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Die Vampirschwestern 2 – Fledermäuse im Bauch

Ein lustiges Interieur- und Ausstattungs-Belebungs-Theater, was uns hier Ursula Gruber, Buch, und Wolfgang Groos, Regie, bieten.
Da bleiben die Augen hängen, wie die Räume ausgestattet sind, wie die Leute kostümiert sind. Wie der Nachbar Dirk van Kombast mit einer Art provisorischem Bauzaun, aber sehr hoch, die ganze normative Ästhetik der niedlichen Einfamilienhaussiedlung kaputt macht, denn es sind nicht nur dicke Holzlatten sondern auch noch mit Stacheldraht drum herum und zum Tür öffnen braucht es eine ganze Kaskade von Knöpfen, die gedrückt werden müssen, bis er endlich seine Geliebte, Krankenschwester Ursula, Diana Amft, ein Wonnepfopfen von rundlichem Glück, einlassen kann.

Ins Krankenhaus gerät er, und damit in Kontakt mit der Schwester, weil mit seinem Knobilator, einem Augenfang von Requisit, dem von ihm erfundenen Gerät zu Vertreibung der im Nachbarhaus vermuteten Vampire, ein Unglück passiert. Staubsauger sind immer auch Staubbläser, aber nicht nur das, der hier ist auch noch ein Knoblauchmixer und Hundeansauger dazu, arme Nachbarin. Die hat ja immer gesagt, er solle sich eine Frau zutun.

Darum geht es in einem Vampirfilm. Um die Liebe und auch um die erste Liebe. Unsere beiden Schwestern und Protagonistinnen, Silvania und Dakaria Tepes, sind im hübschesten, aufregendsten Alter und sie sind Halbvampire, können fliegen, vertragen das Tageslicht nicht, schlafen in Särgen und sind sowieso kunterbunt und grotesk eingerichtet.

Dakaria verliebt sich bei einem Vampirkonzert der weltbesten Vampirband Krypton Krax in den Leadsänger Murdo. Dieses Konzert ergibt eindrückliche Aufnahmen aus einer gespenstisch erhellten Kirche angefüllt mit viel Rhyhtmus und Stakkatobewegungen. Gegen die Liebe von Dakaria und Murdo stehen Hindernisse. Denn der Vater von Dakaria ist auf den Vater von Murdo gar nicht gut zu sprechen. Ihn spielt jener österreichische Schauspieler mit dem herrlich schmierigen Rollentypus, den er immer in deutschen Filmen spielt (Georg Friedrich hier als Xantor), der österreichische Strizzi im deutschen Dienst.

Der Vater Tepes der Vampirschwestern ist eine auffällige Besetzung mit so schmalem Gesicht, fast hohlwangig, markant, filmwirksam großen Augen, schmalem Mund. Und seine Frau, das ist Christiane Paul, die scheint es zu genießen, einmal in langem Rock, folkloristisch-modern-traditionell und mit langen, weichen Haaren eine für sie ungewohnte Feminität spielen zu dürfen. Sie ist Künstlerin und möchte ein Atelier mieten. Der Nachbar, auch ein Künstler, ist so angetan, dass er ihr rote Rosen schenkt. Das führt zu naheliegenden Missverständnissen mit Vater Tepes.

Nach einer misslungenen Entführung zwecks Vampirschwestern-Inititation durch den alten Sack Xantor geht der herrliche Vampirismus über in ein gemütliches Lagerfeuerleben, wo alle sich treffen und happy sind.

Lustige Bilder ergeben die Vampire auch, wenn sie wie Fledermäuse von der Decke hängen und meditieren. Und weiteres süß-symbolisches Detail: die beiden pfurzenden Blutegelschleimtiere Karl und Karlotta, die Dakaria und Murdo gehören, und die das Symbol ihrer Liebe oder Liebessehnsucht darstellen.

Stimmungsbilder versuchen die fehlende Story-Spannung zu ersetzen. Der Nachbar heißt Richard und ist English speaking. Inszenieren und Filmemachen heißt hier: Belebung der Ausstattung, das ist ja auch eine Art Magie. Zum Beispiel die sogenannte „Wildnis“, die sich als Streichelzoo entpuppt, der Brunnen als Wasserfall. Grotesk. Und, blaue Lagune, die zarte Liebesszene zwischen Jakob und Silvana am idyllischen Steg: sie gesteht ihm, dass sie Halbvampir sei und fliegen könne; er guckt entsetzt. Er habe Flugangst, meint er kleinlaut.

Der Richter – Recht oder Ehre

Zwei Dinge, die die Amerikaner im Kino aus dem Effeff beherrschen, das sind einmal die Gerichtsstories, auch ergiebiger als bei uns wegen der Geschworenen-Gerichte, und zum anderen die Familie, die nicht weniger Gewicht hat als das Recht. Hier werden die beiden bewährten Äcker zusammen bearbeitet.

Der erste Eindruck ist der einer Anwaltsstory. Robert Downey jr. ist als Hank Palmer ein höchst erfolgreicher Anwalt in Chicago. In einer Piss-Szene während einer Verhandlungspause lernen wir ihn kennen. Sein Gegener trifft ihn auf dem Pissoir und quatscht ihn an, Palmer dreht sich um, sein Strahl trifft den Gegner. Schmutz und Recht. Wieder im Saal gibt’s noch ein paar schnell gelieferte Argumente in knappster Sprache. Die Verhandlung scheint an einem schwierigen Punkt zu sein. Palmer verlangt eine Unterbrechung, weil er eben erfahren habe, seine Mutter sei eben gestorben. Alle halten das für einen Verhandlungstrick. Aber er kann es dem Richter beweisen.

Bis dahin sind wir längst informiert über die wirtschaftliche Seite seines Erfolges, hübsche Villa, Frau mit einem Po wie eine Basketballspielerin und einen Ferrari in der Garage. So erfolgreich kann nur sein, wer Rechtskunde mit allen Tricks der Rechtsverdrehung zu interpretieren weiß.

Kurz vor der Abreise erfahren wir noch, dass er am Rande der Scheidung steht und ein hübsches kleines Mädchen, Laura, hat. Ab in die Provinz nach Cadinville in Indiana zur Trauerfeier für Muttern.

Hier wendet sich die Gerichtsstory immer mehr zur Familienstory. Hier gerät Hank sofort mitten in die Verquickungen seiner Familiengeschichte. Das Verhältnis zum Vater ist gestört, seit 20 Jahren haben die kein Wort mehr miteinander geredet. Zwei Brüder gibt es noch. Die Mutter ist gestorben beim Gießen der Hortensien, die als hübsches Symbol stehenbleiben.

Hank will am Tag nach der Beerdigung gleich wieder abreisen. Die Begegnungen mit seinem Vater, Robert Duvall als Joseph Palmer, waren knapp und kühl. Sein Vater war jahrzehntelang der unangefochtene, patriarchalische Richter im Ort. Es gibt noch den älteren Bruder Glen, Vincent d’Onofrio, der wegen einer Verletzung durch einen Unfall, den Hank verursacht hat, nicht Sportler werden konnte und der einen Autoersatzhandel betreibt und den etwas beschränkten Bruder Dale, Jeremy Strong, der als Filmreak die Familienbilder von früher zum Film beiträgt.

Hank sitzt schon im Flieger für die Rückreise nach Chicago, da wird er zurückbeordert. Seinem Vater droht eine Anklage vor Gericht, weil er mit seinem Cadillac, den nur er fahre, einen Radfahrer tödlich angefahren haben soll. Das Opfer war zudem ein Mann, den er wegen eines Prozesses gehasst hat.

Einhergehend mit dieser Anklage fängt im Film faktisch eine Familienaufstellung der Palmers an. Wie es zur Entfremdung von Vater und Sohn gekommen ist.

Sehr komische Szene, die ein herrliches Licht auf die Provinz wirft, ist das Engagement eines Anwalts durch den Vater; denn Dwight Dickham, Billy Bob Thornton, muss sich nicht nur jedes Mal vor einer Verhandlung vor dem Gerichtsgebäude übergeben (Echo auf das Niveau der ersten Szene), sondern ist auch nur Teilzeitanwalt, denn nebenher betreibt er einen Antiquitätenhandel.

Der Verlauf des Gerichtsverfahrens führt zu einem Schälen wie einer Zwiebel der Verhältnisse und der Geschichte der Palmers. Damit das nicht zu dröge wird (wozu eh keine Gefahr besteht) wird noch die Kneipenwirtin Sam eingeführt, die sich als Heldin ihrer eigenen Geschichte sieht, Blondine logisch, gespielt von Vera Farmiga, ein früheres Verhältnis von Hank und wer weiß eigentlich, wer der Vater ihrer bildhübschen Tochter ist, mit der Hank gleich beim ersten Kneipenbesuch anbandelt und rummacht?

Familienbande sind harte Bande und auch hartnäckige Bande, aber Annäherung und Versöhnung sind möglich. Die Palmers seien eine Familie wie ein Bild von Picasso, heißt es an einer Stelle, nicht schlecht beschrieben. Durch dieses Ineinandergreifen von einerseits Gerichtsprozess und andererseits Familienaufstellung ist der Spannungsbogen doppelt solide genäht.

Maze Runner: Die Auserwählten im Labyrinth

Burschensommerfreizeit in idyllischer Natur: Lichtung, schlafen in Hängematten, Hüttenzauber, Lagerfeuer, Fackeln, Rangeleien, Gemüseanbau, Abenteuer, idyllischer Wald und ebensolche Wiese.

Dumm nur, dass das friedliche Camp von einem Labyrinth umgeben ist mit unüberwindbaren, meterhohen Mauern und dass dieses nur tagsüber sich öffnet und zum Erkunden eines Ausweges einlädt, dass die Mauern sich nachts mit furchterregenden Geräuchen schließen, wehe, wer dahinter oder dazwischen sich befindet. Die Nacht überlebt keiner.

Auf den Mauern stehen die Namen derer, denen das passiert ist und die nicht zurückgekommen sind. Ungewöhnlich ist an diesem Camp stinkgewöhnlicher Burschen, die vielleicht noch von Heldentum träumen, wie sie auf sonderbarem Wege hierhergekommen sind und dass sie sich an nichts erinnern können, geschichtslose Wesen (es empfiehlt sich bei diesem Konstrukt nicht weiter nachzudenken).

Lediglich einmal im Monat wird von einem knatternden Aufzug zwischen Eisengestängen Lebensmittel und ein Neuzugang angeliefert. Der letzte ist Thomas, der sich an seinen Namen erinnert. Er wird unser Held werden, muss oft mit großen Augen erschreckt gucken und dabei den Mund leicht geöffnet halten. Auch er hat keinerlei besondere Charaktereigenschaft oder Konfliktgrundlage, keine Geschichte. Aber er ist heldisch – oder dumm.

Eines Abends eilt Thomas einem anderen Burschen, der es nicht mehr schafft, das Labyrinth vor Schließung zu verlassen, zu Hilfe. Gemeinsam mit einem verletzten Kameraden verbringen sie die Nacht im Labyrinth. Sie haben spukhafte Begegnungen mit einem Eisenmonster. Aber sie überleben und kehren ins Camp zurück.

Ab jetzt fügt sich zum Abenteuercamp die Spukgeschichte mit den Labyrinthmonstern auf der Suche nach einem Ausgang. Inzwischen ist als neue Monatslieferung eine Frau dazu gekommen. Theresa. Sie will Thomas kennen, er weiß aber nicht woher. Sie benimmt sich erst biestig, dann fügt sie sich in die Heldentruppe.

Irgenwann finden die jugendlichen Sommerfrischler, wie sie den definitiven Ausbruch wagen, einen „Exit“ und da weitet sich das enge Bühnenbild in einen Regieraum, von welchem aus alles überwacht wird; die Orientierungslosigkeit wird um eine weitere Schale erweitert. Kurz vor Schluss wird die Fortsetzung des Filmes angedroht, man stehe jetzt am Anfang der Phase zwei des Experiments.

Handlungssätze: wir konnten ihn doch nicht einfach liegen lassen, wir mussten ihn hochheben. Wir müssen rausfinden, womit wirs zu tun haben. Was zur Hölle ist das? Ich komme jetzt rauf (zu Theresa, die von einem Turm aus mit Gegenständen um sich wirft). Warum sind wir anders? Wir werden nicht ewig hier bleiben. Wir kommen alle hier raus. Hier lang, komm gehen wir hier durch. Wir müssen hier raus. Los, los, los, los, los, los. Da war ich auf der anderen Seite. Du hast ’n Ausgang gefunden. Wir sind zuhause! Wir werden hier rauskommen und wenn wir drauf gehen dabei. Die haben uns wirklich beobachtet, die ganze Zeit (aus dem Weltchaoskatastrophendepartment). Die Welt draußen wartet auf Euch.

Die Idee hinter der ganzen Chose dürfte die sein: ein symbolisches Bild der Verwirrungen des Coming-of-Age zu entwerfen. Verbesserungsfähig. Das Drehbuch stammt von Noah Oppenheim und Grant Pierce Myers, T.S. Nowling nach dem Roman von James Dashner, für die Regie war Wes Ball verantwortlich.

20.000 Days on Earth

Dieser Film umfängt den Zuschauer wie ein seidenausgestatter Alkoven, parfümdurchflutet, in welchem der Künstler Nick Cave stilbewusst und stilsicher sein Rockstartum zelebriert und den Gast im Kinoraum daran teilhaben lässt, wie er sich selbst ein angemessenes Denkmal baut mittels eines gediegenen, impressionistisch-expressionistisch-britischen Design-Kinos, was Iain Forsyth & Jane Pollard ihm huldigend zu Füßen legen.

Dass es sich dabei um dimpfeliges Ikonenbuilding zum 55. Geburtstag des Stars handelt, wird allerdings geschickt verschleiert und getarnt durch die höchst geschmackvoll geschossenen und zusammenmontierten Bilder.

Eine wahre Bilderflut, meist wundervoll beleuchtet, mit Samthandschuhen inszeniert oder so behutsam angefasst, wie der Archivar die „Weather Diaries“ des Künstlers umblättert, die er einsten als Neuankömmling in England verfasst hatte, weil ihn als Australier das englische Wetter nicht kühl gelassen hat.

Es gibt inszenierte Szenen, Gespräche mit anderen Musikern, teils im Auto oder beim Kochen, im Auto wenn der Künstler selber am Steuer sitzt. Oder in Talkshow-Sesseln und portraithaft beleuchtet im Gespräch mit dem Thearpeuten, der ihn über seine ersten Erinnerungen befragt, immer die Frauen oder das Verhältnis zu seinem Vater, der ihm als erstes „Lolita“ von Nabokov vorgelesen habe.

Es gibt, wie in solchen Filmen üblich, die Requisiten, Fotoalben, nennen wir es die Reliquienshow. Aber auch hier nicht platt vor die Kamera gehalten, sondern auf eine unruhige Mauer als Projektion geworfen oder gar auf einer eigens herabgelassenen Leinwand als richtiges Bild projiziert.

Der Star zelebriert sein Künstlertum und was es mit dem Schreiben auf sich habe. Wie die Künstlerwelt etwas ganz anderes sei als der Alltag. Der Rockstar schreitet oft in diesem Film und stets im weißen Hemd und garantiert maßgeschneidertem, elegantem Anzug durch Brighton, auf Häuser zu, zum Auto, durch Studios, durch Gänge oder Flure. Immer im gleichen gesetzten, entschiedenen Rhythmus, der den Titel des Filmes, 20.000 Tage auf der Welt mit seinem federnden Schritt Lügen strafen möchte.

Auch zeugungsfähig ist er, nicht nur anbandelfähig, wie er in Konzerten zu verstehen gibt. Er hat Zwillinge, mit denen er auf einem breiten Sofa vorm Fernseher sitzt oder eine DVD anschaut. Über das Ungewöhnliche des Auftrittes räsonniert er, die Leere oder die komische Situation davor.

Eine prima Anekdote hält er bereit über Frau Dr. Nina Simone, die er bei einem Konzert ansagen musste, wie sie mit völliger Abwehr im Gesicht, mit geballten Fäusten sich gaaanz laangsam der Bühne genähert habe, die mit demselben Widerwillen und ablehnenden Gesicht auch zum Publikum geschaut habe, wie sie sich ans Klavier gehockt habe und anfing allmählich sich zu verändern und das Publikum zu verzaubern. Diese Veränderung, die strebt der Künstler an, wenn er das schafft, dann ist er zufrieden. Er sucht den kreativen Knackpunkt.

Man sieht ihn mit einem Kinderchor üben. Das Finale des Filmes sind Ausschitte aus einem großen Konzert in großer Besetzung mit diesem Kinderchor. Wenn es einen Vatikan der Rockmusik gäbe, dann gehörte dieser Film mindestens in die sixtinische Kapelle. Der Vergleich ist insofern nicht ganz aus der Luft gegriffen, als Cave an einer Stelle meint, er fühle sich gottähnlich, wenn er in einen Song eintauche. Der Kontrapunkt sei ihm wichtig beim Entwickeln eines Songes. Den dürften die Filmemacher vor lauter Devotheit dem Rockgott gegenüber (auch mal im goldenen Hemd) verpasst haben.

Die emotionale Musik lässt Tiefe vermuten durch die Anwendung der Stimme, die mehr Stimme als Artikulation ist, mehr Tonsäulenmodulation, gerne leise und hoch, um dann aus der Tiefe den musikalischen Konter zu führen.

Kunst als Abtauchen, als Eskapismus, to forget who you are; Kunst als ein kulturelles Spa.

Landauer – Der Präsident (TV, BR)

Die Erwartungshaltung an dieses TV-Movie über den früheren, sagenhaften Präsidenten des FC Bayern, Kurt Landauer, war groß. Da spielt Gegenwart mit, das kann vielleicht etwas mit enträtseln oder heranführen, wieso der FC Bayern inzwischen ein so phänomenal erfolgreicher Fußballclub ist. Wobei die Fernsehmacher bei der Produktion des Filmes noch nicht ahnen konnten, dass zum Zeitpunkt der Ausstrahlung fast die halbe Mannschaft dieses Clubs aus frischgebackenen Weltmeistern besteht.

Die Rolle des Kurt Landauer wurde mit Josef Bierbichler besetzt; der die Erwartungen in gewisser Weise erfüllt an das Format einer solchen Persönlichkeit. Ein Jude, der als Präsident noch in der aufkommenden Nazizeit den FC Bayern zum ersten Mal zur Meisterschaft geführt hat. Den Krieg hat er im Schweizer Exil überlebt. Nach dem Krieg wollte er nur auf Zwischenstation über München nach Amerika. Aber die Passion für den Fußballclub war stärker. Von 1947 bis 1951 half er ihm auf die Nachkriegs-Beine.

Diese weitsichtige und handlungsfähige Persönlichkeit bringt Bierbichler auf den ersten Blick prima rüber, konventionell prima als in sich stimmig, vielleicht etwas pathetisch prima. Wenn man sich allerdings beispielsweise einen Fritz Kortner neben ihm vorstellt, dann schärft sich der Blick dafür, wie wenig Futter der Film Bierbichler gegeben hat, kaum mehr als Pose, einige auktoriale Argumente; hauptsächlich aber muss er seine Pose durch Unmengen süßlich vom Drehbuchautor Dirk Kämper erfundene (Verlobungsringübergabe an Maria in Edelrestaurant) und von Hans Steinbichler, speziell in Innenräumen recht schummrig inszenierten Szenen konsequent durchziehen.

Und als ob dies nicht süß genug wäre, denn offenbar trauen die Fernsehredaktionen dem Publikum mehr Auseinandersetzung nicht zu (außer dass historienpflichtbewusst ein Ex-SSler mit seiner AB-Tätowierung am Unterarm eingeführt und prompt verhaftet wird und natürlich werden, höchst verdaulich, ein paar Nazizeitfakts in Weichtönen präsentiert).

Meine Enttäuschung ist die, dass mir jeder Bezug zur Gegenwart des FC Bayern fehlt in diesem Film, der ganz in der Tradition des hochgeförderten Naziploitation-Movies steht, für den immer genügend Geld locker gemacht wird, blind locker gemacht wird.

Warum werden so viele leere, inhaltsleere, süßliche Füllszenen reingenommen (z.B. der Landausflug mit viel Jubel und deftigem Essen), als ob es nicht genügend Stoff für die Auseinandersetzung in so einer Zeit gegeben hätte. Für wie armselig halten diese Fernsehredaktionen ihren Zwangsgebührenzahler?

Warum wird die Titelfigur nicht gründlicher vorgestellt und den aus ihrem Charakter und Schicksal sich ergebenden Konflikten nicht ernsthaft nachgegangen? Bierbichler löst alle Problem aus seiner Landauer-Pose, nie hat er einen inneren Kampf. Nie interessiert es den Zuschauer, wie es jetzt weiter gehen wird. Warum wird Drehbucharbeit immer so ultraleicht und superoberflächlich genommen? Ein Film aus geistiger Schonkost. Ich habe mir da schon mehr geistige Beschäftigung und Anregung erwartet für mich als Zuschauer als nur eine Ansammlung dösiger Rührszenen. Ich hatte mir einen deutlich wacheren Film erhofft. Es geht ja nicht um Originalrekonstruktion, auch nicht um die von Figuren, aber etwas von dem Geist sollte schon rüberkommen, das uns Heutige anspricht und das vielleicht sogar eine Brücke zum Heute schagen könnte. Hier aber nicht mehr als hübsches Museum.

Auch wirken die Sprünge in der Erzählung wirklich sprunghaft. Weil keine klare Exposition erfolgt ist. Der Film schleicht sich quasi in sein eigenes Museum hinein. Fängt richtigerweise mit Landauer an. Er ist im Zug aus Genf nach München. Aber der Zuschauer sollte bald präzise über sein Ziel informiert sein; das kommt so schwammig daher, er wolle nach Amerika.

Melodramtisch-zuckriges Biopic, Memorial für den ersten Nachkriegspräsidenten des FC Bayern. Wiederaufbauoperette mit unverkennbarem Ehrgeiz zum anspruchsvollen Bauerntheater. Halb ertränkt in Schmacht- und Hoffnungsmusik. Und Jubel und Juhei. Ja, Steinbichler durfte eine Gedenkfeier zelebrieren. Dabei hat die Liturgie kostbare Filmminuten vereinnahmt, die alle nicht genutzt werden, den Charakter von Landauer und die Reaktionen der Umwelt griffig herauszustellen.

Rührstory mit Inge und dem Sohn ihres SS-Bruders Martin (der immer noch antijüdische Parolen loslässt). Heftigkeit wird, wenn überhaupt, dann an manchen Stellen von den Schauspielern hergestellt mit ihrer Performance, nicht aber vom Drehbuch her.

So verdienen zwar viele verdiente und weniger verdiente Mimen und TV-Gewerke gutes Geld aus den Zwangsgebührengeldern, seinem Grundauftrag tut der Rundfunk damit aber allerhöchstens formal oder nur ganz oberflächlich Genüge. Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers.

Liturgisches Fernsehen. Vergleich Bierbichler – Kortner, dieser mit seinen wachen, funkelnden Äuglein, während Bierbichler zelebriert, dem Landauer ein Denkmal setzen möchte, indem er ein Denkmal spielt und wie aus einer Art Schwermut heraus handelt. Es fehlt der Figur just dieser Lebenshunger, diese Lebensneugier, die bei Holocaust-Überlebenden zu beobachten war, auch beim Literaturpapst Reich-Ranicki. Dagegen ist Bierbichler der reine Schlafwandler.

Tatort: „Im Schmerz geboren“

Ich hätte da ein paar Anmerkungen zum Tatort vom Sonntag, „Im Schmerz geboren“. Vorsicht, Spoiler.

Ausnahmsweise hatte der Tatort schon im Vorfeld für Aufregung gesorgt, denn einzelne Medien wiesen darauf hin, dass es diesmal „ganz anders“ und sowieso sehr blutrünstig werde. Gut, sowas ist leicht zu behaupten. Doch diesmal stimmte es.

Ich hatte die Ausstrahlung verpasst und den Tatort aufgezeichnet. Erst am folgenden Dienstag konnte ich ich ihn nachholen. Schon kurz nach der Ausstrahlung am Sonntag gingen diverse Meinungen durchs Netz, es war klar: Dieser Tatort polarisierte. Während die einen drohten, dem altgedienten TV-Behemoth abzuschwören, jubelten andere, dass nun endlich frischer Wind Einzug gehalten hätte. Quentin Tarantino! Sergio Leone! Große Namen wurden da geworfen.

Die Handlung des Tatorts ist relativ unwichtig (zum Teil war sie an den Haaren herbeigezogen), die Aufmachung ist jedoch interessant: Ähnlich einem Shakespeare-Theaterstück, wie es in diesen runden Holztheatern aufgeführt wurde (seien wir ehrlich, ohne „Shakespeare in Love“ hätte keiner von uns Ahnung, wie es damals so zuging am Theater), gibt es einen Erzähler, der – gänzlich ungewöhnlich für einen Film – das Publikum direkt anspricht, mit direktem Blick in die Kamera. Dieser baut Spannung auf, indem er die Eckpunkte der Geschichte anreißt, dann aber mit „aber seht selbst“ oder gleichwertigen Formulierungen in die Handlung überleitet. Das muss einem nicht gefallen, doch es ist ein legitimes Stilmittel, das bis jetzt meines Wissens keine Anwendung fand. Zumindest nicht beim Tatort.

Ebenso der Bezug der Handlung zur Kunst. Immer wieder werden Szenen eingefroren und in einen Ölmalerei-Stil übersetzt. Die Figuren haben starke Bezüge zum Theater, zur klassischen Musik und zum Theater, sprich: Zur Hochkultur. Sehr gebildete Leute treffen aufeinander, können doch nicht aus ihrer Primaten-Haut, empfinden Rachedurst und ähnlich primitives. Was uns der Regisseur damit sagen will, wird mir nicht zur Gänze klar – doch optisch ist auch dieses Stilmittel „mal was anderes“ und allein schon deshalb löblich.

Am erstaunlichsten finde ich: Es gibt keinen klassischen Tatort, keine Leiche. Nicht wirklich. Die Toten vom Anfang sind so eine Art Alibi für das Starten des eigentlichen Haupthandlungsstrangs. Normalerweise muss ja ein Verbrechen aufgeklärt werden, und dann wird der Täter überführt, fertig. Hier bahnt sich der Konflikt schon vorher an, als klar wird, wer da am Bahnhof angekommen ist. Die kausale Beziehung des Antagonisten zu den drei Opfern zu Beginn des Films ist lange nicht gegeben, aber nicht im Sinne einer ungeklärten Beweisführung, das wird eher nebenher geklärt, und das auch nur für den Zuschauer. Finde ich gut. Mal was anderes, auch in diesem Bereich.

Dieser Überfall auf das Casino, ebenfalls nur eine unwichtige Nebenhandlung, die eigentlich einen ganz anderen Zweck erfüllt, ist endlich mal etwas, was man hierzulande wirklich mal drehen sollte. Man nehme sich ein Beispiel an „Ocean’s Eleven“ oder „The Italian Job“ (welche Auflage, soll sich jeder selber selber überlegen), sowas sollte man hier mal drehen! In Deutschland gibt es Geld (zum Stehlen) und epische Kulissen für Überfall und Flucht, und Autobahn, die ausgelegt für Raserei ist, gibt’s auch noch. Hier wird das ganze nur angerissen, weil, wie gesagt, was anderes dahintersteht.

All die Toten und Erschossenen, die in den Medien erwähnt wurden – leider meistens enttäuschend. Der größte Teil der Toten geht auf das Konto einer offenen Schießerei zwischen Cowboys und Indian- äh, Gangstern und Polizisten, das ist meines Erachtens etwas geschummelt. Denn solche Gelegenheitsgangster gehen selbst auf Droge auch instinktiv in Deckung, nehme ich doch an. Aber: Die Toten im Vorfeld, die sind richtig spannend. Normalerweise wird beim Tatort ja eine Person irgendwo bedroht, dann kommt der Retter, und diese beiden, also Retter und Bösewicht, brüllen sich dann eine Zeit lang Falckenberg-Schauspielschulmäßg an, bis man kein Wort mehr versteht, und alle überleben. Doch hier, und das ist wie bei Game of Thrones, wird halt eiskalt und ohne langes drumherum aus dem Weg geräumt, wer für den Plan nicht mehr nötig ist, oder wer nur im Weg steht. Das ist so richtig shocking! Hier wird der Tatort-Fan hinter dem Ofen hervorgeholt, hervorgerissen geradezu, denn es gibt kein Happy-End für alle Beteiligten.

Die Frage nur: Begibt man sich damit nun auf ein niedrigeres Niveau, wo man, von oben kommend, Eindruck schinden kann? Oder wächst man eher in die Breite, moralisch, begibt sich auf skandalträchtiges Terrain, um zu provozieren? Das ginge dann aber auf Kosten einer möglichen Abstumpfung der Zuschauer, so könnte man befürchten, bis man am Schluss in Hollywood angekommen ist, wo die Gesetze der Physik für die Hauptfiguren schon nicht mehr gelten, nur um noch mehr Action und Wucht in die Szene zu bekommen, als rein technisch eigentlich möglich. Also, kurz: Droht beim Verlassen des Pfads der dramaturgischen Tugend die Abstumpfung und Verrohung?

Kann sein. Langfristig wahrscheinlich schon. Aber ich finde, die Richtung stimmt. Der Tatort eines Verbrechens kann schon auch mal blutig sein, die Aufklärung nicht optimal laufen, Tote und Verletzte fordern. An der Intelligenz der Handlung wurde ja nicht gespart, und das macht das Kraut fett.

Rein stilistisch hat dieser Tatort hier vielleicht nicht jedermanns Kleinhirn gekitzelt – aber das muss getrennt betrachtet werden von den anderen Attributen. Denn dieser Tatort hatte – Gottseidank, endlich mal – so richtig Eier und Brusthaar. Und das ist geil.

Natürlich, Quentin Tarantino lächelt müde, und seine Fans ebenso. Aber der erste Schritt ist gemacht. Mehr davon! Mehr von den jungen Wilden! Ich will Lena Odenthal im Sperrfeuer sehen, mit mindestens zwei Streifschüssen am Kopf und der Hose voll. Ich will Thiel und Boerne nackt im Folterkeller um ihr Leben flehen sehen, mit so einem roten Ball in den Mund geschnallt. Ich will, dass einem der Kollegen vom Bodensee endlich mal das alberne „Konschtanz“ im Halse steckenbleibt.

Also: Weiter so. Mehr davon!

Rectify (TV, arte ab 16. Oktober 22.45 Uhr)

Mittels einer explosiven Ausgangslage spannt „creator“ Ray McKinnon ein dramaturgisches Hochseil für eine aufregende Serie, ein Hochseil, über das der Protagonist, der doch die Technik gar nicht mehr hat, weil er Gefängnistechnik geübt hat, nun schreiten muss und bei jedem Schritt vom Absturz bedroht ist. Der Film macht auf diese Weise einiges sichtbar zumThema Gefängnis als einer Grundfrage unserer Zivilisation.

Die DNA-Analyse machts möglich. Daniel Holden, 20 Jahre im Todestrakt, keine Sonne, kein Wind, kein Wetter, keine Natur, muss freigelassen werden, weil beim Opfer der Vergewaltigung keine Spuren von ihm nachgewiesen werden konnten.

20 Jahre hat er Strategien zum Überleben im Todestrakt entwickelt. Er weiß nicht, ob die dafür gut sind, was ihm jetzt bevorsteht. Das ist die explosive Ausgangslage, der explosive Konflikt, der am Anfang dieser Staffel von „Rectify“ klar exponiert wird.

Aden Young spielt diesen in der freien Zivilisation schutzlosen Menschen, der von knastposttraumatischen Störungen geplagt ist (Rückblenden erinnern an die Zeit), glaubwürdig. Kaum draußen, formieren sich die Parteien in exemplarischen Reaktionen auf einen freigelassenen Gefangenen. Der Senator wünscht eine Wiederaufnahme des Verfahrens („um den Ruf der Mutter des Opfers zu schützen“). Denn politisch sollte Holden hängen. Er war schon damals der ideale Täter, ein etwas schwieriger Mensch, während das Opfer eine bildhübsche junge Frau aus armen Verhältnissen war. Die Öffentlichkeit schrie direkt nach dieser Täterschaft. Und so hat das Gericht auch entschieden.

Nicht glücklich ist auch Ted (Clayne Crawford), der in die Familie der Holdens eingeheiratet hat. Er sieht das geschäftliche Risiko für den Autoersatzteilladen, er befürchtet einen bemerkenswerten Wegfall von Kunden, falls Daniel, der gefängnisgebrandmarkte, wieder im Geschäft mittun würde.

Ganz auf Daniels Seite ist seine Schwester Amantha, Abigail Spencer. Sie hat sich am meisten um seine Freilassung bemüht. Sie ist eine Liaison mit dem Anwalt Jon Stern, Luke Kirby, eingegangen.

An den Stammtischen, bei der Polizei und von Seiten der Familie des Opfers gibt es starke Bestrebungen, Daniel und seine Familie zu mobben, es gibt bedrohliche SMS an seinen jüngeren Bruder Jared, Jake Austin Walker.

Die Fronten sind schnell aufgebaut. Allein, Daniel ist schwer manipulierbar. Er muss sich erst an dieses neu gewonnene Leben gewöhnen. Insofern ist von Folge zu Folge für Spannung gesorgt. Denn es ist völlig offen, wie die Sache ausgeht. Ob die öffentliche Meinung aller modernen Verfahren zum Trotz gegen das Recht sich durchsetzen wird, wie der alte Anwalt Mr. Gates verbittert feststellt, der die Angelegenheit vor 20 Jahren bis zum bitteren Ende mitspielen musste. Der sich nicht wundert, dass der Mensch vom Affen abstamme, der ein fast zynisches Verhältnis zum Rechtsstaat entwickelt hat („Denken Sie, dass wir in modernen Zeiten leben?“).

Aktualität: Anlässlich des Falls Hoeness hat sich die deutsche Öffentlichkeit zumindest einen Moment lang für den deutschen Knastalltag interessiert. Und überhaupt das Thema Knast: was bringt es, Menschen wegzusperren: ist es wirklich nur ein mobartige öffentliche Stammtisch-Meinung, hassgetrieben, die so etwas will?

Die Synchro ist teils sehr locker gesprochen, gelegentlich bis an den Rand der Unverständlichkeit.

Vegiss mein nicht (TV BR am 14. Oktober 2014, 22.45 Uhr)

Dieser Film von David Sieveking wirft einen anrührenden Blick nicht nur auf eine demenzkranke Mutter, sondern gibt auch einen spannenden und persönlichen Einblick in das Leben einer deutschen Akademikerfamilie und wie sie mit so einem Thema umgeht. stefes Review anlässlich des Kinostarts.

Mir nach! Ein amüsanter Städtetrip (TV BR)

Fürth muss eine durch und durch spießige Ortschaft sein. Denn das Hervorragendste dort ist laut dieser Sendung nebst dem Rathausturm mit seiner Glühbirnendekoration ein fränkisch sprechender Lokalkomiker, der als City-Guide fungiert, und der über seine eigenen Witzchen selbst am meisten kichert und von dem wir unbedingt und immer schon wissen wollten, was er als Kindergartenschüler hinter einer bestimmten Plakatwand getrieben hat. Auf das Witzchen mit dem Kindermachen und dem Stadtteil Poppenreuth haben wir auch sehnlichst gewartet.

Das Wort „amüsant“ steht zwar im Titel dieser Sendung, und wenn „amüsant“ für käsige Selbstdarstellung nebst Verbreiten von touristischem Banalwissen und Null-öffentlich-rechtlicher Relevanz steht, dann hat die Sendung dem Titel die Ehre erwiesen.

Der Komiker heißt Volker Heißmann und bekommt dafür, dass er dieses wenig aussagekräftige Bild von Fürth am Fernsehen verbreitet, Zwangsgebührengeld, was ich mir aus der Haushaltskasse absparen muss mit Verzicht auf andere Kulturteilhabe. An diesem Zwangsgebührengeld partizipieren hier des weiteren: Björn Pfefferman als Autor, Dorrit Büttner als Regisseurin und Annette Siebenbürger als zwangsgebührentreuhänderische Redakteurin.

Und den Henry Kissinger verehren sie in Fürth immer noch.

I Am Ali – Muhammed Ali – Der Mann hinter der Box-Legende

Doku über Muhammad Ali, der als er mit Boxen anfing, noch Cassius Clay geheißen hat. Unklar ist mir, was der Anlass für die Doku ist, denn es ist der übliche Mix aus Archivmaterial und Interviews von Zeit- und Weggenossen, von Familienmitgliedern und hier noch, was eine ganz besondere Farbe ergibt, angereichert mit Tonbandaufnahmen von Gesprächen des berühmten Boxers mit seinen Kindern, wie er ein guter Vater sein wollte, wie er sie schulen wollte, wie er sich um sie bemühte. Er hat das alles sehr bewusst aufgenommen, weil es ja Geschichte sei. Diese Tonaufnahmen sind visuell dargestellt als abstrakte Lichtströme oder das Tonbandgerät ist vor dunklem Hintergrund zu sehen, schöner Effekt.

Wenn man Ali in früherem Archivmaterial sieht, besonders bei Interviews, diese geistige Wachheit und Alertheit, so wundert man sich doch warum er er seine Großmäuligkeit, für die er berühmt war, überhaupt nötig hatte. Faszinierend besonders die Bilder aus seinen Anfängen, wie er leicht tänzelt, fast fliegt wie ein Schmetterling, dann zusticht wie eine Biene – so der Text eines Kinderliedes, das er mit einem der Töchterchen übt. Eine seltene Mischung aus körperlicher Leichtigkeit und geistiger Wachheit.

Faszinierend ist die Szene in Harvard, wie er zu den Studenten spricht und damit anfängt, dass er in der Schule eine vier Minus hatte, wobei er das Minus einzig dem Umstand zu verdanken hatte, dass er in Rom 1960 zu dem Zeitpunkt Olympiagold gewonnen hatte.

Der Film von Clare Lewins geht chronologisch vor, lässt Trainer, Anwälte, Bruder, Gattinnen und Kinder, Fotografen und Journalisten zu Wort kommen und auch Gegener.

Beeindruckend ist die Geschichte des Titelfotos auf dem „Esquire“, nachdem er als Boxer gesperrt war. Er, der Mohammedaner, war dort als Märtyrer, als Heiliger Sebastian dargestellt, „The Passions of Muhammad Ali“. Die Sperre als Boxer war eine Folge davon, dass er den Einsatz in Vietnam abgelehnt hat mit der Begründung, er sehe nicht ein, dass er 16’000 Kilometer weit weg fliegen soll, um unschuldige Menschen zu töten. Darauf hin wurde ihm der Weltmeistertitel aberkannt.

So konnte er 4 Jahre lang nicht kämpfen. Da ist er herumgereist und hat Vorträge gehalten. Auch über seine Hinwendung zum Islam erfahren wir. Dass das die Religion seiner Vorfahren gewesen ist.

Schön ist auch die Anekdote, wie er überhaupt zum Boxen gekommen ist. In der Schule wurden ihm und seinem Bruder die Fahrräder geklaut. Auf der Suche darnach oder nach einem Hausmeister sind sie in den Keller runtergegangen und da war ein Boxlokal. Ali muss sofort Feuer gefangen haben und hat dann offenbar kaum mehr was anderes gemacht.

Der Film selbst zieht sich gegen Ende etwas in die Länge. Lädt sich noch ne Menge überflüssiger Lobhudelei auf, was den Eindruck von dieser ungewöhnlichen Persönlichkeit allerdings nicht schmälern kann.