Archiv der Kategorie: Kurzfilm

Drei Kurzfilmpreziosen aus bayerischen Landen

Zu kulturell-demokratisch düsteren Coronazeiten mit Kinoverbot passen ganz gut düstere Erzählungen aus dem Bayerischen Wald, von lange her oder neuere. 

Philipp Wagner aus Passau hat eine Trilogie solcher Geschichten nicht ohne Schalk im Nacken verfilmt und im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht – wobei deutsche oder gar englische Untertitel für Anklicker aus der weiteren Umgebung hilfreich wären. Die Filme sind jedoch angenehm dialogarm und die wunderbare niederbayerische Erzählstimme bildet eine tragende Klangwolke wie aus dunklen Tiefen. 

ARME SEELE gleich Fegefeuer. Arme Seelen sind Wiedergänger, die in den Rauhnächten zurückkehren als Erlöser vom Leiden.

Die Idee für FINSTERE AU enststammt Johann Dachs‘ „Wahre Geschichten von Wilderei und Fürstenmord“, eine Wilderergeschichte. 

S‘ LICHTL ist ein Vorkommnis „nach einer wahren Begebenheit“ aus dem Buch „wenn’s weihrazt“ von Karlz-Heinz Reimeier. 

Protagonisten sind Barbara Dorsch (demnächst mit einem Gastauftritt im heiß erwarteten „Kaiserschmarrndrama“), Klaus Stiglmeier, Veronika-Marie von Quast, Johannes Weikl, Vanessa Calvano und Eva Wagner. 

Oscar Shorts 2020

über OSCAR SHORTS 2020

Abwechslung für den Kinogänger

In ausgewählten Kinos werden ab heute die dieses Jahr für den Oscar nominierten Kurzfilme in zwei Kategorien gezeigt, fiktionale und Animationsfilme. 

Fiktion

Um schwesterliche Nähe geht es in EINE SCHWESTER von Delphine Gerard. Eine nächtliche Autofahrt und ein Telephonat mit der Notrufzentrale werfen einen surrealen Blick auf disparate menschliche Verhältnisse. Flucht schafft besondere Nähe bei Meryam Joobeurs Film BRUDERSCHAFT. Nebst einem markanten Cast wird auch das Thema IS virulent. 

Aus nachbarschaftlicher Nähe zieht Marshall Curry in DAS FENSTER DER NACHBARN beinah so viel Spannung wie Hitchock in seinem „Fenster zum Hof“, wobei es doch um viele banalere Dinge bei einem Paar und einer Familie geht. Knast schafft besondere Nähe unter den Mädels im Frauenknast in Guatemala. Brian Buckley nutzt in SARIA einen realen Ausbruchsversuch in Guatemala von 2017 um zu zeigen, wie aufregend er so eine Geschichte erzählen kann, ohne das zarte Pflänzchen Liebe zu übersehen. 

Beim fünften und letzten Kurzfilmoscarkandidaten FUSSBALLCLUB NEFTA von Yves Piat darf herzhaft gelacht werden über eine Gaunerkomödie, die im Grenzgebiet von Tunesien und Algerien angesiedelt ist und in der ein Esel gerne „Adel“ hört. 

Animation

An der Oberfläche des Kopfes, bei den Haaren, bei einem Wust von Haaren eines kleinen Mädchens, bleiben die Regisseure Matthew A Cherry, Everett Downing Jr. und Bruce W. Smith nach dem Drehbuch von Matthew A. Cherry hängen und schauen in HAIR LOVE, was sich damit so animieren lässt, nicht ohne Niedlichkeitsfaktor. In bester tschechischer Puppenanimationstradition mit hochkünstlerischen Figuren (Pappmaché oder Ähnliches) in poetisch einfachen Interieurs lässt Daria Kashcheeva in DAUGHTER ein Mädchen Metamorphosen durchleben (der Vogel, der ins Fenster fliegt) und Erfahrungen mit dem Alleinsein, dem Tod, dem Verlassenwerden machen. 

Siqui Song erinnert in SISTER an Chinas Einkindpolitik von 1980 – 2015 und erfindet sich mit seiner amerikanisch-chinesischen Stoffpuppenanimation die vier Jahre jüngere Schwester selber, die er nie hatte – aber sie hätten sich wohl auch viel gestritten. 

Mit den Auswüchsen einer Ehe als absurd-groteskem Puppenbühnentheater MEMORABLE bewirbt Bruno Collet aus Frankreich sich um den Kurzfilm-Oscar; ob das Gremium genügend Fantasie zum Schätzen eines solchen Animationsjuwels hat? 

Rosana Sullivan zeichnet in KITBULL die Rühr-Geschichte von einem kleinen schwarzen Kätzchen und einem weißen, furchterregenden Pitbull, die sich anfangs in einem menschlichen Hinterhof gar nicht grün sind. 

Ein verwachsener Rücken und rote Haare sind Handicap und Antrieb zugleich für HENRIETTA BULKOWSKI; Rachel Johnson lässt sie als bezaubernd animierte Puppe ein verwegenes Ziel in malerischer Müllhalde fassen und eine andere einsame Seele finden. 

Carol Freeman schmeichelt dem Auge mit der aquarellhaften Meeres-Abenteuer-Animation THE BIRD AND THE WHALE, die von einem Wal und einem goldenen Vogel in einem Käfig erzählt. 

Zum Abschluss unterhalten Loris Cavalie, Camille Jalabert, Oscar Malet und Léo Brunel in HORS PISTE mit einer quietschbunten, nichtsdestotrotz schwarzhumorigen Skirettungs-Actionanimation, die erheblich am Sicherheitsdenken nagt. Die Zugabe stammt von Illogic mit der tierweltanimierten Opernchorparodie MAESTRO. 

Pantallalatina in St. Gallen – Schweiz (Mittwoch, 21. November – Sonntag, 25. November 2018)

Klein aber oho!

Am Mittwoch eröffnet zum 10. Mal das Filmfestival Pantallalatina in St. Gallen, dem einladenden Universitätsort in der Schweiz. Eines der charmantesten Filmfestivals.

Die Filme
MI OBRA MAESTRA
Argentinien.
Kunsthändler und Maler im kreativen Clinch.

CONDUCTA
Kuba.
Elfjähriger muss ganze Familie versorgen.

LA JAULA DE ORO
Mexiko.
Der Traum von Amerika und die Realität für drei Teens.

LIQUID TRUTH
Brasilien.
Wie flüchtig die Wahrheit in Zeiten moderner Kommunikationsmittel ist – am Beispiel erfundenen Missbrauchs.

EL SILENCIO DEL VIENTO
Puerto Rico / Dominikanische Republik.
Schlepperdrama.

RELATOS SALVAJES
Argentinien.
Episodenfilm zum Thema Revenge.

IXCANUL
Guatemala.
Fluchtträume einer 17-Jährigen.

TEATRO DE GUERRA
Argentinien.
Falklandkriegsaufarbeitungs-Doku.

UNA MUJER FANTASTICA
Chile.
Großartiges Frauenporträt,
siehe Review von stefe

ANINA
Uruguay/Kolumbien.
Nomen-Omen-Palindrom-Animation.

EL LUGAR MAS PEQUENO
Mexiko.
Erinnerungsdoku.

EL ABRAZO DE LA SERPIENTE
Kolumbien.
Einzigartige Ethnoreise den Amazonas hinauf,
siehe Review von stefe

LAS HEREDERAS
Paraguay/Uruguay/Brasilien.
Schicksalskampf. Preisgekrönt auf der Berlinale.
Siehe auch die Review von stefe.

COMPRAME UN REVOLVER
Mexiko/Kolumbien.
Mädchen muss sich in korruptem Drogenmilieu durchsetzen.

NO
Chile.
Spannendes Historiendrama. Über die Kampagne gegen die Pinochet-Wahl.
Siehe Review von stefe

KURZFILMBLOCK I
Kurzfilme aus Peru, Argentinien, der Dominikanischen Republik, Mexiko, Kolumbien, Panama
zu den Themen: Transgender und Selbstverteidigung, das Geheimnis einer 60-jährigen Ehe, ein Doppelleben, Road-Trip gegen Beziehungskrise, ein Vater im Gefängnis, Präsidentschaftswahlrhethorik in Panama, Miniatur von einem Mann vor dem Nachtessen.

KURZFILMBLOCK II
Kurzfilme aus Argentinien, Brasilien, Chile, Guatemala, Mexiko, Kolumbien
zu den Themen: Beziehungsende, Dichterwunsch, Lynchmob, Zwang zu frühem Erwachsenwerden, Evolutionsfantasie, auf sich selbst gestellter Bub.

KURZFILMBLOCK III
Kuba, Argentinien, Guatemala, Brasilien, Chile, Mexiko
zu den Themen: Tattoo und Revolution, Ruhmgier, Kinderkampf unter Indigenen, Essay zu einer Sportübetragung, Belästigung am Arbeitsplatz, unerwünschte Schwangerschaft.

Die Kurzfilme setzen sich einem Publikumswettbewerb aus mit einem Preis für den Gewinnerfilm und einem ausgelosten Preis für das Publikum.
Außerdem bietet das Festival ein ansprechendes Rahmenprogramm.
Mehr und Details unter Pantallalatina.

Pantalla Latina 2017, St. Gallen, die Kurzfilme

Hier sind die Links zu den Reviews der Filme aus dem Kurzfilmwettbewerb an der Pantalla Latina in St. Gallen.
Das Publikum hat Corp zum Sieger gekürt.

A
Wer oft A sagt, kommt nicht immer dazu, B zu sagen.

AL SILENCIO
Ein Mann geht seinen Weg. Er trägt eine Last.

CON SANA ALEGRIA
Pflege der Oma muss in Kuba die Lebensfreude nicht dämpfen.

CORP
Eigenes Fenster schützt nicht vor der Maschinerei des Geldverdienens.

ENCARNACION
Postmassacker-Ttraumatisierung eines Täters.

GENARO
Genaro liefert die Leichen von Opfern der Paramilitärs den Hinterbliebenen aus.

LUPUS
Die Haut der Erde, die Haut des Menschen und der Wolf im Hund.

LOS AERONAUTAS
Überleben und sich verteidigen in arider Animationsgegend.

ONION
Die Zwiebel ist das neue Om.

PARTIR
Ein langer Weg zu einem kurzen Blick.

PEQUENO MANIFIESTO CONTRA EL CINE SOLEMNE
In die Quatschmaschine mit den eheren Regeln des Filmemachens.

REO
Schweirig, sich nach dem Knast in einer fremden Welt sich zurechtzufinden.

TODOS BAILABAN
Mobbing kann einen wahren Tänzer nicht umwerfen.

VERDE
Die Blase, in der Security-Personal von Realitätsschwund heimgesucht wird.

Verde (Kurzfilm, Pantalla Latina)

Die erklärte Intention des Filmemachers Alonso Ruiz Palacios ist laut Festivalpräsentation das Porträt von Ariel.

Ariel ist ein Geldtransportfahrer, seine Frau ist schwanger.

Während seine Kollegen den gepanzerten Geldtransporter zur Ausführung eines Auftrags verlassen, studiert Ariel hinterm Steuer Ultraschallbilder seines ungeborenen Kindes. Ein Systemausfall lässt ihn die Möglichkeit eines Geldraubes erwägen.

Faktisch jedoch schildert Palacios gänsehauterregend die Blase, in die solche Security-Leute hineinsinken, die Isolation, die sie in ihrer Waffen- und Panzerwagenwelt weltfremd und wirklichkeitsabgehoben inhuman werden lässt, den über sie hereinbrechenden Realitätsverlust, der zu fürchterlichen Exzessen in undemokratischen Systemen führen kann und auch in Lateinamerika vielfach geführt hat; da zeugen nicht zuletzt die vielen Aufarbeitungsfilme davon. Insofern kann dieser Film als ein Mosaikstein im wichtigen Genre der Diktaturaufarbeitungsfilme gesehen werden.

Todos Bailaban (Kurzfilm, Pantalla Latina)

Ein Plakativ- oder Appellativfilm zum Thema Mobbing von Jurek Jablonicky Pineda aus Honduras.

Fernando (Cristhian Lazo) ist ein wunderbar tänzerischer junger Mann. Mit der fließender Bewegung eines schnellen Ganges saugt er sich gleich in das Auge des Betrachters. Er trabt lange in harmonisch-leichten Bewegungen auf dem Weg zur Schule.

Kurz davor setzt er sich und tauscht sein Tanz-Schuhwerk gegen gewöhnliche Straßenschuhe, wie sie zu seiner Schuluniform passen. Er nähert sich dem Eingang.

Von den Mitschülern wird er sofort und unisono gemobbt, mit blöden Sprüchen überzogen. Klar, wer Tänzer ist, ist sowieso eine Schwuchtel.

Das Einzige, was der Lehrer tun kann, ist, ihm zu raten, sich zu wehren.

In kinostenographischer Kurzschrift schneidet Pineda jetzt, wenn es der Lehrer schon nicht richten kann, ausgestellte Mobbingszenen mit vollkommenen, in sich gekehrten Tanzszenen von Fernando in der Turnhalle in betörendem, leicht nebeligem Gegenlicht. Tanzzauber gegen Mobber.

Reo (Kurzfilm, Pantalla Latina)

Resozialisierung?

Nach einem längeren Gefängnisaufenthalt in der bürgerlichen Welt wieder an- und unterzukommen ist ein schwierig Ding.

Nicht leichter wird es, wenn man darnach als Tagelöhner versucht, sich durchzuschlagen.

Und auch nicht leichter wird es, wenn Manuel, der in diesem Film von Mauricio Corco Espinoza aus Chile die Hauptrolle spielt, bei einem Stricher unterkommt.

Und auch nicht leichter ist es, wenn so einer nach seiner ihm kaum bekannten Tochter sucht, die auch schon 27 Jahre alt ist und ein Kind hat.

Pequeno Manifiesto contra el Cine Solemne (Kurzfilm, Pantalla Latina)

Repetitions- und gleichzeitig Befreiungs (oder auch Verinnerlichungs?)übung von Roberto Porta aus Argentinien.

Abwerfen der Fesseln der Kinoregeln, die an einer Filmschule gelehrt werden. Die Vorschriften humorvoll übertreiben oder sie ins Gegenteil verkehren, um zu zeigen, dass man sie längst kapiert hat (halten die uns Studenten für blöd?).

Miniatur oder eine lateinamerikanische Minivariante zum Film „Manifesto“, der bei uns bald ins Kino kommt. Denn nur wer die Gesetze über das Filmemachen reflektiert, wird sie smart anwenden können, ohne dass sie noch als Regeln erkennbar wären.

Bombardiert das Regelsystem, treibt es auf die Spitze!

Partir (Kurzfilm, Pantalla Latina)

Die Wüste ist der Ursprung des Wortes und vielleicht auch des Kinobildes. Die Wüste lässt Raum für Träume und Assoziationen. Die Wüste ist der Leinwand Leere und Fülle zugleich.

Figuren in die Wüste stellen, heißt, sie einem extremen Seinszusammenhang auszusetzen.

Maria Gracia Saavedra aus Venezuela lässt Rita (Haydee Faverola) mit zwei anderen Frauen auf dem offenen Gepäckraum in einem alten Amischlitten lange durch die Wüste fahren. Ein Weg von links nach rechts.

Diese Fahrt bemisst den Spielraum der Liebe von Rita, die in der Stadt (einige Häuser) ihren Mann sehen möchte, der sie verlassen hat. Die Blicke, die die beiden tauschen, müssen die Wüstenfahrt aufwiegen.

Onion (Kurzfilm, Pantalla Latina)

Hier wird die Onion, die Zwiebel, zum alternativen Om, was gleich zu verstehen gibt, dass Juan Pablo Zaamella aus Argentinien seine kleine Fingerübug in Kinospielereien nicht todernst angeht.

Seine Protagonistin Jessica (Paloma Contreras) wird von ihrem Macker in PS-starker Sportwagen-Fahrt mit durchgetretenem Gaspedal und Brumm-Brumm zum Zodiac-Yoga gefahren.

Die Kamera lässt sich davon nicht blenden und ergeht sich lustvoll in allerlei Extravaganzen; vergnügt sich im Experimentalmodus.

Astral Emotion und Knetfiguren sind nicht die einzigen weiteren Zutaten zu dieser cineastischen Kurzweiligkeit.