Archiv der Kategorie: Review

Die Spätzünder 2 (TV BR)

Life ist life. Zugabe. Gegröle. Wollt Ihr noch? Die Altenheim-Band rockt.
Und noch ein deutscher Altenheimfilm. Und wieder spielen alte Schauspieler alte Menschen, so wie sie sich vorstellen dass alte Menschen sind, das heißt so, wie sie sicher nicht sind. Das kommt so heraus, weil der Regisseur Wolfgang Murnberger in seiner routiniert desinteressierten Regie die alten Kämpen machen lässt, und diese zeigen folglich, wie dämlich sie alte Menschen darstellen zu müssen meinen und weil das Drehbuch von Uli Brée diesem allen noch Vorschub leistet.

Ein fragwürdiges, gebührenfinanziertes Unternehmen und der Gebührenzahler, der sich ein solches Luxusaltenheim nicht leisten kann, darf sich bescheuert vorkommen. Immerhin ein Sozialfall, der in Goa war, hat’s in dieses Heim geschafft. Und wie machst du es jetzt? Altenheim oder Disneyland?

Wenn Themen vorkommen wie Sex im Rentenalter, Fitness wie ein Turnschuh, prozessorientierte Musiktherapie, so sind Handlung und Spannung doch gar nicht mehr nötig, diese sind von sich aus so total erheiternd – glauben die Macher.

Diesen Zirkus machen mit: Joachim Fuchsberger, Hans Michael Rehberg, Dieter Hallervorden, die spielen schon so, dass sie nicht unbemerkt bleiben und die Sprüche, die der Autor vermutlich aus einem Sprichwörterbuch, Kapitel „Alte und Altenheime“ gefunden hat, die können sie auch ohne jede Regiehilfe vortragen.

Die jungen Darsteller stellen sich teils so an, als ob sie für eine Gerichtsshow improvisieren sollen, weil sie sowohl von Drehbuch als auch von der Regie allein gelassen wurden. Die verkindete Betreuerin, der verwurstete Betreuer. Rocco und Marina.

Grundthese: das Alter ist ein sinnloser Selbstzweck und hat keine Zukunft. Diese These wird nun durchbuchstabiert anhand von Bandproben, Yoga, Unmündigkeit, geriatrischer Küche, Zigaretten, Schwächeanfällen, Abhauen, Verdacht auf Lungenentzündung, Unartigkeit beim Essen, Kredite, Hausbesetzung und eine Musik, die aufdringlich erzählt, das ist eh alles nicht wichtig und sowieso lustig.

Die kleine Story, die spät erst beginnt, dass die Insassen ihr Altersheim kaufen wollen, soll aufzeigen, wie kaputt aller Familienverhältnisse sind.

Am Schluss lösen Musik und feine Küche alle Probleme und machen alle glücklich und erfolgreich.
Glück aus dem Mustopf.

Die Fahnenweihe (TV BR)

„Herrschaften, die sich darnach richten, was die öffentliche Meinung sagt“, das war mir der präsenteste, der herausragend gesprochene Satz dieser Fernsehaufzeichnung einer von Sprachregie offenbar wenig befangenen Freilichtheateraufführung der Luisenburgfestspiele in Wunsiedel.

Das Stück selbst spielt in Garmisch-Partenkirchen und wurde 1896 von Josef Ruederer geschrieben. Es geht darin um ein Stück Land, auf welches der Posthalter scharf ist. Um das kaufen zu können, will er der Gemeinde ein Findelhaus spendieren. Der Hintergedanke ist, auf dem Grundstück ein lukratives Hotel zu errichten. Das Geld dafür beschafft sich der Posthalter vom Geliebten seiner Frau, einem Münchner Geldprotz.

Selbstverständlich gibt es andere Interessenten und die eingangs erwähnte Haltung diverser Mitmischer bringt viel Konfusion in den Vorgang um den Erwerb der Wiese, die vorgesehene Fahnenweihe und die Grundsteinlegung des Findelhauses mit dem „Knalleffekt“ von 500 Litern Freibier. Die nicht ganz sauberen Spielchen um diesen Handel zeigen die zwiespältigen moralischen Attitüden und Haltungen der Honoratioren auf.

Diese inhaltliche Konfusion der Haltungen scheint sich in der Regie von Michael Lerchenberg und Steffi Baier niederzuschlagen. Meist sind sehr viele Leute auf der Bühne und stehen sich eher im Wege und da es sich außerdem um eine Aufführung im Freien, auf der berühmten Felsenbühne von Wunsiedel handelt, versucht die Regie die Schauspieler möglichst laut, möglichst nach vorn und mit viel Zeigefingertheater agieren zu lassen.

Die gründlichere Interpretation von Regie, die diese mit der Fähigkeit, den Chor zu leiten, gleichsetzt, die scheint hier keine Anwendung zu finden. Die Fernsehregie von Thomas Kommayer für die Aufzeichnung kann auch keine entwirrende Klarheit schaffen.

Vermutlich geht es dem BR vor allem darum, dieses populäre Bauerntheater mit Überlappungen zum Bereich der Schmiere einem breiteren, vielleicht auch reise- oder fußmüden Publikum näher zu bringen; ein zweifellos ehrbares Anliegen, was der kulturellen Informationspflicht des Senders mehr als Genüge tut.

Groß im Anspann ist zu lesen: „Bearbeitung Michael Lerchenberg“. Dafür dürfte des Regisseurs Kasse nochmal schön geklingelt haben und für die Aufzeichnung fürs Fernsehen nochmal nochmal. Dem Stück wäre allerdings mehr gedient gewesen, stattdessen sich mehr auf die Heutigkeit der Zeichnung der Figuren zu konzentrieren.

Paradies 505 – Ein Niederbayernkrimi (TV BR)

Was mich für diesen Niederbayernkrimi, zu dem Christian Limmer das Drehbuch geschrieben hat, vor allem einnimmt, ist nebst der hervorragenden Regie von Max Färberböck, der sich intensiv um die Darstellung der Figuren und ihrer Glaubwürdigkeit kümmert, die Grundfigurenkonstellation als solche: Die tüchtige Polizistin, die in jeder Szene um ihr Überleben zu kämpfen scheint und als ihr Partner vom benachbarten Kommissariat, der in höheren Spähren schwebende Lederer („der hat so einen Magnetismus“). In dieser Konstellation manifestiert sich für mich pointiert überhöht und für den Zuschauer durchaus genüsslich dargestellt ein abgrundtiefes, gesellschaftliches Problem nicht nur in Niederbayern, sondern in ganz Deutschland: die Gleichberechtigung von Mann und Frau – resp. wie weit wir noch davon entfernt sind. Schöner kann man das kaum zeigen. Wobei hier sowohl die Konstruktion durch den Autor als auch die Inszenierung durch den Regisseur mit dem prima Cast, Johanna Bittenbinder als die geerdete, gleichzeitig gern entsetzte Kommissarin und Florian Karlheim als der schwebende Kommissar, „der Straubinger Kasperl“, dieses sinnige Bouquet so rund und dufte machen. Als Hintergrundinfo wäre interessant, was einerseits die Figuren als Rollen beim Polizeidienst verdienen und dann parallel dazu, was die Darsteller der Rollen bei ihrem Brötchengeber, der Roxy-Film im Auftrag des Bayerischen Rundfunks erhalten – ob da wenigstens der Gleichheitsgrundsatz gilt.

Als Tüpfelchen auf diesen Pluspunkten erscheint der Dialekt; der für Puristen in der Zusammenstellung verschiedener bayerischer Idiome in einem Landstrich immer noch problematisch sein dürfte; der jedoch homogener erscheint als in vielen ähnlichen Produktionen, die sich des Modells Bayern im Film bedienen. Grandios die Farbtupfer, die niederbayerische, gewachsene Originaldarsteller beispielsweise bei der Massenbefragung von Männern in den Film tragen.

Ohne viel Federlesens wird der Kriminalfall noch vor dem Titel eingeführt. Ein Arm ragt auf Waldboden ins Bild. Er wird weggezogen. Gruslig, gruslig, ein Auto entfernt sich.

Die klassischen Nachforschungen der Polizei geben dem Film die Möglichkeit, bayerisches Leben zu schildern von der Dorfwirtschaft über den Einsiedlerhof bis zum Rotlicht-Etablissement „Paradies 505“, eingetaucht in die traumhaften, kunstvoll zum schnöden Realismus Distanz haltenden Szenenbilder von Oliver Hoese, dazu Bonmots aus dem Alltag wie „Fango auf Krankenschein“ oder „der schwule Cowboy“ (über Lederer) oder der Chor der Gaffer: „Vier Polizisten gehen eini, ein Tota kimmt ausi“, „Woassd was, gibst mia an Presssack, dann wirst den ganzn Dregg auf oamaoi los“, „Heimat sind Freunde“, „Heimat sind Wurzeln“.

Einzig dem Schluss des Filmes fehlt das Pendant zum prägnanten Anfang, so schön der Chorgesang sein mag; da hätte man inhaltlich vielleicht auf einen Punkt hin arbeiten sollen – statt sich mit drei Leichen zu zerfaseln. Da wechselt die Methode von der Prägnanz des Beginns zum Gemeinschaftstümeln, Ensembletümeln; wäre außerhalb des Filmes sicher angebracht; innerhalb nimmt es dem Film an Greifbarkeit.

Exclusiv im Ersten: Machtlos vor Somalia (TV BR)

Nicht allzu neugierig und keinesfalls selbstreflexiv war das embedded Reporterteam Anna Tillack, Tobias Chmura und Hans Hinterberger, die zwei Wochen für den BR auf der Bundeswehr-Fregatte „Augsburg“, auslaufend von den Seychellen, vor der Küste Somalias mit auf Patrouillenfahrt durften. Entsprechend unergiebig ist ihr Bericht: vor allem Langeweile, Übungen, Sport, enge Kombüsen und Küche schrubben. Als einziger Ernsteinsatz ein Taxiflug für Politiker zwischen Mogadischu und einem portugiesischen Konferenzboot. Sonst müssen die Männer der „Augsburg“ tatenlos zuschauen, wie das von Piraten seit zwei Jahren gekaperte Handelsschiff „Albedo“ mit Mann und Maus und Containern untergeht. Dass dieser Zustand unbefriedigend sei, dieser Message der Bundeswehr leiht dieser Film mit BR-Routine-Sprecherei seine Stimme.

Sofia’s last Ambulance (DVD)

Ein atemloses 75-Minuten-Doku-Kinostück immer am Rande des realen Horrors, der Realsatire. Eine Nachtschicht mit der einzigen Reanimations-Ambulanz in Sofia, Bulgarien. Ein Drei-Personenstück, hoch konzentriert auf den Fahrer der Ambulanz, Plamen, den Arzt, Dr. Yordanov, genannt Krassi und die Assistentin oder Krankenschwester Mila. Von den Patienten sieht man so gut wie nichts, da muss die Vorstellung des Zuschauers mitarbeiten.

Ilian Metev, der Macher dieses Filmes, der für Buch, Regie, Kamera und Schnitt steht, bleibt fast nur auf den Gesichtern der drei, auf denen die Augenringe bis zum Ende der Schicht, wenn die Ambulanz sich im morgendlichen Berufsverkehr auf den Heimweg macht, immer größer und dunkler werden. Vor lauter Übermüdung kommt es irgendwann in der Nacht zu einer Karambolage und der Patient ist inzwischen bereits tot; aber seine Frau hatte die Sanität ja schon 5 Stunden früher angerufen.

Die Funkzentrale des Rettungsdienstes ist über längere Zeiträume nicht erreichbar oder es nimmt niemand ab. Einmal kommt die Mitteilung dass zwei Krankenhäuser keine Patienten mehr aufnehmen können, die Kapazitätsgrenzen sind überschritten.

Zwischendrin gibt es Wartesituationen. Da wird viel geraucht. Es wird über Kollegen geredet, über die Situation am Arbeitsplatz, dass das ganze Team allmählich weglaufe. Am Tiefpunkt, am toten Punkt der Nacht wird geäußert, dass das alles nicht mehr menschlich sei.

Mila telefoniert einmal mit ihrem Töchterchen. Oder die drei sitzen nur da und beobachten eine Frau, wie sie sich bewegt, machen ihre Kommentare dazu; oder wie sie an Villen vorbeifahren, wird über hohe Einkommen, die dafür nötig sind, gemutmaßt.

Die Grenze zur Satire, zur Komödie wird beinah überschritten in der Szene, in der ein Patient mit einem gebrochenen Bein mitgenommen wird; immer will er sich aufsetzen, weil ihm das Bein weh tue, aber dann kann Mila die Schiene nicht anlegen, was eh schon schwierig genug ist, da der Wagen holpert wie bei einem Erdbeben und ihr die Schiene ständig aus der Hand zu fliegen droht.

In einem verlassenen Vorort von Sofia kommen sie viel zu spät an. Die Patientin ist im halben Kopf schon vorn Würmern zerfressen. Pech für die Polizisten, die gehofft hatten, wenn die Sanität eintreffe, dann könnten sie nach Hause gehen. Jetzt müssen sie bleiben und die Sanität kann Leine ziehen.

Unser Trio spekuliert gerne auf dem Weg zu einem Einsatz, worum es sich diesmal handeln dürfte. Mila wird recht behalten, mit der Behauptung, es werde sich um eine Hirnblutung handeln. Sie hätte also noch andere Talente, als nur die hier benötigten, dazu wäre ein Glaskugel hilfreich.

Das Bild von der Gesundheitsversorgung in Bulgarien, was durch diesen Film gezeichnet wird, ist katastrophal. Es fehlt an allen Ecken und Enden. Nichts funktioniert oder alles nur so hoppla-di-hopp. Der Eindruck dieser Katastrophe wird für den Zuschauer noch verstärkt dadurch, dass das alles und einzig und allein über die Texte und die Gesichter der drei Protagonisten erzählt wird und überhaupt nicht anklagend, anprangernd, denn die Menschen buddeln sich zurecht, mit dem was sie haben und zu tun haben. Da kann es eine Riesenaktion sein, die richtige Adresse, zu der sie beordert werden, ausfindig zu machen.

Gesprächsthemen der drei während ihrer Schicht sind: die Sonderschichten, Überziehungskredite, Traumhaus, Kaffeekarte auf Kaffeeautomaten vergessen, eine Frotzelei über Akupunktur und Kanülen, der Kollege, der gekündigt hat, die Truppe, die auseinanderbricht, Serienmörder und Reiche und wie die Nase weh tut, wenn Krassi zudrückt.

Versuche, wieder Kontakt zur Zentrale aufzunehmen. Seit einer halben Stunde Warteschleife, armes Land. Und als kleiner Energieschub schütteln sich die drei an einer Stelle Äpfel vom Baum. Oder sie machen einen Ansatz, ein Lied zu singen Schneeglöckchen und Mädchen.

Einmal braust Plamen der Fahrer so durch Sofia und mit Horn, dass Mila Angst und Bange wird, sie nur noch mit schreckensaufgerissenen Augen starrt, sich mit beiden Händen festhält und sich zurücklegt, als wolle sie der Gefahr ausweichen.

Die Fahrt als Patient in so einem Krankenwagen kann zur größeren Tortur werden, als der Schmerz der Verletzung.

Endlich Funkkontakt. Niemand macht auf. Was für eine Diagnose? Völlig gestörte Kommunikation.
200 Einsätze pro Schicht…
Ich hab nicht mal mehr Lust zu rauchen.
Fix und fertig und es rüttelt das Auto, man spürt das physisch.
Die Ringe unter den Augen werden stärker

Bewusstloser Mann in Badezimmer,
Notruf um 18.55
…. und passt auf, dass ihr nicht verprügelt werden…

Alles eine Frage der Zeit

Bei Richard Curtis, dem Autoren und Regisseur dieses Filmes, darf sich der Zuschauer wohlig einrichten in gediegenem, britischen Ambiente an der Küste in einem Wohnhaus, was eher ein Schloss zu nennen ist und wo das Thema Geldbeschaffung kein Thema ist, in einer Familie, die in strengen Ritualen lebt, vor allem der Nachmittagstee am Wasser ist heilig, und das Bild ist wirklich traumhaft, wenn die Personen des Hauhaltes, das sind Vater, Mutter, Hauptdarsteller, Sohn Tim, Schwesterchen „Kit Kat“, und der wie ein Möbelstück zur Inneneinrichtung der Familie gehörende Onkel Desmond, dessen Hauptaktivität sich darin erschöpft, Onkel Desmond (immer im Anzug) zu sein, wenn diese Eintracht in Einerkolonne in Richtung Ufer durch den steilen, felsigen Pfade dem Strand zustrebt, da fühlt man sich doch gleich aufgehoben in solch Vertrauen und Zuverlässigkeit erweckender Gleichförmigkeit und ruhiger Gesittetheit.

Das Problem, was den Filmemacher umtreibt, ist ein moralisches, ist die Frage nach dem Glück. Wie kann der Mensch seinen Tag glücklich begehen, ohne dass er nachher sein Verhalten und seine Handlungen bereuen muss. Richard Curtis illustriert in diesem seinem Film den Lebensweisheitsspruch „Carpe Diem“ oder „handle stets so, dass Du es nicht bereuen musst“.

Offenbar hat die Familie damit Probleme und sie hat in ihrer Luxusexistenz auch ein Mittel dagegen gefunden, allerdings nur für die männlichen Bestandteile und erst, wenn sie das 21. Lebensjahr erreicht haben. Da bittet der Vater, ein irgendwie Intellektueller, der mit dem Sohn immer schon gerne Steine über das Meer geschleudert oder Tischtennis gespielt hat, zu einem vertraulichen Gespräch in einem Salon und klärt ihn über dieses Familiengeheimnis auf. Die erwachsenen Männer der Familie haben die Fähigkeit zur Zeitreise. Diese ist allerdings auf den Zeitraum ihres eigenen Lebens und bis zum Zeitpunkt der Geburt beschränkt, sie können auch nicht in die Zukunft reisen.

Der Vorgang ist lächerlich einfach. Einer, der so eine Zeitreise antreten möchte, um ein Verhalten, eine Handlung zu korrigieren, braucht sich nur in einen kleinen dunklen Raum, einen Schrank beispielsweise, stellen, die Fäuste ballen und an die Zeit denken, in die er reisen möchte. Der Filmemacher schneidet darauf einen schnellen Bogen an Bildern aus dem Leben des Möchtegernzeitreisenden wie das Durchblättern eines Inhaltsverzeichnisses hintereinander und beim Zielpunkt kann der Akteur wieder aus dem Schrank treten, er trägt dann die Kleidung von damals und kann in die damalige Sylvesterparty sich nahtlos einfügen und den Liebesantrag von eben etwas weniger ungehobelt nochmal versuchen.

Das kann zu komischen Situationen führen, der Film hat Kicherpotential, kann zum Glucksfilm werden, wenn Tim eine Frau trifft, die er erst aus seinem späteren Leben kennt und sie in einem Museum oder auf der Straße anspricht.

Letztlich aber bleibt mir der Nutzen solcher Zeitreisen unklar und ihre Mechanik uneinsichtig. Sie scheinen mir eher ein Konstrukt zu sein, was für Menschen einen Reiz hat, die gerne sagen „hätte ich doch“, „wäre ich doch“, „wenn ich nochmal jung wäre“, für Menschen also, die Mühe haben, zu ihren Entscheidungen zu stehen und sie zu akzeptieren.

Wobei Richard Curtis dieses Thema sehr publikumsaffin, publikumsanschmiegsam und leinwandschmeichelnd bearbeitet, zwei Stunden für ein paar Kinoeuro sich bei der englischen Upper Middle Class einheimeln, das ist doch ein angemessener Gegenwert an reizenden Familienbildern.

Zeitreisen als Korrektiv. Aber auch ohrschmeichelnd, wobei mir stellenweise der Eindruck eines verfilmten Hörspiels entstand, die deutsche Synchronisation voll Watte geschluckt hat (oder Kreide?), denn alles geht über den Dialog und kaum über die Handlung (“Sieht Deine Mom immer noch aus wie Andy Warhol?“ „dass Dein Lover mal kein Ponyfetischist sei“); dazu passend ein Dinner in Dark, in Noir, wo die Leinwand bis auf wenige sich bewegende Lichtreflexpunkte ganz dunkel ist.

Der dramatische Inhalt beschränkt sich zentral auf das Kriegen- und Nichtkriegen einer Frau durch den Jungen in der Familie, durch Tim, der zwischenzeitlich in London als Anwalt arbeitet (also doch Arbeit).

Ein Film zur Beihilfe bei der Beseitigung von Pannen, ein Dépannage-Film? Viele Belustigungsmöglichkeiten, Erheiterungsmöglichkeiten über Unsicherheiten, die dem Publikum bestens vertraut sein dürften. Für viele Leute sicher ein wunderbar, lustiger Kompensationsakt: die Wiederholung des „ersten Males“, das wohl bei kaum jemandem auf Anhieb gelingt.

Eine Hochzeit darf nicht fehlen bei einem solchen „Familienfilm“, in den jeder seine Vorstellung von Familienglück hineinprojizieren können soll (und wenn das Familienglück da ist, so sind die Zeitreisen nicht mehr nötig, stellt Tim fest). Zum Familienglück gehört auch die dunkle Farbe, das Unglück, ein Autounglück der kleinen Schwester, damit die Familie sich besorgt zeigen kann. Sonst wäre ja ein Vertrauen in die Familie nicht zu schaffen. Und: Zeitreisen kann man sogar mit der kleinen Schwester machen. Wie brüderlich. Und ohne Krebs kommt heutzutage ein Familienfilm auch kaum aus. Ein Tumorfilm noch dazu.

Kann man Zeitreisen auch mit dem Zuschauer machen? Und wer noch Probleme mit seinem Glück hat, der erhält hier, in einem zweiten Gespräch des Vaters mit dem Sohn, gleich noch eine Geheimformel für das Glück dazu. Kinoticket mit Gratiszugabe.

Drecksau

Keine Spannung eingebaut. Kann die sich der Zuschauer per App irgendwo runterladen? Humor nirgends zu erkennen. Aber: dass der Darsteller jede Szene besonders gut spielen wollte. Eine Drecksau, ein Arschloch, ein Ekel, einen Dreckskerl darzustellen, das ist das Spielziel, das sich hier dem Schauspieler James McAvoy in der Rolle des Zivilbullen Bruce Robertson stellt, der hofft, im Laufe des Filmes zum Inspektor befördert zu werden.

Eine schwierige Aufgabe für einen Schauspieler oder undankbar insofern, als zumindest die Regie von Jon S. Baird, der nach einem Roman von Irvine Welsh das Drehbuch geschrieben hat, der Typ nichts Sympathisches zu bieten hat, keinen Angelpunkt für Empathie. Es gibt vielleicht eine Erklärung für seinen kaputten Charakter, für sein konsequent widerwärtiges Benehmen: er hat einen Bandwurm und deswegen ist er, zumindest in seiner Imagination, bei einem filmreifen Doktor in Behandlung. Auch diese Bilder werden knallig, comic- oder graffitihaft auf die Leinwand gepfeffert. Keine Chance für Differenzierung.

Das sind auf wenige Eigenschaften krud reduzierte Charaktere: der Kollege, dem Schwulität nachgesagt wird, der Spießer mit den dicken Brillengläsern und der krassen Frau, der Kollege, der Koks schnieft, der unglückliche Kollege, dessen Frau Bruce bumst. Bruce kann nur fies sein. Er kann nur intrigieren, denunzieren, Leute zu miesen Taten veranlassen, sie bloss stellen; ein widerwärtiger Charakter, an dem kein gutes Haar zu finden ist.

In hohem Tempo und nur knapp ausgemalt fügt Baird filmisch eine Untat an die andere. Das wird eine Elendslitanei. Der Schauspieler kann keine Sympathie gewinnen. Das dürfte das größte Problem dieses Filmes sein und das dürfte James McAvoy spüren; denn irgendwie glaubt man seiner Figur nie ganz; irgendwie scheint er auf wackligem Rollenbegründungsterrain zu agieren, scheint immer auch die Message mitliefern zu wollen, aber ich, der Darsteller McAvoy, ich bin ein guter Mensch und nicht so wie dieser Bird.

Denn von Buch und Handlung her ist er nicht mal ein negativer Held. 90 Minuten Ekel auf der Leinwand. Nicht ganz klar, was der Filmemacher damit bezweckt. Schottischer Ekel noch dazu. Dabei wirkt er in seiner Darstellung immer auch kalt-technisch beherrscht, eben mit Untertext: ich spiele das ja nur. Vielleicht ist es das, was macht, dass man so nicht andocken kann an ihn, seine Untaten nicht nachvollziehen kann; er scheint abhängig von Medikamenten, Carbonate; er muss immer wieder einen Nasenspray benutzen. Das alles noch expressiv ausgestellt. Das macht das Groteske an dieser Darstellung, dass der Schauspieler sozusagen in jeder Szene versucht, dieses Ekel mit darstellerischen Bestnoten zu präsentieren. Das macht die Sache so leer. Wie stelle ich einen Menschen dar, der gar nichts Positives hat. Will ich im Kino so einen Menschen, der einem in der freien Natur kaum je begegnet, sehen?

Finsterworld

Finsterworld ist die Fantasiewelt von Frauke Finsterwalder, die mit ihrem Lebensgefährten Christian Kracht das Drehbuch geschrieben hat. Bei der Regie allerdings musste er zurücktreten. Sie lebe in Ostafrika. Das gibt ihr vielleicht die nötige Distanz, um ein Märchen über Deutschland mit verschiedenen, in wenigen Momenten einander touchierenden Geschichten zu erfinden.

In hellem Licht erzählen diese Geschichten von Coming-of-Age, vom Altern, von einem Einsiedler, von Polizisten oder Fußpflegern, von Lehrern, Schülern und der Last der Geschichte, vom nicht nur traumhaften Verhältnis der Generationen zu einander.

Da die Autoren ihre Geschichten aus ihrem Bild von Deutschland schöpfen, steht der Film in angenehmem Gegensatz zum vorherrschenden, themenorientierten Studienratskino, das radikal auf den Blick aufs Leben verzichtet.

Hier ist der Blick aufs Leben die Basis für die Geschichten, die aber keinen Realismus verhaftet sind, die sozusagen mit bemerkenswerten Tupfern eines unter vielen möglichen Deutschlandbildern erzeugen.

Da ist der Einsiedler, der mit einer Krähe im Wald lebt. Er beobachtet einmal den Polizisten, wie er sich als Stoffeisbär verkleidet, denn Parties in Tierkostümen sind sein Faible. Der Polizist ist wieder mit zwei anderen Geschichten verbunden. Zum einen ist er der Mann einer Dokumentaristin, Franziska Feldenhoven, die schier wie echt von Sandra Hüller gespielt wird; sie leidet gerade darunter, dass sie einen Mann dokumentiert, der nur langweilig ist – dabei schwebt sie in ihren Träumen in Antonioni-Sphären; das könnte nach dem Leben sein, wenn man manche deutschen Filmemacher über ihre Ideale reden hört und dann schaut, was sie selber herstellen – und in der Küche stapeln sich Berge gelesener oder ungelesener Zeitungen; Sandra Hüller ist einer der schauspielerischen Glanzpunkte; dagegen hat es ihr Mann Tom, Ron Zehrfeld, schwerer, er kommt zwar als guter Schauspieler, weniger aber als Polizist rüber; so nett die Szene ist, die ihn mit einer weiteren brillanten Besetzung zusammenbringt, mit Michael Maertens als Fußpfleger Claude, der Kekse mit einer ganz eigenen Zutat herstellt und den Polizisten mit einer Palette von Fußpflegemitteln zu bestechen versucht.

Claude bringt uns auch mit der Familie Sandberg zusammen, er ist nämlich der Fußpfleger der Oma, der Grand-Old-Dame des deutschen Theaters Margit Carstensen, welcher er die Hornhaut von den Füßen mit einem kleinen Apparätchen wegfeilt. Sonst hat sie allerdings wenig mit ihrer Familie zu tun. Da ist ihr Sohn, Georg, der mit Inga verheiratet ist. Diese wird gespielt von Corinna Harfouch. Und ein bisschen scheint die Besetzung dieses Ehepaares nach einer Äußerung innerhalb des Filmes gemacht zu sein: dass die Alten erstarrt sind („leblos, gefühllos“), hier in Schauspielroutine, die zu leicht lächelt oder schimpft, die alles parat hat, sich nichts erkämpfen muss. Im Gegensatz zur Jugend, ihr Sohn Maximilian beispielsweise oder seine Schulkameraden, die von der Regisseurin wunderbar geführt werden, während sie die Stars in ihren Routinen vorführt.

Die Schulklasse ist gerade auf Klassenfahrt zu einem KZ mit Lehrer Nickel, überzeugend dargestellt von Christoph Bach („Mein Gott, ist die deutsche Sprache schön“). Und es ist nicht immer leicht, für so eine Besichtigung den nötigen Ernst aufzubringen, besonders wenn noch Liebeskonflikte und Eifersucht ins Spiel kommen.

Ausgehend von Material, was die Realität liefert, anfangen Geschichten zu erzählen, ohne Realitätsanspruch, gelegentlich, wie hier, sogar mit eher literarischen Ambitionen in den Dialogen ohne Rücksicht auf Realitätsnähe, darin könnte doch noch viel Zukunft fürs deutsche Kino liegen, vielleicht eine Chance, sich aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit im bequemen Subventionswesen zu befreien; einige der schauspielerischen Leistungen lassen eindeutig darauf hinweisen; weil nämlich die Figuren, in aller Erfundenheit, eben etwas mit bundesrepublikanischer Realität und nicht mit weltfremden Studienrats- und Filmförderhirnen zu tun haben.

Detail: eine Ansicht der Radkappe einer deutschen Leih-Limousine eines deutschen Premium-Herstellers, in der Herr und Frau Sandberg unterwegs nach Paris sind: eine kleines Logo in der Mitte wirkt bei schneller Umdrehung wie ein Hakenkreuz. It’s still here.

Insidious: Chapter 2

Fehlkalkulation: nachdem die Lamberts nach der vermeintlichen Heilung ihres Sohnes Dalton aus ihrem Gespensterhaus ins nächste Gespensterhaus zu ihrer Großmutter gezogen sind, glaubten sie gegen weiteren Spuk gefeit zu sein. Aber der Spuk lässt sich nicht so leicht abschütteln, denn er ist nicht haus-, sondern personenbezogen, nistet sich bösartig in Vater Josh ein. Wie kann man nur von einem à la Hitchcock prototypisch konstruierten und fotografierten Gespensterhaus ins nächste ziehen, fragt sich der besorgte Zuschauer.

Keine Fehlkalkulation: Was Regisseur James Wan bei „Conjurion“ für den cineastischen Hochgenuss zubereitet hat, hat er jetzt im Schnellkochtopf mit nur den bekanntesten Zutaten für den Feierabend-Horrorschluckspecht billig aufgekocht. Keine Fehlkalkulation, denn der Film mit einem Budget von 5 Millionen Dollar hat am ersten US-Wochenende laut IMDb 40.272.103 Million Dollar eingespielt. Wenn das keine Definition für Genre ist. Das Drehbuch haben James Wan und Leigh Whannell geschrieben. Die scheinen wirklich aus Stroh Gold spinnen zu können.

Wie die Familie Lambert mit diesem Defekt ihres Familienvaters umgeht, das ist die Story in diesem spooky Horror-Film, der nur auf die dem Publikum vertrautesten Effekte setzt: Schreie durchs Babyphon, Kristalllüster, die sich von sich aus zu bewegen anfangen, eine weiße Frau wie ein Gespenst, belebter Kleiderschrank, vergessene Kellergewölbe mit Spinnweben, plötzliches Knallen unbekannter Herkunft, Türen, die wie von Gespensterhand auf und zu gehen, Stühle, die durch die Luft fliegen, Schaukelpferde, die von selbst schaukeln, parapsychologische Kontaktaufnahme zu Verstorbenen mittels Würfeln, die Braut in Schwarz, undefinierbare Schreie, Aushebeln der physikalischen Gesetze, Verhüllte Figuren, die wie auf Kirchenbänken sitzen oder die Frage an eine Person „wer hat dich getötet?“, der magische Zirkel, der nicht durchbrochen werden darf und was sonst so zur Ausstattung der gruseligen Geisterbahn eines solchen Gespensterfilmes gehört. Das ist alles gekonnt gemacht, bekannt, nichts Neues aus dem Gespensterfilm, mit bescheidenen Mitteln die nötigen Effekte bereit gestellt. Und dazwischen wieder das ganz biedere, amerikanische Familienleben, der Gegensatz muss zwingend sein, wo sonst soll der Horror gedeihen. Wie bei „Conjurion“ werden Geisterjäger engagiert, hier die low-budget Variante.

Spannender ist vielleicht die Frage, wie kommt es dazu, dass so ein Film so ein Riesengeschäft werden kann: allein am ersten Wochenende fast das Zehnfache des Produktionsbudgets eingespielt.

Was fasziniert das Publikum an solchen Filmen, wie diesem, der qualitativ überhaupt nicht mithalten kann mit „Conjurion“? Ist es schlicht das Vergnügen, wie auf dem Jahrmarkt das Fahren mit der Geisterbahn? Wo vorgeblich die einengenden Gesetze des Alltages durcheinander geschüttelt werden? Geisterbahnen gelten nicht als besonders innovativ. Ist es die Faszination, dass dieses Kino alle Gesetze der Rationalität, von Raum und Zeit aufhebt, dass Tote wieder aktiv werden? Ist es die Vermittlung von Hoffnung, dass es eben möglich sei, diese Gesetze von Identität, Sterblichkeit, von zwingend rationalem Handeln und auch rationaler Herrschaftsstrukturen, aufzubrechen?

Kino als scheinbar leichtes Vergnügen, was den Gesetzen des Alltages, vielleicht auch alltäglicher Unterdrückung am Arbeitsplatz die Zunge rausstreckt, was der fixen Identität und Gegenwartsgefangenschaft des Menschen in den Zwängen des Überlebens den Stinkefinger zeigt, was die sturen Kategorien unseres Handelns in Frage stellt? Flucht aus dem inneren Gefängnis der materiellen Konstitution des Menschen? Der Gegenimpuls zum weit verbreiteten Wunsch, eine ganz normale Familie zu sein? Gar Ausbruchsversuch aus dem ach so heilen Familienleben? Nicht Nietzsches Wunsch nach der fröhlichen Wissenschaft, nur ein Gegenpol gegen die exakte Wissenschaft, „it isnt an exact science“, Aufhebung aller physikalischen Gesetze.

Vielleicht ist es die pure Angst vor dem Tod, der alle physischen, psychischen, Raum-Zeit-Kontinuitäts-Gesetze aufhebt, die Gesetze von Konsequenz der Identität, die diesem Genre den Boden bereitet. Der Tod sagt: es ist kein Verlass auf Identität. Ja, der Tod hebt alle Gesetze und Kategorien auf, alles menschliche Denken, das Raum-Zeit-Kontinuum, die darin gebildete Identität mit ihrer individuellen Geschichte, in der das Leben gefangen scheint, das die Welt so schön ordnet, macht alles ersetzbar, austauschbar. Oh God!

Mein Weg nach Olympia

Ein Film, der dadurch dass er sein Sonderthema als solches behandelt und ausstellt, sich selbst zum Sonder- oder Spartenfilm machen. Ein Film, der gerade dadurch, dass er das, was er als Main-Stream propagieren möchte, den Behindertensport, durch die ausdrückliche Thematisierung diesen erst recht in die Sparte rückt.

Seht her, wir sind behindert und doch ganz normal. Sicher, Niko von Glasow, der Dokumentarist dieses Filmes, ist selbst contergangeschädigt, seine Hände wachsen ohne Arme direkt an den Schultern. Aber er wird nicht müde, sich als ganz normal ehrgeizigen Dokumentaristen darzustellen, mit sich selbst, wie beispielsweise Michael Moore, gerne im Zentrum. Er reist als Briefkastenonkel, gutmeinender, pastoraler Talkmaster, Moderator, als seelsorgerlicher Promoter, der harten Wahrheiten nicht ausweicht, als PR-fördernder Gesprächspartner einigen seiner behinderten Sportlerschäfchen nach, die sich für die Paralympics in London vorbereiten.

Glasow besucht sie auch bei den Spielen in London, um noch im unpassendsten Moment Fragen wie der nach dem Glück nachzugehen. Er ist ein Vollprofi, ein Showprofi in seinem ureigensten Element, nimmermüde produziert er Filme, die um das Behinderten-Thema kreisen; sehr gut gefallen hat mir die Dokumentation „Alles wird gut“ über die Produktion eines von ihm geschriebenen Theaterstückes mit Schauspielern und Behinderten; Inklusion inklusive Demonstration derselben. Und der Maestro selbst als gewiefter Psychocoach. Das hat für mich als Kinofilm funktioniert aus zwei Gründen, durch die gewisse Entfremdung durch Bühnenlicht und oft nicht naturalistischen Hintergrund, aber auch mit dem dramaturgischen Ziel, zu einer Aufführung zu kommen. Es ging zwar in dem Stück um Behinderung, aber das spielfilmdramaturgische Ziel war spartenirrelevant, nämlich das Zustandebringen eines Theaterstückes, einer Theateraufführung.

Im vorliegenden Film ist zwar auch das Ziel Paralympics in London angestrebt. Aber es ist spielfilmdramaturgisch (auch wenn es sich um eine Doku handelt, auch eine solche sollte meiner Meinung nach eine Geschichte haben) kaum bis gar nicht genutzt. Insofern hat er es sich vom Kinostandpunkt etwas bequem gemacht, der Herr Glasow.

Am kniffligsten dürfte die Suche nach geeigneten Protagonisten gewesen sein, behinderten Sportlern, die für so eine Dokumentation ergiebig sein könnten, also auch mit gewissen Medaillenchancen versehen. Dann ging es nur noch darum, in der Welt rumzureisen. Glasow lässt sich als erstes in einem Hotelzimmer fotografieren, da wird man ihn später auch die Zähne putzen sehen; dann wie ein Promi bei den Protagonisten empfangen werden, ihnen, das ist sicher ein Kapital von Glasow, Fragen stellen, die vielleicht weht tun können.

Später bei den Paralympics in London bei den Wettbewerben oder in der „Mixed Zone“ und nach den Wettbewerben interviewt er seine Leute nochmal kurz. Dann mixt er das ganze Material in fürs Fernsehen geeigneter Kurzatmigkeit recht beliebig und gelegentlich auch abrupt aneinander und weil das doch nicht so richtig befriedigend ist, dreht er noch eine metaphorische Szene am Heiligen Ort Olympia mit einem der Protagonisten und tut dabei noch etwas Verbotenes; das waren immerhin schöne Kinobilder.

Seine Protagonisten sind die Deutsche Christiane Reppe, die als kleines Kind wegen eines bösartigen Tumors ein Bein verloren hat und jetzt Schwimmerin ist. Greg Plychronidis aus Georgien, der mit einer komplizierten Apparatur Boccia-Kugeln mit unglaublicher Präzision auf ihren Weg bringt und für den nicht Teilnehmen wichtig ist, sondern Siegen. Er leidet an Muskelatrophie. Die unglaublichsten Bilder liefert Matt Stutzmann, der als Kind von Amerikanern adoptiert worden ist, der keine Arme hat und mit den Füßen und Beinen den Bogen schießt, nicht nur bei Wettbewerben, sondern auch in der freien Natur und der damit sogar seine Familie ernähren könnte. Das tut er jetzt jedoch als prominenter Profisportler. Die Schwedin Aida spielt in der Nationalmannschaft Tennis, ihr fehlt ein Arm und ein Bein. Am wenigstens zur Geltung kommt die ruandische Volleyballmannschaft vornehmlich kriegsbedingt Beinverlustiger, da war eine der ersten Fragen von Glasow die nach Hutus und Tutsis; wie sich später rausstellte, eine offenbar stereotype Frage, die viele Interviewer stellen, die sich kursorisch schnell auf Interviews vorbereiten.