Archiv der Kategorie: Musik

Respect

Nach Hollywood-Industrie-Norm,

das heißt zuallererst, den Hollywood-Ansprüchen an einen guten und kommerziell verwertbaren Film genügen. Und das tut dieser Film von Liesl Tommy nach dem Drehbuch von Tracey Scott Wilson nach der Geschichte von Callie Khouri: die Lebensgeschichte der 2018 verstorbenen Aretha Franklin, der Göttin des Souls, speziell vom Drehbuch her geschickt auf markante Szenen einzudampfen und so spannend zu gestalten. Und auch die einzelnen Szenen so zu gestalten, dass mit einem Minimum an Dialog das Wesentliche transportiert wird. Hier braucht es keine Sätze, wie sie so oft in deutschen Drehbüchern vorkommen, dass man schnell mal aufs Klo müsse oder dass die Vorratskammer zweite Tür links liege.

Ein Kindsmissbrauch wird elegant hollywoodmoralisch in einer kurzen Szene deutlich gemacht: das kleine Mädchen Aretha (Skye Dakota Turner) liegt in seinem Zimmer auf dem Bett. Im Haus von Reverend Franklin (Forest Whitaker) von der Baptisten-Gemeinde ist wie so oft eine Gesellschaft. Ein jüngerer Mann tritt ins Zimmer zum Mädchen Aretha, das zu dem Zeitpunkt zehn Jahre alt ist. Er mustert es, meint, sie könnten sich doch vergnügen zusammen, dann schließt er die Tür, wirft einen begehrlichen Blick auf das Opfer. Schnitt. Das Haus von außen.

Es dürfte sich nicht um den einzigen Missbrauch gehandelt haben. Auch die traumatisierte Reaktion darauf wird auf wenige Szenen eingedampft, ein Gespräch mit dem Vater, mit der Oma. Mama ist da schon gestorben. Man weiß Bescheid.

Ebenso ökomisch werden die Karrierestationen aufgezeigt, die ersten Auftritte als junge Frau (Jennifer Hudson), die ersten erfolglosen Schallplatten, die Verhältnisse zu Männern als Liebhaber und Manager. Die Erfolge, Alkohol, Kräche mit Männern und Managern. Ebenso gestrafft wird Franklins politischer Aktivismus erzählt.

Allerdings hat dieses Storyhandwerk auf diesem hohen Level wiederum den Nachteil, dass einem die Szenen alle wie aus anderen Filmen schon bekannt vorkommen. Das gewichtige Pfund des Filmes ist die Musik. Auch wenn die echte Aretha Franklin am Schluss doch nochmal dieses Mü an kleiner Differenz zwischen guter Stimme und Weltklasse-Stimme bewusst macht.

Durchaus also Respekt vor „Respect“. Mich persönlich hat allerdings die Dokumentation Aretha Franklin – Amazing Grace, die erst posthum veröffentlicht werden durfte, mehr berührt. Aber auch hier zeigt der Film seine Professionalität mit diesem – nachgestellten – Gospelkonzert, das sofort an das Original erinnert bis hin zur Tafel am Eingang der Kirche, die darauf hinweist, dass Fernsehaufnahmen gemacht werden.

DJV warnt vor Knebelvertrag

In einer Pressemeldung warnte der Deutsche Journalisten-Verband DJV vor einem Knebelvertrag für Journalisten und Fotografen, die die Deutschland-Tournee von Katie Melua journalistisch begleiten wollen. (PDF)

Laut DJV verbietet der betreffende Vertrag (auf englisch gehalten) den Journalisten, ihre Arbeit selbst zweitzuverwerten, bindet sie an das bei der Akkreditierung anzugebende Medium und behält sich das Copyright für Texte und Bilder vor. Die Kollegen von ddp und AP boykottierten bereits das Eröffnungskonzert der Deutschland-Tournee.

Ich will ja hier nicht klingen wie die Zeitung mit den großen Buchstaben, aber ich meine: Eine Frechheit, solche Verträge ernsthaft auch nur zu erwägen. Wir sind Journalisten, keine Juristen. Wenn man uns über den Tisch ziehen will, dann wird sich langfristig auch die Berichterstattung ändern. Womöglich wird es freien, unabhängigen Journalismus eines Tages kaum noch geben? Und wir werden eine Armee von Werbetextern sein, die sich zum Zwecke des Broterwerbs dem Credo eines Verlags oder einer Meinungs-Schule angeschlossen hat, sich prostituiert? Nicht auszudenken. Aber neue, freie Medien werden sich daher immer bilden, stets zum Mißfallen des Establishments.

Das alte Spiel also… When will they ever learn?

Ein Film ist mehr als die Summe seiner Teile

Ist schon lustig: Da unterhalte ich mich heute nachmittag nach der PV zu Sleuth (1 Mord für 2) mit einem Kollegen (mal wieder) über deutsche Produktionen im Vergleich zu internationalen, insbesondere natürlich Hollywood-Produktionen, und schon schreibt Torsten einen schönen Post über Hollywood-Filmmusik.

Als besonderes Schmankerl hat er ein von niemand geringerem als John Williams höchstpersönlich dirigiertes Medley der größten Scores des Hollywood-Kinos online. Ein Gutteil der Musik wurde noch dazu von ihm selbst (John Williams, nicht Torsten) komponiert (ja, ich weiß, oder zumindest echt professionell abgekupfert). Beim Anhören erlebt man die ganzen Hits der Vergangenheit nach, zumindest, sofern man die Titel kennt. Genau das ist das Verrückte, man erkennt wirklich praktisch alle Melodien wieder und kann sie sofort dem Film zuordnen.

Bei deutschen Filmen ist das meines Erachtens aber nicht möglich. Die einzige Melodie, die ich aus dem Stand einem deutschen Film zuordnen kann, ist der markante Soundtrack von Das Boot. Selbst mit einigem Grübeln und einem Film-affinen Freund im Chat (von dem bis zunächst nur „Ööööh“ und „Hmh“ kam), fallen uns eigentlich nur Popsongs ein, von Pippi Langstrumpf bis zum Blauen Engel, von Werner bis Wickie.

Themen wie zu E.T., Der Pate, Indiana Jones, Der weiße Hai, wie zum rosaroten Panther oder selbst zum dritten Mann (welch genialer, genialer Schachzug das doch war) zergehen dem wahren Cineasten auf der Zunge, während sie ihm zugleich die Freudentränen in die Augen treiben.

Warum gibt’s das nicht bei uns? Warum ist Filmmusik aus deutschen Landen so … gefällig? So ein Phon-Brei, der zwar irgendwie nach großem Orchester klingt, aber zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus geht, meist ohne auch nur den Hauch einer Erinnerung zu hinterlassen. Und wenn, dann nur für ein paar Stunden.

Sicher gibt es Ausnahmen, auf die ich nur gerade nicht komme, aber das Gros der perfekten Scores kommt nunmal aus Hollywood. Wie ich schon bei Torsten kommentierte, haben sie dort sogar die Perfektion perfektioniert.

Doch was hat das mit dem Gespräch mit meinem Kollegen von heute Nachmittag zu tun? Ganz einfach: Da ging es auch um Qualität. Hierzulande gibt es eine hochprofessionelle Produktionslandschaft, es gibt Technik, Studios, Geld. Doch was fehlt, ist der Mut. So denken wir zumindest. Der Mut, anzuecken, zu provozieren, der Mut, sich auf nur eine kleine Zielgruppe festzulegen. Wenn bei uns im Kino angeeckt oder provoziert wird, dann immer nur auf der Basis einer breiten Akzeptanz und mit Themen, die auf breiter Basis Empörung hervorrufen, sei es Kindsmord oder Zwangsprostitution.

Eben ist mir noch Lola Rennt eingefallen, zum Glück. Doch irgendwas kommt mir komisch vor: Ich glaube, ich habe diesen Beitrag schonmal geschrieben. Mal nachschauen…

Tatsächlich. Und noch dazu im fast gleichen Wortlaut. Das ist ja unheimlich! Ich schwöre, das ist mir wirklich erst an dieser Stelle aufgefallen, vielleicht, weil Lola Rennt mir mal wieder als zweites und so spät erst eingefallen ist.

Jetzt aber zurück zu heute: Wir haben im Kino Sleuth gesehen, mit Michael Caine und Jude Law unter der Regie von Kenneth Branagh (ja, alles Briten, sofern man Nordirland dazurechnet), und es war ein ganz erstaunliches Erlebnis:

Der Film war ganz große Klasse, die beiden ergehen sich in schauspielerischen Übertreibungen (die Inszenierung ist wie für die Bühne) – doch die deutsche Synchronisation war einfach arm. Doch warum? Die Sprecher waren professionell, der Text gut übersetzt, schön lippensynchron und alles, nur fehlte irgendwie doch etwas.

Was fehlte, haben wir bald festgestellt, waren Michael Caine und Jude Law. Die Sprecher konnten einfach nicht mithalten. Die Fußstapfen waren zu groß, die Sprecher konnten den beiden Stars nicht in ihnen folgen.

Und da traf es uns: Das ist genau das Problem der meisten deutschen Produktionen: Alles stimmt, alles wird richtig gemacht, und doch fehlt etwas. Es ist nichteinmal die Seele oder das Herzblut. Doch Perfektion wird nur durch „den letzten Schliff“ erreicht, das „Alleinstellungsmerkmal“, den eigenen Stil:

Deutsche Filme verhalten sich zu Hollywoodfilmen wie Flugzeug-Sicherheitshinweise zu Comics.*

Die Filmemacher brauchen einfach mehr Freiraum, und dazu mehr Geld. Ambitionierte Projekte nur schlecht zu finanzieren ist genausowenig eine Lösung wie das Geld in Produktionen zu pumpen, bei denen Banker Regie führen. Die strenge Trennung der Departments sowie eine starke Union braucht es hier auch – in Hollwood streiken die Autoren noch immer, schon wesentlich länger als bei uns die Lokführer. Und, bitte schön, auch ein wenig mehr Mut!

*Es gibt natürlich Ausnahmen auf beiden Seiten, und alles sehe ich natürlich unter „leider“! Übrigens: Selbst die Safety Cards können echt witzig sein!

Moral vs. Marketing

Vorhin gab es einen überaus interessanten Beitrag im Zündfunk, bei Bayern 2 Radio. Für die Radiohörer wurde das (schon lange existierende) Prinzip des Guerilla-Marketings anhand der sogenannten „Street Teams“ manch großer Musiklabels beleuchtet. Moral vs. Marketing weiterlesen

Endlich: Talentscouting für Filmmusik

Die heutige Pressemeldung von Sony ließ mich aufhorchen: Eine „weitreichende Zusammenarbeit beim Talentscouting“ für Filmkomponisten wurde vereinbart. Insbesondere jungen Komponisten soll der Einstieg ins Filmgeschäft erleichtert werden.

Das freut mich riesig, denn eine schleichende Entwicklung hat im Sektor der Filmmusik zu einer gewissen Knappheit an guter Filmmusik geführt. Endlich: Talentscouting für Filmmusik weiterlesen