Bedröppelungs-Suizidfilm
Was machnma denn jetzt?
Wo ist mein Handy?
Können Sie das Zelt – vielleicht – für die Beerdigung nutzen?
Es sollte das Zelt zur Feier des 80. Geburtstages des Opas sein. Der hat sich dummerweise am Tag zuvor erschossen.
Ein Suizidfilm – und irgendwer hat nachher blutige Hände; man will – irgendwie – realistisch sein. Ist es aber nicht oder kann es nicht.
Für die Pointe mit dem Umfunktionieren des Zeltes statt für die Jubiläumsfeier für die Abdankgunsfeier geht der Film in der Regie von Nicole Weegmann nach dem Drehbuch von Esther Bernstorff meilenweit.
Die Zeltbauer haben eine Szene vor der Haustür, sie sehen aus wie Paketboten. Vorher musste das Drehbuch noch zwei Figuren vom Bildschirm wegbekommen: Mama (Bibiana Beglau), sie schickt das Drehbuch zum Einkaufen, und Papa (Christian Berkel), ihn schickt es zum Arzt, zur Erkundung, ob irgend was Ernstes vorgelegen habe bei seinem Vater. Was machst Du da? Ich fahr jetzt zu seinem Hausarzt – vielleicht war er ja krank. Dies ist vom Lebensrealistischen her gesehen völlig hirnrissig, zu dem Zeitpunkt ist man voll und ganz mit der Beerdigung beschäftigt und in diesem speziellen Fall mit der parallelen Absage der Geburtstagsfeier. Immerhin hat das Drehbuch mit diesen aus den Fingern gesogenen Einfällen es geschafft, dass das so hübsche wie offenbar doofe Mädchen Stella, präpubertär und zurechtgemacht wie die Botticelli-Pirmavera, allein zuhause ist.
Obwohl doch die Eltern eher als intelligent und gebildet vorgestellt werden, scheint das Mädchen nicht sehr wach und helle zu sein und überhaupt nicht zu checken, was um sie herum vor sich geht: Sie lässt die Partyzeltbauer in den Garten, um das Zelt zu errichten und bleibt motivlos im Türrahmen stehen; obwohl sie ja nicht als dezidiert apathisch eingeführt wurde.
Derweil betritt der Bruder von Stella, Clemens, den Bildschirm. Der scheint vorher zugeschaut zu haben, denn er begibt sich zielbewusst in den Garten, noch bevor er sein Schwesterchen, das immerhin ihren geliebten Opa verloren hat, herzt.
Clemens geht also directemang in den Garten, um den Partyzeltbauern zu sagen, dass sie wieder abbauen können, worauf der eine endlich die lang und schwerfällig vorbereitete Pointe mit der Umnutzung des Zeltes für die Beeerdigung vorbringen kann.
Dieser extrem schwerfällige Joke mit der Riesenvorbereitung war vielleicht ursprünglich mal von Brecht inspiriert, von Grusche aus dem kaukasischen Kreidekreis, deren Hochzeitsbett zum Sterbebett wird. Nur leider überhaupt nicht gelungen. So ein Irrwitz hätte allerdings den wohl eher betörten denn betreuenden Redakteurinnen Claudia Simionescu und Claudia Tronnier bei aufmerksamer Lektüre des Drehbuches auffallen müssen. Vor so einem unbeholfenen Mist bewahrt zu werden, hat das zwangsfinanzierende Publikum ein Recht.
Und dann haarsträubend die Ausrede des Partyzeltbauers, dass sie es nicht vor Sonntag abräumen können (wissen wir überhaupt, welchen Tag wir haben?). Die Fehlglaubwürdigkeit dieses Fernsehproduktes nimmt immer dilettantischere Züge an. Da können Besorgnisfragen wie: Kommst du zurecht? Ja. Und du, kommst du zurecht?, auch nichts retten.
Das wird alles noch problematischer durch ein ungelöstes Casting-Problem, dem Widerspruch zwischen Priorität von Subventionsnamen gegen Familienglaubwürdigkeit. Die Casterin Daniela Tolkien dürfte bei der aus den Credits ersichtlichen Machtkonstellation wenig Wahl gehabt haben, eigene Casting-Handschrift zu zeigen, denn zwei der Subventionsstars firmieren dort auch als Produzenten. Falls solche Machtverhältnisse zu Lasten des Künstlerischen gehen, muss von einem schlechten Umgang mit öffentlichen Geldern gesprochen werden.
Es sind dies die Mitproduzenten Andrea Sawatzky und Christian Berkel; die mit ihrer Darstellung allerdings nicht klar machen können, warum sie überzeugt waren, diese Rollen unbedingt spielen zu müssen. Oder empfinden sie „Bedröppelung spielen“ als eine Herausforderung? Das gehört zum Elementarsten des Darstellerhandwerks. Auch als Geschwisterpaar funktionieren sie meiner Meinung nach nicht. Keine Ahnung, was sie für diese Rollenwahl bezirzt haben mag. Einen Gefallen tun sie sich nicht damit.
Diese Akteure glauben, mittels Bedröpplung und Gefühlausbrüchen zeigen zu können, dass sie gute Schauspieler sind, eine glaubwürdige Familie ergibt sich daraus nicht (das wird vielleicht gerade wegen der schwachen Dialoge noch auffälliger; und da gehört vor allem an Verhaltensähnlichkeit mehr dazu), so wenig wie die ständigen Bedröppelungsszenen (auch wenn sie bedeutungsvoll über die Krankheit von Opa sprechen) – man hat den Eindruck von Selbstmitleid der Autorin (und womöglich gar der Schauspieler?). Gegen das Bedröppeln hilft, glauben wohl Autorin und Regisseurin, herzige Kuschelarrangements der Beteiligten. Nett-Dekor aus Kitschssehnsucht.
Zurück zum Partyzelt: das bisschen, was da steht, das wäre in 5 Minuten wieder weggeschafft, in der Zeit, in der die Akteure mit dämlichen Dialogen im Salon ungelenk rumstehen. Und warum die Zeltbauer im Hintergrund dabei weiterwerkeln, ist nicht ersichtlich. Solche Vorgänge, wie der Bau oder Abbau eines Partyzeltes plausibel zu beschreiben, sollten zu den handwerklichen Grundfertigkeiten eines Drehbuchautors gehören; scheinen hier aber nicht vorhanden zu sein.
Stella ist wirklich nicht intelligent, wie sie dann ewig mit diesem Tablett mit Frühstück rumsteht; um dann einen scheinfürsorglichen Dialog mit Papa zu führen, ob er denn ein Ei möchte, dabei steht es schon vor ihm. Eine Szene nach der anderen verkackt.
Dann kommt die Nachbarin, die das Geschenk für den Jubilar vorbeibringen möchte und merkt offenbar nicht, was in dem Haus vor sich geht, lässt sich auf den anderen Tag vertrösten, auf 12. Müssen das dumme Leute sein. Leider sind dumme Figuren nie interessant in Spielfilmen.
Wie kann man Drehbücher nur so am Leben vorbeischreiben und dann auch noch am Leben vorbeiinszenieren. So schön das Bild ist, wieso ist es in diesem – thematisch nicht so ganz klaren Kontext (eventuell, wie gehen Angehörige mit dem Suizid eines 80-jährigen um?) – nötig, dass die Schwiegertochter nackt in einem See baden geht und heult? Als Parallele zum Heulsusenauftritt der Tochter des Verstorbenen. In diesem Kontext gibt es offenbar nichts Dringlicheres, als die Enkelin zu fragen, ob sie verliebt sei. Themenwirrwar.
Schade, weitere Worte darüber zu verlieren. Einer diese typischen deutschen Themenfilmen, mit einem allerdings wohl nur kursorisch umrissenen Thema, es scheint, dass es um das „Menscheln“ so ganz allgemein geht, dass die Menschen dazu erfunden werden und dabei wird darauf verzichtet, das Umfeld, in dem es passiert, klar zu definieren, die Grundkonflikte, was das für eine Familie ist, die Charaktereigenschaften der Figuren und eine alte, dem Alkohol zugeneigte Freundin des Hauses kommt wie aus dem Klamottenkasten.
Wo kommst Du denn her. Am See, ich war kurz schwimmen. … da kann der Film ruhig weiterlaufen. Auch die Berkel-Figur lässt jegliche Plausibilität vermissen, so wie er sofort nach dem Tod seines Vaters wie ein Wahnsinniger etwas sucht, muss er mindestens ein Kapitalverbrechen begangen haben, das jetzt auffliegen könnte. Dann aus der Luft gegriffener, in keiner Weise nachvollziehbarer Vater-Sohn-Konflikt, so wahllos aus dem dramaturgischen Klamottenladen gegriffen wie die Alk-Tante.
Ein merkwürdiges Adhoc-Fernsehen, bei dem aus dem Nichts Konflikte mit Gebrüll und Türenknallen und Bedröppelungen hergezaubert werden, zwischendrin Gelächter oder ein trautes Gespräch, alles nur, weil Lieschen Müller das hübsch findet ohne zwingende Ursache und zur Selbstbeschwichtigung müssen die Kuschelarragements her.
Kannst du mich auch lieben, wenn ich schwach bin?
Dann stürzt sie sich in den Klamotten zu ihm in die Badewanne
und umarmt ihn.
Aus dem Szenenverhau eines öffentlich-rechtlichen Fernsehfilmes.
Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!
Bedröppelungs-Suizidfilm Was machnma denn jetzt? Wo ist mein Handy? Können Sie das Zelt – vielleicht – für die Beerdigung nutzen? Es sollte das Zelt zur Feier des 80. Geburtstages des...