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Münchner Filmkunstwochen 2023

Festival mit Ausflug

Vom 26. Juli bis 16. August 2023 finden die 71. Münchner Filmkunstwochen statt in den Kinos ABC KINO ARENA CITY KINOS KINO SOLLN MONOPOL NEUES MAXIM NEUES REX NEUES ROTTMANN RIO FILMPALAST STUDIO ISABELLA und THEATINER FILMKUNST.

Zum ersten Mal ist es ein Festival mit einem Ausflug (am 12. August). Ziel ist der Walchensee. Dort liegt nicht nur das Café aus dem Münchner Dokfilm-Hit Walchensee Forever; dort gibt es auch ein Museum mit filmgeschichtlichen Überraschungen, mit Zeichnungen, die Lovis Corinth von Ernst Lubitsch angefertigt hat. Womit klar ist, dass auch Lubitsch mit einigen seiner umwerfenden Komödien an den Filmkunstwochen vertreten sein wird.

Vielfalt

Die 71. Münchner Filmkunstwochen bieten ein überbordendes Programm; sie pflegen die Artenvielfalt, wie man es sich für die Natur nur wünschen könnte. Vielfalt als Grundlage für Gedeihen, als Grundlage für Lebensqualität, für Kinoqualität, ja für Demokratie.

Diese Vielfalt verdankt das Festival seiner Grundstruktur, dass die Inhaber oder Betreiber der Progammkinos ihre eigenen Schwerpunkte setzen, ihre eigenen Highlights anbieten. Und sie sind nun wahrlich Filmfreaks, Filmliebhaber und Idealisten dazu, also nicht die schlechtesten Ratgeber für ein Festival, das für manche dazu dient, Bildungslücken zu schließen, jüngere Filme nachzuholen, das Sommerloch intelligent und unterhaltsam zu füllen, Juwelen aus der Filmgeschichte zu entdecken oder sich an ein Genre zu wagen, wovor man bislang vielleicht zurückgeschreckt ist, zu Beispiel bei Creepy Crypt im City.

Das Programm kann nicht annähernd angemessen referiert werden, deshalb hier der Link dazu.

Und hier Tipps zu Filmen, die stefe gesehen und reviewisiert hat – ein Tipp dabei ist von Julian:

VENUS IM PELZ
Roman Polanski wundert sich, was die Frauen aus ihm gemacht haben.

OFFENES GEHEIMNIS – TODOS LOS SABEN
Der Iraner Asghar Farhadi praktiziert sein gelobtes Regiehandwerk auf spanischem Boden.

LADY BIRD
Hier spielt Greta Gerwig Autobiographisches aus.

AUGENBLICKE – GESICHTER EINER REISE
Agnès Varda klopft auf einer fotogenen Reise durch Frankreich erfolglos bei Godard am Genfer See an.

NOMADLAND
Immer haarscharf am amerikanischen Traum vorbei (Amazone bei Amazon). Glanzrolle für Francis McDorman.

AMERICAN HONEY
Energievolle, amerikanische Jugend zwischen Freiheitsdrang und ökonomischer Abhängigkeit (mit Zeitschriftenverkäufern unterwegs).

ALL THE BEAUTY AND THE BLOODSHED
Das ist der Oberhammer: Milliarden mit tödlichen Medikamenten verdienen und dann den Kunstmäzen spielen. Zwei Frauen sind der üblen Tour auf die Schliche gekommen.

INCEPTION
„Neckische Gedankenspielereien um das Infektiöse und die Wirksamkeit von Ideen … aus dem Fundus der Untiefen des amerikanischen Actionkinos neu verschnürt“ (stefe)

DUNKIRK
Die Schlacht von Dünkirchen als Vorwand für eine grandiose Fotostrecke mit hübschen Jungs.

TENET
Christopher Nolan, die Zeitreise und Opas Paradox

FANTASTIC MR. FOX
Julians Empfehlung dieses Wes Anderson-Filmes

MOONRISE KINGDOM
Wes Anderson bettet eine präpubertäre Liebe ein in einen größeren gesellschaftlich-naturhaften Kosmos.

THE GRAND BUDAPEST HOTEL
Liebevoll ausgeklügelte Miniaturwelt

ISLE OF DOGS
Und nochmal Wes Anderson, diesmal auf Japanisch und animiert: ein Junge, sein Hund und eine hilflos zwischen Verboten und Umweltzerstörung agierende Politik.

JULIETA
Almodovar berührt und fasziniert stärker denn je und ist näher an schmerzhaften menschlichen Beziehungen denn je.

Nix wie hin!

Ab ins Kino!

KINO ALS GESICHT EINER STADT

Vom 27. Juli bis 17. August finden in den Münchner Kinos ABC Kino, Arena, Cincinnati, City Kinos, Filmeck Gräfelfing, Studio Isabella, Neues Maxim, MuLi -Museum Lichtspiele, Neues Rex, Rio Filmpalast, Neues Rottmann, Theatiner Filmkunst die 70. Münchner Filmkunstwochen statt. Diese geben dem Sommer ein unverwechselbares Kinogesicht, indem die Betreiber der einzelnen Kinos nach eigenem Gusto Lieblingsfilme, Klassiker oder Hits in ihren Abspielstätten wieder zeigen, oft sind es Filme, die Leute gerne mal gesehen hätten, aber noch nicht sehen konnten, Evergreens, Erfolgsfilme der jüngeren Zeit, Previews.

Die Kuratierung oder Koordination für das glitzernde, vibrierende Programm, das förmlich nach Beachtung schreit, übernehmen Dunja Bialas und Ludwig Sporrer. Sie haben das Programm anlässlich einer Pressekonferenz im mit neuen Sitzen fesch ausgestatteten Leopold-Kino präsentiert.

Ungewöhnlich ist der Eröffnungsort: im Cincinnati-Kino mit dem Stummfilm A PAGE OF MADNESS – KURUTTA IPPELIJI mit Musikbegleitung durch das Linzer Ensemble.

Hier die Kinos und die Filme, wenn vorhanden mit Link zur Besprechung bei filmjournlisten:

ABC
LIEBER THOMAS / DER SCHLIMMSTE MENSCH DER WELT / EL BUEN PATRON – DER PERFEKTE CHEF / PETER VON KANT / IT CAME FROM OUTER SPACE / BROKER / VERLORENE ILLUSIONEN / DER GROSSE DIKTATOR / ELFRIEDE JELINEK – DIE SPRACHE VON DER LEINE LASSEN / SONNE / LICORICE PIZZA / SCARLET / DER ENGLÄNDER, DER IN EINEN BUS STIEG UND BIS ANS ENDE DER WELT FUHR / MÄRZENGRUND / ALLES IN BESTER ORDNUNG / PARALLELE MÜTTER / MENSCHLICHE DINGE / HALLELUJAH: LEONHARD COHEN, A JOUNREY, A SONG / DER GESANG DER FLUSSKREBE / ALCARRÀS / ALICE SCHWARZER / ENNIO MORRICONE – DER MAESTRO / DER PATE / DIE ZEIT, DIE WIR TEILEN / ANNETTE / LA DOLCE VITA / DIE KÜCHENBRIGADE / FREIBAD

ARENA
DIE FRAU, DIE SINGT – INCENDIES / PRISONERS / DIE ZEIT, DIE WIR TEILEN / ENEMY / PETER VON KANT / SICARIO / ARRIVAL / BLADE RUNNER / DUNE

City
IL DIVO / GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT / NACH DER ARBEIT / PORNFLUENCER / WER WIR GEWESEN SEIN WERDEN / MULHOLLAND DRIVE / LA GRANDE BELLEZZA / DAS PIANO / ALCARRÀS / 100 TAGE, GENOSSE SOLDAT / DIE HAND GOTTES / APOCALYPSE NOW / EWIGE JUGEND / JEDERMANN / ANIMA – DIE KLEIDER MEINES VATERS / MONEYBOYS / CHEYENNE – THIS MUST BE THE PLACE /

Cincinnati
A PAGE OF MADNESS

Filmeck Gräfelfing
HARAOLD AND MAUDE / CARMEN / THE OUTSIDERS – REBELLEN OHNE GRUND / MON ONCLE

Isabella
EL BUEN PATRON – DER PERFEKTE CHEF / PLEIN SOLEIL – NUR DIE SONNE WAR ZEUGE / KINDER DES OLMYP / MY HERO / COCOTTE / LE CERCLE ROUGE – VIER IM ROTEN KREIS / LA DOLCE VITA / SING A BIT OF HARMONY / ALCARRÀS / LE SAMOURAI – DER EISKALTE ENGEL / DIE REIFEPRÜFUNG – THE GRADUATE / DETEKTIV CONAN – DIE HALLOWEEN BRAUT / THINKING LIKE A MOUNTAIN / UN AMOUR DE SWANN

Neues Maxim
KILLING THE EUNUCH KHAN / DIE UNBEUGSAMEN / WHERE‘ S THE BEER AND WHEN DO WE GET PAID / WER HAT ANST VOR SIBYLLE BERG / SCHOTTER WIE HEU

MuLi
DOWNTON ABBEY – A NEW ERA / TOD AUF DEM NIL – DEATH ON THE NILE / HOAMWEH LUNG / DESIRED CHILD / ÜBERLEBEN / HOUSE OF GUCCI / RIEFKINS FESTIVAL / DER ENGLÄNDER, DER IN EINEN BUS STIEG UND BIS ANS ENDE DER WELT FUHR / GOOD LUCK TO YOU, LEO GRANDE / DER GESANG DER FLUSSKREBSE

Neues Rex
PASTA IMPERIALE / FUOCO SACRO – SUCHE NACH DEM HEILIGEN FEUER / DER BAUER UND DER BOBO / CONTRA / DIE UNBEUGSAMEN

Rio
DIE FRAU, DIE SINGT – INCENDIES / ALCARRÀS / PRISONERS / ENEMY / SICARIO / DER GESANG DER FLUSSKREBSE / ARRIVAL / BLADE RUNNER 2049 / DUNE

Neues Rottmann
FUSSBALLVERRÜCKT / ALLES IN BESTER ORDNUNG / A-MAN AND THE CITY / DER WALDMACHER / NAMASTE HIMALAYA / WALCHENSEE FOREVER / LIEBE, D-MARK UND TOD / FACING DOWNUNDER / DEAR FUTURE CHILDREN / DER FILMVORFÜHRER / DER SCHNEELEOPARD / ZEITREISE-ABENTEUER ZWISCHEN ANDEN UND AMAZONAS

Theatiner Filmkunst
AMORE / DIE SWEETHEARTS / CHAMPAGNER FÜR DIE AUGEN, GIFT FÜR DEN REST / ZBIGNIEW SEIFERT – AN INTERRUPTED JOURNEY / ROTE WÜSTE – IL DESERTO ROSSO / WILDE ERDBEEREN / MAHLER / LE NOTTI DI CABIRIA – DIE NÄCHTE DER CABIRIA / NACHTZUG – POCIAG / DAS MESSER IM WASSER / LE SIGNE DU LION – IM ZEICHEN DES LÖWEN / BEL AMI / EIN BISSCHEN LIEBE / ZABRISKIE POINT / FREMDE STADT

Kino-Offensive (das DOLBY CINEMA im mathäser)

Das Kino kämpft gegen sinkende Besucherzahlen. Aus Cannes kommen keine Impulse, vom Deutschen Filmpreis schon gar nicht, das Kino Gabriel an der Dachauerstrasse hat nach über 100 Jahren Hals über Kopf den Spielbetrieb eingestellt, es habe sich nicht mehr gerechnet. Und wie ein Phoenix aus der Asche steigt just einen Tag nach der letzten Pressevorführung im Gabriel (der witzige MISTER LINK – EIN FELLIG VERRÜCKTES ABENTEUER), wie mit einem Paukenschlag das Mathäser ins Licht der Öffentlichkeit mit einem DOLBY CINEMA, dem ersten seiner Art in Deutschland und aktuell wohl weltweit das ausgeklügeltste, ausgetüfteltste Kino, das ein Kinoerlebnis bietet, wie kein Netflix es kann, kein Stream es kann, kein Homekino es kann. Vorgestellt wurde der Film ROCKETMAN, ein Biopic über Elton John, das einen besseren Saal nicht finden könnte zur Rundumberauschung mit Musik. Das Mathäser hat das frühere Kino Eins umgebaut. Es ist jetzt direkt von der Straßenebene aus zugänglich, hat eine lässige, gläserne Lounge mit Kinobar und mit einem Kaffeautomaten zur Gratis-Selbstbedienung, eine eigene WC-Anlage (sonst sind die Wege zum Klo im Mathäser immer weit). Durch einen Kinoschlund, einen Audio-Video-Tunnel, der noch auf seine adäquate deutsche Übersetzung wartet, betritt der Zuschauer die geheime Welt des ganz großen Kinos. Es ist eine Blackbox, wie jeder Cineast sie sich nur wünschen kann. Die Firma Dolby hat diese in dreifacher Weise ausgestattet. Die erste ist das umwerfende Tonsystem, das Dolby Atmos noch toppt. Die zweite ist das Raumdesign: Blackbox, praktisch keine irritierenden Lichtreflexe aus dem Saal, die Lautsprecher sind unsichtbar gemacht, hinter schwarzer Wandverkleidung. Die dritte ist die Doppellaserprojektion in 4K. Was diese mit dem Bild macht, wird augenfällig demonstriert mit einem kleinen Dolby-Cinema-Trailer: der Unterschied zwischen Dunkel und Schwarz: verblüffend, hätten wir nicht gedacht. Ein Kino, unter dem keine U-Bahn rattert, in das kein Straßenbahnlärm hineindringt, kein Martinshorn, kein Foyergeplapper, keine Nebengeräusche. Ein Kino, in welchem sich der Zuschauer ganz relaxed dem Kinogenuss hingeben kann. Da die Filme dafür extra gemastert werden müssen, werden vor allem Blockbuster gezeigt, da kommt allein dieses Jahr einiges auf uns zu: Toy Story 4, Eiskönigin 2, Star Wars Episode 9, König der Löwen und und und. Eine attraktive Kino-Offensive.

Aufruf zum Gabriel Filmtheater

Aktuell sind die Bayern dabei, fleißig wie die Bienen, die Bienen zu retten. Da sollte es ihnen doch möglich sein, auch ein Kino zu retten.

Das hat folgende Bewandtnis. Seit Jahren kickt ein wild gewordener Immobilienkapitalismus in München ein Kino nach dem anderen ins Aus; die sind betriebswirtschaftlich nicht mehr sinnvoll zu betreiben. Zuletzt betraf es das Eldorado an der Sonnenstraße. Vorher schon Tivoli, Film-Casino, Odyssee und Atlantis. Das Feuilleton beschränkt sich jeweilen auf gediegene Nachrufe, denn Nachrufe vermitteln so ein wohliges Gefühl von Unglücksmelancholie (fatalistisch). Auf Aufrufe, etwas zu unternehmen, verzichten die Zeitungen. Anlässlich der Berlinale wird jetzt aber allerorten laut verkündet, das Kino sei Kulturgut, sei ein Kulturort. Das sagte die Kulturstaatsministerin Monika Grütters, das sagte jetzt eben beim Empfang des FFF in der Berliner Niederlassung der Bayerischen Staatsregierung die Bayerische Digitalministerin Judith Gerlach. Nur, was soll Kino als ein Kulturgut, wenn es keine Räume mehr gibt, die Filme abzuspielen?

Dieser Aufruf zielt nun auf das Gabriel Filmtheater München an der Dachauerstraße. Die Zeitungen haben groß berichtet, dass es zum Verkauf stehe. Das Gabriel ist, wie es heißt, das am längsten durchgehend bespielte Filmtheater der Welt. Der überwiegende Teil der Pressevorführungen findet hier statt (besonders für Medienvertreter von außerhalb ist es durch die Nähe zum Bahnhof unkompliziert und schnell erreichbar). Es hat ein ansprechendes Programm fürs Publikum aus Blockbustern und Arthouse-Filmen (auch viele Filmleute lieben das Kino). Aktuell zeigt es The Mule, Glass und The Prodigy. Es ist ein Münchner Ort an einer Meile der Maxvorstadt, die immer mehr vom internationalen Tourismus in Beschlag genommen wird und statt des Kinos dürfte dort bald ein weiteres Hotel entstehen (oder ein Drogeriemarkt wie beim ehemaligen Eldorado).

Thomas Maiwald, der Betreiber von Moviewolf, hat nun eine Petition gestartet. Wäre super, wenn die/der eine oder andere diese noch unterzeichnen täte, um dem scheinbar schicksalshaften Vorgang wenigstens Diskussionsrelevanz zu verschaffen.

Zombies from Outer Space

Ich liebe es, wenn sich Amateure zusammentun und einen Film drehen. Das, was dabei rauskommt, kann garantiert nicht mit Hollywood konkurrieren, aber den Spaß, den sämtliche Teammitglieder hatten, der quillt aus jedem Frame.

Wer etwas ganz besonderes dieser Art erleben möchte, dem sei Zombies from Outer Space empfohlen. Diese schon vom Trailer her offensichtlich äußerst skurrile Mischung aus 50er-Jahre-Scifi, Horror und Heimatfilm verspricht mächtig Kurzweil im Kinosaal.

Rund um München gibt es nun drei exklusive Kino-Previews des Films, und zwar:

Wer seiner Partnerin oder seinem Partner eine schöne vorweihnachtliche Film-Überraschung bieten will, der dürfte hier richtig sein. Die offizielle Filmseite samt Trailer findet Ihr hier.

Wolfgang Längsfeld: 1937 – 2012

Wolfgang Längsfeld ist verstorben, so erfuhr ich vorhin über das Radio, als ich im Auto saß. Der langjährige Leiter der Spielfilmabteilung der Hochschule für Fernsehen und Film München wurde 74 Jahre alt.

Ich habe Herrn Längsfeld noch persönlich und im Amt erlebt, insbesondere, da ich mich an der Spielfilmabteilung der HFF München beworben habe, mehrfach.

Besonders bemerkenswert erscheint mir meine erste Bewerbung, damals, für das Wintersemester 1995 / 1996. Ich hatte im Jahr zuvor Abitur gemacht, meine Begeisterung für Film war gigantisch, meine Energie grenzenlos. Dass die Filmhochschule nur drei S-Bahn-Stationen von zuhause entfernt lag, schien ein Wink des Schicksals. Anstatt zur Uni zu gehen und mein Bio-und-Chemie-fürs-Lehramt-an-Gymnasien-und-vielleicht-auch-Diplom-Studium zu forcieren, trieb es mich immer wieder zur Filmhochschule. Per Aushang bot ich meine Hilfe bei Filmproduktionen an, zum Zwecke des Sammelns von Erfahrung in der Produktion und bei Dreharbeiten. Sogleich stand das Telefon nicht mehr still: Kostenlose Assis, die wurden von jedem Filmschulstudenten gerne angeheuert.

Meine erste Tätigkeit überhaupt war die allgemeine Hilfe bei einer TV-Show namens Quintessenz. Die gab es natürlich nicht im Fernsehen, aber in einem Studiengang war sie entwickelt worden, nun sollte eine Pilotfolge gedreht werden. Das kleine HFF-Studio (mir erschien es damals gigantisch, mit all der Technik, die da von der Decke hing!) war mit einer Deko ausgestattet worden, es gab Zuschauerbänke, Kandidatenstühle und so weiter. Später kamen dann noch einzelne Filmdrehs hinzu, so dass ich mich, als ich mich daran machte, meinen Studienplatz an der HFF zu erarbeiten, schon recht zuhause fühlte in der Hochschule.

Im Rahmen der Bewerbung überfiel ich die lokale Neubiberger Aral-Tankstelle für das Fotoshooting einer Schlüsselszene. Freunde aus der Schulzeit, die sich allesamt in der Theatergruppe semiprofessionelle Kenntnisse rund um den Kulturbetrieb angeeignet hatten, halfen mir, diesen Überfall fotografisch festzuhalten. Ich hatte einen großartigen Beleuchter (der  heute Teilhaber an einem größeren Unternehmen für Veranstaltungstechnik ist), einen großartigen Fotografen (der arbeitet heute in einem der Münchner Theater als leitender Bühnentechniker oder wie das heißt), mehrere technische Assistenten (einer von ihnen ist heute bei einem anderen Unternehmen für Veranstaltungstechnik, ein anderer war später selbst auf der Filmhochschule, wurde dann aber doch lieber Arzt), einige Freunde vor Ort, die mit diversen Hilfen aushalfen, vom Stellen des neuen väterlichen BMWs für die Aufnahmen bis zum Dokumentieren der ganzen Aktion auf Video. Mein Bruder half natürlich auch mit, und jede Menge Leute hatten von der Sache gehört und kamen einfach so vorbei.

Die Handlung der von mir für die Bewerbung ersonnenen Geschichte, aus der ich einen Ausschnitt als Fotoserie inszenierte, war relativ simpel: Ein Mann trifft die Frau seines Lebens, die ihm daraufhin auch noch ihre Nummer aufschreibt. Weil keiner einen Zettel dabei hat, schreibt sie ihm die Nummer auf einen 50-DM-Schein und geht. Der Mann trinkt vor Freude über sein Glück ein paar über den Durst und bezahlt schließlich unbedacht mit genau diesem Schein. Ab dem nächsten Morgen versucht er mit zunehmender Verzweiflung, diesen einen Schein aus dem Umlauf einzuholen, was schließlich in der Verzweiflungstat eines Banküberfalls mündet, allein zu dem Zweck, damit der Mann die 50er kontrollieren kann. Schließlich findet sich das Paar auch ohne den Schein wieder, denn als der Mann auch noch die Pferderennbahn überfallen will, findet er die Frau wieder: Sie ist die Ansagerin, den ganzen Renntag über hört er unbewusst ihre Stimme.

(Für die Fotos mussten wir die Tankstelle überfallen, denn die Bank wollte bei meinem Vorhaben nicht mitspielen. Bei der Tanke arbeitete ein Freund, und ich kannte den Inhaber über die Feuerwehr-Burschenverein-Connection ein wenig, daher ging das. Der Besitzer stellte uns sogar ein Bündel 50er.)

Für die Dokumentationsaufgabe machte ich eine Dokumentation (ebenfalls wieder nur eine Szene mit Fotos) über das Atelier Klex in Ismaning, wo Renée Birkner (damals mit künstlerischem Partner) so ziemlich als einziger in Deutschland noch große Kinoplakate für die Werbewände der Lichtspielhäuser von Hand malen. Bis heute sind diese Plakate zum Beispiel im Münchner City-Kino im Einsatz, natürlich stets zum aktuellen Film.

An die dritte Aufgabe erinnere ich mich nicht, sie war aus dem Produktionsbereich und hatte irgendwas mit der Kalkulation eines Außendrehs an einem See zu tun, wenn ich mich recht erinnere. Also eine Fleißaufgabe mit viel Recherche.

Als ich schließlich mit der Bewerbung fertig war und diese mit stolz geschwellter Brust bei der HFF abgab (natürlich auf den letzten Drücker, wie sich das so gehört), konnte ich die Antwort kaum erwarten. Tatsächlich, einige Wochen (oder Monate?) später kam die Antwort, ich sei in die zweite (und letzte) Auswahlrunde des Bewerbungsverfahrens eingeladen.

Am Tag X fand ich mich also in der HFF München wieder, aufgeregt bis nahe an der Hysterie. Immerhin ging es hier um meinen Lebenstraum und nicht weniger als den nächsten Stern am Mainstream-Kinohimmel, also mich.

Als ich endlich an die Reihe kam, wurde ich in einen der Vorlesungsräume gebeten, direkt neben den Tischen der Cafeteria auf der Galerie der HFF (einer ehemaligen Daunenkissenfabrik übrigens). Hier saßen mir vier oder fünf Leute gegenüber, nur zwei von ihnen kann ich heute noch namentlich nennen: Die Produzentin Uschi Reich und Wolfgang Längsfeld.

Beide kannte ich natürlich schon vorher, Frau Reich nur vom Sehen, und Herrn Längsfeld natürlich etwas besser wegen meiner Tätigkeiten bei HFF-Produktionen.

Als erstes sagte man mir, dass ich ja keine Beispiele eigener Arbeiten eingereicht hätte, warum denn nicht? Ich antwortete, dass ich zwar schon seit Jahren jede Menge gedreht und gefilmt habe, dies aber „nicht gut genug“ für diese Runde sei.

(Ich hätte die ganze Wahrheit sagen sollen: Ich hatte mich viel mehr für Tricks und Effekte interessiert als für dramaturgische Szenen. Ich hatte jede Menge Beispiele für Zeitraffer, Zeitlupe, Rückwärtsfilmen, Doppelbelichtung, Doppelbelichtung mit Maskierung (z.B. Typ geht hinter einem Baum vorbei und verschwindet dabei), Zeichentrick, Stop-Motion-Animation (die Einzelbilder habe ich mit Blitz beleuchtet und sogar die richtige Belichtung habe ich errechnet, ohne sie irgendwie messen zu können!!), sogar Rotoscoping hatte ich versucht (aber aufgegeben, weil mein Projektor nicht mitgespielt hat), alles in Super 8 und mit der elterlichen Braun-Nizo-Kamera von vor meiner Geburt und jeder Menge Zubehör, das ich mir vom Munde abgespart und auf Filmbörsen und Flohmärkten zusammengekauft hatte. Aber ich war viel zu bescheiden, um diese Dinge als ernsthaft nutzbar für die Bewerbung an der HFF zu halten, da es sich um keine erzählten Geschichten handelte.)

Später fragte mich der Längs (das war so ein Spitzname für ihn damals), was denn mein ganz persönlicher Filmgeschmack wäre. Ich wusste, dass diese Frage schwierig war, denn mein (damaliger) Geschmack war nicht das, was die HFF-Leute hören wollten. Ich hätte „bedeutungsschwangeres Drama rund um eine Behinderung“ oder so antworten sollen, aber musste natürlich wieder mit dem Kopf durch die Wand. Also sagte ich: „Fantasy und Science Fiction sind meine Lieblingsgenres, die Star Wars-Trilogie meine Lieblingsfilme. Ich weiß, das ist nicht das, was üblicherweise in Deutschland gedreht wird, aber ich bin überzeugt, dass es auch hier einen gewissen Markt dafür gibt.“ Dem half, dass Roland Emmerich gerade Stargate gemacht hatte, also wurde genickt und notiert.

Dann lehnte sich Herr Längsfeld in seinem Stuhl zurück, führte seinen Kugelschreiber nachdenklich zum Mund und blickte mich an: „Nehmen wir mal an, ich wäre Ihr Produzent, und wir hätten 5 Millionen DM. Was für einen Fantasyfilm würden wir dann drehen?“ Meine Antwort, ein klassischer Beweis dafür, dass bei mir das Mundwerk oft schneller arbeitet als das Gehirn, lautete: „Mit fünf Millionen? Gar nichts. Das reicht nicht für ordentliche Effekte“.

Da war er aber angepisst, der Längs. Und die anderen runzelten auch schon die Stirn. Ich rang um Fassung. Das Problem war, dass drüben in Hollywood gerade Titanic in der Mache war, und die Nachricht, dass dies der erste Film überhaupt sei, der die magische 100-Millionen-Dollar-Schwelle an Produktionskosten überschreiten würde, hatte kurz zuvor in der Filmwelt schon ziemliche Wellen geschlagen. Offenbar hielten sie mich für größenwahnsinnig. Aber mal ehrlich, was kann man denn bitte im Fantasybereich mit 5 Mio DM anfangen? Da bekommt man vielleicht gerade mal einen Yeti und einen Dreh in der Tundra.

„Gut, vergessen wir das Geld, was drehen wir für einen Fantasyfilm?“, hakte er nach. Ich wurde nervös. Ich wusste nicht, was für einen Fantasyfilm wir plötzlich drehen sollten, zumal er offensichtlich auch noch billig sein musste. Auf die damals noch lange nicht existente Verfilmung aus dem D&D-Universum ging ich nicht ein, denn es wäre viel zu kompliziert und nerdig gewesen, auch noch die Rollenspiele zu erklären. Mein Gehirn war blank. Schließlich zog ich eine Idee für einen Film aus dem Hut, den wir schon zur Schulzeit hatten drehen wollen, und zwar die völlig überdrehte und ins groteske verzerrte Slapstick-Komödie um einen Mannbarkeitsritus zweier Freunde eines Steinzeitstammes. Was halt so rauskommt, wenn man als 15-jähriger mit Schulfreunden und ohne Aufsicht, dafür aber mit Limo und Chips ein Drehbuch schreibt, und man dabei allein von der Tatsache ausgegangen war, dass man in bequemer Entfernung eine aufgelassene Kiesgrube zur Hand hat, die eine schöne Fantasy-Umgebung liefern könnte. Leicht zu drehen also. Mein Pitch ging gnadenlos in die Hose, aber ich rettete mich damit, dass ich nachreichte, dass ich auf diese Frage nicht vorbereitet sei und man durchaus ansprechende Stoffe entwickeln könne, genug Inspiration gäbe es ja dank unserer Märchen und Sagen hier im Land.

„Und was ist Ihr Traumprojekt? Welchen Film möchten Sie einmal drehen?“ wollte er wissen. Wieder so eine Frage. Nicht so einfach. Mein Traumprojekt war klar, ebenso klar war, dass das meinen Größenwahn endgültig offenlegen würde. Aber was soll’s, jetzt die Karten auf den Tisch und ehrlich sein, das ist sicher besser als wieder irgendwas aus dem Hut ziehen. Ich antwortete „Also, mein absolut größter Traum, und das bitte ich Sie nicht falsch zu verstehen, mein größter Traum zu verfilmen, das ist aber nur was für später im Leben, wenn man wirklich versiert und fähig ist und wenn auch die Spezialeffekte viel besser sind, wenn ich also auf lange Berufsjahre als Regisseur zurückblicke, zurückblicken würde, meine Utopie also, die wäre es ––– den Herrn der Ringe zu verfilmen.“ Sprachlosigkeit in der Runde. Der Herr der Ringe galt damals als unverfilmbar, viel zu gigantisch, nicht zu machen. Die Zeichentrick-Version von Ralph Bakshi hatte gezeigt, welchen Aufwand man mit einem Realfilm treiben müsste, ganz und gar unmöglich. Das ließ man mich auch wissen. Ich dachte an Das Gewand, Ben Hur, Spartacus, Lawrence von Arabien, Reise nach Indien, Planet der Affen, Star Wars, E.T. und Indiana Jones, alles ganz große Produktionen, und kratzte meinen Mut zusammen, denn zurückrudern wollte ich jetzt auch nicht. Ich spielte mein letztes Argument aus: „Natürlich müsste man weltweit drehen, die richtigen Landschaften finden, aber auch günstigere Produktionsbedingungen als hier oder in den USA. Man kann den Stoff natürlich nicht in einen Film pressen, hier müsste man wahrscheinlich drei Filme drehen, so wie die Geschichte in drei Bände (eigentlich sind es ja sechs Bücher) geteilt ist. Ich schätze, man würde hier mit einem Aufwand von 200 Millionen Dollar rechnen müssen.“

Nunja, wie das Interview ab hier weiterging, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, man hat mich nicht angenommen an der Münchner Filmhochschule. Auch nicht in Ludwigsburg, Berlin, Potsdam-Babelsberg, Köln, Hamburg oder Wien. Ich habe es fünf Jahre lang probiert, mich mehrfach beworben, wo ich nur konnte. Jedesmal mit aufwendigen Bewerbungsmappen, teilweise mit wiederverwendeten Ideen. Bei meiner zweiten Bewerbung in München kam ich nichtmal mehr in die Endrunde, aber später gestattete man mir, mich als Gasthörer einzuschreiben. Diesen gewährte man üblicherweise nach zwei Semestern einen dritten Bewerbungsversuch, was eine Ausnahme zur Regel darstellte.

Das Jahr meiner Gasthörerschaft öffnete mir die Augen. Wie es manche der Kommilitonen auf die HFF geschafft hatten, war mir völlig schleierhaft. Da waren Leute dabei, die so von sich und irgendeiner Vision überzeugt waren, dass sie es nicht für nötig erachteten, sich für technische Aspekte des Filmemachens überhaupt zu interessieren, geschweige denn, sich damit vor einer Bewerbung zu befassen. Man mag jetzt argumentieren, dass das dann eben geborene Erzähler seien und die Technik ihnen zuzuarbeiten habe. Aber ich habe jedenfalls nie verstanden, wie solch seltsame Leute, die das Filmemachen nicht als Handwerk begreifen, sondern, offenbar in ganz eigenen künstlerischen Sphären schwebend, gänzlich unbeleckt von Zweifeln im Selbstwertgefühl oder auch von Vorkenntnissen zu Meilensteine der Filmgeschichte, nur in menschlichen Dramen denkend, diese durch „film das mal, und jetzt das hier“ auf die Leinwand zu bringen gedenken. Doch diese Leute waren problemlos angenommen worden, teilweise sogar schon beim ersten Versuch (was als unmöglich galt). Auch bekam ich mit, dass Talent scheinbar dominant vererbt wird, denn der Nachwuchs etablierter Filmschaffender hatte beim Bewerben tendenziell eher selten mit einer Ablehnung zu rechnen. Auch tauchten plötzlich Studenten aus der Mongolei in der Filmhochschule auf, nachdem einer der Professoren dort Urlaub gemacht hatte. Doch es gab natürlich auch brillante Köpfe, die es völlig zu Recht auf die Schule geschafft hatten. Nicht wenige von ihnen sind heute etablierte Regisseure, aber ich will hier kein Namedropping veranstalten.

Ich weiß natürlich nicht wirklich, welche Hürden die anderen Studenten zu nehmen hatten, bevor sie zum Studium zugelassen wurden. Aber dass man mir diese Chance nicht geben wollte, traf mich sehr. Ich beneidete die anderen Studenten um ihre Studienplätze, ärgerte mich, wenn sie Freitags die Filmgeschichte (Vorführungen von Klassikern im HFF-Kino mit Erläuterungen, was will man mehr?) schwänzten oder auch die absolut gigantisch-geniale Technik-Vorlesungsreihe von Prof. Müller (eine Koryphäe, er hatte das Farbfernsehen in der DDR eingeführt und war später durch einen selbstgegrabenen Tunnel nach West-Berlin geflohen). Ich war tief getroffen, als ein Freund von mir sich eher lustlos und aus Zeitvertreib ebenfalls an der HFF bewarb und gleich genommen wurde. Und ich, der den ach so unverfilmbaren Herrn der Ringe zwei Jahre vor den ersten Gerüchten sozusagen auf die Million genau prognostiziert hatte, der sein Leben lang Filmemacher werden wollte, der Film atmet und liebt wie kaum eine andere Kunst, war vergessen und wurde auch beim dritten Versuch nicht genommen. Da war ich dann schon eher weniger gut zu sprechen auf den Herrn Längsfeld.

Ich schob die Schuld natürlich auf die Frauen, denn als völlig ungeküsste Jungfer war ich damals natürlich auch nicht gerade die Ausgeburt des Selbstbewußtseins im Auftreten. Rückblickend gesehen war ich völlig unreif, ein filmverrücktes Kasperle, zu früh an die Hochschule getreten und hatte mich vorgestellt. Ich hätte etwas abwarten sollen, vielleicht doch ein anderes Studium vorziehen sollen. Jetzt wäre ich langsam soweit, aber mit 38 bin ich weit jenseits der Bewerbungskriterien, außerdem habe ich keinen Bock mehr, mich mit stylischen Machertypen durch die Mühle drehen zu lassen und dann deutsches, gefördertes Kino zu machen. Das überlasse ich jungen, sexuell erfolgreicheren Leuten, die eine gesunde Beziehung zu ihrem Selbstwert haben und Ellenbogen, somit auch ein gutes Standing gegenüber einem Team oder einem Auswahlkomittee, und eine Vision, was auch immer das genau sein mag. Und den Willen, sich auch einmal gegen andere durchzusetzen, ein Verhalten, das mir völlig fremd ist.

Wolfgang Längsfeld werde ich jedenfalls nie vergessen. Wir hatten unsere Begegnung, wir haben nicht wirklich zueinander gepasst, und er saß am längeren Hebel. Fair enough. Vielleicht hat er uns allen ja einen Gefallen getan, indem er mich nicht hinter eine Kamera gelassen hat. Oder er war mein Fürsprecher und die anderen im Komitee waren gegen mich? Ich werde es nie erfahren.

Ein Todesfall ist immer tragisch, daher trauere ich mit vollem Mitgefühl mit den anderen um diesen großen Mann, der so viel Einfluss auf Generationen von Münchner Filmhochschülern hatte.

Neu in München: Premiumkino astor@Cinema Lounge

Das Hotel Bayerischer Hof am Promenadeplatz ist seit jeher ein bevorzugter Ort für die Veranstaltung von Pressejunkets aller Art, so eben auch für alles rund ums Kino. Beruflich treibe ich mich also auch seit Jahren immer wieder in dieser noblen Herberge herum, hier habe ich Buzz Aldrin interviewt und viele Schauspieler, Regisseure und Produzenten getroffen.

Nun eröffnet morgen (15.9.) mit der astor@Cinema Lounge im Bayerischen Hof ein „Premiumkino“. Das Gemeinschaftsprojekt von Innegrit Volkhardt vom Bayerischen Hof und Kino-Mogul Hans-Joachim Flebbe verspricht „ein Kinovergnügen in neuer Qualität“. Die 38 Zuschauer nehmen auf „bequemen Loungesofas“ Platz, Beistelltische „aus edlen Hölzern“ bieten Platz für Getränke, Snacks. Zusätzlich punkten Tiefgarage, Garderobe und Service am Platz. An Kinotagen sind vier Vorstellungen geplant, „Daytime“ am frühen Nachmittag, „Evening“ am frühen Abend, „Prime Time“ und „Late Night“, außerdem soll es an Sonntagen Matinées geben. Der Eintritt für das Kino allein wird zwischen 15 und 18 Euro betragen, auf der Webseite des Kinos kann man Karte und Sitzplatz reservieren.

Ich hege ja schon lang den Traum eines bequemen Kinos mit Verzehr und Kellner, sozusagen „Dinner and a Movie“ in einem. Allerdings dachte ich dabei nicht an edle Hölzer, die man im Dunkeln ohnehin nicht bewundern kann, und auch nicht an derart saftige Preise. Sofas sind immer eine gute Idee, und die Coffeeshops machen vor, dass man sehr wohl Sofas in der Gastronomie benutzen kann, ohne ständig Polster reinigen zu müssen.

Generell finde ich die Idee so eines Bequem-Kinos sehr gelungen, was mir ein wenig missfällt, ist das offensichtliche Abzielen allein auf Premium-Kunden, sprich, Geldige, die sich so ihr quasi-privates Kino leisten und sich nicht mehr mit uns in die Reihen quetschen müssen. Denn Tiefgarage im Bayerischen Hof (es ist sowieso nackter Wahnsinn, mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren), Garderobe, Snacks, Wein, Champagner oder Cocktails und „hausgemachtes Popcorn“ kommen zum Eintrittspreis noch dazu. Ich schätze, unter € 30 pro Person kommt man hier jedenfalls nicht zu einem zünftigen Kinobesuch.

Auch der sperrige Name ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, zumal das @, welches engl. „at“ gesprochen wird tatsächlich „zu“, „bei“ bedeutet, hierzulande schon lange unachtsam in irgendwelche Neologismen eingebaut wird, von „Intern@t“ für „Internet“ (statt „Internat“) bis „Freie Wähler Neubiberg@Unterbiberg – FW.N@U“ (was immer das auch bedeuten mag). Es ist eigentlich ein Kürzel aus dem Kaufmännischen und bedeutet „zu“, also z.B. 30 Stück zu je 10 Euro: 30@€10. In der Email verbindet es den Anschluss mit der Domain, also z.B. Mitarbeiter „bei“ Firma. Im Sprachgebrauch kann es meines Erachtens nur in dieser Form verwendet werden, und als Gag nur Laute ersetzen, die wie „at“ oder ganz ähnlich klingen. @omstrom wäre zum Beispiel möglich, oder f@creme, Heim@ ebenso. Heim@t dahingegen wäre wiederum falsch (Heim-at-t), obwohl es sich besser liest. Österreich hat Glück, die können ihr Landeskürzel einfach als @ angeben. Doch zurück zum Kino: „Geh‘ ma ins Mathäser oder ins astor@Cinema Lounge?“ zeigt doch schon eindeutig, dass der Name zu lang ist.

Bis ich meinen persönlichen Traum einer „Schwemme mit Kino“ umsetzen kann (inklusive verschiedener rückwandiger Glaskabinen mit Whirlpool, für Schwätzer und vielleicht noch für notorische Raucher), oder mir den Besuch im a@CL leisten kann, gehe ich gern weiterhin ins Ottobrunner Kino. Denn dort gibt es ein Bord für Getränke und Snacks in jeder Reihe (mit Licht!), eine Bar im Saal (!) mit Service und bequemen Barstühlen, und sogar einen trapezförmigen Stammtisch mit Leinwandblick für alle Plätze. Und der Eintritt kostet € 7, am Dienstag sogar nur € 4,50. Gerne bin ich aber bereit, das a@CL im Rahmen einer Pressevorführung einmal persönlich probezufahren.

Kritlover

Es ist schon erstaunlich, was man heute so alles für so gut wie kein Geld machen kann. Musste ich für ein Bewerbungsvideo für die Filmhochschule vor 15 Jahren noch einen Schnittplatz (S-VHS) mieten, hat man an Studioequipment heute alles auf dem Rechner, was früher an analogem Equipment sechsstellige Summen verschlungen hätte. Und das obendrein auch noch in besserer Qualität. Eine typische Long-Tail-Situation für die Hersteller der heutigen Hard- und Software: Mehr Units verkaufen können, dafür aber weniger Geld pro Unit verlangen dürfen. Der Vorteil: Mehr Output in allen Qualitätsstufen. Heute: Kritlover. Kritlover weiterlesen

Copacabana Mon Amour (Filmfest München)

Kann man einer verrückten Stadt wie Rio eine verrücktere Liebeserklärung machen als mit einem Trio aus durchgeknallten Figuren, die ihren Ursprung über Afrika und Dschingis Khan bis Abraham zurückleiten, die ihre Stadt lieben und an ihr, der Sonne, der Armut, den Favelas schier verzweifeln wie DADA, der Göttin im knallroten Kleid und wassserstoffblond, puppengesichtig, ihr Bruder, der Idiot, der mit einem Leintuch überm Kopf oder mit zerrissenen Hemden oder löchrigem Schirm durch die Favelas geistert oder sich im Sandstrand wälzt und mit Kerzen die Haare seiner Unterarme abbrennt und dem Gauner mit der Baskenmütze und dem Stilett, der die Amerikaner um Geld anhaut. Zu schweigen von Dr. Cricket, den am Ende sowohl der Idiot als auch DADA vernaschen. – Das war wohl nur 1970 möglich – und die vielen Käfer von VW!