Archiv der Kategorie: Review

3 Paare, ein Ziel – Mädchen oder Junge (Folge 3) (BR, Mittwoch, 22. März 2023, 23.50 Uhr)

Oberflächlicher Versuch der Spannungserzeugung mit dem Hinausziehen der Antwort auf die Frage, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird, billig.

Albernheiten wie Gender-Reveal-Part nehmen zu viel Platz ein. Tun nichts zum Thema. Genauso wenig wie Fußball-Footage.

Diesmal kriegt Sabrina die befruchtete Eizelle eingesetzt – wegen organischer Schwierigkeiten unter Vollnarkose.

Andererseites, da dem Menschen seine Gesundheit und Fortpflanzung sein A und O sind, kann dazu beliebig viel Sendemasse produziert werden, sie findet immer Abnehmer.

Dann zielt der Film wohl auf die Geburt des Knäbleins der beiden Müttern hin. Ist natürlich lustig, dass von den drei Paaren, zwei Hetero, eines Lesben, just diese den Nachwuchs bis zur Geburt bringen. Der BR zieht das arg in die Länge und füllt es mit Blabla.

3 Paare, ein Ziel – Zusammen schaffen wir alles (Folge 2) (BR, Mittwoch, 22. März 2023, 23.20 Uhr)

Max und Jasmin versuchen es in Prag mit Pünktchen.

Laura und Jasmin veranstalten eine Gender-Reveal-Party mit Family and Friends und im Moment, wo der Luftballon, der das verraten soll, platzt, gibt’s einen Schnitt, damit die Zuschauer auch die nächste Folge anschauen müssen.

In Prag ist es mit Pünktchen, wie Jasmin – was eigentlich? – das aufgetaute Ding nennt, alles besser als erwartet gegangen. Sie hatte das Vertrauen in die deutsche Schulmedizin verloren; in Prag konnten die ihr Dinge sagen, die sie in Deutschland nicht erfahren hat.

Sabrina und Denis sind samt Sohn Julian überzeugt, dass sie es zusammen schaffen werden.

Die deutsche Schulmedizin kommt nicht gut weg.

Die Doku fährt fort in ihrer Mäuschen- und Statementmanier. Ein Dokuverständnis, was sich selbst genügt, indem es einfach dabei ist und die Leute drauflosreden lässt und auf Umgebungsarbeit verzichtet.

3 Paare, ein Ziel – Unser großer Traum (Folge 1) (BR, Mittwoch, 22. März 2023, 22.45 Uhr)

Künstliche Befruchtung

Es gibt den israelischen Spielfilm Two, der wunderbar das Thema der künstlichen Befruchtung anhand einer Beziehung von zwei Frauen differenziert beleuchtet.

Jetzt gibt es diese fahrig gedrehte und fahrig montierte Doku vom BR, der die Leute drauflosreden und -plappern lässt, der dokumentarisch tut, aber dann doch wieder nicht informativ genug ist, von Rachel Roudyani, Ariane Dreisbach, Tobias Henkenhaf und Robert Stöger, redaktionell betreut von Christiane von Hahn.

Von ihren Frustrationen zu dem Thema erzählen, Sabrina (3 Fehlgeburten) und Denis, Sabrina bringt Sohn Julian in die Beziehung. Sie lassen nicht locker. Der Traum von Laura und Julia ist es, ein Kind in die Beziehung zu bringen. Seit über drei Jahren versuchen sie es. Diesmal ist Julia schwanger. Jasmin und Max sind das dritte Paar; die versuchen den Embryonen-Transfer in Prag. Jasmin ist am Rande der Verzweiflung, denn sie sieht den ultimativen Lebenszweck einer Frau in der Mutterrolle, ein doch erstaunlich konservatives Weltbild, was der BR damit nolens volens weitergibt.

Schockierend ist, wie viele Medikamente diese Frauen im Hinblick auf einen Embryonentransfer nehmen müssen. Die Doku geht kaum über die alltäglichen Bewältigungsprobleme hinaus, schon gar nicht fragt sie, ob die Paare denn einen Plan B hätten, falls es nicht gelingt.

Shazam – Fury of the Gods

Helden des Alltags

Das dürfte den Reiz der Figuren im DC-Universum ausmachen, dass sie einerseits ganz normale Alltagsmenschen sind, Familienmenschen dazu, dass sie andererseits im Huium zu Superhelden mit Superkräften werden.

Die Superheldenfamilie im Film von David F. Sandberg nach dem Drehbuch von Henry Gayden und Chris Morgan nach Bill Parker lebt in Philadelphia.

Zur Demonstration der Superheldenhaftigkeit von Shazam und Konsorten, lässt der Film die berühmte Benjamin Franklin Hängebrücke zerbröseln. Daraus wird ein schöner kleiner Katastrophenfilm; im Zeitlupentempo zerreißt es die Brücke Seil um Seil, bricht die Fahrbahn ab. Die Helden haben mehr als zu tun.

Amüsant ist die Szene mit der Frau, die gerade kurz vorm Absturz in den Fluss mit ihrem Auto hängen bleibt, erst schreit sie, aber ihr Schrecken kennt keine Grenze mehr, wie ein Superman von unten auftaucht und den Wagen zurück auf die Fahrbahn schiebt. Das ist nur eine kleine Einlage im über zwei Stunden langen Film.

Philadelphia muss eine öde Siedlung sein, so dass die Filmemacher die Stadt mit Katastrophen über Katastrophen, mit Ungeheuern und Einhörnern und magischen Megabäumen vollpfropfen, dass einem schier schwindlig wird. Die Superhelden im Dauereinsatz.

In manchen Momenten erinnert das ruinierte Philadelphia an die Bilder aus dem ukrainischen Bachmut.

Doch vergisst der Film die Liebe nicht, vergisst die Wiederauferstehung nicht, vergisst die Magie nicht, vergisst die Familie nicht und es gibt sogar einen Hinweis auf die Rückkehr der Artenvielfalt.

Der Film denkt in biblisch-apokalyptischen Dimensionen einer Superheldenwelt und eine Käseglocke breitet er auch noch über einen Teil von Philadelphia aus. Den Schulterschluss mit der Antike probt er in Athen auf der Akropolis und im Museum an deren Fuß. Das Apfelmotiv erinnert an die Vertreibung aus dem Paradies.

Interessanterweise ist der Film bei aller zudröhnender Action ein Dauerstrom an Dialogen, als wollten sich die Figuren mit Daurreden ihrer Existenz versichern. Gleichzeitig legt der Film wert auf das geschriebene Wort. In einer Bibliothek gibt es einen Schreibstift, der, von magischer Hand geführt, Texte, Tipps und Hinweise für die Handlung entwickelt.

Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung

Vielleicht in Anlehnung an Walther Rutmanns Berlin – Die Sinfonie der Großstadt montiert Sergei Loznitsa aus extrem aufgefrischtem, nachgefrischtem und teils nachvertontem Archivmaterial eine Sinfonie der Zerstörung.

Das Strukturiermittel ist nicht ein Tagesablauf, es ist die Geschichte Deutschlands vom intakten Leben vorm zweiten Weltkrieg bis zu den Trümmerstädten an dessen Ende.

Der Begriff „Naturgeschichte“ im Titel muss allerdings hinterfragt werden oder kann als Hinweis gelesen werden, dass der Filmemacher im Zerstörungspotential der Menschen etwas Naturgeschichtliches sieht sozusagen gegen jede Geschichtsphilosophie, als ob der Mensch nicht anders könne. Da sollte vielleicht drüber diskutiert werden.

Loznitsa setzt auf die schiere Macht der Bilder bei Verzicht auf jeden Kommentar, die verschiedenen Phasen werden lediglich mit kurzem Schwarzbild voneinander getrennt.

Erst ist Deutschland schön, kultiviert, mit einem gewissen Wohlstand, schnuckelige Fachwerkstädtchen, historische Kirchen, Mobilität und auch Mode, Cafés – bis die ersten Hakenkreuze auftauchen. Es folgt eine Phase, die wie experimentelles Kino aussieht, wie experimentelles Feuerwerk. Dann die Macht der Rüstungsindustrie, ihre Macht und Mechanik, ihre Faszination. Es folgt eine dichte Serie an Bildern vom Bombenkrieg aus der Sicht der Alliierten. Vorher hat noch Furtwängler dirigiert.

Der Film bezieht sein Gewicht aus der schieren Masse der unkommentierten Aufnahmen und erinnert erschreckend daran, was gerade in der Ukraine vor sicht geht. Besonders Roosevelts Wort davon, dass bis jetzt in der Geschichte nur noch nicht gezeigt worden sei, dass ein Krieg mit Krieg beendet werden kann (was dann auch passierte) fährt ein.

In den Trümmerlandschaften nach dem Bombenkrieg und auch schon währenddessen hält die Farbe Eingang ins Archivmaterial. Die Frage bleibt oft, ob Krieg ein naturgeschichtliches Ereignis, ein naturgeschichtlicher Vorgang sei, oder ob er nicht doch vom Menschen – vielleicht aus anderen Zwängen – vom Zaun gerissen wird. In der Trümmerstadt jubeln die Menschen Winston Churchill zu und von einer unversehrten Litfaßsäule lächelt das Plakat für den Film Großstadtmelodie.

Inside

Im Superreichen-Gefängnis

In Buried hat ein Regisseur gezeigt, wie spannend man über eine Spielfilmlänge eine Gefangenschaft erzählen kann. Der Protagonist liegt in einem Sarg begraben.

Jetzt versucht Vasilis Katsoupis nach seinem eigenen Roman und mit Drehbuchmitarbeit von Ben Hopkins eine lange Spielfilmlänge lang zu zeigen, wie Willem Defoe versucht, sich aus einem geräumigen Superreichen-Loft zu befreien.

Es wirkt wie ein Aufgabenstellungsfilm an einer Filmhochschule: erfinden Sie Situationen, wie ein Schauspieler versucht, aus einer extravagant ausgestatteten, bildästhetisch durchaus ergiebigen Superreichen-Wohnung in einem Hochhaus zu entkommen; zumindest in Bereich Kameraübung, Details und Schnitt verdient der Film schon mal gute Noten, da ist vom Geschmäcklerischen nicht zu wenig.

Schön klassisch werden Einheit von Ort, Zeit und Handlung konsequent gewahrt. Da fällt Vasilis Katsoupis durchaus ständig was ein vom Zertrümmern von Gegenständen, vom Turmbau aus Möbeln in Richtung Dachfenster bis zum Einsatz der Sprinkler-Anlage. Defoe ist sich für keine Anstrengung zu schön.

Faktisch schauen wir Willem Defoe zu, wie er nach Regieanweisung Geld verdient, wie er schimpft, tobt, aber auch wie er sich abfindet mit der Situation, wie er Zeichnungen anfertigt oder zur Musik aus dem Kühlschrank, die zu verstehen geben soll, dass die Tür offen ist, tanzt, wie er die Bilder aus dem Überwachungskameras des Hauses anschaut oder aus den Schläuchen der Blumenbeetbewässerung trinkt.

Es gibt eine hauchdünne Rahmenhandlung, die den Film nicht erden kann. Helikoptergeräusche suggerieren, dass Defoe im Arbeiteranzug der HAIDON PROPERTY CARE und mit Überwindung der Sicherheitsvorkehrungen in das Loft hineingerät. Er hat wenige Minuten Zeit, daraus drei Schiele Gemälde und ein Schiele-Selbstporträt zu klauen. Letzteres findet er nicht auf Anhieb. Er verliert Zeit. Er wird hektisch und bringt das Sicherheitssystem durcheinander, das ohne Vorwarnung auf hochsicheren Verschluss macht. Er sitzt in der Falle. Der Funkkontakt zum Helikopter verschwindet schnell aus dem Film. Kunst ist also durchaus im Spiel und es gibt einige Philospheme dazu. Vielleicht wäre es spannender geworden mit einem unbekannten Schauspieler, der wenigstens für sich was erreichen will.

Das Blau des Kaftans

Vermeer auf Marokkanisch

Die Assoziation bei der Bildgestaltung könnte aber auch Rembrandt sein bei den Nahaufnahmen der Köpfe und wie sie vor dunklem Hintergrund weich beleuchtet sind.

Vermeer aber meldet sich lautstark beim ersten Blick auf das Blau des titelgebenden Kaftans, es erinnert an das Blau des Turbans des Mädchens mit dem Perlenohrgehänge. Auch wenn Mina am Fenster steht und ihre vielleicht letzte Zigarette raucht, drängt sich Vermeer auf, genauso wie bei den Details, den Nahaufnahmen, die an niederländische Stilleben aus der Renaissance erinnern. Ein Gemäldefilm. Interieurmalerei. Ein Textilfilm.

Es geht um Stoffe, um die Liebe zum Stoff und darüber um die Liebe zu den Menschen nicht weniger als die Liebe zu einem ruhigen, klaren, einfachen Kino, das eine große Geschichte erzählt, als deren Zentralrequisit der blaue Kaftan dient. Diesen soll Halim (Saleh Bakri) schneidern, der ein Maalem ist, ein Schneidermeister nach alter marokkanischer Tradition, und der diese gewissenhaft weiterführt, auch wenn diese Handwerk heutzutage keine besondere Wertschätzung mehr hat bei den Kunden.

Halim betreibt seine kleine Werkstatt mit seiner Frau Mina (Lubna Azabal). Diese ist todkrank. Wieder haben sie einen jungen Mann, der das lernen soll, angestellt. Es ist Youssuf. Mina meint, auch der würde nicht lange bleiben, keiner der Jungen interessiere sich für so einen mühsamen Beruf.

Liebevoll ruhen die Augen von Halim auf Youssef (Ayoub Missioui). Der Zuschauer weiß bis dahin, dass Halims Interesse Männern gilt, das erfährt er bei einem Besuch Halims im Hamam. Halim hat seine Geschichte.

Maryam Touzani erzählt diese Coming-Out-Geschichte so behutsam, wie Halim mit den kostbaren Stoffen umgeht und genau so liebevoll und wendet sie zu einem arabischen Märchen. Der Tod wird hier zum Befreier von einer doppelt schweren Last.

Mit unendlich viel Liebe zum Kino, zu den Stoffen, zum Schneidern, zu den Menschen, zur arabischen Kultur. In Bildern, ausgeleuchtet wie in der holländischen Renaissance-Malerei.

Broker – Familie gesucht

Regen, Kirche,

düstere Stimmung in Korea also, das sind die dominierenden Symbole bis zum Titel dieses neuen Filmes von Hirokazu Kore-eda (La Verité – Leben und Lügen lassen, Like Father, Like Son, Unsere kleine Schwester, Shoplifters).

Ein Themenfilm, was sollen Frauen mit ungewollten Kindern machen, die sie ausgetragen und zur Welt gebracht haben?

Die Kirche hat eine Babyklappe eingerichtet. Im strömenden Regen bewegt sich eine junge Frau, So-young (Ji-eun Lee), durch enge Gassen auf die Kirche zu, legt das Kind draußen vor der Klappe ab, herzlos scheint das, eiskalt oder vielleicht auch verzweifelt.

Die Frau wird aus einem Auto von Detektivin Lee (Lee Joo-young) beobachtet. Deren Mitarbeiterin wird sich um das Baby kümmern, sie verfolgt die Mutter. In der Kirche nehmen zwei Männer das Baby in Empfang, es sind, wie sich herausstellen wird, Mitarbeiter und Inhaber einer Wäscherei, San-hyeon (Song Kang-ho) und Dong-soo (Gang Dong-won). Sie wollen das Baby verkaufen. So viel die Info bis zu den Titeln.

Der Film verfolgt minutiös, skrupulös und doch leicht und irgendwie so absolut menschlich und selbstverständlich, die Entwicklungen, die sich daraus ergeben, dass die Mutter, wie auf dem Zettel mit dem Vornamen des Baby angegeben, zurückkommen wird, was nicht der Erfahrung der Mitarbeiter der Klappe entspricht, das schreiben die meisten, heißt es.

Die Frau hat unwissentlich die Überwacherinnen an den Fersen und führt diese auch zur Wäscherei, wo sie ihr Baby wieder sehen wird.

Ein Nebenstrang ist krimineller Art, die Wäschereiinhaber sind hoch verschuldet und haben Geldeintreiber am Hals; auch die Mutter wird zusätzlich zu den beiden Detektivinnen ins Visier der Polizei geraten.

Der Film konzentriert sich vorerst auf verschiedene Versuche, das Baby für möglichst viel Geld zu verkaufen. Die Mutter ist einverstanden damit, um dem Kind eine gute Zukunft zu ermöglichen.

Der Film beeindruckt durch eine seltene menschliche Glaubwürdigkeit, durch menschliche Distanz trotz Nähe und Nähe trotz mentaler Distanz, physischer Nähe der Gruppe von Babyhändlern. Ein wunderbares Symbol für die Brüchigkeit all der Beziehungen ist die alte Rostlaube von Kombiwagen der Wäschereileute, die Rücktür springt immer auf und sie haben sogar eine Seilkonstruktion, mittels derer sie im Fahren wieder zugezogen werden kann. So etwas nutzt Kore Eda augenzwinkernd für einen Polizeiauftritt. Die stören sich an der Tür und kriegen nichts mit vom zu verkaufenden Baby im Wagen.

Der ältere Bub, der zu dieser zusammengwürftelten Reisegesellschaft gehört, hat einen Riesenspaß an der Autowaschstraße, die das stimmungserzeugende Regenwetter zu Beginn des Filmes heiter spiegelt. Der Film spielt Eventualitäten, die bei so einem Kinderhandel passieren können gelassen durch und begibt sich außerdem auf eine Riesenradfahrt, die wiederum menschliche Annäherung ermöglicht. Fast möchte man meinen, der Regisseur betätige sich als gewiefter Schnurrenerzähler.

Tatort: Hackl (ARD, Sonntag, 12. März 2023, 20.15 Uhr)

Einfach gestrickt

Diesen Tatort dürfte sogar Lieschen Müller verstehen, der grenzt schon an eine Groschengeschichte im Reimsystem von „Erst der Hackl, dann der Dackl“.

Es gibt ein Verbrechen. Ein Motorradfahrer kommt zu Tode, weil er von einem Laserstrahl geblendet wird. Im Münchner Sozialviertel Hasenbergl. Es gibt zwei Tatverdächtige. Den alten Grantler und Streitsüchtigen, Hackl (Burghart Klaußner), und den Bruder des Opfers, Alex (Aaron Reitberger); ein Bruderzwistdrama? Der geneigte Zuschauer dürfte wissen, dass die meisten Morde Beziehungsdelikte sind; insofern suggeriert der Film hier ein exrem starkes Motiv, was er aber im weiteren Verlauf aus den Augen verliert.

Der Fernsehfilm von Katharina Bischof nach dem Drehbuch von Dagmar Gabler unter redaktioneller Obhut von Cornelius Conrad (eine Darstellerin heißt Carolin Conrad, verwandt oder verschwägert mit dem Redakteur? Ein weiterer Fall von Nepotismus bei den Öffentlich-Rechtlichen?) schwimmt undefiniert in einem vermuteten Hasenbergl-Milieu.

Zur Halbzeit wird ein dritter Verdächtiger eingeführt, ein Drohnenvoyeur, Jonas Mittermeier (Lorenzo Germeno), ein fett gestörter Teen.

Am dicksten legt der Fernsehfilm die Hackl-Fährte; da haut er, klischeehafter geht es nicht, mit dem prima Darsteller auf die Pauke, dank dem Schauspieler-Kaliber von Klaußner; eine Solo-Extravaganz.

Das Thema „verbotene Laser“ ist als solches ok, sollte aber vielleicht doch mit einer plausibleren Geschichte auf die öffentlich-rechtlichen Fernsehschirme gebracht werden, um das Zuschauerinteresse zu wecken. So eine – teils haarsträubende, wie die Auflösung zeigt – Groschenromanerfindung ist zu dünn für den Tatort-Sonntag-Abend-Anspruch.

Somit ist es fraglich, ob Lieschen Müller sich für den nicht so richtig im Senkel stehenden oft müde wirkenden TV-Realismus interessiert, der die Hasenbergl-Atmosphäre nur bedingt einfängt, der die beiden Kommissare anfangs wie zwei Staatspräsidenten auftreten lässt, auch den Kalle (Ferdinand Hofer) inszeniert er starlike.

Hinzu kommt das Opfer Adam, der vom BR in der Besetzungliste in der Presselounge nicht aufgeführt wird, der scheint ein Naturtalent von Filmstar zu sein; einzig er und sein Bruder Alex bringen das gewisse Hasenbergl-Etwas, wogegen der Rest des Ensembles subventionsschauspielerisch erfolglos, teils melodramatisch – als ob sie unter diesem Defizit leiden – ankämpft. Man sollte so ein Viertel, das sozialer Brennpunkt ist, in der tatortfilmischen Umsetzung schon ernst nehmen.

Burghardt Klaussner wirkt wie eine Staffage-Figur zur Ablenkung.

Einen Bruderzwist als Tatmotiv gegen einen notorischen Stänkerer in Konkurrenz zu bringen, scheint mir dramaturgisch unausgewogen, kann keine Spannung erzeugen und auch die dritte Figur, ein Coming-of-Age-gestresster Jonas mit wenig plausibel erzählter Story, die irgendwie vollkommen in der Luft hängt, hilft nicht, dem TV-Movie Attraktivität zu verschaffen.

Viel schlecht gefilmte melodramatische Pseudodramatik um Hackls Eskapaden.

Auflösung des Falles ist dürftig wie erklärungsbedürftig – und dürfte nichts, aber auch rein gar nichts mit den Hasenbergl-Realitäten zu tun haben. Weltfremd, am Rechner erfunden, schwach.

Ganja & Hess

Anspann:
„Doctor Hess Green, Doctor of Anthropology, Doctor of Geology, while studying the ancient Black Civilization of Myrthia was stabbed by a stranger three times, one for God the Father, one for the Son and one for the Holy Ghost, stabbed with a dagger, diseased from that ancient culture whereupon he became addicted and could not die… nor could he be killed.“

Dieser Film
von Bill Gunn zeigt, was für ein aufregendes Kino vor 50 Jahren gemacht werden konnte, ganz ohne Digitalisierung, ohne Computerdesign, ohne Elektronik-Musik, ohne Drohnen, stattdessen versehen mit dieser grandiosen Patina des Farbfilmes.

Es ist ein Film, der die Irritation, die ein Leben nach dem Tode, nach der eigenen Ermordung, auslösen kann, grandios schildert.

Es ist Doktor Hess Green (Duane Jones), der sein Nachleben als stinkreicher Schwarzer auslebt, der kein Opfer sein will, der überleben will, der keine Grenzen mehr kennt und schließlich von einer meganliken Frau (Marlene Clark) in Beschlag genommen wird, der das süße Millionärsleben mit Butler und Rolls Royce behagt. Sie ist die Witwe von George (Bill Gunn), der im ersten von drei Akten des Filmes malerischen Suizid begonnen hat.

Wobei hier Tatsachen und Visionen, Erinnerungen und Vorstellungen nicht immer exakt zu unterscheiden sind.

Es ist ein Film, der tief in die menschliche Psyche eindringt, ähnlich wie der Koreaner Kim Ki-Young, der ungefähr zur selben Zeit „Insect Women“ gedreht haben dürfte.

Die Abgründe der Liebe, Blut, Blutrausch, Ekstase, Erlösung, Psychosen.

Es gibt im dritten Akt eine quasi normale Phase, in der die schwer greifbaren Dinge zurückgedrängt werden; Frühstück bei Millionärs, Diener Archie (Leonard Jackson) wird vom Weibsstück, das sich in den reichen Haushalt reingedrängt hat, kujoniert. Bei ihr deutet sich das an, was demnächst in „Sick of Myself“ aus Skandinavien ins Extrem führt: die Krankheit einer Frau, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Aber sie tut in Liebesdingen alles für ihren Doktor Hess Green, der kein Kind von Traurigkeit ist, ja der ein rechter Hundling ist.

Andererseits spielt die Religiosität bis hin zum exorzistischen Wahn eine Rolle, der temperamentvolle Gottesdienst mit intensivem Gesang. Und wertvolle Klassik-Ölgemälde geben ihren eigenen Kommentar zum Geschehen.