Archiv der Kategorie: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Gipfeltreffen Momentensammler (BR, Montag, 21. April 2025, 22.45 Uhr)

Mit Toten und Bettgeschichten auf die Berge

Was dem BR so alles einfällt, mit den Zwangsgebührengeldern anzustellen. Bei all der Geld- und Fantasieknappheit. Ja, sie müssen sparen und nein, viel Fantasie entwickeln sie nicht dabei. Das Fantasieloseste sind Wiederholungen. Vintage-Fernsehen, hier nicht mal ganze Stücke, nur Schnipsel. Die kosten vergleichsweise wenig. Sie wurden von Thomas Rothneiger ausgewählt und zusammengestückelt. Das erinnert daran, wie wir früher unsere Ferien-Foto-Alben zusammengestellt haben. Viel Sendezeit zum Schnäppchenpreis. Die Promis werden’s schon richten, wird sich Redakteurin Sonja Kochndörfer gedacht haben. Dabei erzählt dieser Zusammenschnitt mehr über die BR-Promiphilosophie als über die Promis oder das Leben selber.

Viele sind schon tot, manche berühmt, andere offensichtlich berühmt („Du bist jetzt richtig berühmt“), wieder andere sind nicht so berühmt, es gibt solche, die berühmt sind für ihr Berühmtsein, dann auch verurteilte Steuerhinterzieher oder welche, von denen man sich wundert, dass sie noch nicht gestorben sind, mehr oder weniger berühmte oder nur BR-berühmte, Hausheilige des BR, was da so kreucht und fleucht im BR-Redaktions-Promi-Universum.

All das Promigewese wurde mit einem Moderator und begleitet von einem Kamera- und Tonteam des BR auf die bayerischen Berge gescheucht unter dem Titel „Gipfeltreffen“ und dort zur Brotzeit verdonnert, simpel, open-air, auf einer harten Holzbank. Dabei fällt bei den Plappereien unter viel Spreu ab und ab und an auch ein Satz ab über das Leben, den Tod, die Liebe, wie es durchaus passieren kann.

Man wundert sich nur, dass solche Sendungen auch 2024 noch gemacht wurden.

Ständig bangt man um das Fernsehteam, dass es nicht abstürzt, unsichtbar, drumherum. So was ist heillos veraltet in Zeiten von Handys und Headkameras.

Ein Dokument über das altväterliche, öffentlich-rechtliche Fernsehen, als die Welt noch in Ordnung und die AfD, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk radikal abschaffen will, noch nicht die umfragenstärkste Partei war. Die Sendung wirkt wie ein Abgesang auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Fai gmiatli wars, aber jezad ist genug und vorbei.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Lebenslinien: Eva Karl Faltermeier – Wenn Mama auf die Bühne geht (BR, Montag, 17. März 2025, 22.00 Uhr)

PR-Maßnahme des BR für eine mutmaßlich schwächelnde Talk-Sendung

Die Sendung heißt Karlsplatz und es gibt sie seit 2023. Die selber wiederum, so befand stefe in seiner Review, vor allem als PR-Veranstaltung für „sogenannte ‚Namen‘ in der TV-Branche“ geplant sei.

Bei dem, was es damals zu sehen gab, einer erstaunlichen Ideen- und Geistarmut, wäre es nicht verwunderlich, dass die Sendung nicht so richtig zieht. Es stellt sich die Frage, ob es einen Wettbewerb um die Moderatorenposition gegeben hat, oder ob das einfach eine Gunst der Redaktion war, dass Eva Karl Faltermeier jetzt eine eigene Sendung bekommen müsse.

Im Voice Over Text dieser Lebenslinien, wird es so dargestellt, als sei es ein Wunder, der Wille Gottes oder Gnade eines Kaisers: „und bekommt 2023 mit Karlsplatz ihre eigene Talk-Sendung“ (tja, so naiv plappert BR-Kommentartext, als ob niemand sich was dabei gedacht habe).

Das insinuiert, es sei ein Verdienst der Protagonistin, die Sendung bekommen zu haben; dabei war es vielleicht lediglich eine Gunst; das Verfahren, wie es dazu kam, wird verbrämt; so ein Text dazu wirkt ein bisschen wie Voodoo-Journalismus. Und nirgendwo steht, dass sie die begehrte Position unter hunderten von Bewerbern erlangt hat. Der BR hält überhaupt hinterm Vorhang, wie es dazu kam. Sowas müsste er doch wenigstens auf dieser Metaebene offenlegen. Es geht schließlich um öffentliche Gelder, deren Umgang begründet werden muss, und nicht um privates Mäzenatentum. Mehr Ehrlichkeit des BR könnte durchaus geeignet sein, verlorene Vertrauenspunkte zurückzugewinnen.

Mit diesen Lebenslinien von Birgit Deitering versucht der BR ein PR-Brikett nachzulegen. So richtig zünden will es nicht. Eva Karl Faltermeier ist zwar sympathisch, schlagfertig und kann reden wie ein Wasserfall. Aber so unbedingt erzählenswert erscheint das alles nicht; da ist sie entweder zu jung; oder es ist zu wenig herausgearbeitet worden, wo sie selber Entscheide gefällt hat; oder diese werden in ihrem ununterbrochenen Redeschwall nivelliert.

In punkto Privatleben ergibt sich eine traurige Übereinstimmung mit Ines Procter. Auch bei ihr ging die Beziehung zu ihrem Mann auseinander, wie sie sich für das Showleben entschieden hat.

Die Ausschnitte aus dem Soloprogramm wiederum deuten an, dass dieses den üblichen Rahmen kapitalistischer Kabarettkultur nicht sprengt. Jedoch just für dieses ist so eine Sendung wiederum ein unbezahlbares Werbevehikel; auf Kosten der Zwangsgbührenzahler.

Und auch hier gilt, was schon bei den Lebenslinien zu Willy Astor festgestellt wurde; mit solchen Eigen-PR- und Promi-PR-lastigen Lebenslinien tut sich der BR keinen Gefallen; er köchelt lediglich bräsig im eigenen Sud und wundert sich dann, dass die Stimmen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ganz abschaffen wollen (es gibt nur eine Partei, die das vertritt) immer mehr werden.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Tatort: Charlie (ARD, Sonntag, 2. März 2025, 20.20 Uhr)

Wir danken der United States Army 7th Army Training Command in Hohenfels und Grafenwöhr für ihre Unterstützung der Dreharbeiten
Produziert nach ökologischen Standards, siehe die Helikopterüberflüge …
und Unterstützung bestimmt auch von BMW; das Dienstauto der beiden Kommissare wurde jedenfalls werbewirksam ins Bild gerückt, sauber sag i.

Fast auf den Tag genau
drei Jahre nach Beginn des Ukraine-Krieges sendet der BR unter der Verantwortung von Cornelius Conrad einen Beitrag, der zeigen soll, dass das Militärische wieder in der Gesellschaft angekommen ist. Der Tatort spielt hauptsächlich auf Militärgelände der US-Armee.

Er zeigt aber auch, das kann man ja positiv sehen, dass unser Fernsehen damit keinen allzu gewohnten Umgang hat. Ja es wirkt so, als sei das Drehbuch von Dagmar Gabler nicht sonderlich gut recherchiert und durchdacht. Und die Regie von Lancelot von Naso kann bei der Unklarheit der verschiedenen Ebenen auch kein zusätzliches Licht in die verworrene Angelegenheit bringen.

Der TV-Film verlässt sich sich auf das Whodunit-Prinzip.

Es gibt eine kurze Liebesvorszene im Dunkeln. Nach einem Schnitt entdecken zwei Stehpaddler von einem See aus die erste Leiche in einem Militärfahrzeug im Ufergestrüpp. Jetzt kommen die beiden altgedienten Kommissare Udo Wachtveitl als Franz Leitmayr und Miroslaw Nemec als Ivo Batic ins Spiel. Es dürfte einer ihrer letzten gemeinsamen Tatort-Kommissar-Auftritte sein.

Die beiden Kommissare wirken auf dem Militärgelände wie Wachsfigurenabgüsse ihrer selbst vor allem neben der herausragenden Yodit Tarikwa als US-Army-Polizistin Miller, die eine Rollenenergie und -präsenz bringt, wie niemand im qualitativ extrem gemischt besetzten TV-Movie. Zeit fürs Fernseh-Museum. Wobei noch offen ist, wie wichtig und bedeutsam das Museum für diese beiden Kommissare wird, ob die folgenden Generationen sich nur wundern werden, wie die das geschafft haben. Vielleicht wird es ein paar Soziologen geben, die deutungsschwere Analysen vornehmen werden, für die sich dann aber kaum jemand interessieren dürfte.

Kommissar Miller ist die einzig greif- und begreifbare Figur in einem nun folgenden Brei aus Army, Übungsgelände, Manöver, US-Armee-Polizei, Münchner Kommissare, einer davon in einer Aufspaltung seiner Rolle als Militärpolizisten-Komparse, als COB, das immerhin lernen wird, dass das Zivilisten Manöver-Komparsen spielen, die in Massenlagern mit Doppelstockknarzbetten schlafen.

Chef des Schlafsaales ist ein Klischeefiesling. Es müssen ja ständig neue Verdächtige aus dem Hut gezaubert werden, je länger das Chaos aus Manöver, Manöverpause, ziviler und militärischer Polizeiarbeit dauert.

Bis überhaupt nicht mehr klar ist, ob es jetzt um Mord geht oder lediglich um illegalen Waffenhandel, den treuherzig Wilson Gonazles Ochsenknecht zugibt.

Diese undurchdringliche Gemengelage – es ist auch oft nicht klar, ob jetzt Manöver ist oder ob nicht, ob einer Komparsenpolizist oder echt, und überhaupt, welcher Spur wie gefolgt wird.

Nein, es ist kein gut gearbeiteter, kein gut durchdachter Tatort und spielt zudem nachts, was nicht zur Erhellung beiträgt. Auch die einstige Nachwuchshoffnung Ferdinand Hofer wirkt wie abgeholzt.

Und wenn in einer Wartezeit im Auto traute Gespräche über das Kinderkriegen eingebaut werden, so sieht das nach schierer Verzweiflung einer Drehbuchautorin aus, die offenbar mit ihrem Stoff heillos überfordert ist. Vielleicht hat sie im Drehbuchrezeptbuch nach Hilfe gesucht und einen Lehrsatz gefunden, man streue eine Prise „Menschen“ drüber. Und das mit dem Titel wird auch nur einmal kurz erwähnt, der Zusammenhang zum Thema nicht deutlich.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!
(da kann ich mich echt aufregen, für so schlecht gearbeitete Ware bezahlen zu müssen; normalerweise würde ich die zurückgehen lassen)

Dirty Little Secrets: Warum wir immer weiter trinken (BR, Mediathek, Mittwoch, 8. Januar 05.00 Uhr)

Achtung: Gefährliche Sendung

Da machen sie mal was Gscheits beim BR und dann das:

Darf nur in der Mediathek genossen werden. Eine Sendung aus dem Giftschrank. Im doppelten Sinne. Das Gift, um das es geht – und das volkswirtschaftlich irrwitzige Schäden anrichtet (was aber nicht in dieser Sendung behandelt wird), und andererseits durch den Aufklärungsgehalt offenbar gefährlich für diverse Geschäftsmodelle werden könnte, weshalb der Sender – obwohl gerade auch sowas bestimmt zu seinen hervorragenden Aufgaben gehörte – einen ganz besonderen Umgang damit ersonnen hat: SPERRFIRST steht groß in der Presselounge, was wirklich kaum je vorkommt, und dann noch bis tief in die Nacht hinein, bis morgens um 05.00 Uhr heute. Man möchte ja verhindern, dass Leute auf Alkoholeinkäufe vor den Festtagen verzichten, bloss weil ihnen mal wieder klar gemacht wurde, welch Gift der ist.

Es ist pauschal die Rede davon, dass es beim Alkohol um Macht, Seilschaften und sehr viel Geld gehe. Hoffen wir nicht, dass der Alkohol bis ins Innerste der BR-Redaktionen hineinregiert und dafür sorgt, dass dieses Trara mit der Sperrfrist zustandekommt.

Die Reihe von Julia Schweinberger, Friederike Wipfler, Lennart Bedford-Strohm, Sammy Khamis und Alexander Nabert unter mutig-redaktioneller Obhut von Pia Dangelmayer und Verena Nierle ist erfrischend präsentiert und umfangreich recherchiert.

Diese erste Folge widmet sich dem Ondit vom täglichen Gläschen Rotwein, was gut für Herz und Gesundheit sei. Die Dokumentaristen stoßen auf einen australischen Forscher, der diese These lange vehement wissenschaftlich vertreten hat, bis er detailliertere Untersuchungen gefunden hat, die zu gegenteiligen Erkenntnissen kamen, bis er die sogenannte J-Kurve, die den riskanten Konsum definiert, angefangen hat, kritisch zu sehen.

Als ein Frage-Event organisiert das Doku-Team ein Treffen prominenter Frauen in einem Lokal in Berlin, Frauen, die sich teils sehr bewusst mit dem Thema Alkohol und Frau auseinandersetzen, die beruflich damit zu tun haben, Frauen, die regelmäßig trinken und solche, die keinen Tropfen mehr anrühren. Sie decken Karten mit Fragen auf und mehrere Kameras um den Tisch herum, nehmen das Fragespiel auf.

Auch die These vom Alkohol als Kulturgut kommt vor.

Alkohol ist ein brisantes gesellschaftliches Thema, ein immenser Themenbereich. Wenn man bedenkt, welche Wellen es in München geschlagen hat, als ein frisch gebackener Nachwuchs-Bürgermeister sich erlaubt hat zu sagen, das Oktoberfest sei die größte Drogenparty der Welt. Meines Wisssens hat er den Satz seither öffentlich nicht wiederholt. Zu viel Wahrheit erträgt die Welt nicht … dagegen hilft wohl doch nur Alkohol.

Engel mit beschränkter Haftung (ARD, Mittwoch, 4. Dezember, 20.15 Uhr)

Engel nach Rezept,

nach Drehbuchrezept. Man nehme zwei Figuren, die nicht zusammenpassen, man stelle Aufgaben, die sie nach menschlichem Ermessen nicht bewältigen können, füge den Faktor Engel im Sinne der Unendlichkeit und Unsichtbarkeit bei, der jeder Anforderung an Logik (warum können Engel Autofahren, dürfen aber nicht in einen Lift einsteigen? Sie können Autotüren öffnen und im Auto Platz nehmen und die Fahrer merken nichts) den Stinkefinger zeigt, man ziere die Dialoge mit ein paar Wien- und etwas Zeitgeistpointen und schon sind 90 Fernsehminuten gefüllt und jegliche Inkompatibilität kann als gelungen Rundes verkauft werden.

Der zauselige Harald Krassnitzer heißt als Engel Oskar Manker, der hat ein Buch geschrieben (‚Schützt die Welt, nicht das Geld‘) und vielleicht ist der Name auch eine Hommage an den berühmt-berüchtigten Theaterregisseur Paulus Manker. Vielleicht ist ja Harald Krassnitzer selber einer von vielen Mankergeschädigten und deswegen schon im Himmel.

Hier soll Manker einen neuen Engel, Mira Aichner (Maresi Riegner), einlernen. Sie wandeln nicht als Zombies, aber als für den Zuschauer sichtbare, für die Mitspieler unsichtbare Engel durch Wien und müssen Leben retten.

Die Engel haben ihren Tod bereits hinter sich.

Manker wohnt in einer physisch-realistischen Wohnung mit Möbeln und Schubladen. Zeitgeist-Dialoge meint, es kommen Begriffe vor wie Vintage, Pager sind was Altertümliches, die Frage, wie man drauf sei – Rezepte aus dem Drehbuch-Schnellkochtopf.

Mit dem Drogenmilieu hat man bei den Öffentlich-Rechtlichen immer gute Karten, erst recht, wenn man den Dealern Engel auf die Bude schickt.

Mira ist ein Ex-Junkie und will wissen wie Manker gestorben ist, aber das gehe sie nichts an. Gefälliges aus dem TV-Drehbuch-Schnellbedienkasten mit ein paar ernsten Brosamen über das Leben und den Tod dazwischengestreut plus zwei Löffel Vater-Töchter-Rührgeschichten, ein Dezi Leukämie, eine Prise Schuldgefühle.

Schutzengel dürfen sich nicht mit dem Ermittlergen infizieren lassen, haben aber ein öffentlich-rechtliches Gewissen. Und als abgeschliffen dramaturgisches Schwert droht über dem Film, dass Manker den Fall nicht wieder vermasseln darf, denn sonst… Was denn sonst? Interessiert das irgendwen?

Über all den moralinsauren Irrationalimus wird eine Musik gelegt, die penetrant hämmert, wie lustig und lüpfig das alles doch sei, und wie man die Humorweisheit mit dem Löffel gefressen habe. Untertext: solchene 90 Fernsehminuten rocken wir mit Routine aus dem Handgelenk ohne einen Finger krumm zu machen.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes

Das Fürstentum Liechtenstein hat per Plebiszit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit deutlicher Mehrheit abgeschafft. In der Schweiz hat das vor ein paar Jahren nur nicht hingehauen, weil die Schweizer Bürger, die im Ausland leben, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten wollten. In Deutschland wird es wohl kaum je zu einer Volksabstimmung darüber kommen.

Aber die Ministerpräsidenten, die mit Rückendeckung ihrer Landesparlamente die Herren, Erschaffer und Fürsorger für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind, haben vor einer Woche die Weichen für eine mögliche Abschaffung gestellt.

Dass der 10-Milliarden-Moloch umstritten ist, dass die AfD ihn als einzige Partei abschaffen will, ist bekannt. Dass es sich hierbei um einen der aufgeblähtesten und teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten weltweit handelt, ebenso.

Auch bekannt, wenn nie so ausgesprochen, ist die Tatsache, dass der unermesslich hohe Finanzierungsbetrag dieses eminent wichtigen Gemeinschaftswerkes unfair zu Lasten einkommensschwacher Haushalte erhoben wird. Nur will das die Schicht nicht wahrhaben, die glaubt, befugt und verpflichtet zu sein, sich öffentlich zu dem Thema zu äußern. Für deren Portemonnaie spielen 18, 19 oder 20 Euro keine Rolle.

Die Milliardäre des Landes tragen zu diesem demokratisch so wichtigen Werk faktisch nichts bei. Wenn sie sich angemessen beteiligen würden (also nach einem Steuermodell, was aber von der Politik gleich hysterisch wegen Staatsnähe als nicht machbar verworfen wird), könnte die Belastung für die Mehrheit der Haushalte deutlich gesenkt werden. Die Diskussion um die Erhöhung wäre damit vom Tisch. Und darum geht es.

Die Haushaltsgebühr steigt ständig und wird somit immer schmerzhafter für die einkommensschwachen Haushalte, von denen es überdurchschnittlich viele in den Neuen Bundesländern gibt. Deshalb ist die Gebührenerhöhung von Mal zu Mal umstrittener. Diesmal werden schon zwei oder gar drei Bundesländer ihr nicht zustimmen; wodurch der Fall wieder, da Einstimmigkeit der Bundesländer vorgeschrieben ist, vor dem Bundesverfassungsgericht landen dürfte.

Die Ministerpräsidenten hatten letztes Jahr einen Zukunftsrat ins Leben gerufen. Dieser hat für viel Geld Vorschläge zu einer Reform der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vorgelegt. Diese würden sich gebührenmindernd auswirken und fanden breite Anerkennung.

Allerdings pfeifen die Ministerpräsidenten jetzt offenbar auf die wichtigsten Reformpunkte. Halbherzig und zögerlich wird da was umgesetzt und dort, ohne jetzt ins Detail zu gehen: es dürfte eine Reform werden, die kaum dazu geeignet ist, die Rundfunkgebühr deutlich zu reduzieren, was ein Ziel der Reform ist. Sie dürfte nicht einmal dazu geeignet sein, eine Erhöhung zu verhindern.

Die vorgelegte Reform scheint auf Programmreduktionen, also auf Verkleinerung des Angebotes hinauszulaufen. Sie scheint in keiner Weise geeignet, das lädierte Image der Anstalten aufzupolieren. Diese Reform ist geprägt von der Angst um Besitzstandswahrungsansprüche. Diese Reform birgt keine radikale Besinnung und Reorganisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes im Hinblick auf seinen fundamentalen Zweck, nämlich einen Journalismus zu ermöglichen, der ohne Wirtschafts- und Politinteressen im Sinne der Frischhaltung der Demokratie arbeiten kann und der Entwicklungen in Richtung Extremismus rechtzeitig Einhalt gebietet. Diese Reform wird die Misere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland nicht aus der Welt schaffen. Mit dieser Reform werden die Ministerpräsidenten ihrer Verantwortung einem demokratischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegenüber nicht gerecht.

Polizeifruf 110: Funkensommer (ARD, Sonntag, 26. Mai 2024, 20.15 Uhr)

Polizeiruf goes RomCom

Nach einer halben Stunde landen sie gegen jede Krimilogik bereits im Bett, die Ermittlerin Chris Blohm (Johanna Wokalek) und Hanno Senoner (Golo Euler).

Sie sind die Qualitätsschiene in diesem an sich belanglosen Polizeiruf von Alexander Adolph unter redaktioneller Betreuung von Claudia Simionescu und Tobias Schultze. Sie bieten sich an als Kinotraumpaar für Courts-Mahler-Verfilmungen, reifere Liebe, egal, ob das im Nachheinein nur Fake ist, das begründet vielleicht, warum es so schnell geht. Aber die Phase am Ende auf dem Lande bietet auch die entsprechende Kulisse, vorher schon der Sonnenuntergang von der Brücke.

Die Story selbst ist haarsträubend, wie Senoner, der Brandspezialist, der für die Aufkärung des Mordfalles zuständige Experte, in den Fall verwickelt ist und nicht weniger haarsträubend, aber reine Empfehlung für Neo-Soft-Porno, die Auflösung auf dem Felsen mit wunderbarem Blick in die Natur. Der Rest ist Schweigen.

Ein renommierter Taxiunternehmer (Frederic Linkemann) will ein Haus abreißen lassen, bekommt die Genehmigungen nicht und – häufiges Vorgehen – will das durch einen Brand organisieren. Eine illegale Putzfrau aus Kolumbien (Vreonica Santos Ruiz), die kaum Deutsch kann, aber auf Deutsch Flauberts „Ein schlichtes Herz“ liest – den TV-Redakteuren zum Schmeicheln vermutlich – kommt dabei ums Leben. Vielleicht will das Öffentlich-Rechtliche dem dummen Zuschauer vermitteln, dass Zuwanderer gebildet sein können. Schuss dürfte daneben gehen.

Zur Verkomplizierung und erweiterten Verdachterweckung muss noch ein dattriger Herr Busch (Gerhard Wittman) erfunden werden.

Der Film erzählt lebhaft von dem Bemühen, eine glaubwürdige Fernsehrealität zu behaupten, lässt es so oft wie möglich „menscheln“, man verzeiht sich, man entschuldigt, sich, Anmache und Eifersucht werden hinzugefügt, Fragen zur Befindlichkeit, Befragungspeinlichkeit über Lautstärke in der Pinakothtek, Ansatz eines Rivalen-Hahnen-Kampfes, der Thriller besteht aus bekannten Genreversatzstücken angereichert mit dem Thema der Schwarzarbeit/Ausbeutung und Illegalität, das soll ablenken vom Rückgriff auf das Schmonzetten-Element und die Geneigtheit des Kritikers will der Regisseur sich erkaufen, indem er den „Kino“-Schriftzug vom City-Kino in der Schwanthalerstraße passieren lässt, wo immer jede Menge Pressevorführungen von Kinofilmen stattfinden.

Immerhin hält sich das Audi-Product-Placement mit Dienstwagen in Grenzen, es gibt gar keines davon. Und für die ganz Fantasielosen im Publikum inszeniert der Film Rekonstruktionselemente der Kommissarin, die sie im Geiste vornimmt.

Seiner Hauptaufgabe, so wie ich das vermute, nämlich gesellschaftliche Probleme der Republik plausibel und unterhaltsam mittels Krimis zu vermitteln und spannend aufzudröseln, wird dieser Polizeiruf in keiner Weise gerecht. Er tippt solche höchstens mal an und schleicht sich billig mit Menscheleien von dannen mit einem gekonnten Melo am Rande der Kitschdusseligkeit in Richtung 50-er Jahre Heimatfilm.

#CHALLENGE1923 – 3 MENSCHEN. 6 SONGS. Folge 1 (BR-Klassik, Donnerstag, 23. November 2023, 00.00 Uhr)

Wer hat die größte Karotte?
Wer kocht den besten Fisch?
Wer hat am schnellsten …

Ein ausgelutschtes Fernsehprinzip, das mit der Challenge; Gärtner, Köche, Häuslebauer und weißgottnicht was.

Hier geht es darum, dass Profimusiker innert vier Wochen Songs nach Schallplatten von 1923, hier Folge 1 zum Beispiel von Betti Smith, zur Aufführbarkeit bringen, eine Sängerin, ein Rapper und ein Pianist.

Nichts dagegen, solche Musik, gerade wenn sie innovativ und engagiert war, aus den Archiven zu holen und dem Publikum zu präsentieren.

Hier aber in der Sendung Ulrich Habersetzer unter dramaturgischer Beratung von BR Visual Production, Storytelling, unter redaktioneller Mitarbeit von Alex Naumann und Franziskus Büscher, redaktionell betreut von Beate Sampson, wird gefühlt die Hälfte der Zeit vor allem gelabert, wie toll, wie herausfordernd die das finden oder es wird PR von anderen Auftritten eingeblendet.

Nach etwa zwei Dritteln der 18-Minuten-Sendung und nach ein paar Takten Probe, wird wieder gelabert („ich bin geflasht, wie David Du, mit Worten spielst“).

Es wirkt so, als ob eine Fernsehredaktion oder eine dem Fernsehen zuarbeitende Firma krampfhaft nach Sendeformaten sucht, um Sendezeit zu füllen oder um Fernsehgelder abzugreifen. Die Vermittlung des tieferen Sinnes dieser Musik bleibt dabei auf der Strecke.

Wer ausgeharrt hat, wird am Schluss mit einem ganz gut anhörbaren „Downhearted Blues“ belohnt, und mit dem Versprechen vertröstet, das komplette Konzert dann in Folge 6 sehen und hören zu dürfen.

Flunkyball (ARD, Mittwoch, 20. September 2023, 20.15 Uhr)

Unendliche Einfalt des Kleinbürgertums

Die bürgerliche Familie X besteht aus dem Vater (Fabian Hinrichs), der Mutter (Silke Bodenbender), Tochter Milli (Clara Vogt) und Söhnchen Franz (Laurids Schürmann). Die Familie bewohnt ein stattliches Einfamilienhaus, scheint irgendwie intellektuell bürgerlich aber ohne genauere Berufshinweise zu sein.

Diese Familie betrachtet Alexander Adolph unter der redaktionellen Obhut von Claudia Simionescu in ihrem Verhalten dem Coming-of-Age ihres Sohnes Franz gegenüber.

Vater und Mutter sind schon ganz fickrig, weil Sohnemann als Einzelgänger gilt. Sie können es kaum erwarten, bis er eine Freundin nach Hause bringt. Stolz der Eltern, wenn der Sohn die Familie fortpflanzen kann. Endlich bringt Franz eine Frau nach Hause, spät nachts. Sie darf auch im Gästezimmer übernachten.

In ihrer Verklemmtheit, Borniertheit und in ihrer Enggeistigkeit sehen die Kleinbürger (die erinnern in diesem Verhalten an Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“) überhaupt nicht, dass Zoe (Lena Klenke) eine kaputte Frau ist, ein Schlampe, wie manche sagen würden.

Um die Drogensüchtige in Kontakt mit der Kleinbürgerfamilie zu bringen, hat der Autor und Regisseur viel Gehirnakrobatik getrieben – und auch um noch weitere soziale Themen in dem Film unterzubringen. Die Oma (Lisa Kreuzer) muss in den Spital und derjenige mit den wenigsten Ausreden muss sie besuchen und das ist Franz. Im Spital lernt er Zoe kennen, die sich gleich an das Kleinbürgersöhnchen hängt.

Um diesen Kontakt herzustellen, ist das etwas viel Storytellingaufwand, der nun grad gar nichts mit dem Thema des Kleinbürgertums zu tun hat; es gibt Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen Kleinbürgertum und Faschismus herstellen. Vor diesem Hintergrund hätte es sich gelohnt, mehr Energie auf die Beobachtung dieses Zusammenhanges und also des Kleinbürgerhaushaltes, der im Zentrum steht, zu verwenden; dann würde nämlich der BR als ARD-Anstalt seinem Grundauftragselement des Lebendigerhaltens der Demokratie ganz raffiniert und geschickt, nämlich im Spielfilmformat, nachkommen.

So bewusst scheint das aber dem Filmemacher und der Redakteurin dann doch nicht zu sein; so dass sie dieses Thema wie beliebig neben andere Themen, der verbreiteten Drogensucht und der Versorgung alter Menschen im Krankenhaus stellen (Max Frisch hat in seinem abendfüllenden Theaterstück nicht noch weitere Themen reingewurstet).

Solche theamtische Unschärfe und Beliebigkeit wiederum kann dazu führen, dass das Interesse an einem Fernsehfilm, erst recht bei so herausgekehrter Musterschülerhaftigkeit, schnell nachlässt. So dass man sich berechtigt fragt, wozu das Ganze und muss ich dafür meine Zwangsgebühr abdrücken? Die Blindheit der Eltern, von Töchterchen und des Bübchens selbst, die hätte schon etwas genauer unter die Lupe genommen und diskutiert werden dürfen.

Die Info, die die Produzenten bei IMDb reingesetzt haben, ist hundslausig.

Milena & Sophie – Twins on Bikes (BR, Sonntag, 6. August 2023, 23.30 Uhr)

Zwillingsschwestern aus Franken radeln mit einem Küchenanhänger zur Zugspitze.

Am ersten Tag, um den es hier geht, machen sie Zwischenhalt bei einer Raubtierauffangstation und landen am Abend auf einem Hof mit veganen Tieren. Dort kochen und übernachten sie.

Das ist eines der Formate, die den öffentlich-rechtlicher Rundfunk immer mehr zu einem beliebigen Videokanal verwässern, bei dem jeder sein privates Video hochladen kann; eine Auflösungserscheinung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der konfus und desorientiert auf seinem 10 Milliarden-Euro Topf hockt und nicht mehr ein noch aus weiß, was damit anfangen; wie immer neue Existenzbegründungen erfinden, da die Grundorientierung verloren gegangen ist (siehe auch Kommentar zum Zukunftsrat).

Es sind dies Symptome geistiger Auszehrung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes, wenn ihm zur Begründung des Abrufens von Geldern des Zangsgebührenhaufens nichts anderes mehr einfällt als Sendungen zu produzieren wie Aufgegabelt von Alexander Herrmann, Grillen mit Ivana und Adnan oder auch Unsere Eltern – Stadt – Land – Wohnen

Und dann immer diese Pseuadrenalin-Musik dazu, als Beweis dafür, dass der Sender dem eigenen Format nicht traut.

Mit dieser Sendung beweisen Frank Sturm (Buch und Regie), Uche Abuba und Pamela Wershofen (Redaktion) ihre Entbehrlichkeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk; sie geben sich selbst als Einsparpotential zu erkennen.