Gleich zweimal schickte mir ein(e) W. Szymczak heute eine auf den ersten Blick brisante Mail: Unter dem Betreff Die Eylandt Recherche wird behauptet, dass das Innenministerium Bundesministerium des Inneren (BMI) angeblich in Erwägung zieht, den Film (Webseite) wegen seiner Brisanz aus den Kinos zu nehmen. Ich solle die Mail doch bitte an möglichst viele Empfänger weiterleiten, steht da noch.
Ganz zufällig hat Die Eylandt Recherche gerade am heutigen Donnerstag ihren Kinostart in Deutschland.
Beim Bundesinnenministerium sind natürlich keinerlei brisante Recherchen zum Film bekannt (derzeit), was mir soeben telefonisch bestätigt wurde. Also handelt es sich bei der Mail offenbar um eine private Initiative und keine offizielle Pressemeldung, was allein bereits eine Sperrfrist überflüssig macht. Bereits die fehlenden Kontaktdaten der angeblichen offiziellen Stelle, die diese „brisante“ Meldung ohne jeglichen nachprüfbaren Fakt herausgegeben hat, machen dies deutlich. Die ersten Pressevorführungen waren Mitte September, der Film war damals schon fertig, und wäre auch damals schon brisant gewesen. Ich habe ihn trotzdem verpasst.
Es handelt sich also wahrscheinlich um eine Viralkampagne für den Filmstart: Die Mail soll von Internetnutzer zu Internetnutzer weitergehen, damit möglichst viele Leute ins Kino strömen, bevor das Ministerium den angeblich so brisanten Film aus dem Verkehr nimmt. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, schöne Viralkampagnen sind was Feines. Problematisch ist jedoch die Einbeziehung des Bundesinnenministeriums, das bei Rückfragen zu dieser Behauptung natürlich aktiv werden muss, sowie die direkte Aufforderung zum Weiterleiten, also Spammen. Auch sollten solche Kampagnen nicht über Filmjournalisten gestartet werden, sondern eher direkt beim „unsuspecting user“. Die genannte Nachrichtenagentur „news-atp“ konnte ebensowenig recherchiert werden wie der Absender. (zumindest mit einigen Versuchen bei Google.)
Ich persönlich denke, dass diese Kampagne weder von der Produktionsfirma, noch vom Verleih, noch von der PR-Agentur ins Leben gerufen wurde. Kein vernünftiger Vorgesetzter würde riskieren, die Jungs vom Schäuble Behörden wegen falscher Behauptungen ins Haus zu holen. Auch fehlt mir irgendwie das „verschwörerische Element“ in dieser Mail: Sie sieht ein wenig zu sehr nach Pressemeldung aus (Sperrfrist, typische redaktionsfreundliche Gestaltung mit Überschrift, angeblicher Quelle und Autorenkürzel), und die deutliche Aufforderung zur Weiterleitung direkt am Tage des Filmstarts wirkt plump. (ich sage „wirkt“, nicht „ist“! Nur, damit es nicht wieder Stress gibt!) Die Leute leiten das schon selber weiter, wenn es nur brisant genug ist. Eine direkte Bitte darum wirkt eher verdächtig.
In meinen Augen daher nicht Fisch (augenscheinlich brisante Mail), nicht Fleisch (Pressemeldung), und daher auf meinem Radar eher weiter unten.
Keine Ahnung, wer das geschickt hat, und ich werde sicher nicht versuchen, es herauszubekommen. Tut mir leid, dass jetzt W.S. unter den Anfragen leiden muss. Dumm außerdem, dass der Film in meinen Augen nun jedoch schlechter dasteht als vorher, obwohl ich ihn nichtmal gesehen habe: Das ist halt die negative Assiziation.
Ich habe mir übrigens nicht die Mühe gemacht, beim Filmverleih und der Presseagentur nachzufragen, ob die mehr wissen: Wenn ja, würden meine obigen Äußerungen vielleicht als ungeschickt aufgefasst werden, wenn nein, wüßte ich auch nicht mehr.
Besser haben es übrigens die Leute von Das Verhör gemacht, die haben nämlich ein Ministerium erfunden (mit Webseite) und in dessen Namen Mails verschickt. Wer nachrecherchierte, fand schnell heraus, dass alles nur Fake war.
Hier noch die Mail im Volltext:
Mutige Viralkampagne oder Spam? Mit dem Feuer spielt man jedenfalls nicht… weiterlesen