Archiv der Kategorie: Pressefreiheit

Glaubt hier wer an UFOs?

Ich habe es natürlich nicht angeschaut, stattdessen lese ich mich zu später Stunde durch die Nachbeben des Pro7-UFO- und Alien-Livequatsch vom Wochenende (Niggemeier, Spiegel, DWDL). Es muß ein furchtbares Debakel gewesen sein, so abgrundtief hirnverbrannt doof, dass nichtmal die TV-Junkies einschalteten.

Hier ein paar Anmerkungen und Kleinigkeiten, die mir nach wenigen Sekunden des über Niggemeier verlinkten Ausschnitts aufgefallen sind, bzw. schon immer bekannt waren. Volksschulbildung reicht hier übrigens völlig aus:

  • An UFOs kann man nicht glauben oder nicht glauben. UFOs sind „unidentifizierte Flug-Objekte“. Das kann vom Herbstlaub über eine seltsam geformte Wolke bis zu einer Kaffeetasse alles sein – natürlich auch ein extraterrestrisches Raumschiff. Die Verfehlung der Identifikation eines jeden Objekts im irdischen Hoheitsgebiet kann jedoch nur auf menschlicher Seite liegen, sei dies durch eine schmutzige Brille, Kurzsichtigkeit oder schlichte Unkenntnis dessen, was man sieht, bedingt. Diese Frage ist keine Glaubensfrage. Die Ausgangsfrage ist also schonmal falsch gestellt.
  • Ein Radioteleskop kann nicht funken. Es kann nur empfangen. Gesendet wird üblicherweise mit Funkmasten – auch wenn die nicht so schön fotogen sind wie die großen, schwenkbaren Parabolantennen. (Man kann natürlich sehr wohl mit einem Parabolspiegel senden, dann muss man aber schon ziemlich genau wissen, wo man hinzielt. Da empfiehlt es sich auch nicht, den Spiegel so weit zu kippen, dass er praktisch parallel zur Erdoberfläche abstrahlt und dabei viel mehr atmosphärischen Widerstand überwinden muss als das Funken direkt nach oben – aber das ist sowieso alles so dermaßen vermurkst und unlogisch, dass ich hier gar nicht weitervermuten will.)
  • Kein Funkmast der Welt trötet wie eine Luftsirene, während er funkt. Das nervt nur die Anwohner. Man stelle sich vor, jedes Handy würde im Betrieb auch dauernd so tröten – nicht auszudenken! (Ist aber ein interessantes „Achtung!“-Konzept, das man auch in philharmonischen Konzerten anwenden könnte – damit das Publikum weiß, wann es hinhören muß.)
  • Die Menschheit hat schon immer ins All gefunkt, nicht erst jetzt dank Pro7. Funkwellen haben die Angewohnheit, sich kugelförmig auszubreiten, daher ist es auch vollkommen logisch, dass die Außerirdischen im gar nicht so fantastisch-fiktiven Contact als erstes Bilder aus dem Dritten Reich zurückfunken. Denn das war nunmal so ziemlich das erste, was wir Menschen hier in nennenswerter Signalstärke herumgefunkt haben. Richtfunk ist zwar möglich, aber dann muss eben gezielt werden, und das Signal schwächt sich trotzdem ab.
  • Völlig egal, ob jetzt zielgerichtet „zu den Aliens“ gefunkt wurde oder einfach nur so ins Blaue hinein – die Funkwellen bewegen sich ohnehin nur mit Lichtgeschwindigkeit fort. Wir sollten also allerfrühestens in 8½ Jahren eine Antwort erhalten.

Und zur großen UFO-Frage: Damit ist natürlich gemeint, ob man glaubt, dass außerirdisches Leben existiert oder nicht. Ich persönlich bin davon überzeugt, denn wie es ebenfalls in Contact hervorragend begründet wird:

Young Ellie: Dad, do you think there’s people on other planets?
Ted Arroway: I don’t know, Sparks. But I guess I’d say if it is just us… seems like an awful waste of space.

Diese Aussage mag zwar kitschig klingen, ganz unrecht hat der Papa aber nicht: Von der Drake-Gleichung haben bestimmt schon die meisten gehört, wenn vielleicht auch nicht namentlich. Nach dieser gibt es 37964,97 außerirdische Zivilisationen – allein in unserer Galaxis. Und ich bin sicher, dass keine von denen Pro7 guckt. Oder nach so einer Show bei uns anrufen würde. Die schicken höchstens eine fette Bombe, um uns gnädigerweise von dem Hirn-Kolbenfresser, unter dem die Menschheit offenbar zu leiden scheint, zu erlösen.

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Das Credo der Pressefreiheit: Life’s easier if you don’t speak up.

Normalerweise gehört eine Werbekampagne ja nicht in einen Blog wie diese, aber die Morgenavisen Jyllands-Posten bringt mein journalistisches Credo absolut auf den Punkt. Ich ecke ja manchmal an, weil ich mich nicht immer marktkonform verhalten kann, wie der geneigte Leser weiß. Und das nur im vergleichsweise kleinen, unwichtigen, lokalen Filmjournalismus, nicht einmal im „richtigen“ Journalismus oder gar – noch wichtiger – im wirklichen Leben.

Hier direkt die Motive Dalai Lama, Mandela und Gandhi.

Lesenswert

Nicht nur der Filmjournalismus steht unter der ständigen Bedrohung, stillschweigend in ein bequemes Marketing-Instrument überzugehen. Stefan Niggemeier berichtet in diesem lesenswerten Beitrag über die Plazierung von Subway-Präsenz bei Pro Sieben.
Nachtrag: Nachtrag bei Niggemeier.

Baader Meinhof-Zwischenfall zieht mittlerweile internationale Kreise

Die mittlerweile landesweit bekannte Strafandrohung der Constantin rund um das Sonderscreening des Baader Meinhof Komplex zieht nun schon internationale Kreise.

Ich habe hier zusammengefasst, was eigentlich passiert ist, und hier auf eine Umfrage bei Mediabiz zum Thema verwiesen. Die Umfrage ist abgeschlossen, hier die Auswertung.

Heute wies mich ein Kollege darauf hin, dass nun auch der kalifornische Blog GreenCine Daily mit The Baader Meinhof hoopla einen feurigen Bericht zum Thema gebracht hat. Dieser wiederum wurde von Screendaily.com für interessant genug befunden, um mit dem Untertitel An unusual PR tactic auf der Startseite verlinkt zu werden (siehe Screenshot).

Offenbar stoßen die Eigenheiten der deutschen Filmpresse auch bei internationalen Kollegen auf Stirnrunzeln. Das deutet darauf hin, dass tatsächlich Verbesserungsbedarf besteht. Da Streit und Zwist keinen Sinn hat, sondern Dialog auf Augenhöhe (und nur auf Augenhöhe) das einzig sinnvolle Mittel der Wahl ist, werde ich (in der nächsten Zeit) eine eigene Seite für mein im ersten Post schon ausgeführtes Postulat einrichten. Auf dass dort durch konstruktive Diskussion ein einheitlicher Vorschlag für die Pressekommunikation der Zukunft formuliert werden kann.

Hier noch einige Artikel zum Thema:

DJV warnt vor Knebelvertrag bei DJV.de
Lassen Sie sich bitte knebeln
bei sueddeutsche.de
Wer redet, zahlt bei tagesspiegel.de
Eichinger will die Medien kontrollieren bei morgenpost.de
Eichinger legt sich mit Journalisten an bei welt.de
Eichinger will Journalisten kontrollieren bei abendblatt.de
Knebelverträge für Filmjournalisten
bei telepolis.de

Interessante Folge des Baader Meinhof-Screenings

Nach dem Streit um die Baader Meinhof Komplex-Voführung hat Cinebiz eine Meinungsumfrage gestartet.

Die Ergebnisse sind (derzeit) etwas überraschend. Ich denke, das liegt aber auch an der Leserschaft des Branchenblattes, das sich schwerpunktmäßig mit dem finanziellen Aspekt der Branche befasst…

Links das Bild ist ein verkleinerter Screenshot der Seite, nicht die Umfrage selbst. Ein Klick darauf führt zur Startseite von Cinebiz.de (Mediabiz.de), wo die Umfrage rechts im Balken zu finden ist. Um Teilnahme wird gebeten!

PS: Ich bin übers Wochenende nicht da, ein Freund heiratet in Wiesbaden.

Nachtrag: Die Umfrage ist nun ausgewertet.

Sollten Journalisten den Baader Meinhof Komplex boykottieren?

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, gibt es in der nächsten Zeit ein Sonderscreening des noch nicht fertiggestellten Baader Meinhof Komplex für einige auserwählte Journalisten, direkt beim Filmverleih. So eine „inhouse“-Vorführung (in einem Screeningraum des Filmverleihs, nicht in einem öffentlichen Kino) ist üblich, wenn ein Verleih die absolute Kontrolle darüber haben will, welche Journalisten zu Beginn der Vorführung tatsächlich im Saal sitzen. Dies ist auch das gute Recht des Filmverleihs, der sein Produkt ja zeigen kann, wem er will.

Nun stößt sich die SZ aber an einigen Bedingungen, die der Filmverleih an den Besuch der hochexklusiven Vorführung knüpft. Verboten ist beispielsweise, Filminhalt oder Besprechnungen des Films vor dem 17. September zu veröffentlichen (Filmstart: 25. September); Interviews mit offenbar beim Vorführtermin zu erwartenden Mitwirkenden des Films dürfen nicht vor dem 12. September veröffentlicht werden. Im Falle einer Zuwiderhandlung sollen sowohl die Publikation (in diesem Falle eben die SZ) als auch der Journalist persönlich eine Konventionalstrafe von jeweils 50.000 Euro an den Filmverleih zahlen.

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Sinnkrise trifft Reißleine

Erklärung:

Ich betreibe dieses Blog nun seit 14 Monaten. Ursprünglich vorgesehen hatte ich es als informative Webseite mit dem Schwerpunkt auf dem Beruf des Filmjournalismus, aufgelockert durch diverse filmbezogene Nachrichten, Kommentare und Ähnliches. Ich wollte mit diesem Blog den Lesern von meiner Arbeit als Filmjournalist sowie von meinem Alltag als Betreiber von (Firmenname in Umfirmierung) berichten, außerdem wollte ich Kollegen die Möglichkeit geben, sich selbst zu Wort zu melden, sei dies per Kommentar oder auch mit eigenen Beiträgen.

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DJV warnt vor Knebelvertrag

In einer Pressemeldung warnte der Deutsche Journalisten-Verband DJV vor einem Knebelvertrag für Journalisten und Fotografen, die die Deutschland-Tournee von Katie Melua journalistisch begleiten wollen. (PDF)

Laut DJV verbietet der betreffende Vertrag (auf englisch gehalten) den Journalisten, ihre Arbeit selbst zweitzuverwerten, bindet sie an das bei der Akkreditierung anzugebende Medium und behält sich das Copyright für Texte und Bilder vor. Die Kollegen von ddp und AP boykottierten bereits das Eröffnungskonzert der Deutschland-Tournee.

Ich will ja hier nicht klingen wie die Zeitung mit den großen Buchstaben, aber ich meine: Eine Frechheit, solche Verträge ernsthaft auch nur zu erwägen. Wir sind Journalisten, keine Juristen. Wenn man uns über den Tisch ziehen will, dann wird sich langfristig auch die Berichterstattung ändern. Womöglich wird es freien, unabhängigen Journalismus eines Tages kaum noch geben? Und wir werden eine Armee von Werbetextern sein, die sich zum Zwecke des Broterwerbs dem Credo eines Verlags oder einer Meinungs-Schule angeschlossen hat, sich prostituiert? Nicht auszudenken. Aber neue, freie Medien werden sich daher immer bilden, stets zum Mißfallen des Establishments.

Das alte Spiel also… When will they ever learn?

US-Zensurpolitik nun auch bei uns?

Im Googlewatchblog habe ich einen offenen Brief des Schwulenforums Gay Romeo gefunden. Der Autor beschwert sich bei der Geschäftsführung von YouTube (also Google) über das mehrmalige Löschen von – nicht Videos, nein, ganzen Accounts! – mit Videos, die laut seiner Aussage „komplett jugendfrei“ waren. Nur schwul eben.

Was war da passiert? Möglicherweise ist der Account automatisch gelöscht worden, weil im Namen aller Wahrscheinlichkeit nach das Wort „gay“ vorgekommen ist. Möglicherweise wurden die Accounts jedoch auch mit voller Absicht der Betreiber von YouTube gelöscht. Egal, welche Alternative hier zutrifft (denn was hat „gay“ auf der Zensurliste zu suchen??), so geht’s ja wohl nicht.

Sicher kann man nicht für eine ganze Nation (und somit für deren Unternehmen und dessen internationale Filialen) sprechen, doch bei Attributen wie Prüderie, Empörung (echte, aber auch gespielte, angeheizte usw.), Echauffierung und übermäßigem Schutz der Bevölkerung (vermeintlich verlangtem auf der einen sowie tatsächlich verlangtem auf der anderen Seite) springt einem aus der eigenen Erfahrung doch immer wieder die USA ins Auge. (Wie kann das mit der ach so groß geschriebenen absoluten Freiheit einhergehen? Das hab ich nie verstanden.)

Jack Nicholson antwortete seinerzeit auf der Pressekonferenz zu As Good As It Gets (mit dem ein noch sichtlich schüchterner Greg Kinnear in seine Karriere eingeführt wurde) auf die Frage eines Kollegen, wie er zur Clinton-Lewinsky-Affäre stünde, ziemlich exakt in diesem Wortlaut: „What good is a President who doesn’t fuck?“

Nun, nach Janet Jacksons Nipplegate-„Skandal“ (engl.) (inkonsequenterweise sehr wohl auf YouTube zu finden, doch muß man sich zum Angucken einloggen und sein Geburtsdatum bestätigen; Sicherheitsmaßnahmen, als würde man einen Atomreaktor betreiben, und alles nur für ein paar Pixel Titte!) wurde ja zum Fluch-Schutz für die arme, unbeleckte Amerikanische Öffentlichkeit und vor allem die Kinder, ach je, die Kinder, so ziemlich alles, was mal live übertragen werden sollte, um Sekunden verspätet übertragen, damit sich „Patzer“ noch raus*bleep*en ließen. Völlig lächerlich. Wie die Löschung eines Schwulen-Channels bei YouTube eben. Noch lächerlicher allerdings die offensichtliche Weigerung von GooTube, (bis jetzt) auch nur dazu Stellung zu nehmen.

Ich kann, obwohl ich stock-hetero bin, den Jungs vom anderen Ufer jedoch nur meine wärmste Solidarität bekunden und sie in diesem nicht unwichtigen kleinen Streit moralisch unterstützen. Sie kämpfen an einer der vielen Fronten, an denen derzeit von außen an Phantásien unserer Freiheit geknabbert wird. Diese überall voranschreitende Invasion der hier-und-da-Zensur in Kombination mit dem Generalverdacht der Vorratsdatenspeicherung kann ich, übrigens selbst ein Opfer der bisher eher laxen Überwachungsmöglichkeiten (mehr dazu zu gegebener Zeit), einfach nicht gutheißen.

Und mal abgesehen davon, das Weihnachtsvideo der Bear Force One, das auch entfernt worden ist, ist doch echt zum Quietschen – und die sexuellen Anspielungen nun wirklich harmlos!

Wer dem Ganzen noch mit Galgenhumor gegenübertritt, ist Jimmy Kimmel, der jede Woche Audio und oder Video zensiert, was mitunter zu ganz neuen Bedeutungen führt. Dies mag lustig anzusehen sein, hat aber einen wahren Kern. Und der darf keinesphalls außer Acht gelassen werden. Hier ein Beispiel, mehr bei Milk & Cookies:

Übrigens: Damit eventuelle (selbsternannte) Sittenwächter hier auch auf ihre Kosten kommen, hab ich im Text ein paar kleine, plumpe, teilweise homoerotische Doppeldeutigkeiten versteckt und zur leichteren Auffidung kursiv gesetzt. Bin gespannt, wann ich Post bekomme, wegen der Unsitte mangelnder Eigenzensur. Und hier noch der Originalbrief auf Gay Romeo.