Archiv der Kategorie: Review

The Bitter Taste

Mordsspaß aus Niedersachsen

und auf Englisch, das allein ist eine schöne Differenz zum Realismus. Und Tote können nicht ermordet werden, da sie eh schon das Zeitliche gesegnet hat. So kann denn das Orchester stoisch über heiße Stellen hinwegspielen, voller Sound, das geht uns doch nichts an; das ist so ein Pfiff, wie Kino sich mit Schauderlichem beschäftigen kann, sich mit der Verletzlichkeit und Sterblichkeit des Menschen beschäftigen, ihm diese vorführen. Denn es ist schwer, sie wahrhaben zu wollen. Insofern eine todernste Angelegenheit, die am besten und direkt am leichtesten das Horrorgenre, diesmal made in Germany, unterhaltsam, ohne zu beleidigen, aufbereiten kann.

Marcia (Julia Dordel; sie hat mit Regisseur Guido Tölke auch das Horror-comme-il-faut-Buch geschrieben) gerät im deutschen Wald in was hinein. Josh (Nicolo Pasetti) scheint im Wald, im Irrgarten, im merkwürdigen Schloss, am Schießstand, im Teich, in den unterirdischen Gängen noch der verlässlichste Partner; aber er sagt, er fremdle mit der Village-Community.

Gewehre spielen auch eine Rolle. Vor allem aber ein Briefumschlag, den Mattius King (John Keogh) hinterlässt. Er fungiert als Repräsentant irdischer Herrschaft. Und dann ist da noch Polizistin George (Anne Alexander-Sieder). Aber eine Polizistin, allein, wie freischaffend im Horrorwald, kann die für Ordnung, für Verlässlichkeit sorgen?

Da Marcia einst Fünfkämpferin war, gibt es passende Arrangements, es lässt sich sogar ein Kampfmodell ablesen für echte Kämpfer; gefochten werden muss auch. Und ob die Visiergitter hieb- und stichfest sind, das wird sich noch zeigen.

Der Film bietet Assoziationen genug zu Kampf und Sport und Jagd, setzt sie für seine Zwecke zielbewusst und genregerecht ein. Es geht heftig zu in diesem nicht eine Sekunde nach Subvention riechenden, frischfreien Genrefilm aus deutschen Landen. Und ein Lovemoment fehlt auch nicht. Der findet nicht zu weit von einem Folterkeller entfernt statt … wenn Geister schon Jahrhunderte im Gefängnis verbringen, müssen sie auch was zum Spielen haben … und wenn wir schon dabei sind, auf die Kettensäge wollen wir auch nicht verzichten, die ist nicht nur für Spezialeffekt gut, sie kann auch recht nützlich werden im Überlebenskampf.

The Ugly Stepsister

Lustvolles Suhlen in Schauderfabuliererei

Das Prinzip von Emilie Blichfeldt in ihrer Aschenputtelinterpretation scheint zu sein, den Schauder, das Hässliche, den Danebenbenimm, das Blutige an Grimms Märchen schrankenlos auszuleben. Da es sich zuvörderst um ein Prinzip zu handeln scheint, ermüdet es allderings. Außerdem macht es die Filmemacherin einem nicht leicht mit der Sympathieverteilung; damit sendet sie zweideutige Signale an den Gerechtigkeitssinn; kehrt dem Moralischen eines Märchens den Rücken zu.

Elvira (Lea Myren) ist mitleiderregend hässlich; insofern gehören ihr zuerst die Sympathien. Ihre Mutter Rebekka (Ane Dahl Torp) heiratet den Vater von Agnes (Thea Sofie Loch Naess). Dieser stirbt bald. Agnes wirkt auf den ersten Moment glatt, perfekt und entsprechend unsympathisch, Blondine pur. Dazwischen ist Alma (Flo Fagerli), zu der man ein eher neutrales Verhältnis entwickelt. Agnes kennt keine sexuelle Scheu, wenn es um Vergnügungen mit Stallknecht Isak (Malte Gardinger) geht.

Mit Dr. Esthétique (Adam Lundgren) kommt das Element der Schönheitschirurgie ins Spiel. Hierbei tobt sich der Film an den unappetitlichen Nebenerscheinungen der florierenden Branche aus.

Prinz Julian (Isac Calmroth), der Traumprinz, ist der Antipath. Er wird vorgestellt mit seinen Kumpels im Wald, wie er beim Pinkeln obszön redet. Es folgt der Ball beim Prinzen. Der wird brav und ordentlich erzählt, bis auf die Magenprobleme von Elvira, die zum Schlankwerden einen Bandwurm verschluckt; man kann sich ausmalen, wie das Ekelprinzip verlangt, dass er entsorgt werde.

Der verlorene Schuh kommt vor wie das Zitat mit dem Kürbis. Und auch das ist absehbar, wie blutig die enttäuschte Elvira versuchen wird, den Fuß dem Schuh anzupassen. Insofern: keine neuen Erkenntnisse zu einer bewährten Geschichte und vielleicht die Einsicht, dass es seinen Grund hat, warum diese Geschichten sich so bewähren und an ihrem Fundament nicht gerüttelt werden sollte. Denn es geht zuerst um die Moral und nicht um das Unappetitliche. Antiperistaltik ist nicht direkt Märchenstoff.

The Wedding Banquet

Das Kalkül des Menschen mit dem Glück

geht schief, muss schief gehen, wenn eine Komödie zu dem Thema gut ausgehen soll. So tut sie es auch bei Andrew Ahn, der mit James Schamus das Drehbuch zu dieser in Seattle angesiedelten Beziehungs- und Hochzeitskomödie geschrieben hat.

Der smarte Koreaner Min (Han Gi-Chan) macht seinem etwas rundlicheren amerikanischen Freund Chris (Bowen Yang) einen Heiratsantrag. Der lehnt ab. Liebeskalkül gefloppt. Die beiden, der eine Künstler, der andere Insektenforscher, wohnen in der Garage des Liebespaars Lee (Lily Gladstone) und Angela (Kelly Marie Tran). Die beiden Frauen, die eine ein mütterlicher Typ, die andere nicht unbedingt eine Schönheit, so wie man sich vielleicht eine Wurmforscherin vorstellt, wollen auf dem Wege der künstlichen Befruchtung ein Kind. Funktioniert nicht. Familienkalkül gefloppt.

Die Oma (Ja-Young) von Min lebt in Korea und führt den Familienkonzern. Sie finanziert dem Enkel sein vermeintliches Studium und will, dass er ins Geschäft einsteigt. Dieser hat keine Lust. Omas Familien- und Geschäftskalkül gefloppt. Oma findet, wenn er heirate, könne man drüber reden. Er verabredet mit Angela eine Scheinehe, um weiter Geld zu erhalten und nicht nach Korea zurückkehren zu müssen.

Oma misstraut der Sache, taucht unverhofft in Seattle auf. Damit gewinnt die Handlung an Dynamik, die Handlung des Kalkulierens, des Vertuschens, des Floppens und der daraus sich ergebenden neuen Kalküle. Das bäumt sich auf zur turbulenten Komödie, die Andrew Ahn mit sichtlichem Spaß am Umgang des Menschen mit seinen Glücksberechnungen inszeniert, vielleicht nicht ganz so kinoelegent, wie Ang Lee es in seinem Vorbildfilm vor über drei Jahrzehnten vorgemacht hat. Die Bilder sind romantisch, das Story-Board ist wohl durchdacht und die Tonspur nicht um einen pfiffigen Begleit-Kommentar, der auf die Farce von Hochzeitsfilmen verweist, verlegen.

Im Prinzip Familie

Mühsal der Menschenerziehung

„Im Haus muss beginnen, was blühen soll im Vaterland“, Zitat (nicht aus dem Film) von Jeremias Gotthelf über die Wichtigkeit von Familie. Sie bildet damit ein Fundament der Gesellschaft. Auch wenn immer mehr Funktionen der Familie an andere Teile der Gesellschaft ausgelagert werden, gerne an die Schule, die reparieren soll, was in der Familie schiefläuft.

Die Familie ist ein intimer Raum, ein geschützter Raum. Hier können enorme Verletzungen passieren. Wenn Familien dysfunktional sind, springen Kinderheime ein. Es gibt auch intimere Einrichtungen. Über eine solche berichtet der Dokumentarfilm von Daniel Abma. Eine Einrichtung, die wie eine Familie funktioniert, für Kinder, hier sind es lauter Knaben um die 10 Jahre, die von Betreuern umsorgt werden.

Es wirkt ein wenig befremdlich, gerade im Zusammenhang mit dem Begriff Familie, dass die Kinder ihre Betreuer siezen und mit dem Familiennamen ansprechen. Es sind Kids, deren Eltern getrennt, überfordert sind; Missbrauch wird erwähnt.

Die Doku hebt zwei Buben besonders hervor, den hellwachen und beschlagenen Niklas und den Systemsprenger Kelvin. Der erste möchte zur Mutter, hat aber das Recht, beim Vater zu wohnen. Der zweite wird schon allein wegen seiner Hautfarbe diskriminiert. Der verliert gerne die Kontrolle, selbst in der Klinik wollen sie ihn nicht behalten.

Der Dokumentarist fädelt seinen Film als Adabei-Doku auf, als unsichtbarer Dritter und vielleicht Vierter und Fünfter, Regisseur, Kameramann, Tonmann, die sich in den engen Räumlichkeiten unsichtbar machen. Sie werden nie direkt angesprochen. Das ist in so einem geschützten Raum problematisch, da die Protagonisten generell das Dokuteam nicht ausblenden werden und es ist kaum abzuschätzen, inwiefern sich das verhaltensverändernd auswirkt. So ist zu vermuten, dass der Dokumentarfilm seine eigene Realität erzählt.

From the World of John Wick: Ballerina

Killertänzerin

Inzwischen kommt es vor, dass man vorm Besuch der Pressevorführung nicht nur eine Embargo-Erklärung, sondern einen weiteren, eine oder gar mehrere Seiten langen, englischen Text unterschreiben muss, den genau durchzulesen in dem Gedränge am Counter gar keine Zeit ist. Wenn jeder das genau studieren würde, müsste die Pressevorführung vermutlich um ein oder zwei Stunden nach hinten geschoben werden. Keine Ahnung also, was wir da unterschrieben haben. Man kann das getrost als Farce bezeichnen, an deren Formulierung vielleicht ein paar Anwälte einige Dollar verdient haben. Man vermutet, es geht darum, nicht zu viel ausuzuplaudern.

So viel darf bestimmt verraten werden, Keanu Reeves als John Wick spielt mit, wenn er auch nur kurze Auftritte hat.

Einen aparten Zusammenhang bietet der Film von Len Wiseman nach dem Drehbuch von Shay Hatten und Derek Kolstadt außerdem: den zwischen klassischem Ballett und dem Killermetier.

Es geht hier um eine Killerin Eve (Ana de Adams), die in einem russischen Internat zur Tanz- und Kampfmaschine ausgebildet wird. Das hat eine familiäre Bewandtnis, denn den Killer- und Kämpferinnenberuf, den sucht man sich nicht aus, der findet einen, wie ein eingestreuter Aphorismus feststellt.

Die Schule heißt Ruska Roma und wird geführt von einer Directrice (Anjelica Huston). Die sieht so aus, wie sie offenbar in Filmen mit Geheimhaltungserklärung aussehen müssen, wie eine Puffmutter, die gnadenlose Variante. Sie ist definitiv mehr als eine Internatsleiterin und auf dieser Mehr-Ebene ist sie im Clinch mit anderen Organisationen. Es braucht in einem Actionfilm Gegenspieler, das ist bestimmt nicht zu viel verraten.

Die Motivation der Killerin, die zur Tänzerin ausgebildet worden ist, dürfte eine Rache-Geschichte sein, ein unerledigtes Vaterthema. Und wer das genau wissen will, der muss den Film anschauen.

Es ist ein Film, in dem Eve, die erwachsene Variante, wo immer sie hinkommt, vom ersten Moment an die Ballerei und die Kämpferei losgeht, dankenswerter Weise nicht mit dominant erkennbarer Postproduktionshilfe, trotzdem zieht es sich, Kampfszene um Kampfszene.

Der Film ist relativ staatstheaterlich und mit viel Glyzerin als Tränenersatz (als stellvertretendes Beispiel für die Machtart) hergestellt.

Man könnte vielleicht von einer gewissen plakativen Schematisierung von Handlung und Inszenierung sprechen. Mit der Erwähnung von Tschaikowsky im Zusammenhang mit einer Spieluhr mit Tänzerin oder mit Tarkowskis Rubljow gibt sich der Film einen kulturellen Anstrich.

Die Ortschaft Hallstatt im Salzkammergut kommt vor und es gibt Momente, in denen deutsche Brocken von anonymen Bösewichtern zu hören sind.

Chaos und Stille

Auf die Dächer!

Zufall oder Welle, nobody knows, Schauspieler auf Dächern sind in.

Bei Bird steht Franz Rogowsky auf britischen Provinzdächern, verkörpert die Übersichtsperspektive für die Einsicht, bei den Oslo-Stories-Sehnsucht sind es Kaminkehrer, die Oslo von oben und durch die Schornsteine betrachten, allfällige Risse zu entdecken (in der Gesellschaft).

Bei Anatol Schuster (Luft, Frau Stern) ist es Sabine Timoteo als Klara, die sich Darmstadt von oben anschaut, aber nicht deswegen steigt sie auf‘ s Dach, sie hat genug vom Lärm des heutigen Lebens, sie will Ruhe. Regisseur und Autor Antatol Schuster schickt sie dort hinauf, um über sie ironisch am Lack dieser Gesellschaft zu kratzen, wie wenig es doch braucht, um sie aus ihrem Konzept zu bringen, sie zu irritieren.

Damit ist nicht primär die Feuerwehr gemeint, die von aufmerksamen Nachbarn alarmiert wird. Es ist die Auffälligkeit der Unauffälligkeit, die Stille, die Kreise zieht, die die Menschen aus ihrem Alltagstrott aufschrecken lässt.

Es gibt Reaktionen, die das Erschrecken in Verehrung umdeuten, Gruppierungen, die sie als eine Heilige sehen, eine schweigende Gruppierung, die sich den Mund verklebt oder mit den Händen ein Schweigezeichen macht; sie verharren ruhig im Treppenhaus vor dem Dach.

Sein Hauptaugenmerk legt Anatol Schuster auf die akademisch-kulturell gebildete Klasse. Sein Protagonist ist Jean (Anton von Lucke), alles andere als ein Macho-Man. Ein feinsinniger Komponist, der mit seiner Frau Helene (Maria Spanring), einer Konzertpianistin, in einer Wohnung von Klara zur Miete lebt.

Finanziell hat die Künstler-Familie Probleme, Jean lässt anschreiben und Klara zeigt sich großzügig, wenn er die Miete nicht zahlen kann, ja sie erlässt sie ihm sogar.

Klara wird in einem urchristlichen oder urkommunistischen Akt auf all ihr Hab und Gut verzichten, sie hebt ihr Geld von der Bank ab. Sie stellt ihre leere Wohnung Künstlern zur Verfügung und sie will nur noch auf dem Dach sein. Den Flügel verschenkt sich dem Musiker.

Wieder hat der Regisseur wie schon in den Vorgängerfilmen eine ausgezeichente Schauspielerauswahl getroffen (Casting: Susanne Ritter). Grade der Dr. Wunderlich von Michael Wittenborn entspricht so gar nicht dem Klischee des Film- oder Fernseharztes.

Die Frage ist, ob Anatol Schuster sich jetzt mehr dem Mainstream angepasst hat; es gibt einen Redakteur, Chrstian Bauer, im Abspann. Auf jeden Fall ist der Film more sophisticated, subtiler legt er Bruchstellen in der Gesellschaft offen. Dass er die Geburt der Tochter von Jean und Helena – dazu noch als eine besondere Gebärvariante – erzählt, das könnte eine Konzession ans TV sein. Geburt hat wenig mit dem Titelthema „Chaos und Stille“ zu tun; das wäre doch besser unter „Werden und Vergehen“ untergebracht. Da es, wie mir scheint, darum geht, was die Menschen an Radau und Chaos als bewusst handelnde verurusachen und nicht aus naturgemäßen Zusammenhängen heraus. Auch der Junge Djamal, der sich schminkt, könnte als Konzession an das Immigranten- als auch an das Diversitythema im öffentlich-rechtlichen Rundfunkkontext gelesen werden; auch dieser Vorgang hat wenig mit Chaos oder mit Stille zu tun. Zum Titelthema dagegen passt der Musikunterricht für Taubstumme in einer Turnhalle wieder besser.

Der phoenizische Meisterstreich

Benko, Wire-Card, Cum-Ex, „The Line“-Projekt des saudischen Killerprinzen

und weitere Konsorten könnten Wes Anderson zu dieser schrillen Farce über die Welt der Wirtschaftkriminalität inspiriert haben. Die Idee hat er mit Roman Coppola entwickelt.

Der phoenizische Plan ist das Megaprojekt des dubiosen Geschäftsmannes Zsa-zsa Korda, grandios gespielt von Benicio del Toro. Der hat bis in die Spitzen der Weltpolitik einen Ruf wie Donnerhall und soll beseitigt werden. Es gab schon jede Menge Attentate auf ihn. Er hat immer überlebt. Auch der Flug anno 1950 über den Balkan, mit dem der Film Fahrt aufnimmt, endet in einem Desaster. Korda überlebt, entkommt.

Es scheint Wes Anderson ein teuflisches Vergnügen zu bereiten, bis ins Detail die Räume seines Bühnenbildes, seine Kostüme, die Maske, die Ausstattung, das Licht, die Musik auszutüfteln, dazu den besten und klangvollsten Cast zu finden. Die Schauspielercredits wimmeln nur so von illustren Namen.

Wes Anderson inszeniert, das kennt man inzwischen, stilisiert, reduziert, das gibt den Bildern die Schärfe der Zeichnungen von Karikaturisten. Diese Reduziertheit, diese Einfachheit, auch der Verzicht auf Kameramätzchen führen zu präzisen Bildbehauptungen, zu einer unverbogenen Sicht auf die Dinge. Mit ’skurril‘ kann der Sache nicht gerecht werden.

Auch die Geschichte erweist sich als nicht nur simpel. Es ist eine Familiengeschichte, eine Clangeschichte. Korda hat zehn Jungs, einige davon adoptiert aus Gründen der kalkulierten Vielfalt, und ein Mädel. Das ist Liesl (Mia Threapleton). Die ist Novizin in einem Kloster. Ausgerechnet sie will er zur Alleinerbin machen. Die Buben, die teils prima Pfeilschützen sind, hat er im Wohnheim neben seiner Residenz untergebracht.

Das Herrschaftliche in Kordas Palazzo lässt bei Wes Andereson keinen Raum für Diskussionen wie das Interieur von Flugzeugen oder Schiffen. Man könnte seine Räume apodiktisch nennen, selbst das Badezimmer. Im Abspann bringt der Filmemacher einen Hinweis auf die Renaissance-Malerei und während eines der nicht seltenen Flüge im Film, die immer in einem Desaster enden, aber nicht für Korda, liest dieser ein Buch, dessen Titel ich allerdings nicht lesen konnte.

Der Film ist einer Reise zu Kordas diversen Projekten, die unter dem Titel seines Meisterstreiches laufen, und die alle in Finanzierungsnöten stecken; es geht darum, seine inzwischen misstrauischen Investoren zu überzeugen, dabeizubleiben. Dazu gehören Prinz Farouk (Riz Ahmed), bei diesem geht es um das Eisenbahnprojekt, Marseille Bob (Mathieu Amalric), Cousine Hilda (Scarlett Johansson) und dann noch Onkel Nubar (Benedict Cumberbatch). Alle kriegt Korda mit seinen widerlichen Methoden wieder rum. Er arbeitet mit allen Tricks und Mitteln.

Es gibt nicht im geringsten sich aufplusternde Running Gags wie denjenigen mit der Handgranate, die Korda seinen Geschäftspartnern anzubieten pflegt – anstelle der Zigarre in seinen Kreisen; es gibt den Totenschädel auf seinem stattlichen Konferenztisch, die Pfeife die er raucht und diejenige von Liesl.

Als eine wichtige Haupt- und Zwielichtfigur engagiert Korda als administrativen Sekretär seinen Hauslehrer (Truman Hanks), der eigentlich ein Insektenforscher ist und fasziniert davon, wie bei vollem Flug ein Insekt sich an einem Außenfenster des Flugzeuges festklammern kann.

Zwischen Berichte über die Treffen mit den Investoren gibt es Clips aus einem Schwarz-Weiß-Film. Der könnte ästhetisch und inhaltlich von Bunuel inspiriert sein. Dieser zelebriert die religiösen Wahnvorstellungen und Visionen der Protagonisten; Macht, Wahn und Religion.

Es ist ein Film, bei dem man nachher lauter Details, weil sie so eigen sind, so hervorstechend, so pikant, so ungewöhnlich, aufzählen möchte wie die Skizzen von Kordas GAP, der Kurs wie eine Fahrplan- oder Börsenanzeige, der rudimentäre Lügendetektor, den er Gesprächspartnern an den Finger steckt, der Schleudersitz im Flugzeug, die Auslegeordnung der Kästchen mit seinen Projekten, der Geheimdienst, der ihm auf den Fersen ist und dann hat auch noch eine Guerillatruppe ihren Auftritt.

Ein Epilog mit einer moralisch überraschenden Pointe beendet diesen streng stilisierten Report über die Weltläufigkeit von Wirtschaftskriminalität.

Karate Kids: Legends

Einwandfrei

Es gibt Filme, da hat man, obwohl Vielfilmschauer, überhaupt keine Lust irgendwie zu mäkeln. Das heißt ja nicht, dass man sie hochjubeln will, das heißt lediglich, dass man absolut null Bock zum Kritteln hat, sich voll und ganz dem Genuss hingeben konnte, dass der Film also primär schon mal schön und klar, aber auch kurz und knapp erzählt ist.

Nach einer kurzen Rückblende nach Okinawa in Japan 1986, vermutlich das Link zum alten Karate Kids Film, springt er ins Heute nach Peking. Die Mutter von Li Fong (Ming-Na Wen) rauscht in die Kampfsportschule von ihrem Sohn Li (Ben Wang). Der versteckt sich vor ihr. Sie checkt das. Lehrer Mr. Han (Jackie Chan, ja er!) versucht den Sohn zu decken. Mutter verkündet, sie habe einen Job in New gefunden.

Und schon müssen Mutter und Sohn sich in der neuen, amerikanischen Welt zurechtfinden. Da der Bruder von Li bei einem Straßenkampf ums Leben gekommen ist, muss Li der Mutter versprechen, die Finger vom Kampfsport zu lassen. Wie es so ist mit Versprechen.

Gleich beim ersten Rundgang um die Häuser begegnet Li der Tochter des Pizzabäckers Daniel LaRusso (Ralph Macchio). Sie (Sadie Stanley), macht sich lustig über den prima Englisch sprechenden Jungen, der eine Pizza mit Käserand wünscht.

Ben Wang – und nicht nur er – ist eine ausgezeichnete Besetzung, die dem Film seine Plastizität und aufregende Gegenwart verleihen. Kurz: Li kommt dem Kampfsport nicht aus. Und weil er Sadie anspricht, bekommt er es blutig mit ihrem Ex-Lover-Conor (Aramis Knight) und dessen schlaglustigen Kumpels zu tun. Das drängt ihn umsomehr zum Kämpfen.

Dann ist da der jährliche Kampf „5 Bourroughs“ hoch über den Dächern von New York, der mit einem Preisgeld von 50′ 000 Dollar lockt, und bei dem just Conor der Favorit ist, ach ja, und Saddies Vater ist hochverschuldet genau bei der Karateschule, an der Conor trainiert.

Der Plot ist perfekt gestrickt, wie ein Mensch seinem Schicksal nicht auskann, gespickt mit asiatischen Kampfweisheiten, einem beeindruckenden Jackie Chan, mit spannenden Kampf- und Übungsszenen und wie sich, wenn man seinem Schicksal folgt, auch die übrigen Faktoren zum Guten wenden; man muss sein Coming-of-Age nur durchziehen; der Film ist nah am Heute, nah an der Jugend, und ganz humorfrei ist er auch nicht, allein wie der Kämpfername Li-Käserand-Fong zustande kommt und trotzdem gilt: everything ist Kung-Fu, wohl auch ein Käserand, und wie man das im Alltag üben kann.

Saint-Exupéry – Die Geschichte vor dem kleinen Prinzen

Schönes Bilderbuch

Wie in einem schönen Bilderbauch aufgeblättert schildert Pablo Aguero ein abenteuerliches Kapitel aus dem Leben des berühmten Autors Antoine de Saint-Expupéry, der vor allem mit seinem Buch Der kleine Prinz weltbekannt geworden ist.

Hier im Film ist Saint-Exupéry ein waghalsiger Postpilot in Argentinien im Jahre 1930. Die äußere Situation ist die, dass die Fluggesellschaft in der Krise steckt: zu viele Abstürze und im Wettbewerb mit der Eisenbahn, die Tag und Nacht und bei jedem Wetter fahren kann.

Bei einem dieser Flüge werden die Piloten vorgestellt, Saint-Exupéry (Louis Garrel) und der erfahrenere Henre Guillaumet (Vincent Cassel). Im Hangar ist in Kontakt mit ihnen die Frau von Guillaumet (Diane Kruger).

Der Flug wird immer riskanter wegen der Wolken und auch mit dem Benzin sieht es nicht gut aus. Dann spinnt noch der Kompass. Solche Dinge kann das Kino wunderbar mit den Mitteln eines Studios schildern.

Saint Exupéry stürzt ins Meer, orientierungslos. Guillaumet im anderen Flugzeug hat längst den Sichtkontakt verloren. Saint Exupérys Flugzeug schwimmt und irgendwann entdeckt er eine Insel. Wie die aussehe, will der Freund und Kollege über Funk wissen. Da Saint Exupéry immer auch zeichnet, kommt so das Motiv des Hutes ins Spiel. Unter diesem muss sich der geneigte Leser später einen Elefanten vorstellen. Bei wenigen solchen Anspielungen bleibt es im Film im Hinblick auf den kleinen Prinzen.

Beim zweiten großen Abenteuer im Film kommen weitere Zeichnungen und Skizzen hinzu. Es geht um die waghalsige Überquerung der Anden, für die die Postflugzeuge nicht gemacht sind. Da fliegt Guillaumet allein und der Kontakt bricht ab. Saint-Exupéry wird ihn suchen. Ebenfalls ein abenteuerliches Unternehmen.

In Grenzsituationen, wenn es um Leben und Tod geht, werden Rückblenden zum Schloss von Saint Exupérys Jugend eingeblendet, der frühe Tod seines Bruders erinnert.

Nach der Argentinienepisode gibt es einen Hinweis auf den Zweiten Weltkrieg, in dem Saint-Exupéry bei einem Aufklärungsflug sang- und klanglos verschwindet. Der Dichter wird als ein mutiger und um Ideen nie verlegener Mann gezeichnet.

On Swift Horses

Romanzen im Schatten des Koreakrieges

Der Film von Daniel Minahan nach dem Drehbuch von Bryce Kass nach dem Roman von Shannon Pufahl zeigt, dass es in den USA der späteren 50er Jahre des letzten Jahrhunderts nebst Koreakrieg und Atomtests in Nevada noch ganz andere Dinge gab, die damals so auch nicht hätten gezeigt werden dürfen. Liebesgeschichten nämlich, die heute wie im Beispiel der Oslo Stories anders erzählt werden als hier, wo immer auch eine durchaus verehrende Hommage an das Hollywood jener Zeit mitgeflüstert wird.

Etwas verhuscht, als ob das auch heute noch nicht dick aufgetragen erzählt werden dürfe, zeichnet der Film das zentrale Verhältnis der beiden Brüder Julius (Jacob Elordi) und Lee (Will Poulter) nach. Beide sind im Koreakrieg zugange. Julius kehrt frührer zurück, Lee muss nochmal eine Runde ran. Lee ist entschlossen, Muriel (Daisy Edgar-Jones) zu heiraten. Sie wollen aus Kansas wegziehen nach Kalifornien, sich dort ein Häuschen kaufen.

Lee ist der geradlinige Mann, dem Fremdgängertum, schon gar nicht in andere Gefilde, undenkbar ist, er will ehrlich sein Geld verdienen, Kinder haben, hübsch, aber von der Haltung her der Spießer.

Julius baggert Muriel an, hat aber ein weiteres Feld an erotischen Bereichen. Er ist ein Spieler. Muriel auch (Pferdewetten). Sie versucht, das vor Lee zu verheimlichen.

Julius geht seiner eigenen Wege. Arbeitet im Pokermilieu in Las Vegas, verdient sein Geld mit organisierter Betrügerei. Dort lernt er Henry (Diego Calva) kennen. Umstandslos werden sie ein inniges Paar. So direkt hätte man das damals wohl nie zeigen können. Jetzt geht’s zur Sache, aber ordentlich mit Unterschwäsche bekleidet.

Muriel und Lee sind nach Kalifornien gezogen in eine neues Haus im Arroyo Club. Muriel lernt Sandara (Sasha Calle) kennen. Die wiederum hat Zugang zu einem diskreten Club, in dem nur Männer verkehren, miteinander höflich tanzen, rumsitzen, rauchen, trinken.

Der Film behandelt das ewig gleiche, ewig immer wieder aufregende Thema der Geheimnisse in einer Beziehung oder umgekehrt gesehen, des Tödlichen einer ausschließlichen Zweierbeziehung. Das ewige Thema der Lust und des Bedürfnisses der Festschreibung der Lust. Des Widerspruchs zwischen erotischem Abenteuer und erotischer Sicherheit, verbunden mit dem Wunsch, sich ein Leben zu bauen, eine Zukunft. Der Film kommt als eine wunderschön unaufdringliche Romanverfilmung daher mit einem Hauch Romantik in Bild, Besetzung und Spiel.