den Boden getrunken habenden Hochzeitsgästen. Daraufhin stürzt er sich brutal auf die ihm Angetraute, die er doch nicht lieben konnte, um einen Nachfolger zu zeugen. Dadurch wird sie als Mutter des künftigen Zaren zu einem weiteren Machtfaktor in den Intrigenspielen des Kreml.
Eine Eheauseinandersetzung mit der ihm angetrauten Frau: er nimmt das muntere Knäblein, das diese ihm geboren hat, an das Totenbett seiner Mutter. Das Kind müsse sich früh daran gewöhnen an den Tod, ein Kind, das später Zar werden soll.
Wie er alleiniger Zar ist, bietet sich auch die ewig doppelzüngige Kirche ihm an, biedert sich ihm an. Im Land muss er das Volk erst davon überzeugen, dass er nicht vom Teufel besessen sei, wie die Kirche bösartig als Gerücht über ihn in Umlauf gesetzt hat. Dafür gibt es probate, brutale Mittel.
In der Türkei lernt Peter eine aufregende Frau kennen, Katharina, gespielt von einem weiteren Weltstar, von Hanna Schygulla, die selbst vom Schicksal arg gebeutelt worden ist und Witwe dazu. Jetzt entwickelt Peter auch die Pläne für eine Hochseeschiffahrt für Russland. Die Idee zur Gründung von St. Petersburg. Zar Peter sieht in der Besetzung von Jan Niklas durchwegs abenteuerlich und unternehmungslustig aus. Teil 2 endet mit der Aussicht, mit Hilfe einer neu erfundenen Kirchensteuer den Bau der Hochseeflotte zu finanzieren. Mit diesem Projekt will Peter ein Fenster gegen den Westen öffnen. Diese Kirchensteuer erbost die Kirche gewaltig und vereinigt sie mit den Bojaren und der Zarin gegen Peter. Der Satz, diese schwelende Glut werde zum Feuer werden, kündigt Teile 3 und 4 der DVDs an. Hier wird der Zar zum macchiavellistischen Herrscher.
Ab hier spielt Maximilian Schell den Zaren. Er wird sich jetzt zum richtig macchiavellistischen Herrscher entwickeln, der sowohl die Kontinuität der Herrscherfamilie als auch die Öffnung der Handelswege als oberstes Staatsprinzip sieht und dieses rücksichtslos und mit allen Mitteln verfolgt. Er riskiert einen Krieg gegen Schweden wegen eines Stückes Land an der Ostsee, auf dem er Petersburg errichten will. Er nimmt also für sein anfänglich idealistisches Ziel, nämlich die Bauern aus der Leibeigenschaft zu befreien, Blut und Tod und Ungerechtigkeit in Kauf. Und schlägt die Aufstände im eigenen Land blutig nieder. Diese Aufständischen hatten es insofern leicht, als Peter oft lange weg war aus Russland (zu Bildungszwecken in Europa), so dass die Intrigen und der Aufruhr gedeihen konnten. Ist die Katz aus dem Haus. Seine Schwester versucht wieder an die Macht zu kommen. Und seine Ehefrau arbeitetet jetzt auch gegen ihn. Und natürlich die Kirche und die Strelitzen. Diese versuchen seinen Sohn Alexej an die Macht zu pushen.
Dieser Sohn nun sieht nicht gerade aus wie ein Politiker. Eher weltfremd, oft abwesend, vom Äußeren her dem niederländischen Philosophen und Gläserschleifer Spinoza sicher ähnlicher als seinem Vater. Diesen Vater spielt Maximilian Schell raumgreifend, mit meist wirrem Haar und augenfunkelnd.
Die Staatsraison von Zar Peter fordert den Russen viel ab. Er schielt nicht nur auf einen Schatz an Schmuck, den die Kirche besitzt, nein, er will auch mit der neuen Kirchensteuer die Expansion nach Westen finanzieren, den Schiffsbau. Und wie der Schwedenkönig nicht bereit ist, Gelände für den Bau der neu zu gründenden Hafenstadt St. Petersburg friedlich herzugeben, müssen zwecks des kriegerischen Vorgehens die Kirchenglocken zu Kanonenrohren und -kugeln umgegossen werden. Den dadurch entstandenen Unmut nutzt die Regentin, um Stimmung im Lande gegen den Zaren zu machen; die Bevölkerung gegen die erwarteten Schiffsarbeiter aus Holland aufzubringen; einen Aufstand, der mit Brandschatzungen einhergeht.
Um die neu zu eröffnenden Handelswege zu schützen, braucht Russland selbstverständlich auch eine Marine. (Wir erinnern uns an die Äußerung von Ex-Bundespräsident Köhler, der den Afghanistankrieg mit ähnlichen Argumenten begründete).
Die Staatsräson von Peter geht soweit, dass er seinen inzwischen erwachsenen Sohn Alexej (der übrigens auch bald nach der Heirat aus politischen Gründen ein Liebesverhältnis mit einer anderen anfängt) des Verrates verdächtigt, nämlich in Wien gegen den Vater agiert zu haben, er geht soweit, da Alexej nicht gesteht, ihn foltern zu lassen, ja bis zum Todesurteil treibt er die Angelegenheit voran. Allerdings unterschreibt er dann doch nicht. Staatsraison, oh Staatsraison. Und kein bisschen Patina.
An Putin lässt auch denken, wie Peter im Zuge seiner Expansionsbemühungen Schafirow, im Volksmund „der bösen Geist des Zaren“, mit dem Aufbau eines Geheimdienstes beauftragt, der ihn immer über alles, was sich im Lande tut, auf dem Laufenden halten soll.
Es sind DVDs voll russischer Prunkhallen und -Räume, voller Hofzeremonien, Kirchenzeremonien und Zeremoniell, Spalieren von Uniformierten und Schiffstaufe; schöne pelzbesetzte Mäntel, russische Opulenz bei Beerdigung, Hochzeiten, politischen Versammlungen; höfischen Szenen, Ballett- und Tanzszenen, Fechtübungen am Schwedischen Hofe; Krönungsrituale und viele Vorfahrten von Kutschen und Aufmärsche von Volk und Armee, aber auch Henkungs- und Kopfabschlagzeremonielle, Folter, Schlachtengetümmel.
Und: Entspannung oder Entwarnung fürs Auge: keine einzige Computeranimation im ganzen Vierteiler, denn diese Technik existierte 1986 noch gar nicht.
Starpower mit vielen Namen, die auch heute noch Sehnsucht nach großem Kino wecken: Vanessa Redgrave, Omar Sharif, Maximilian Schell, Jan Niklas, Hanna Schygulla, Ursula Andress, Trevor Howard, Laurence Olivier, Mel Ferrer, Elke Sommer, Helmut Griem.
Vielleicht auch ein Anlass über Startum nachzudenken. Mit welcher Grandezza die geballte Versammlung von Weltstars hier spielt, vielleicht weil sie pfleglicher behandelt worden sind (obwohl beachtliche Teile der Dreharbeiten bei eisiger Kälte in russischem Gemäuer stattgefunden haben müssen, oft sieht man den Atem der Darsteller beim Sprechen), vielleicht auch weil Stars damals wirklich noch Größe hatten, was in den heutigen Zeiten des reinen Karrierismus und dem Primat des Funktionärstums über dem Künstlertum gar nicht mehr möglich ist.
Im Rahmen seiner Europa-Aufenthalte besucht Peter auch Isaac Newton. Bei diesem gibt’s eine Lektion über das Lichtspektrum durchs Prisma. Aber im Gegensatz zu Depardieu lehnt Newton die Einladung nach Russland ab.
Die Begattungen der Zarinnen durch ihre Ehemänner (Peter resp. später dann sein Sohn Alexej) laufen gewalttätig ab. Es geht lediglich um die Zeugung von Zarennachwuchs; Erotik und Liebe finden beide Herren woanders.
Haupttendenz der Musik ist Marschmusik, nicht schlecht gewählt für das Thema Macchiavellismus auf Russisch.
Sätze.
„Zaren heiraten aus politischen Gründen“
„Zaren haben keine Söhne, sie haben nur Thronfolger“
„In der Zeit der Gewalt gibt es nur eine einzige Waffe: Gewalt.“
Das hat Charme, wie diese geballte, gut gelaunte Starschar dem blanken Macchiavellismus bildschön und zauberhaft auf die Leinwand verhilft.
Während die Szene, in der der Vater-Sohn-Konflik zwischen Peter und Alexej ausbricht, doch eher nach Hollywood-Zutat riecht.
Auch im Hinblick auf die aktuellen Vorgänge in Russland sicher eine sehenswerte DVD-Edition.

Movie 43

12 Regisseure und 8 Autoren, laut IMDb, versuchen von den Testikeln an abwärts und rückwärts ihre analen und fäkalen Flatulenzen dem Zuschauer von Schauspielern, die vermutlich Mühe haben, einen besseren Job zu kriegen, um die Ohren und die Eingeweide zu blasen.

Der erste Joke war gleich der Beste. Von da an gings bergab.

Die Rahmenstory, die diese Fürze zusammenhalten soll, ist die: drei halbgare Internet-Lümmel versuchen in verrufene Ecken des Netzes einzudringen. Sie entdecken diverse Filme von diversen Autoren mit diversen Darstellern, die in absteigender Reihenfolge versuchen, das Niveau an Anal- und Fäkalwitzigkeit des Vorgängerfilmes noch zu unterbieten.

Auf den ersten Moment schien die erste Geschichte wirklich witzig. Eine Frau trifft sich mit einem Typen zum Blind Date. Ihre letzte Info über den Mann hat ihre Freundin gerade noch gegeben: er sei auf der Titelseite irgend eines pomadigen Blattes abgebildet. Die Aufregung ist also groß. Aber oh Schock im vollbesetzten Restaurant: der Typ hat seine Testikeln am Hals hängen. Ganz offen. Nicht mal ein Suspensorium darum. Da sieht man vor allem, wie die Maske hervorragend arbeiten kann heutzutage. Wie sie solche Dinger erstens fast naturgetreu herstellen und dann noch nahtlos an einem Männerhals befestigen kann. Aber statt diese Anomalie nun zum Antreiber grotesker, aberwitziger, die menschliche Verklemmtheit und Unsicherheit hinsichtlich solcher Teile in saukomische Höhen absurder Handlungen werden zu lassen, wird der Hals-Eier-Joke bloss peinlich lang ausgewalzt wie ein schlabbriges Omelette mit der einzigen Aussage, mein Gott, wie ist das peinlich, wie ist das peinlich, wie ist das peinlich.

Der Film muss dem Verleih so peinlich sein, dass er Reviews im Internet frühestens einen Tag nach dem Kinostart  lesen möchte. Da sich bis dahin die Blähung dieses Filmes sowieso bereits verzogen haben dürften, ist auch eine weitere Beschäftigung mit demselben nicht sachdienlich.