Schmankerl für Horrorfans
Vampirismus und Musik, wenn das mal keine prickelnde Kombination ist. Oder auch: das Heilige, die Musik und der Vampirismus. Das Gefährliche am Gesang. Auch wenn uns die Musik durchs Ohr eingeträufelt wird.
Pfarrerssohn Sammie (Miles Caton) platzt abgerissen in den Gottesdienst seines Vaters (Saul Williams). Er trägt einen Gegenstand, der wie eine Waffe aussieht. Überfallssituation. Papa unterbricht die Predigt, beschwichtig den Sohn, er möchte die Gitarre beiseite legen.
Die Musik, das Heilige und das Gefährliche. Das ist 1932 in Clarksdale, Mississippi. Wir erinnern uns, zu dem Zeitpunkt gilt im Süden noch die strikte Rassentrennung, der Ku-Klux-Clan ist die grausame Machtinstitution.
Der Film spult 24 Stunden hinter den Kirchenauftritt von Sammie zurück. Der Ansatz zu einem Spoiler sei erlaubt, in den Abspann hinein wird er zwei Stunden später 60 Jahre vorspulen, ein besonders neckischer Kunstgriff, der den Film – oder die Musik – nochmal in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Die Smoke-Zwillinge Elijah (Michael B. Jordan) und Elias (Michael B. Jordan) sind aus Chicago nach Clarksdale zurückgekehrt. Sie haben dort die Freiheit von der Rassentrennung kennengelernt. So fängt die Rückblende vom Vortag an, die den Hauptteil des Filmes bildet. Sie kaufen vom weißen Farmer Hogwood (David Maldonado) eine leerstehende Scheune. Sie zahlen bar. Sie wollen den Vergnügungssaal Juke Joint eröffnen und damit Geld verdienen. Die Baumwollarbeiter von den Plantagen sollten am Feierabend ein Bier trinken, tanzen, Musik hören können, so begründen sie den Kauf. Der Farmer wird noch gewarnt, nie wieder in der Scheune oder auf dem dazugehörenden Grundstück aufzutauchen, sonst würden sofort die Waffen sprechen.
Ryan Coogler (Black Panther, Black Panther -Vakanda forever, Creed- Rockys Legacy, Nächster Halt Fruitvale Station), der auch das Drehbuch geschrieben hat, erzählt seine Vampir-Geschichte, die noch enorm ausarten wird, konzentriert, dicht, geschmeidig, mit einem unwiderstehlichen Sog, zu schweigen von der Musik, die er thematisch verführerisch bis bedrohlich drüber gelegt hat.
Im Gegensatz zu vielen Black-Liberation Filmen (und auch um einen solchen handelt es sich ganz nebenbei) verfällt er nicht eine Sekunde in dieses Unglücksgefühl, dieses Gefühl des Diskrimierten, des Unterdrückten, des Ausgebeuteten oder des Anklagenden, der im weißen Zuschauer das schlechte Gewissen ansprechen soll. Er präsentiert lediglich die Haltung, dass es ihm unheimlichen Spaß macht, diese doch recht ungewöhnliche Geschichte mit den besten Mitteln der Hollywoodkunst meisterlich zu erzählen.
Nach wenigen, wohlverstanden: anekdotischen, und nicht erklärenden Hinweisen zur Vorbereitung der Party im Juke Joint, stampft der Laden vor Begeisterung, guter Laune, Alkohol, Tanz.
Eine Gruppe Weißer begehrt Einlass. Sie haben Gitarren dabei, werden aber abgewiesen. Besonders vertrauenswürdig wirken sie nicht. Ruthie (Andrene Ward-Hammond), zwischen den Grobkategorien menschlicher Hautfarbenunterscheidung angesiedelt, soll erkunden, was mit denen los ist.
Ab hier kommt das Unheilige ins Spiel, ab hier ist es nicht mehr weit bis zu den Untoten, die nicht unbedingt als genretypisch selbstverständliches Phänomen genommen, sondern hinterfragt werden, wie es möglich sei, dass jemand, der erschossen worden ist, wieder mit einem spricht.
Es gibt nun Choreographien und Beleuchtungen, die eine spooky, rätselhafte Zwischenwelt aus Religion und Heiligkeit, aus übelster Abgründigkeit und Andacht aufleuchten lassen. Dahinter mag die Weisheit grinsen, wie leicht doch die Menschen mit faulem Zauber aufs Glatteis zu führen sind, wie leicht sie sich betrügen und manipulieren lassen, womöglich gar durch die Musik? Und das nicht unabhängig vom Phänomen der Massenpsychose.