Archiv der Kategorie: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Dirty Little Secrets: Warum wir immer weiter trinken (BR, Mediathek, Mittwoch, 8. Januar 05.00 Uhr)

Achtung: Gefährliche Sendung

Da machen sie mal was Gscheits beim BR und dann das:

Darf nur in der Mediathek genossen werden. Eine Sendung aus dem Giftschrank. Im doppelten Sinne. Das Gift, um das es geht – und das volkswirtschaftlich irrwitzige Schäden anrichtet (was aber nicht in dieser Sendung behandelt wird), und andererseits durch den Aufklärungsgehalt offenbar gefährlich für diverse Geschäftsmodelle werden könnte, weshalb der Sender – obwohl gerade auch sowas bestimmt zu seinen hervorragenden Aufgaben gehörte – einen ganz besonderen Umgang damit ersonnen hat: SPERRFIRST steht groß in der Presselounge, was wirklich kaum je vorkommt, und dann noch bis tief in die Nacht hinein, bis morgens um 05.00 Uhr heute. Man möchte ja verhindern, dass Leute auf Alkoholeinkäufe vor den Festtagen verzichten, bloss weil ihnen mal wieder klar gemacht wurde, welch Gift der ist.

Es ist pauschal die Rede davon, dass es beim Alkohol um Macht, Seilschaften und sehr viel Geld gehe. Hoffen wir nicht, dass der Alkohol bis ins Innerste der BR-Redaktionen hineinregiert und dafür sorgt, dass dieses Trara mit der Sperrfrist zustandekommt.

Die Reihe von Julia Schweinberger, Friederike Wipfler, Lennart Bedford-Strohm, Sammy Khamis und Alexander Nabert unter mutig-redaktioneller Obhut von Pia Dangelmayer und Verena Nierle ist erfrischend präsentiert und umfangreich recherchiert.

Diese erste Folge widmet sich dem Ondit vom täglichen Gläschen Rotwein, was gut für Herz und Gesundheit sei. Die Dokumentaristen stoßen auf einen australischen Forscher, der diese These lange vehement wissenschaftlich vertreten hat, bis er detailliertere Untersuchungen gefunden hat, die zu gegenteiligen Erkenntnissen kamen, bis er die sogenannte J-Kurve, die den riskanten Konsum definiert, angefangen hat, kritisch zu sehen.

Als ein Frage-Event organisiert das Doku-Team ein Treffen prominenter Frauen in einem Lokal in Berlin, Frauen, die sich teils sehr bewusst mit dem Thema Alkohol und Frau auseinandersetzen, die beruflich damit zu tun haben, Frauen, die regelmäßig trinken und solche, die keinen Tropfen mehr anrühren. Sie decken Karten mit Fragen auf und mehrere Kameras um den Tisch herum, nehmen das Fragespiel auf.

Auch die These vom Alkohol als Kulturgut kommt vor.

Alkohol ist ein brisantes gesellschaftliches Thema, ein immenser Themenbereich. Wenn man bedenkt, welche Wellen es in München geschlagen hat, als ein frisch gebackener Nachwuchs-Bürgermeister sich erlaubt hat zu sagen, das Oktoberfest sei die größte Drogenparty der Welt. Meines Wisssens hat er den Satz seither öffentlich nicht wiederholt. Zu viel Wahrheit erträgt die Welt nicht … dagegen hilft wohl doch nur Alkohol.

Engel mit beschränkter Haftung (ARD, Mittwoch, 4. Dezember, 20.15 Uhr)

Engel nach Rezept,

nach Drehbuchrezept. Man nehme zwei Figuren, die nicht zusammenpassen, man stelle Aufgaben, die sie nach menschlichem Ermessen nicht bewältigen können, füge den Faktor Engel im Sinne der Unendlichkeit und Unsichtbarkeit bei, der jeder Anforderung an Logik (warum können Engel Autofahren, dürfen aber nicht in einen Lift einsteigen? Sie können Autotüren öffnen und im Auto Platz nehmen und die Fahrer merken nichts) den Stinkefinger zeigt, man ziere die Dialoge mit ein paar Wien- und etwas Zeitgeistpointen und schon sind 90 Fernsehminuten gefüllt und jegliche Inkompatibilität kann als gelungen Rundes verkauft werden.

Der zauselige Harald Krassnitzer heißt als Engel Oskar Manker, der hat ein Buch geschrieben (‚Schützt die Welt, nicht das Geld‘) und vielleicht ist der Name auch eine Hommage an den berühmt-berüchtigten Theaterregisseur Paulus Manker. Vielleicht ist ja Harald Krassnitzer selber einer von vielen Mankergeschädigten und deswegen schon im Himmel.

Hier soll Manker einen neuen Engel, Mira Aichner (Maresi Riegner), einlernen. Sie wandeln nicht als Zombies, aber als für den Zuschauer sichtbare, für die Mitspieler unsichtbare Engel durch Wien und müssen Leben retten.

Die Engel haben ihren Tod bereits hinter sich.

Manker wohnt in einer physisch-realistischen Wohnung mit Möbeln und Schubladen. Zeitgeist-Dialoge meint, es kommen Begriffe vor wie Vintage, Pager sind was Altertümliches, die Frage, wie man drauf sei – Rezepte aus dem Drehbuch-Schnellkochtopf.

Mit dem Drogenmilieu hat man bei den Öffentlich-Rechtlichen immer gute Karten, erst recht, wenn man den Dealern Engel auf die Bude schickt.

Mira ist ein Ex-Junkie und will wissen wie Manker gestorben ist, aber das gehe sie nichts an. Gefälliges aus dem TV-Drehbuch-Schnellbedienkasten mit ein paar ernsten Brosamen über das Leben und den Tod dazwischengestreut plus zwei Löffel Vater-Töchter-Rührgeschichten, ein Dezi Leukämie, eine Prise Schuldgefühle.

Schutzengel dürfen sich nicht mit dem Ermittlergen infizieren lassen, haben aber ein öffentlich-rechtliches Gewissen. Und als abgeschliffen dramaturgisches Schwert droht über dem Film, dass Manker den Fall nicht wieder vermasseln darf, denn sonst… Was denn sonst? Interessiert das irgendwen?

Über all den moralinsauren Irrationalimus wird eine Musik gelegt, die penetrant hämmert, wie lustig und lüpfig das alles doch sei, und wie man die Humorweisheit mit dem Löffel gefressen habe. Untertext: solchene 90 Fernsehminuten rocken wir mit Routine aus dem Handgelenk ohne einen Finger krumm zu machen.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes

Das Fürstentum Liechtenstein hat per Plebiszit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit deutlicher Mehrheit abgeschafft. In der Schweiz hat das vor ein paar Jahren nur nicht hingehauen, weil die Schweizer Bürger, die im Ausland leben, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten wollten. In Deutschland wird es wohl kaum je zu einer Volksabstimmung darüber kommen.

Aber die Ministerpräsidenten, die mit Rückendeckung ihrer Landesparlamente die Herren, Erschaffer und Fürsorger für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind, haben vor einer Woche die Weichen für eine mögliche Abschaffung gestellt.

Dass der 10-Milliarden-Moloch umstritten ist, dass die AfD ihn als einzige Partei abschaffen will, ist bekannt. Dass es sich hierbei um einen der aufgeblähtesten und teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten weltweit handelt, ebenso.

Auch bekannt, wenn nie so ausgesprochen, ist die Tatsache, dass der unermesslich hohe Finanzierungsbetrag dieses eminent wichtigen Gemeinschaftswerkes unfair zu Lasten einkommensschwacher Haushalte erhoben wird. Nur will das die Schicht nicht wahrhaben, die glaubt, befugt und verpflichtet zu sein, sich öffentlich zu dem Thema zu äußern. Für deren Portemonnaie spielen 18, 19 oder 20 Euro keine Rolle.

Die Milliardäre des Landes tragen zu diesem demokratisch so wichtigen Werk faktisch nichts bei. Wenn sie sich angemessen beteiligen würden (also nach einem Steuermodell, was aber von der Politik gleich hysterisch wegen Staatsnähe als nicht machbar verworfen wird), könnte die Belastung für die Mehrheit der Haushalte deutlich gesenkt werden. Die Diskussion um die Erhöhung wäre damit vom Tisch. Und darum geht es.

Die Haushaltsgebühr steigt ständig und wird somit immer schmerzhafter für die einkommensschwachen Haushalte, von denen es überdurchschnittlich viele in den Neuen Bundesländern gibt. Deshalb ist die Gebührenerhöhung von Mal zu Mal umstrittener. Diesmal werden schon zwei oder gar drei Bundesländer ihr nicht zustimmen; wodurch der Fall wieder, da Einstimmigkeit der Bundesländer vorgeschrieben ist, vor dem Bundesverfassungsgericht landen dürfte.

Die Ministerpräsidenten hatten letztes Jahr einen Zukunftsrat ins Leben gerufen. Dieser hat für viel Geld Vorschläge zu einer Reform der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vorgelegt. Diese würden sich gebührenmindernd auswirken und fanden breite Anerkennung.

Allerdings pfeifen die Ministerpräsidenten jetzt offenbar auf die wichtigsten Reformpunkte. Halbherzig und zögerlich wird da was umgesetzt und dort, ohne jetzt ins Detail zu gehen: es dürfte eine Reform werden, die kaum dazu geeignet ist, die Rundfunkgebühr deutlich zu reduzieren, was ein Ziel der Reform ist. Sie dürfte nicht einmal dazu geeignet sein, eine Erhöhung zu verhindern.

Die vorgelegte Reform scheint auf Programmreduktionen, also auf Verkleinerung des Angebotes hinauszulaufen. Sie scheint in keiner Weise geeignet, das lädierte Image der Anstalten aufzupolieren. Diese Reform ist geprägt von der Angst um Besitzstandswahrungsansprüche. Diese Reform birgt keine radikale Besinnung und Reorganisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes im Hinblick auf seinen fundamentalen Zweck, nämlich einen Journalismus zu ermöglichen, der ohne Wirtschafts- und Politinteressen im Sinne der Frischhaltung der Demokratie arbeiten kann und der Entwicklungen in Richtung Extremismus rechtzeitig Einhalt gebietet. Diese Reform wird die Misere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland nicht aus der Welt schaffen. Mit dieser Reform werden die Ministerpräsidenten ihrer Verantwortung einem demokratischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegenüber nicht gerecht.

Polizeifruf 110: Funkensommer (ARD, Sonntag, 26. Mai 2024, 20.15 Uhr)

Polizeiruf goes RomCom

Nach einer halben Stunde landen sie gegen jede Krimilogik bereits im Bett, die Ermittlerin Chris Blohm (Johanna Wokalek) und Hanno Senoner (Golo Euler).

Sie sind die Qualitätsschiene in diesem an sich belanglosen Polizeiruf von Alexander Adolph unter redaktioneller Betreuung von Claudia Simionescu und Tobias Schultze. Sie bieten sich an als Kinotraumpaar für Courts-Mahler-Verfilmungen, reifere Liebe, egal, ob das im Nachheinein nur Fake ist, das begründet vielleicht, warum es so schnell geht. Aber die Phase am Ende auf dem Lande bietet auch die entsprechende Kulisse, vorher schon der Sonnenuntergang von der Brücke.

Die Story selbst ist haarsträubend, wie Senoner, der Brandspezialist, der für die Aufkärung des Mordfalles zuständige Experte, in den Fall verwickelt ist und nicht weniger haarsträubend, aber reine Empfehlung für Neo-Soft-Porno, die Auflösung auf dem Felsen mit wunderbarem Blick in die Natur. Der Rest ist Schweigen.

Ein renommierter Taxiunternehmer (Frederic Linkemann) will ein Haus abreißen lassen, bekommt die Genehmigungen nicht und – häufiges Vorgehen – will das durch einen Brand organisieren. Eine illegale Putzfrau aus Kolumbien (Vreonica Santos Ruiz), die kaum Deutsch kann, aber auf Deutsch Flauberts „Ein schlichtes Herz“ liest – den TV-Redakteuren zum Schmeicheln vermutlich – kommt dabei ums Leben. Vielleicht will das Öffentlich-Rechtliche dem dummen Zuschauer vermitteln, dass Zuwanderer gebildet sein können. Schuss dürfte daneben gehen.

Zur Verkomplizierung und erweiterten Verdachterweckung muss noch ein dattriger Herr Busch (Gerhard Wittman) erfunden werden.

Der Film erzählt lebhaft von dem Bemühen, eine glaubwürdige Fernsehrealität zu behaupten, lässt es so oft wie möglich „menscheln“, man verzeiht sich, man entschuldigt, sich, Anmache und Eifersucht werden hinzugefügt, Fragen zur Befindlichkeit, Befragungspeinlichkeit über Lautstärke in der Pinakothtek, Ansatz eines Rivalen-Hahnen-Kampfes, der Thriller besteht aus bekannten Genreversatzstücken angereichert mit dem Thema der Schwarzarbeit/Ausbeutung und Illegalität, das soll ablenken vom Rückgriff auf das Schmonzetten-Element und die Geneigtheit des Kritikers will der Regisseur sich erkaufen, indem er den „Kino“-Schriftzug vom City-Kino in der Schwanthalerstraße passieren lässt, wo immer jede Menge Pressevorführungen von Kinofilmen stattfinden.

Immerhin hält sich das Audi-Product-Placement mit Dienstwagen in Grenzen, es gibt gar keines davon. Und für die ganz Fantasielosen im Publikum inszeniert der Film Rekonstruktionselemente der Kommissarin, die sie im Geiste vornimmt.

Seiner Hauptaufgabe, so wie ich das vermute, nämlich gesellschaftliche Probleme der Republik plausibel und unterhaltsam mittels Krimis zu vermitteln und spannend aufzudröseln, wird dieser Polizeiruf in keiner Weise gerecht. Er tippt solche höchstens mal an und schleicht sich billig mit Menscheleien von dannen mit einem gekonnten Melo am Rande der Kitschdusseligkeit in Richtung 50-er Jahre Heimatfilm.

#CHALLENGE1923 – 3 MENSCHEN. 6 SONGS. Folge 1 (BR-Klassik, Donnerstag, 23. November 2023, 00.00 Uhr)

Wer hat die größte Karotte?
Wer kocht den besten Fisch?
Wer hat am schnellsten …

Ein ausgelutschtes Fernsehprinzip, das mit der Challenge; Gärtner, Köche, Häuslebauer und weißgottnicht was.

Hier geht es darum, dass Profimusiker innert vier Wochen Songs nach Schallplatten von 1923, hier Folge 1 zum Beispiel von Betti Smith, zur Aufführbarkeit bringen, eine Sängerin, ein Rapper und ein Pianist.

Nichts dagegen, solche Musik, gerade wenn sie innovativ und engagiert war, aus den Archiven zu holen und dem Publikum zu präsentieren.

Hier aber in der Sendung Ulrich Habersetzer unter dramaturgischer Beratung von BR Visual Production, Storytelling, unter redaktioneller Mitarbeit von Alex Naumann und Franziskus Büscher, redaktionell betreut von Beate Sampson, wird gefühlt die Hälfte der Zeit vor allem gelabert, wie toll, wie herausfordernd die das finden oder es wird PR von anderen Auftritten eingeblendet.

Nach etwa zwei Dritteln der 18-Minuten-Sendung und nach ein paar Takten Probe, wird wieder gelabert („ich bin geflasht, wie David Du, mit Worten spielst“).

Es wirkt so, als ob eine Fernsehredaktion oder eine dem Fernsehen zuarbeitende Firma krampfhaft nach Sendeformaten sucht, um Sendezeit zu füllen oder um Fernsehgelder abzugreifen. Die Vermittlung des tieferen Sinnes dieser Musik bleibt dabei auf der Strecke.

Wer ausgeharrt hat, wird am Schluss mit einem ganz gut anhörbaren „Downhearted Blues“ belohnt, und mit dem Versprechen vertröstet, das komplette Konzert dann in Folge 6 sehen und hören zu dürfen.

Flunkyball (ARD, Mittwoch, 20. September 2023, 20.15 Uhr)

Unendliche Einfalt des Kleinbürgertums

Die bürgerliche Familie X besteht aus dem Vater (Fabian Hinrichs), der Mutter (Silke Bodenbender), Tochter Milli (Clara Vogt) und Söhnchen Franz (Laurids Schürmann). Die Familie bewohnt ein stattliches Einfamilienhaus, scheint irgendwie intellektuell bürgerlich aber ohne genauere Berufshinweise zu sein.

Diese Familie betrachtet Alexander Adolph unter der redaktionellen Obhut von Claudia Simionescu in ihrem Verhalten dem Coming-of-Age ihres Sohnes Franz gegenüber.

Vater und Mutter sind schon ganz fickrig, weil Sohnemann als Einzelgänger gilt. Sie können es kaum erwarten, bis er eine Freundin nach Hause bringt. Stolz der Eltern, wenn der Sohn die Familie fortpflanzen kann. Endlich bringt Franz eine Frau nach Hause, spät nachts. Sie darf auch im Gästezimmer übernachten.

In ihrer Verklemmtheit, Borniertheit und in ihrer Enggeistigkeit sehen die Kleinbürger (die erinnern in diesem Verhalten an Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“) überhaupt nicht, dass Zoe (Lena Klenke) eine kaputte Frau ist, ein Schlampe, wie manche sagen würden.

Um die Drogensüchtige in Kontakt mit der Kleinbürgerfamilie zu bringen, hat der Autor und Regisseur viel Gehirnakrobatik getrieben – und auch um noch weitere soziale Themen in dem Film unterzubringen. Die Oma (Lisa Kreuzer) muss in den Spital und derjenige mit den wenigsten Ausreden muss sie besuchen und das ist Franz. Im Spital lernt er Zoe kennen, die sich gleich an das Kleinbürgersöhnchen hängt.

Um diesen Kontakt herzustellen, ist das etwas viel Storytellingaufwand, der nun grad gar nichts mit dem Thema des Kleinbürgertums zu tun hat; es gibt Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen Kleinbürgertum und Faschismus herstellen. Vor diesem Hintergrund hätte es sich gelohnt, mehr Energie auf die Beobachtung dieses Zusammenhanges und also des Kleinbürgerhaushaltes, der im Zentrum steht, zu verwenden; dann würde nämlich der BR als ARD-Anstalt seinem Grundauftragselement des Lebendigerhaltens der Demokratie ganz raffiniert und geschickt, nämlich im Spielfilmformat, nachkommen.

So bewusst scheint das aber dem Filmemacher und der Redakteurin dann doch nicht zu sein; so dass sie dieses Thema wie beliebig neben andere Themen, der verbreiteten Drogensucht und der Versorgung alter Menschen im Krankenhaus stellen (Max Frisch hat in seinem abendfüllenden Theaterstück nicht noch weitere Themen reingewurstet).

Solche theamtische Unschärfe und Beliebigkeit wiederum kann dazu führen, dass das Interesse an einem Fernsehfilm, erst recht bei so herausgekehrter Musterschülerhaftigkeit, schnell nachlässt. So dass man sich berechtigt fragt, wozu das Ganze und muss ich dafür meine Zwangsgebühr abdrücken? Die Blindheit der Eltern, von Töchterchen und des Bübchens selbst, die hätte schon etwas genauer unter die Lupe genommen und diskutiert werden dürfen.

Die Info, die die Produzenten bei IMDb reingesetzt haben, ist hundslausig.

Milena & Sophie – Twins on Bikes (BR, Sonntag, 6. August 2023, 23.30 Uhr)

Zwillingsschwestern aus Franken radeln mit einem Küchenanhänger zur Zugspitze.

Am ersten Tag, um den es hier geht, machen sie Zwischenhalt bei einer Raubtierauffangstation und landen am Abend auf einem Hof mit veganen Tieren. Dort kochen und übernachten sie.

Das ist eines der Formate, die den öffentlich-rechtlicher Rundfunk immer mehr zu einem beliebigen Videokanal verwässern, bei dem jeder sein privates Video hochladen kann; eine Auflösungserscheinung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der konfus und desorientiert auf seinem 10 Milliarden-Euro Topf hockt und nicht mehr ein noch aus weiß, was damit anfangen; wie immer neue Existenzbegründungen erfinden, da die Grundorientierung verloren gegangen ist (siehe auch Kommentar zum Zukunftsrat).

Es sind dies Symptome geistiger Auszehrung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes, wenn ihm zur Begründung des Abrufens von Geldern des Zangsgebührenhaufens nichts anderes mehr einfällt als Sendungen zu produzieren wie Aufgegabelt von Alexander Herrmann, Grillen mit Ivana und Adnan oder auch Unsere Eltern – Stadt – Land – Wohnen

Und dann immer diese Pseuadrenalin-Musik dazu, als Beweis dafür, dass der Sender dem eigenen Format nicht traut.

Mit dieser Sendung beweisen Frank Sturm (Buch und Regie), Uche Abuba und Pamela Wershofen (Redaktion) ihre Entbehrlichkeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk; sie geben sich selbst als Einsparpotential zu erkennen.

Zukunftsrat zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes

Die fantastischen Acht

Eigentlich heißt er nur Zukunftsrat, der gerne auch als die „Fantastischen Acht“ apostrophiert wird.

Es ist dies ein Gremium aus acht in der Medienlandschaft der Bundesrepublik hervorragend positionierten Persönlichkeiten. Es dürfte sich nicht um ein Ehrenamt handeln. Zumindest Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeld werden vermutlich aus dem Topf des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes bestritten werden.

Die Aufgabe dieses neuen Gremiums ist nichts Geringeres, als Vorschläge zu entwickeln, wie das Elend des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes beendet werden kann; vor allem geht es darum, eine Lösung zu finden zwischen den widersprüchlichen Forderungen der Anstalten nach immer mehr Geld und der strikten Ablehnung einer Gebührenerhöhung durch die Ministerpräsidenten einiger Bundesländer. Es sind dabei besonders AfD-affine Länder.

Zur Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Dieser wurde nach dem zweiten Weltkrieg gegründet mit dem zentralen Ziel, die Demokratie zu stärken und künftig Entwicklungen wie die des Faschismus zu verhindern. Dass die AfD, die von Verfassungschützern beobachtet und teils als extremistische Partei eingestuft wird, aktuell so Furore macht, spricht nicht unbedingt dafür, dass dieser Rundfunk heute seiner ursprünglichen Aufgabe noch gerecht wird.

Finanzierung

Anfänglich wurde der ÖRR mittels einer geräteabhängigen Gebühr finanziert. Die Kontrolle übernahm die GEZ, die sich im Laufe der Jahre mit ihren unkonventionellen Hausbesuchen bei Teilen der Bevölkerung unbeliebt gemacht hat und in den Verruf des Inquisitorischen gekommen ist.

Mit dem aufkommenden Wirtschaftswunder und der wundersamen Vermehrung der Geräte wuchsen auch die Einnahmen beim ÖRR. Es zirkulieren Geschichten, was die sich damals wegen Kleinigkeiten an Flügen, Reisen genehmigt hätten.

Mit den steigenden Einnahmen wuchs auch der Rundfunk selber, verästelte sich wie ein Baum und wurde immer gieriger. Den immer fordernderen Rundfunk im Zaum zu halten, wäre genuine Aufgabe der Ministerpräsidenten gewesen. Die wollten es sich aber mit dem Medium nicht verscherzen.

Deshalb passierte das, was mit einem verwöhnten Kind passiert: die Politik gab immer nach, erfüllte die Wünsche und züchtete sich einen Quälgeist heran. Andererseits ist die Politik um die Gründung von Gremien und Organisationen nie verlegen, die ihr den Job abnehmen sollen. In diesem Falle gründete sie die KEF, die dem ausufernden Finanzbedarf der Sender Grenzen setzen sollte.

Aber auch das half nichts. Die Forderungen wurden immer höher, der Rundfunk ein immer komplexerer Moloch mit immer weiter anschwellendem Etat. Um dem ein Ende zu setzen, beauftragte die Politik vor etwa zehn Jahren Professor Paul Kirchhof, ein neues Finanazierungsmodell auszuarbeiten.

Der Rundfunkbeitrag

Der Herr Professor, der bereits mit seinem Vorschlag der Steuererklärung auf einem Bierdeckel seinen Ruf weg hatte, präsentierte als neue Wunderwaffe eine Art eierlegende Wollmilchsau, die einkommensunabhängige Haushaltsgebühr, den Rundfunkbeitrag. Egal, ob ein Haushalt ein Monatseinkommen von 500 Euro hat oder von zehn Millionen, ob es sich um einen Einzelhaushalt handelt, um eine Familie oder gar einen Clan, alle sollten sie denselben Betrag rausrücken; das enthob die GEZ, die sich jetzt bürgerfreundlich „Beitragsservice“ nennt, der Hausbesuche. Die Register der Einwohnermeldeämter geben genügend Info her.

Dieses Modell spülte vorerst zusätzlich Geld in die Kassen des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes, weil Schwarzsehen praktisch nicht mehr möglich war. Das konnte er allerdings auch gut gebrauchen, ächzte er doch inzwischen unter einer kaum zu stemmenden Last von Pensionsverpflichtungen.

Diese sind besonders in den Himmel geschossen mit dem Aufkommen der privaten Fernsehkonkurrenz. Als Begründung für den Wahnsinn musste herhalten, dass man die guten Leute halten möchte, das abgelutschte Argument, was Banker für ihre absurd hohen Boni benutzen.

Es war also abzusehen, dass das Modell von Professor Kirchhof sich bald schon totlaufen würde, da der Forderungen immer mehr wurden und die KEF ihre liebe Mühe hat, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einigermaßen zu zügeln.

Allerdings wird mit jeder Erhöhung des Haushaltbeitrages die Diskrepanz zwischen einkommensschwachen und einkommensstarken Haushalten eklatanter, die „Gebühr“ wird immer unfrairer und unsozialer einkommensschwachen Haushalten gegenüber.

Gerade in Bundesländern, wie zu lesen war, eben AfD-affine, in denen die durchschnittlichen Haushaltseinkommen deutlich geringer seien als in manch alten Bundesländern, kann die Politik ihren Bürgern gegenüber eine Erhöhung dieser Zwangsgebühr nicht mehr plausibel darstellen.

Mit anderen Worten: das Finanzierungsmodell à la Paul Kirchhof ist hinüber.

Zukunftsrat

Da die Ministerpräsidenten entweder keine Fantasie für eine Lösung haben oder sich gar nicht an das heiße Eisen trauen, soll jetzt eine illustre und bestimmt nicht billige Kommission, der Zukunftsrat, den Schaden ausbügeln.

Dieser Zukunftsrat ist beauftragt, bis Ende Jahr Vorschläge vorzulegen, die einerseits dem Rundfunk genüge tun, andererseits den Gebührenbetrag stabil halten. Eine Aufgabe, der mit Prokrustes‘ Methode nicht beizukommen sein dürfte.

Zu erwarten ist, dass dieser Zukunftsrat aus hochwohlmögenden Persönlichkeiten zu einem bereits breiten Feld an Vorschlägen, da was zu kürzen und dort, hier an der Kultur sparen, dort die Literatur abzumurksen, da was zusammenzulegen und dort was, weitere Vorschläge hinzufügt, ohne das Problem fudamental anzugehen, wie beispielsweise eine radikale Neuorganisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes unter Outsourcing der Pensionenlast in den Staatshaushalt, also praktisch Auflösung des alten Systems und Aufbau eines neuen, wozu das Abbruchgut verwendet werden dürfte.

Steuerfinanzierung

Zu überlegen wäre allerdings eine Idee, die zwar nicht neu ist, die aber noch nicht in einer öffentlichen Debatte ernsthaft erwogen wurde: Steuerfinanzierung.

Das wäre deutlich demokratischer als die Haushaltsgebühr, denn Steuerfinanzierung bedeutet, dass jeder nach seinen Kräften zur Finanzierung dieses so eminent wichtigen Gemeinschaftswerkes ÖRR beiträgt: der Reiche viel, der Arme nichts und die dazwischen entsprechend viel oder wenig.

Gegen diesen Vorschlag kommt immer wieder wie aus der Pistole geschossen das Argument, das würde zu viel Staatsnähe erzeugen. Ist nicht nachvollziehbar, geht ja bei der Kirche auch; der Staat spielt hier lediglich den Kassierer und hat wie bisher nichts dreinzureden.

Gigantischer Geldberg

Das Thema ist relevant, weil es sich beim Pot zur Finanzierung des öffentlichen Rundfunkes nicht um einen Minihaufen von ein paar Millionen handelt, sondern um einen gigantischen Geldberg von gegen zehn Milliarden.

Wenn es sich nur um wenige Hundert Millionen handeln würde, so wäre die Haushaltsgebühr mit wenigen Euro vermutlich überhaupt kein Thema. Aber die schiere Größe des Geldhaufens spitzt die Wahrnehmung der Gebühr als undemokratisch, unfair und unsozial zu, macht sie nicht mehr tragbar.

Es heißt, dass etwa zehn Prozent der Deutschen über 60 Prozent des Reichtums verfügen. Das würde bedeuten, sie sind auch für 60 Prozent der Einkommenssteuer zuständig, so hemdsärmelig vermutet. Das würde also bei 10 Milliarden Rundfunkgeld heißen, dass sie, demokratisch gedacht, 6 Milliarden übernehmen müssten, für sie sind das Kinkerlitzchen.

Auf die Höhe des Rundfunkbeitrages für die restlichen Haushalte hätte das gravierende Auswirkungen, er würde deutlich sinken und damit vermutlich schnell die hässliche und für die Politik unangenehme Diskussion aus der Welt schaffen.

Das heißt aber auch, dass nach dem Modell von Professor Kirchhof die Superreichen bei der Finanzierung des demokratischen Genmeinschaftswerkes öffentlich-rechtlicher Rundfunk um etwa 6 Milliarden Euro entlastet werden. Die haben die anderen zu buckeln, besonders schmerzlich ist das für einkommensschwache Haushalte mit nur wenigen Hundert Euro Haushaltsgeld monatlich. Und noch schmerzlicher, wenn sie nicht einmal Teilnehmer des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes sind.

Jobsicherheit für Rundfunkmitarbeiter

Eine durch Steuergeld gesicherte Finanzierung würde auch bedeuten, dass nicht Tausende von Rundfunkmitarbeitern um ihren Job bangen müssen, wie es jetzt der Fall ist. Und auch Schauspieler, Regisseure, Drehbuchschreiber, Fernsehfilmleute könnten ruhiger in die Zukunft blicken.

Aufgegabelt von Alexander Herrmann (BR, Sonntag, 2. Juli 2023, 17.15 Uhr)

Lauwarmes Carpaccio vom Schwein mit Honig
und
Bayerisches Ceviche

sind zweifellos leckere Gerichte, die der Fernsehkoch Alexander Herrmann in dieser BR-Sendung zubereitet; sie kommen attraktiv rüber und beim zweiten beansprucht der Koch sogar eine gewisse Exklusivität; er behauptet, er lüfte damit ein Geheimnis.

So weit geht es also schon, so weit muss eine solche Sendung schon gehen, um sich vor der aktuell wieder hochkochenden Diskussion über Sinn, Zweck und Finanzierung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkes halbwegs legitimieren zu können.

Gerade schwillt der Chor derjenigen an, die sagen, es dürfe auf gar keinen Fall eine weitere Zwangsgebührenerhöhung geben. Dabei ist noch nicht mal das Argument, dass die Reichen des Landes, diejenigen 10 Prozent, die über 60 Prozent des Besitzes verfügen, sich vergleichsweise praktisch nicht an der Finanzierung des 10-Milliarden-Topfes beteiligen, in der Öffentlichkeit angekommen.

Wenn die Reichsten sich angemessen beteiligten, könnte die Rundfunkgebühr für den Normalverbraucher salopp geschätzt um 50 Prozent, wenn nicht gar um zwei Drittel gekürzt werden. Aber wie gesagt, dieses Argument ist öffentlich noch nicht mal im Umlauf.

Aktuell wird die Haushaltszwangsgebühr demokratisch unfair zu Lasten einkommensschwacher Haushalte erhoben. Das sind Haushalte, die sich kaum je so ein Gericht leisten können, wie der Fernsehkoch uns hier zubereitet.

So oder so, die Anstalten müssen gewaltige Sparanstrengungen unternehmen, alles, was nicht zum Grundauftrag gehört, muss eingepart und ausgelagert werden. Dazu gehören allemal Kochsendungen. Der Spitzenkoch kann ruhig, wie viele andere auch, seine Künste eigenständig im Internet auf Youtube oder auf einer eigenen Website verbraten. Das dürfte seiner Schönheit keinen Abbruch tun. Die zuständigen Redakteure Frank Johne und Ingmar Grundmann dürfen gerne auch in die Selbständigkeit entlassen werden.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers!

Lebenslinien: Katja Ebstein – Schlagerstar mit Widerspruch (BR, Montag, 15. Mai 2023, 22.00 Uhr)

Auf die letzten paar Minuten dieses ansprechenden Features über eine Künstlerin, die auch eine Bürgerin ist, und also ganz im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkes, hätte gerne verzichtet werden können, da wird es sülzig in den Statements, und ebenfalls auf den Ausschnitt einer Show – der Moderator ist quasi nicht vorhanden, wenn er mit Katja Ebstein singt – einer Show, die der BR mit Hängen und Würgen seit Jahren wie sauer Bier anzupreisen und zu etablieren versucht, diese letzten paar Minuten gehörten gestrichen, dann würde ein wunderbarer Eindruck bleiben von einem Menschen mit Gesangsbegabung und Bühnenaura, der gleichzeitig ein Künstler und ein Bürger, also eine Künstlerin und eine Bürgerin ist.

Beim breiten Publikum war sie als Schlagersängerin bekannt. Sie war sich nicht zu schön für Schlager, aber das Feinsinnige, das Literarische mag sie mehr. Sie hätte irgendwann eh ganz mit den Routinen und dem Erfolgsdruck des Schlagergeschäftes aufgehört. Sie geht als Musical-Darstellerin auf die Bühne, macht Gesangsabende. Ihr erster Mann Christian Bruhn schreibt weiter für sie.

Evelyn Schels hat Katja Ebstein porträtiert, die quicklebendig weiter im Geschäft ist. Es gibt tolle Aufnahmen aus dem riesigen Show-Theater, dem Friedrichspalast, wie auch aus dem bayerischen Alpengebiet.

Katja Ebstein hat sich immer als politischer Mensch gesehen, hat sich für die Wiedervereinigung der beiden Deutschland eingesetzt. Allerdings konnten sich diese Lebenslinien eine Werbung für den Ausstatter der Sängerin aus Hamburg nicht verknusen. Das wirkt so schleichwerberisch.

Mit den Abstrichen aus den letzten Minuten, also sülzige Statements, peinliche BR-Show und Boutiquenbesuch in Hamburg, rangieren diese Lebenslinien unter Redaktion von Fatima Abdollahyan im oberen Segment, besonders im Segment der gerne schleimiger Promi-PR-Lebenslinien, da steht Katja Ebstein einzigartig da, eine Schleimspur- und devote Verehrungs-Lebenslinie ist mit ihr von Natur aus nicht zu machen.