Archiv der Kategorie: Review

Blood & Sinners

Schmankerl für Horrorfans

Vampirismus und Musik, wenn das mal keine prickelnde Kombination ist. Oder auch: das Heilige, die Musik und der Vampirismus. Das Gefährliche am Gesang. Auch wenn uns die Musik durchs Ohr eingeträufelt wird.

Pfarrerssohn Sammie (Miles Caton) platzt abgerissen in den Gottesdienst seines Vaters (Saul Williams). Er trägt einen Gegenstand, der wie eine Waffe aussieht. Überfallssituation. Papa unterbricht die Predigt, beschwichtig den Sohn, er möchte die Gitarre beiseite legen.

Die Musik, das Heilige und das Gefährliche. Das ist 1932 in Clarksdale, Mississippi. Wir erinnern uns, zu dem Zeitpunkt gilt im Süden noch die strikte Rassentrennung, der Ku-Klux-Clan ist die grausame Machtinstitution.

Der Film spult 24 Stunden hinter den Kirchenauftritt von Sammie zurück. Der Ansatz zu einem Spoiler sei erlaubt, in den Abspann hinein wird er zwei Stunden später 60 Jahre vorspulen, ein besonders neckischer Kunstgriff, der den Film – oder die Musik – nochmal in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Die Smoke-Zwillinge Elijah (Michael B. Jordan) und Elias (Michael B. Jordan) sind aus Chicago nach Clarksdale zurückgekehrt. Sie haben dort die Freiheit von der Rassentrennung kennengelernt. So fängt die Rückblende vom Vortag an, die den Hauptteil des Filmes bildet. Sie kaufen vom weißen Farmer Hogwood (David Maldonado) eine leerstehende Scheune. Sie zahlen bar. Sie wollen den Vergnügungssaal Juke Joint eröffnen und damit Geld verdienen. Die Baumwollarbeiter von den Plantagen sollten am Feierabend ein Bier trinken, tanzen, Musik hören können, so begründen sie den Kauf. Der Farmer wird noch gewarnt, nie wieder in der Scheune oder auf dem dazugehörenden Grundstück aufzutauchen, sonst würden sofort die Waffen sprechen.

Ryan Coogler (Black Panther, Black Panther -Vakanda forever, Creed- Rockys Legacy, Nächster Halt Fruitvale Station), der auch das Drehbuch geschrieben hat, erzählt seine Vampir-Geschichte, die noch enorm ausarten wird, konzentriert, dicht, geschmeidig, mit einem unwiderstehlichen Sog, zu schweigen von der Musik, die er thematisch verführerisch bis bedrohlich drüber gelegt hat.

Im Gegensatz zu vielen Black-Liberation Filmen (und auch um einen solchen handelt es sich ganz nebenbei) verfällt er nicht eine Sekunde in dieses Unglücksgefühl, dieses Gefühl des Diskrimierten, des Unterdrückten, des Ausgebeuteten oder des Anklagenden, der im weißen Zuschauer das schlechte Gewissen ansprechen soll. Er präsentiert lediglich die Haltung, dass es ihm unheimlichen Spaß macht, diese doch recht ungewöhnliche Geschichte mit den besten Mitteln der Hollywoodkunst meisterlich zu erzählen.

Nach wenigen, wohlverstanden: anekdotischen, und nicht erklärenden Hinweisen zur Vorbereitung der Party im Juke Joint, stampft der Laden vor Begeisterung, guter Laune, Alkohol, Tanz.

Eine Gruppe Weißer begehrt Einlass. Sie haben Gitarren dabei, werden aber abgewiesen. Besonders vertrauenswürdig wirken sie nicht. Ruthie (Andrene Ward-Hammond), zwischen den Grobkategorien menschlicher Hautfarbenunterscheidung angesiedelt, soll erkunden, was mit denen los ist.

Ab hier kommt das Unheilige ins Spiel, ab hier ist es nicht mehr weit bis zu den Untoten, die nicht unbedingt als genretypisch selbstverständliches Phänomen genommen, sondern hinterfragt werden, wie es möglich sei, dass jemand, der erschossen worden ist, wieder mit einem spricht.

Es gibt nun Choreographien und Beleuchtungen, die eine spooky, rätselhafte Zwischenwelt aus Religion und Heiligkeit, aus übelster Abgründigkeit und Andacht aufleuchten lassen. Dahinter mag die Weisheit grinsen, wie leicht doch die Menschen mit faulem Zauber aufs Glatteis zu führen sind, wie leicht sie sich betrügen und manipulieren lassen, womöglich gar durch die Musik? Und das nicht unabhängig vom Phänomen der Massenpsychose.

Xoftex

Flucht bringt einiges durcheinander.
Flucht kann ein Nährboden bilden für wild-traumatische Bilderwelten.
Ein Ort für solche Bilderwelten ist das Kino.

Flucht kann Menschen gleich mehrfach den Boden unter den Füßen wegziehen. Zuerst wenn sie Hals über Kopf ihre Häuser und Wohnungen verlassen müssen, sei es wegen Bombenangriffen, wegen des Eindringens feindlicher Truppen oder auch wegen Naturkatastrophen. Die Flucht selber kann zum nächsten Risiko werden, wenn sie durch endlose Wüsteneien oder in wackeligen Booten übers Wasser führt. Zielort für viele Fluchten ist Europa.

Ankunftsort übers Mittelmeer ist oft Griechenland. Hier werden die Flüchtlinge in Lagern untergebracht, zu denen das Adjektiv menschenwürdig einem nicht unbedingt als erstes einfällt.

Die Wartezeit bis zu einem Asylbescheid beträgt 2017 etwa 12 – 18 Monate. In der Zeit leben die Menschen in diesen Verhältnissen dicht aufeinander, nur mit dem Nötigsten versorgt und mit nicht einem Minimum an Privacy.

Noaz Deshe hat dort zwischen 2016 und 2019 als Freiwilliger gearbeitet, die Situation studiert und Theaterworkshops gegeben. Ein Resultat der Aktivität ist dieser Film, zu dem er mit Babak Jalali auch das Drehbuch geschrieben hat. Er wirkt wie ein Experimentalfilm, der versucht, um den Protagonisten Nasser (Abdulrahman Diab) herum einen Stream of Chaos and Consciousness im Kopf eines Flüchtlings zu kanalisieren.

Einerseits lässt der Filmemacher seinen Protagonisten übers Internet versuchen, sich Bildung anzueignen. Hier wird als signifikantes Beispiel der Casimir-Effekt eingeführt, der sich auch als filmisch ergiebige Anregung erweist, allein schon durch die zwei Spiegel, die dazu nötig sind und die starke Energie, von der die Rede ist.

Starke Energien auch in einem Flüchtlingslager, schnell explodieren Spannungen. Der Sound über dem Film ist ein Fanal für sich an Abgründigkeit und Bedrohlichkeit.

Nasser wird ein Faible fürs Filmen zugeschrieben. Mit Handy und Improvisation lässt sich so manches machen. Es ist dies nicht der erste Film, der sich mit der Flüchtlingsthematik speziell in Griechenland beschäftigt.

Ein afghanischer Filmemacher hat die Zeit im Flüchtlingslager genutzt: Picknick in Morial – Blue Red Report war das Resultat.
Der Fernsehfilm Leaving Greece – Fluchtpunkt Griechenland beschäftigte sich explizit mit in Griechenland festsitzenden minderjährigen Flüchtlingen.

Aber auch so eine Lagerzeit geht vorbei. Nasser schafft es nach Schweden und ist dort für zusätzliches Footage gut.

Was Marielle weiß

Menschen ohne Geheimnis

Wenn Menschen kein Geheimnis mehr haben, so ist das etwas ganz Furchtbares; man möchte direkt formulieren: Menschsein heißt, Geheimnis haben. Das widerspricht auch dem Wunsch der offenen Beziehung, in der man sich alles zu sagen verspricht.

Das erzählt der Film von Frédéric Hambalek in seiner Grundkonstruktion überzeugend. Marielle (Laeni Geiseler) wird von einer Schulkameradin geohrfeigt. Von dem Moment an hat sie die grenzpsychologische Fähigkeit, alles mitzuerleben, was mit ihren Eltern vor sich geht.

Die Familie wohnt in einer schicken Betonvilla, die am Rande eines Dorfes steht. Vater Tobias (Felix Kramer) arbeitet im Verlagswesen. Die Mutter (Julia Jentsch) arbeitet auch etwas.

Der Film ist dabei, wie die Mutter in einer Arbeitspause mit dem Kollegen Max (Flix Kramer) in einem leeren Zimmer eine Zigarette raucht, und wie der ungeniert davon redet, was sie jetzt in diesem Zimmer an Erotischem tun könnten.

Der Film ist bei der Arbeit des Vaters dabei. Dort geht es um das Cover für ein Buch mit einem Vogel ohne Kopf. Mitarbeiter Sören (Moritz von Treuenfels) kritisiert den Vorschlag. Tobias geht darauf ein.

Zuhause lügen sich die Elternteile was vor. Marielle kennt aber die Szenen, als ob sie selber dabei gewesen wäre. Die erste Reaktion ist Ungläubigkeit. Ist auch schwer zu fassen, so eine Eigenschaft, sich klarzumachen, dass man nichts mehr verbergen kann vor der Familie.

Nachdem der Fakt akzeptiert ist, fangen die Beteiligten an, sich in vorauseilendem Gehorsam so zu verhalten, dass ihnen nichts mehr vorzuwerfen ist. Bis hierher hat Hambalek eine feines deutsches Pinzettenkino abgeliefert, das an die Berliner Schule erinnert, dieses nüchterne Beobachten menschlicher Vorgänge.

Die Musik ist vielleicht nicht ganz so schlüssig, auf die hätte wahrscheinlich sogar teilweise verzichtet werden können.

Allerdings scheint nach der Analyse und den ersten Verhaltensänderungen das dramaturgische Movens des Konstruktes wie erstarrt. Es führt zwar noch zu weiteren Verhaltensänderungen; aber es entwickelt sich nichts Neues, es geht nichts mehr vorwärts, bis sich der Film nach dem Deus-ex-machina-Prinzip eine Lösung einfallen lässt.

Warfare

Der unsägliche Irakkrieg

Über diesen vollkommen überflüssigen, an den Haaren herbeibegründeten Krieg gibt es einen deutschen Film: Curveball, der die unsägliche Verwicklung Deutschlands und diejenige des heute noch amtierenden Bundespräsidenten offenlegt. Alexander Garland (Men, was dich sucht, wird dich finden, Ex Macchina) treibt die Unsinnigkeit dieses Krieges und seiner Folgen um.

Mit Civil War hat Garland sich bereits dystopisch mit dem Kriegsthema beschäftigt; hier meinte stefe schon, das sei gut gemeint, würde aber keine abschreckende oder aufweckende Wirkung haben.

Erneut versucht Garland es, diesmal in Zusammenarbeit mit Ray Mendoza, dem Kriegsphänomen auf den Grund zu gehen, es in seiner ganzen Schrecklichkeit zu zeigen. Und erneut finde ich, das gelingt nicht.

Und wenn man noch so sehr die Gräuel des Krieges zeigt, im Kino haben sie eine ganz andere Wirkung, gerade im fiktionalen Kino und erst recht heute, wo Kanäle, die dem gewöhnlichen Bundesbürger vielleicht nicht so geläufig sind, direkt gefilmte Grausamkeiten aus dem Irak, aus dem Gazastreifen auf die Mobilphone in aller Welt liefern. Dagegen wirken für den Film geschminkte Verletzungen doch recht künstlich.

Der Film berichtet von einer Gruppe von Navy Seals, die 2006 in Ramadi im Irak ein Privathaus kapern, das ist knisternde Spannung, wie sie bei Nacht lautlos durch die menschenleeren Straßen huschen und das Haus einnehmen, in dem sie sich einnisten, um als Heckenschützen ihren Soldaten Deckung zu geben.

Eine verschworene Gemeinschaft auf Leben und Tod. Denn so ein Unternehmen bleibt nicht unbemerkt.

Es ist ein Spielfilm nach einer wahren Begebenheit und am Schluss werden die Veteranen gezeigt, kenntlich oder mit unkenntlich gemachtem Gesicht. Ihnen zur Seite werden die Schauspieler gestellt. Dann gibt es noch ein paar Schüsse von den Dreharbeiten, wie ein Veteran an Ort und Stelle die Schauspieler anleitet. In den Titeln heißt es, das Drehbuch sei nach den Erinnerungen dieser Veteranen geschrieben.

Es ist ein Film aus dem Inneren einer Armee, die einen absurden Angriffskrieg führt, einen völkerrechtswidrigen Krieg. Insofern hält sich die Sympathie in Grenzen, eher stellt sich Mitleid mit den Männern ein, die für so einen Unsinn bereit sein müssen, ihr Leben zu opfern oder schwerste Verwundungen in Kauf zu nehmen, die sie für den Rest ihres Lebens zu Krüppeln macht.

Solche Filme sind zwar vom Kopf her gesehen Antikriegsfilme, sie sind auch so gedacht, aber faktisch ist es Seifenkino, das den Zuschauer einseift und zum Parteigänger einer Kriegspartei macht, insofern eben doch Kriegspropaganda. Kaum zu erwarten, dass Kriegsbefürworter diesen Film sehen und dann zu Pazifisten werden. Die deutsche Synchro versetzt dem Movie lebensgefährliche Verletzungen.

Oslo Stories: Liebe – Sex

Anbandeln auf der Fähre

Zwischen Oslo und einer vorgelagerten Insel verkehrt eine Fähre. Die Überfahrt ist kurz. Die Insel bietet einen wunderschönen Blick über Stockholm.

Der Geologe (leider sind die Rollen und ihre Darsteller aus IMDb nur schwer zu identifizieren), der dort neben seiner Ex mit den Kindern wohnt, kann wunderbar die geologischen Schichten von Stockholm erklären. Er liebt die Steine. Seine Zuhörer sind eine Gruppe von Menschen, die sich Gedanken zur einer Jubiläumsfeierlichkeit von Oslo machen.

Darunter ist eine Stadtführerin, die uns vorher schon die Sexualisierung der Mauerskulpturen am Rathaus erklärt hat. Sie bringt ihre Freundin mit, eine Onkologin, und will diese mit dem Geologen verkuppeln.

Auf der Insel wohnt in einer Hütte Tor, der Krankenpfleger, der mit Fahrrad und Fähre zum Krankenhaus in Oslo fährt. Seine Chefin ist die Onkologin. Er selbst nutzt die Überfahrt, um mit anderen Männern über Anbandelplattformen in Kontakt zu kommen. Er erzählt davon seiner Chefin, der Onkologin, frei und unbefangen.

Vorherschon bei der Betrachtung der Rathauswandskulpturen kam die Touristenführerin auf diverse Lebensweisen, wie selbstverständlich die seien, zu sprechen. Die Onkologin wiederum nutzt die Rückfahrt von der Besprechung beim Geologen, um mit einem Passagier anzubandeln für einen One-Night-Stand mit Schwimmen im Meer.

Der Film der Norwegers Dag Johan Haugerud behandelt subtil und behutsam in intensiven Dialogen die Situation moderner Großstadtmenschen mit all ihren Freiheiten, Sehnsüchten, Beziehungs- und Anbandelmöglichkeiten, ihren Ängsten.

Breiten Raum nimmt das Thema der Prostataoperation und der damit verbundenen, möglichen Einschränkungen der männlichen Sexuallebens ein, gerade auch im schwulen Bereich.

Dafür lernt Tor den Patienten Björn auf der Fähre kennen, der Panik vor Kontakten hat, der mit seinem Sexualleben zwischen alle Stühle gefallen ist, mit seinem Outing kam AIDS auf verbunden mit den entsprechenden Ängsten. Jetzt, wo das Anbandeln und Cruisen dank Apps leicht fällt, hat er ein Prostataproblem. Zwischen der Onkologin und dem Geologen scheint sich auch etwas anzubahnen. Da steht das Eheproblem dazwischen. Er hat das Eheversprechen schon zweimal gebrochen. Würde das noch ein drittes Mal drohen?

Der Film ist mit Datumsangaben strukturiert und umfasst eine Periode von wenigen Tagen in einem August. Er wirkt sympathisch nah an unserer Zeit. Er zeigt Menschen von heute mit den Problemen der Menschen von heute.

Ernest Cole – Lost and Found

Der Photograph der Apartheid

In der deutschen Wikipedia gibt es nicht mal einen eigenen Artikel über Ernest Cole. Er gilt mit seinem Photoband House of Bondage als der Chronist der Apartheid in Südafrika. Dort wird sein Buch verboten. Damit wird er berühmt. Aber seines Seins in Südafrika ist nicht mehr. Er kann nach New York emigrieren. Das ermöglicht ihm zwar das Weiterleben in einer Welt ohne Apartheid, aber doch nicht ohne Rassismus. Glücklich macht es ihn nicht.

Ernest Cole hat Heimweh, denn Amerika ist nicht seine Welt. Er braucht den Bezug zu den Objekten, die er fotografiert, er muss sie kennen. In Amerika lassen sie ihn zwar fotografieren, jedoch nur nach dem Typecasting-Verfahren. Weil er bekannt für seine Apartheid-Photos ist, soll er jetzt Schwarze in den Südstaaten fotografieren.

Cole hat auch keinen Pass mehr. Er kann zwar noch einige Jahre in Schweden verbringen. Den Rest des Lebens ist er in New York in ständigem Abstieg begriffen und stirbt dort 1990, ohne je Südafrika wieder betreten zu haben.

Der Film von Raoul Peck fesselt vom ersten Moment an. Er lässt Ernest Cole sein Leben erzählen mit einer Fülle an Bildmaterial aus seinem Werk, mit Fotografien von anderen Fotografen, die unübersehbar kenntlich gemacht sind und mit Archivmaterial aus der Zeit.

Es gibt noch einen Kunstthriller im Film. Ein Neffe von Ernest Cole, der im Gesicht eine gewisse Ähnlichkeit mit diesem hat, ist der Protagonist. Er erhält von einem Anwalt aus Schweden Informationen über einen Banksafe, der eine Hinterlassenschaft von Ernest Cole sei.

Und es gibt kurz skizziert aus den News von damals Hinweise zur Apartheid, deren Ende und kurze Clips aus der Wahrheits- und Versöhnungskommission.

Drop – Tödliches Date

Elegante Fotostrecke mit dünnen Untertexten

Hier wird in elegantem Chicago-Ambiente und mit hochglanzzeitschrifttauglichen Darstellern eine Situation simuliert, die der Protagonistin Violet (Meghan Fay) – und damit dem Zuschauer – ihr Blind Date mit Henry (Brandon Sklenar) im chicen Restaurant Palate gründlich verderben und sie in Angst und Schrecken versetzen soll.

Für die Simulation wird von einer Art Totalüberwachung von ihr und ihrem Date in dem Lokal ausgegangen. Es ist ein Totaldiktat mittels Erscheinenlassens von Texten an sie nicht nur auf dem Mobilphon-Display, auch andere Glanzflächen im Raum können dazu dienen. Die ersten Texte, Drohungen, Handlungsanleitungen erscheinen auf ihrem Handy.

Darunter ist auch eine Anweisung, ihre Überwachungskameras zuhause anzuschauen. Da wird sie sehen, dass ihr Bub Toby (Jacob Robinson) in der Gewalt eines maskierten Mannes ist, ebenso ihre Schwester Jen (Violett Beane), die den Buben hüten soll. Wenn sie nicht die Text-Anweisungen befolge, dann würden diese sofort sterben, zuerst ihr Bub.

Der geneigte Zuschauer wundert sich, dass sie nicht einfach die Polizei einschaltet. Aber der oder die sie überwacht scheint überall Augen und Ohren zu haben und auch ihre Reaktionen vorauszusehen, denn kaum will sie die Polizei informieren, erhält sie schon die Mitteilung, dies besser nicht zu tun, egal, wo sie sich gerade befindet, am Restauranttisch, auf der Toilette oder am Empfangscounter.

Die sich das ausgedacht haben, sind die Drehbuchautoren Jillian Jacobs und Chris Roach, der es inszeniert hat, wer weiß, vielleicht auch nach sms-Anweisungen, ist Christopher Landon. Die Anweisung an ihn könnte geheißen haben, die Figuren als Schablonenmenschen, als Spielfiguren zu inszenieren, als Figuren, die austauschbar sind, damit jeder Zuschauer sich selbst an deren Stelle setzen könne.

Keine Individualität möge vom Schema der Erpessbarkeit durch Allüberwachung, die Angst machen soll, ablenken. Die Personen müssen reibungslos funktionieren, damit der Konflikt besser herausgearbeitet werden kann oder die Aussichtslosigkeit der Lage der Protagonistin, die viel riskieren muss, wenn sie ihren Sohn retten will; Individualität und originelle Responses wären da störend.

Es geht um Erpressbarkeit und nicht um freie Willensentscheidung, für Konflikte bleibt keine Zeit, einige Sekunden der Erstarrung der Akteure vielleicht. Insofern bleiben die Figuren, dem Horrorgenre geschuldet, oberflächlich wie auch die Texte, die sie abzuliefern haben.
Begriffserklärung: Drops sind Nachrichten, die man von unbekannter Quelle auf das Mobilphon erhält.

Wie im Himmel so auf Erden

Kopftuchpflicht

Nicht nur bei Muslimen gibt es sie, auch im ersten orthodoxen Frauenkloster in Deutschland gilt sie, das 2005 in Buchendorf bei München eröffnet wurde.

Irritierende Schnitte, vom Sarg zur Küche, beide Mal spielt Küchenpapier aus einer Küchenrolle in der Hand einer Schwester mit, hat das, was sie in der Küche zubereitet, etwas mit dem Sarg zu tun? Dabei erzählt sie vom Tod, der keine Bedeutung habe, da Christus für uns gestorben sei und was von schwarzer Farbe. Hm, fragt man sich, bereitet sie etwa schwarze Farbe aus Margarine vor?

Die nächste Szene fängt unklar an, ist man wieder zurück beim Sarg? Nein, die Nonnen versammeln sich auf ein Glöckleingeläut zum Gespräch; der Schnitt auf diese Szene wirkt wie eine Übersprungshandlung der Dokumentaristin, bricht die Storyline von der toten Schwester abrupt ab.

Sie sprechen russisch und Voice-over übersetzt. Eine Schwester erzählt, dass eine Mitschwester einen leeren Teller wollte, statt zu essen. Äbtissin Maria sitzt auf einem Prunkstuhl, die Kamera im Blick.

Der Film von Daria Kuschev unter redaktioneller Betreuung von Natalie Lambsdorff vom BR und von der HFF München betrachtet die Schwestern bei ihren haus- oder landwirtschaftlichen Tätigkeiten (Nähen, Schneidern, Kochen, Saubermachen, Imkerei, Traktorfahren), manchmal erzählen sie dabei über den Glauben oder über private Hintergründe.

Der Film, der immer wieder Eindrücke von der Örtlichkeit dazwischenschneidet, auch mal mit netten Kätzchen, ist bei einem Gottesdienst dabei – Kirchlich-Liturgisches hat immer seinen filmischen Reiz -, bei dem zwei neue Schwestern eine neue Stufe der Integration in die Schwesternschaft mit Haarschneiden erreichen.

Gerne würde man etwas über die wirtschaftliche Situation erfahren, wie so ein Kloster sich finanziert, wie es mit der Rekrutierung von Nachwuchs aussieht, wie das Kloster sich in seiner Umgebung zurechtfindet, ob der Russland-Ukraine-Konflikt eine Rolle spielt.

Und doch ist so ein Bericht, der einen raren Mäuschenblick in ein Paralleluniversum und so nah bei uns, wirft, allemal interessanter als irgendwelcher Promi-PR-Schrott und hat seine Berechtigung im Öffentlich-Rechtlichen.

In höchster Not – Folge 1 (BR, Montag, 14. April 2025, 20.15 Uhr)

Doku-Thrill

Die moderne Technik mit Kopfkameras und Drohnen macht es möglich, als Zuschauer an Orte und Situationen zu gelangen, wo man sonst nie hinkommen würde oder dabei sein könnte.

Hier in der Doku-Serie des BR in der Regie von Peter Hirsch, Redaktion Ingmar Grundmann und Matthias Luginger, sind es Kopfkameras, die die Retter von der Bergwacht, in dieser ersten Folge sind es ausschließlich Männer, bei ihren ehrenamtlichen Einsätzen aufgesetzt haben und das Geschehen aus atemberaubender Nähe aufnehmen können.

So entfällt für den Zuschauer das mulmige Gefühl, was ihn ab und an bei Dokumentationen beschleicht, dass die Dokumentaristen die zu dokumentierende Situation beeinflussen, verändern, gar erschweren.

Der Zuschauer darf sich also guten Gewissen mitnehmen lassen von den Männern der Bergwacht Ramsau, im Helikopter, beim Abseilen, beim Versorgen von Abgestürzten oder verirrten Bergwanderern, ja er kann sogar im günstigen Fall mit dem Geretteten und dem ganzen Team wieder über einen steilen Gletscher absteigen, wie im zweiten von den beiden Fällen dieser ersten Folge. Die wird noch von einem Happy-End, wie man es sich im Film wünscht, gekrönt.

Dabei handelt es sich um einen Bergsteiger, der sich verstiegen hat und nicht mehr vorwärts noch rückwärts konnte; zudem verunmöglichte Nebel eine Rettung mit dem Heli.

Im ersten Fall geht es ebenfalls gut aus. Ein Bergsteiger ist ausgerutscht und muss etwa 40 Meter samt Überschlag abgestürzt sein, schlug sogar auf einem Felsen auf und hatte Glück im Unglück.

Vielleicht ist es ja noch vorgesehen in der Serie, es würde einen schon interessieren, wie sich die Angelegenheit finanziert, wie die Geborgenen an den Kosten beteiligt werden.

Die Retter selbst sind gesunde, kernige Alpintypen, bildschirmergiebiger als so mancher TV-Subventionsstar. Abenteuergeschichten, durchaus von öffentlich-rechtlichem Interesse, von wegen Sport, Natur, Alpen, Ehrenamt. Und hundertmal spannender als halbherziges Promi-PR-Getue wie hier.

Voilà Papa! – Der fast perfekte Schwiegersohn

Fröhliche humoristische Streckübungen
im Geräteraum ernster Themen unserer Zeit

Christian Clavier, der französische Schauspieler, der uns am besten bekannt sein dürfte durch die Monsieur-Claude-Filme (Monsieur Claude und seine Töchter, Monsieur Claude 2 und Monsieur Claude und sein großes Fest) ist Psychiater.

Von der Figur her ist er der genau so selbstgerechte Bürger, der nie untergeht, mit wenig Widerstand sich in den Gefilden der Vorurteile bewegt, der nie einen Fehler macht, eine Art Teflon-Männchen im weiten Feld menschlicher Auseinandersetzungen, Irrungen und Widersprüche, ein Problemverdränger erster Klasse. Als Kinofigur verbreitet er auf diese Art vor allem gute Laune und ist für manchen Lacher gut, weil der Untertext ist, wir sind doch alle nur Menschen und haben unsere kleinen Macken, Lügen und vorgefassten Meinungen.

Hier im Film von Arnaud Lemort spielt Clavier den Psychiater Olivier Béranger. Er wird vorgestellt mit einem hoffnungslosen Fall von Patienten, der voller Änste und Phobien ist, mit Damien Leroy (Baptiste Lcaplain), der aus der Sprechstunde heraus nun schon zum fünften Mal vom Fenster springen will. Die Szene bereitet den Boden für die titelgebende Differenz zur Perfektion.

Ein Jahr ist vergangen. Damien hat Alice (Claire Chust) kennengelernt. Sie ist die Tochter von seinem Psychiater, aber er weiß das nicht, noch weiß sie über diesen Zusammenhang Bescheid. Sie will ihren neuen Verlobten zum 30. Hochzeitstag ihrer Eltern, Vater Olivier und Mutter Paloma (Christian Reali), auf dem mondänen Familiensitz am Genfer See vorstellen.

Für weitere Komplikationen ist Antoine (Luca Gelberg) gut. Er wird als der taubstumme und zur Gewalttätigkeit aus Eifersucht neigende Bruder beschrieben.

Nachdem dem Vater klar geworden ist, wen seine Tochter anschleppt, setzt er alle miesen und besonders miesen Tricks ein, um diese Hochzeit zu verhindern. Er nutzt sein ärtztliches Wissen, um Damien in Panik zu versetzen und er reaktiviert einen vergangenen Lover von Alice. Auch Mutter treibt ihre Spielchen mit dem Glück der beiden und aktiviert ihren Guru Marius (Thomas Vandenberghe), der mit Steinen und Hypnose Einfluss auf Menschen nehmen soll. Zur Entschärfung von gefährlichen Situationen wird oft behauptet, man habe nur einen Spaß gemacht.

Es versammeln sich also genügend menschliche Sehnsüchte, Phobien, Bedürfnisse, Allergien, Aversionen, Gestörtheiten auf dem herrlichen Seegrundstück, damit es turbulent zu und her geht. Und auch die Vögel spielen ihren Part, es sind Möwen.