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Die Missetäter

Charmante Räubergeschichte

Was ist das für ein Leben, noch 25 Jahre jeden Tag zur Bank in Buenos Aires gehen, sagt sich Morán (Daniel Eliás). Und jeden Tag an der Bankkasse stehen, Geld auszahlen, dann wieder mit einer Blechkiste in den Tresoraum gehen, wo die Scheine bündelweise gestapelt sind.

Nein, das ist keine erfreuliche Lebensaussicht. Morán hat einen Plan. Er rechnet aus, wie viel Geld er im Moment braucht, so viel wie er gerade verdient, und wie viel das macht für die restlichen 25 Jahre, die er noch arbeiten muss. Er kommt auf einen Betrag von etwas über 300′ 000 Dollar (in argentinischen Pesos wäre wohl schlecht rechnen bei der grassierenden Inflation, aber damit gibt sich der Film nicht ab). Weiter rechnet Morán, wie lange er für dem Tresorraub im Gefängnis verbringen muss, die vorzeitige Bewährung bei gutem Verhalten kalkuliert er mit ein.

Der Diebstahl gelingt erstaunlich glatt. Weil sein Kollege Román (Esteban Bigliardi) sich von der Bank entfernt, um eine Halskrause loszuwerden, muss sein Tresorbegleiter an die Kasse und er kann sich das Geld auf die Seite schaffen. Später trifft er Román. Für den hat er denselben Betrag entnommen, wie für sich, weiht ihn ungewollt in sein Geheimnis ein und vertraut ihm die Beute zum Verstecken an.

Román hat keine Wahl, er ist schon mitgegangen und also mitgehangen damit. Er wiederum ist verheiratet und hat zwei entzückende Kinder. Da kommt viel Heimlichtuerei auf ihn zu.

Rodrigo Moreno erzählt seine Geschichte wunderschön gradlinig, einen Schritt nach dem nächsten. So entsteht schon mal die Grundspannung, wer wohl den ersten Fehler macht. Aber auch die weiteren Schritte verlaufen planmäßig. Morán sitzt im Knast. Román muss die Befragungen durch die Wirstschaftsprüferin der Versicherung überstehen. Auch das gelingt erstaunlich gut.

In der gemächlichen Art der lateinamerikanische Telenovelas schildert der Film die Umgebungsarbeiten des Diebes und dessen unfreiwilligen Komplizen, schildert Dinge, mit denen der Täter nicht gerechnet hat, die eventuell absehbar gewesen wären, aber auch solche, die weniger absehbar waren.

Denn es muss ja auch das Feld für die Zukunft nach dem Knast, der kaum mehr als drei Jahre dauern dürfte, abgesteckt sein. Das führt in eine wunderschöne hügelige Naturlandschaft, das bringt einen Naturfilmer ins Spiel und zwei entzückende Schwestern Norma (Margarita Molfino) und Morna (Cecilia Rainero).

So ist auch das Kino eingeführt und das Mann-Frau-Thema dazu. In einem Kino gibt es einen Ausschnitt aus „L‘ Argent“ von Robert Bresson zu sehen. Der Filmemacher Rodrigo Moreno gibt damit Niveau vor und macht klar, dass er nicht irgend eine Story erzählen will; sondern dass ihn der Umgang des Menschen mit dem Geld und dem Glück und überhaupt mit dem Leben interessiert; das was der Mensch für planbar hält und das, was er nicht planen kann. Auch wenn hier nicht unbedingt die Tolstoische Abgründigkeit beabsichtigt ist, wie sie der Vorlage von Bresson eignet.

Näher liegt dem Filmemacher vielleicht der Musiker Pappo, dessen Schallplatte Pappo’s Blues als Requisit mitspielt; aber auch höfische Musik von Johann Sebastian Bach findet sich auf der Tonspur.

Love is the Devil: Study for a Portrait fo Francis Bacon

Ein Biopic kongenialer Empathie, das sich ganz in die Bilderwelt des Malers Francis Bacon hineinversetzt, die mutmaßlich in dessen Kopf wirbelt und stürmt und wohl mitentscheidend für die künstlerische Monomanie ist, die so jemanden antreiben und dessen Werk zu so breiter Geltung verhelfen.

Der Film von John Maybury 1998 gedreht erlebt jetzt zu Recht eine Wiederaufführung im Kino, Bacon wird großartig gespielt von Derek Jacobi. Aktuell kann der Film verglichen werden mit Munch, der im Künstler generell nach den Abgründen und auch deren Austauschbarkeit gesucht hat oder mit Die Herrlichkeit des Lebens, einer höchst bieder deutsch subventionierten Befassung mit dem letzten Jahr im Leben Kafkas.

Maybury Biopic beginnt mit dem Eintritt von George Dyer, ein faszinierender Daniel Craig, in das Leben des Malers; der bereits berühmt und erfolgreich ist.

George fällt Bacon im Atelier faktisch vor die Füße, wie er dort einbrechen will. Bacon kümmert das Vorhaben des Eindringlings wenig. Er sieht nur den gut gebauten Mann. Er bietet ihm an, sich mit ihm ins Bett zu legen und er könne alles haben. Der Anfang einer amour Fou.

Wobei Amour fou vielleicht gar nicht der treffende Ausdruck ist; denn Bacon verliert nie die Kontrolle. George wird Bacons Muse. Es wird eine zerstörerische Beziehung, dann George will auch seine Anerkennung. Aber Drogen, Stricher, Geld und Parties können das nicht leisten.

Während Bacon nicht eine Sekunde von seiner Malerei ablässt, besessen von dem Wunsch nach DEM Bild, das diese Faszination von Lust und gleichzeitig Grauen verbindlich ausdrückt. Er beutet Dyers Männlichkeit schamlos für seine Bilder aus.

Aber je mehr George als Drogensüchtiger und Suizidgefährdeter Aufmerksamkeit verlangt, desto mehr geht er dem egomanischen Maler auf den Senkel.

Der exzessiv künstlerische wie queere Film ist gewidmet dem Andenken von Daniel Farson, der als spezieller Berater der Produktion erwähnt wird und als Autor von „The gilded Gutter life of Francis Bacon“.

Die Musik stammt von Ryuichi Sakamoto. Dessen letztes Konzert wird als Kinofilm am 28. März bei uns starten.

Die Amitié

Netzwerker –
Immigranten-Fantasy-Satire

Ute Holl und Peter Ott, die Macher dieses Filmes, haben die Nase voll von der politisch-korrekten, moralintriefenden Behandlung des Immigranten-Themas im deutschen Subventionskino. Sie suchen einen anderen Zugang.

Selbstverständlich, dass ihre Protagonisten ein makelloses Deutsch sprechen, Agnieska (Sylwia Gola) aus Polen und Diedonné (Yann Mbiene) aus Afrika über Italien. Beide sind hier gesucht als billige, halb- bis illegale Arbeitskräfte und werden entsprechend ausgenutzt. Beiden gelangt die Reise nach Deutschland über geheimnisvolle Netzwerke, die im Zuschauerhirn, was dafür angelegt ist, schnell zur Entwicklung von Verschwörungstheorien führen könnten.

Polen, das geht noch. Die polnische Pflegekraft soll in Deutschland für ihre Kirche missionieren, soll die Pflegefälle zum Beten bringen. Sie soll sich womöglich Tag und Nacht um Siegfried kümmern, der inzwischen faktisch allein mit Hund in einem großzügigen Einfamilienhaus in der Nähe von Hamburg oder Lübeck wohnt.

Dieser Demenzkranke, der mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart lebt, wird gespielt vom goldigen Walter Hess, den die Münchner Kammerspiele neulich zwei Abende lang ausgiebig gefeiert haben. Sein Filmsohn Carsten (Christoph Bach) ist so ein typischer Karriermensch, veranstaltet Seminare in Stuttgart und kann sich kaum um seinen Vater kümmern.

Diedonné kommt als Erntehelfer in einer Hambuger Bio-Tomaten-Plantage unter. Sein Verbindungsmann Ousmane (Aziz Capkurt) rät ihm, die Verhältnisse, die schlechter sind als versprochen, zu akzeptieren. Das Netzwerk im Hintergrund ist die titelgebende Amitié, geheimnisvoll wie irgendwas, manipuliert ihre Mitglieder über virtuelle Brillen, die in virtuelle Chaoswelten führen, fordert die Mitglieder zur Sammlung von Informationen auf. Die Gemeinschaft organisiert Geldtransfers und Jobvermittlungen.

Das Ganze stellt sich als perfider Angriff auf die deutsche Gesellschaft dar, im satirischen Sinne und die geballte deutsche Staatsmacht wird symbolisiert und vertreten von einem einzigen Polizisten (Hauke Heumann), der den Braten riecht, aber damit eindeutig überfordert wirkt.

Christspiracy

Ein missionarischer Film

Mittels QR-Code am Ende des Filmes kann man sich einreihen in die Bewegung, die dieser Film von Kip Andersen und Kameron Waters in Gang setzen will. Es handelt sich um Cristspiracy, was eine compassionate Revolution, eine Revolution des Mitgefühls, auslösen und damit die Welt zu einer besseren machen möchte.

Der Titel Christspiracy für den Film mag insofern zutreffend sein, vom Wortlaut her macht er eher Magenbeschwerden. Vielleicht kam er zustande, weil der eine der beiden Filmemacher, Kip Andersen, schon zwei „-spiracy“-Filme gemacht hat: Cowspiracy und Treespiracy, worin es wohl um die Aufdeckung von Missständen in Vieh- und Baumwirtschaft ging.

So würde man erwarten, Christspiracy deckt Misstände im Christentum auf – da sind aktuell die Assoziationen eher im Missbrauchsbereich. So allgemein bleibt der Film aber nicht. Und auch nicht auf das Christentum beschränkt. Er sondiert genauso bei den Hinduisten, dem Islam und beim Judentum.

Der Film konzentriert sich auf die Kernfrage von Fleischverzehr und der damit verbundenen Tötung von Tieren und fokussiert das Thema auf die Frage, wie würde Christus Tiere töten. Dass er Tiere verzehrt hat, davon wird ausgegangen, seien doch die Tempel zu seiner Zeit riesige Schlachthöfe für Opfertiere gewesen, die dort auch zubereitet und verzehrt wurden.

Die beiden Filmemacher stellen ihre Fragen allerlei Fachleuten, Theologen, Gurus, Wissenschaftlern, Pastoren, Autoren, Tierrettern, Anwälten, einem Whistleblower, Schmanen, Predigern – immer schön als Talking Heads in Szene gesetzt.

Der Film ist ein Konglomeratsfilm, ein Bildersturm, ein Magazinfilm, in dem jede Menge Footage aus Geschichte, Kunstgeschichte, Filmgeschichte, Talking Heads und Grafiken, alles gerne auch bearbeitet zur Verschönerung oder auch mal zur Unkenntlichmachung von Personen, mit Hochdruck und Tempo aneinandergeschnitten werden, wobei manches Footage gerne auch mehrfach genutzt wird.

Es ist eine Rund-um-die Welt-Doku mit Undercover-Recherchematerial über nicht artegerechte Tierhaltung selbst im streng religiösen Bereich, was so unter Halal und Koscher zu verstehen sei, da kann es einem den Appetit verschlagen.

Es gibt einen Ausflug an den Hindukusch nach Kathmandu zum größten Tierschlachtfest der Welt, dem Gadhimai-Festival.

Oder die beiden Filmemacher hängen sich an die Fersen von illegalen Kuhschmugglern in Indien, gucken denen mit Drohnen in die Ladung, sehen sich in der Leder-City in Kolkata um.

Locker wird ein Zusammenhang zwischen Tierhaltung, Tierschlachtung, Kapitalismus und Krieg in den Raum gestellt.

Jesus und die Frage, ob es eine christliche Art gebe, Tiere zu töten und zu essen, sind der Leitfaden für diese Abenteuerreise in die religiösen Sphären der Ernährungsethik. Es ist ein Agit-Prop-Film für Vegetarismus, der behautet gänzlich ungeschnitten und unzensiert daher zu kommen. Und es gibt einen Bekehrten im Film, den Jungjäger vom Christian Youth Haunting Club, der sein erstes Reh erlegt und später im Film so ein Tier nur noch durch die Kamera ins Visier nimmt. Und schon ist die Welt ein klitzekleines Stück besser geworden.

Alle hassen Johan

oder:
ein nordisches Schicksal: ein Mann namens Johann

Der deutsche Titel dieses Filmes von Hallvar Witzo nach dem Drehbuch von Erlend Loe scheint zwar die wörtliche Übersetzung des norwegischen Originaltitels: „Alle hater Johan“ zu sein. Trotzdem erscheint er mir zu popelig, da er assoziiert, es handle sich um einen Kinderfilm, in dem es um einen diskriminierten Jungen geht. Das stimmt zwar auch.

Aber der Film ist doch einiges mehr. Er müsste eher in Anlehnung an Ein Mann namens Ove „Ein Mann namens Johan“ heißen, da er ein breitgefächertes, faszinierendes Porträt eines Nordländers abgibt, hier eines Typen wie einem Urvikinger, der entsprechend urig mit dem Handwerk des Sprengens umgeht – nicht das Dynamit ist gefährlich, Feiglinge seien es. Das lernt Johan, der 1943 auf der norwegischen Insel Titran zu Welt kommt, von kleinauf.

Johans Eltern sind erfolgreiche Guerillasprenger im Zweiten Weltkrieg. Sie sprengen jede Menge Brücken, nicht immer nur zum Nachteil der Nazis. Insofern sind sie schon Außenseiter und stehen in Konkurrenz zu anderen Undergroundgruppen, die zum Beispiel mit den Engländern zusammenarbeiten.

Sprengungen begleiten den Buben, Sprengungen begleiten den erwachsenen Mann, Sprengungen nehmen ihm die Eltern weg und beschädigen andere ihm Nahestehende.

Es gibt eine Phase, da arbeitet Johan, der Film arbeitet sich jahrzehnteweise voran von 1943 bis ins Heute, als professioneller Sprengmeister in der USA, Türme, Brücken. Er kehrt zurück. Denn nie lässt ihn seine Jugendliebe und ehemalige Buddelkastenfreundin Solvor los. Das wird eine Geschichte von Missverständissen und Unfällen.

Hallvar Witzo erzählt die Lebensgeschichte dieses Mannes, der je erwachsener er wird, desto mehr sich zum Urvikinger-Mannsbild mit einer Schnittmenge zu unserem Jesusbild verändert, mit einer narrischen Begeisterung dafür, was sich im Kino auf großer Leinwand mit bescheidenen Mitteln und den entsprechend malerischen Fjorden Aufregendes herstellen lässt. Hallvar Witzo nimmt die Erzählhaltung ein, als handle es sich bei seiner Geschichte um eine Art Western-Ballade, die gegen Ende hin droht, außer Rand und Band zu geraten.

Squaring the Circle

Normalerweise im Hintergrund

von Berühmtheiten bewegen sich Fotografen und Grafiker, die bei Musikern beispielsweise die Cover der Alben besorgen.

Und just einen solchen setzt Anton Corbijn nach dem Drehbuch von Trish D Chetty ins Zentrum seiner dichten, rockgeschichtlichen Dokumentation.

Es ist dies Aubrey „Po“ Powell, der mit Storm Thorgerson, auch er kommt vor, berühmte Plattencovers von Led Zeppelin, AC/DC, Genesis, Paul McCartney und Pink Floyd gestaltet hat.

Das ist vielleicht die Schwachseite des Filmes, dass so ein Hintergrundmensch unendlich viel quasselt. Dabei sind speziell für den Rockfreund jede Menge Anekdoten dabei und selbstverständlich gibt es jede Menge weiterer Talking Heads, alle in Schlaglichfotografie und in Schwarz/Weiß, Akteure aus der bewegten Rockgeschichte.

Powel und Storm bilden als Duo und Firma die Hipgnosis.

Der Film ist voller verrückter Geschichten zu einzelnen Covers, das mit dem fliegenden Schwein über den britischen Fabrikschloten, das mit der Kuh, das mit den Bällen in der Wüste, das mit dem schlafenden Schaf auf einer Psychiatercouch am Meeresrand von Hawaii oder jenes mit dem Handschlag mit einem brennenden Mann – oft auch mit psychodelischem Einschlag.

Die Ohren werden gut bedient mit Musikausschnitten der gecoverten Bands. Wer einen Draht zu diesem Teil der Musikkultur der 60er/70er hat, dem werden sicher viele Erinnerungen an Musikerlebnisse geweckt.

Schleimkeim – Ötze und die DDR von unten

Ötze,

Dieter Ehrlich, ist die zentrale Figur – irgendwie der nicht ganz so weiße Elefant im Raum, von dem jeder spricht – in dieser Doku von Jan Heck über die DDR-Punkband Schleimkeim.

Ein fetziger Mix aus DDR-Wohlfühl-Konsumwerbung zu Beginn macht die Notwendigkeit von Punk in dem sozialistischen Land nachvollziehbar. Zu niedlich und sauber ist die dargestellte sozialistische Idealwelt.

Aber der Zugang zu Punk aus dem Westen ist schwierig; Platten ins Land einzuführen nahezu unmöglich. So müssen denn wenige Impulse ausreichen für Ötze, Dietrich Ehrlich, einen Bauernsohn aus der Nähe von Erfurt, in einem ehemaligen Stall aus gebrauchten Geräten Musikinstrumente und Verstärker zu basteln.

Diese und andere verrückte Geschichten zur Entstehung der in den frühen 80ern erstmals aufgetretenen Punkband Schleimkeim erzählen Figuren, die damals dabei gewesen sind und die heute noch mit wilden Frisuren auffallen in malerisch-anarchistischen Settings und mit Namen wie Spinne, Geralf, Pankow, Basti, Lippe und Speiche.

Es war die Kirche, die dieser Jugend den nötigen Schutzraum bot. Ötze selber scheint eine Weile von der Stasi geführt worden zu sein. Für teils erfundene Informationen. Vor allem für Geld, was die Band dringend brauchte. Dass er damit Menschen geschadet hätte, sei nicht bekannt.

Der Film besticht durch die von den Protagonisten lebendig und heute noch begeistert geschilderte Atmosphäre jener Punkzeit. Verblüffend, auch für sie, ist, dass selbst Teens von heute dank Youtube Fans sind und die Texte wortwörtlich wiedergeben können, auch wenn der Spiritus Rector der Band, Ötze, längst gestorben ist.

Es spricht aus ihnen ein Widerstandsgeist, der für jedes Herrschaftssystem nervig sein muss und auf den die Jugend wohl immer wieder anspricht. Ein kreativer Widerstandsgeist, der sich notfalls mit Improvisieren zu helfen weiß und gegen welchen die DDR in ihrer Hilflosigkeit dem Phänomen gegenüber einen Paragraphen gegen unsozialistisches Äußeres erfinden musste.

Rückkehr nach Korsika

Sommer, Sonne und Familiengeheimnis

Vor Jahren ist Khédidja (Aissatou Diallo Sagna) mit ihren zwei kleinen Kindern von Korsika nach Marseille gezogen. Inzwischen sind Farah (Esther Gohourou) und Jessica (Suzy Bemba) 15 und 18. Die Mutter hat die Möglichkeit, für eine reiche Familie die Kinder in der Sommervilla auf Korsika zu hüten. So kehrt sie zurück mit den beiden herangewachsenen Töchtern, die sich nicht oder kaum mehr an Korsika erinnern können.

Der Grund für die damalige Abreise schwebt als Familiengeheimnis über dem wunderbaren Sommerfilm von Catherine Corsini, die mit Naila Guiguet auch das Drehbuch geschrieben hat.

In der Art improvisiert hingepinselter Szenen schildert sie diese Sommerzeit mit ansteckender Leichtigkeit und nur momentweise meldet sich die Vergangenheit, wird am Familiengeheimnis gekratzt.

Es tauchen Figuren aus der Vergangenheit auf, die wichtigste ist Marc-Andria (Cédric Appietto). Er soll der beste Freund des Vaters gewesen sein, um dessen Tod es Gerüchte gibt.

Aber die beiden Töchter interessiert vor allem die Gegenwart. Sie sind im Abenteueralter, im Liebesalter.

Die jüngere Farah ist die freche, die burschikose, die schnell mal dazwischengeht, wenn Rassismus im Raum steht. Sie hat kein Problem, einen vom Bademeister requirierten Fußball den Kids zurückzuholen oder Gras zu klauen und es zu verkaufen.

Jessica dagegen ist angetan von der Tochter der Pariser Familie, Gaia (Lomane de Deitrich) und kann der lesbischen Liebe nicht wiederstehen.

Es ist ein Sommerfilm mit Meer, Sonne, Party, Musik, Alkohol, Drogen. Teils wirkt er wie ein Sittengemälde der Jugendkultur des sommerlichen Korsikas. Die Jugend liebt den Exzess, tummelt sich im Meer, in den Küstenfelsen, in der Disco. Und der dunkle Akkord von Geheimnis schwingt mit.

Miller’s Girl

Einen Lehrer fertig machen

Cairo Sweet (Jenna Ortega) ist eine verwöhnte Göre, 18, noch Jungfrau. Sie wohnt faktisch allein in einem ausladenden Landhaus von der Art, wie man sie gerne als Location für Horrorfilme nutzt, in Tennessee. Allein ist sie, weil ihre reichen Eltern meist auf Geschäftsreise irgendwo in der Welt unterwegs sind.

Cairo Sweet brennt vor Sehnsucht nach Lust und Sex. Das kompensiert sie mit Literatur. Sie schreibt selber und konsumiert bevorzugt erotische Literatur. Ihren Frust will sie am Literturlehrer Jonathan Miller (Martin Freeman) auslassen. Der hatte selber mal literarische Ambitionen und hatte auch ein Buch – wenn ich das richtig verstanden habe: über Interpunktion – herausgebracht. Er lebt mit einer schreibenden Autorin zusammen.

Damit die Drehbuchexte, die Regisseurin und Drehbuchautorin Jade Halle Bartlett zum Thema erotische Literatur und Verführung von Studierenden durch Lehrkräfte nicht so ganz in der Luft hängen, hat sie noch den Lehrer Boris (Bashir Salahuddin) erfunden. Dieser wird angehimmelt von der Mitschülerin Winnie (Gideon Adlon), die sich von ihm entjungfern lassen möchte; was nicht allzu unerreichbar scheint.

Derweil treibt Cairo ihre Spiele mit Jonathan. Sie macht sich begehrt bei ihm, da sie nicht nur sein Buch gelesen hat, sondern sich auskennt mit erotischer Literatur, Henry Miller. Sie selbst schreibt einen unmissverständlichen Aufsatz.

Der Film von Jade Halley Bartlett tut sehr literarisch und kulturell; fischt aber nur die Lüstlingselemente, das Pornographische, aus den Texten heraus; verlässt den Bereich plumper Anmache nicht. Er erweckt den Eindruck des lüstern Möchtegernhaften.

Auch vom Sound her, gibt der Film eine Ambition zu erkennen, die er inhaltlich nicht erfüllen kann, genauso wenig wie mit dem Einsatz einer gewissen Künstlichkeit in der Beleuchtung oder im Umgang mit Nebeln.

Vielleicht ist es lediglich ein Film über Torheiten, die eine Verliebtheit mit sich bringt; denn dass Cairo den Lehrer zum vornherein fertig machen wollte, ist im Film auch nicht angelegt.

Da untersucht ein Film wie The Holdovers ein Lehrer-Schülerverhältnis doch mit einem viel klareren und analytischeren Ansatz – und kommt dadurch auch auf überraschendere und überzeugendere Resultate.

Hier sucht man vergebens im vielen Text nach auch nur dünnem Gehalt. Vielleicht ist Cairo auch nur aus Langeweile getrieben. So dass sich maximal das Porträt einer mental-kulturell verwahrlosten, verwöhnten, gelangweilten jungen Frau ergibt, die ihr einziges Potential im Zerstören und Kaputtmachen sieht; dummerweise läuft ihr Lehrer Miller über den Weg.

Kung Fu Panda 4

So schön

diese Kompilation bewährter Standard-Comic-Situationen, so reichhaltig die Fülle an Bildern und Figuren sein mögen, so leer wirkt der Film von Mike Mitchell und Staphenie Stine nach dem Drehbuch von Jonathan Aibel und Glenn Berger.

Es gibt einen moralischen Tenor, man müsse sich verändern können. Der bleibt aber so vague, dass darunter auch Anpassung an egal was für ein System verstanden werden kann.

Und dann gibt es noch ein paar Regeln, die unter den gezeichneten Kreaturen des Filmes – viel in Richtung Hieronymusch Bosch – weiterverbreitet und befolgt werden sollen. Aber auch sie bleiben im Ungefähren hängen. Da ist nichts dezidiert gegen falsche Herrschaft. Da ist kein Need zum Kämpfen, gar zur Revolution. Man ist lustig unterwegs, der Po mit Frau Schen, der Füchsin. Po mit dem Zauberstab ausgestattet.

Es gibt einen dürren Ansatz von Geschichte. Po soll einen Nachfolger als Drachenkrieger suchen und ernennen. Ihm passt das nicht; ihm liegt die einfache Schlägerei, das Draufhauen mehr als der weise Rat und die Position des Weisen, die er einnehmen und wofür er die Drachenkriegerei an den Nagel hängen soll.

Und er soll das Chamäleon besiegen, das sich als unterschiedliche Figuren verkleiden kann. Irgendwann taucht auch plötzlich der Vater von Po auf. Auch er hat eine Begleitung, etwas Gansähnliches. Da denkt man an Micky Mouse.

Am meisten scheint die Macher der artistische Firlefanz interessiert zu haben, der mit Comicfiguren anzustellen ist, mehr das Kompilationshafte denn das Storyhafte; und die deutsche Synchro scheint daraus den Schluss gezogen zu haben, mit dem Holzhammer sei leichter zu arbeiten als mit Differenzierung und Subtilität – so bleibt denn auch von Hape Kerkeling nicht allzuviel Kerkelinghaftes übrig und der Film wirkt so als leeres Gedöns mit einem Haufen – gar nicht schlechten – Bildmaterials zur Ansicht, das dominiert wird von Unartigkeiten der Figuren, ein Rummelplatzkino der unverbindlichen Art. Das zu ertragen braucht viel inneren Frieden.