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Wieder eine PV am Tag vor dem Start

Am heutigen Freitag vormittag erhielt ich die Einladung zur Pressevorführung von Fantastic Four: Rise of the Silver Surfer, die am Montag gleich als erstes stattfindet. Der Film läuft dann regulär am Tag darauf an, in diesem Fall also ausnahmsweise Dienstag.

Nicht nur ich habe darüber heute den Kopf geschüttelt. Was hat der Verleih davon, uns Journalisten den Film überhaupt noch zu zeigen? Wer berichtet denn dann noch ernsthaft, wenn man den Film erst am Tag vorher zu sehen bekommt? Für Freie ohne feste Abnehmer ist es de facto völlig unmöglich, in dieser kurzen Zeit noch einen Text zu schreiben und zu verkaufen (bösen Geistern könnte das Wörtchen Diskriminierung vorschweben), und festangestellte Redakteure werden sich aller Wahrscheinlichkeit eher ärgern als freuen: Statt daß sie den Film in aller Ruhe in ihrer Publikation unterbringen können, wissen sie schon vor der Vorführung, daß es nach der Vorführung unheimlich hektisch werden wird am Arbeitsplatz. Sollten an diesem Tag womöglich noch andere Filme gesehen werden müssen, kann das echt heiter werden.

Und tatsächlich folgen am kommenden Montag noch zwei weitere Pressevorführungen, eine vierte wurde sogar parallel zu den Fantastic Four in einem anderen Kino angesetzt, bravo.

Ein Redakteur, der die anderen Termine auch wahrnehmen muß, kommt am Montag also erst gegen 18 Uhr aus dem Kino und kann dann erst anfangen zu arbeiten.

Es ist übrigens keine Entschuldigung, daß die Kopie irgendwie nicht früher verfügbar gewesen wäre: Die FSK hat den Film bereits am 9. Juli ab 12 freigegeben, zur Prüfung lag er ihnen offenbar schon am 3. Juli vor. Auch startet der Film nicht weltweit gleichzeitig (wie es meist der Fall ist bei Extrawurst-Startterminen, die eben nicht auf den Donnerstag fallen) und müßte davor behütet werden wie der eigene Augapfel: In Bahrain, Ägypten, Kuweit, Oman, Indonesien, Jamaica, den Philippinen sowie Trinidad und Tobago läuft der Streifen immerhin seit dem 13. Juni ganz normal im Kino.

Selbst unsere (mehr oder weniger direkten) Nachbarländer haben ihn schon längst zu Gesicht bekommen: Dänemark, Estland, Italien, Polen, Rumänien und England (15. Juni – wie übrigens auch die USA), der Rest der Welt schließt auf. Nach Deutschland und Südkorea folgen in der Startübersicht nur noch vergleichsweise wenige Länder. Den Abschluß bildet Japan mit seinem weit abgeschlagenen Starttermin am 29. September.

Es ist meines Erachtens also keine legitime Begründung, daß es schlichtweg nicht früher möglich gewesen wäre, der Presse den Film früher zu zeigen:

  • Man hätte ja zum Beispiel die FSK-Kopie verwenden können.
  • Auch bin ich sicher, daß das Synchronstudio seine Kopie nicht täglich braucht, dort kann man ja auch mit Video arbeiten. (Ein weiteres Indiz dafür ist übrigens, daß heutige Synchronisationen meist haarsträubend sparsam und offensichtlich flüchtig hingehudelt sind.)
  • Ebenfalls hätte man ja vielleicht eine aus Kuweit oder von den Philippinen herschicken können, wo man nach vier oder fünf Wochen sicherlich langsam eine Kopie entbehren hätte können.
  • Oder man hätte uns den Film per digitaler Projektion (in München im Cinema) zeigen können. Digitale Kopien kosten bekanntlich deutlich weniger als ein Auftrag fürs Kopierwerk. Vielleicht kann man die Datei heutzutage für die Vorführung ja sogar schon per Satellit zum entsprechenden Kino verschicken?
  • Oder liegt es vielleicht gar nicht an höherer Gewalt? Was könnte einen Verleih motivieren, der Presse einen Film zu einem Termin zu zeigen, zu dem de facto eine umfassende Berichterstattung nicht mehr möglich ist? Vielleicht ist der Film ja gar nicht so toll und der Verleih will schlechte Presse verhindern? Aber gleichzeitig pro forma seiner Verpflichtung, den Film vorab der Presse vorzustellen, nachkommen? Gut, dies mag nicht verpflichtend sein, aber das ist die Vorlage des Films bei der FSK ja auch nicht.
  • Womöglich wurde der Film der Presse bereits gezeigt, dann aber nur einem ausgewähltem kleinen Kreis, und nicht der dem Verleih bekannten Gesamtmenge von Filmjournalisten? Wieso dann diese Vorauswahl? Wieso die Trennung in höhere und mindere Kasten? Wieso die Benachteiligung der „normalen“ Journalisten gegenüber den „erwünschten“? Darf man sowas überhaupt?

Wie gesagt, alles nur rein hypothetisch.

Nur: Irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, daß die Presse und ihre Berichterstattung im Filmjournalismus nicht ernstgenommen wird. Das ist schade, denn nach wie vor informieren sich die potentiellen Zuschauer kaum anderswo als bei uns. Über unsere Zeitschriften, Radiosendungen, Fernsehsendungen, Zeitungen, Onlinezeitschriften, Blogs, Podcasts, Foren, Newsletter, Portale. Dagegen sieht die bezahlte PR vergleichsweise dünn aus. Und es ist ja nicht so, daß die Kinobetreiber nicht die Möglichkeit hätten, was anderes zu spielen, wenn über einen Film aus irgendwelchen Gründen nicht berichtet wird und die Zuschauer ausbleiben.

DJV–Datenbank für reale Journalismus–Honorare

Der DJV stellt eine Datenbank über Realhonorare zusammen, meldete heute der BJV. Ich habe diese Pressemeldung zwar nicht auf den beiden Verbandswebseiten gefunden, aber vielleicht wird der jeweilige Webauftritt nicht so zügig aktualisiert.

Im Blog freien info — Rund um den freien Journalismus kann jeder Journalist seine Honorardaten eingeben – keine Sorge, anonym. Der exakt selbe Blog ist auch unter einer anderen Domain und mit einem anderen Design erreichbar, warum, ist mir schleierhaft.

Ich mach mich gleich mal an die Arbeit und geb meine Honorardaten ein – und bin gespannt, ob ich halbwegs im Schnitt liege…

Hier noch die komplette Meldung vom BJV:

DJV–Datenbank für reale Journalismus–Honorare weiterlesen

Die Sache mit dem Blick durch fremde Augen

Gute Journalisten formulieren ihre Beiträge so, daß Außenstehenden einen Sachverhalt oder ein Detail davon auf verständliche Weise vermittelt bekommen. So ein Text muß Unwissende informieren, darf gleichzeitig aber Informierte nicht langweilen.

Dies zu bewerkstelligen ist eine Fähigkeit, die uns unter anderem mit Filmemachern und anderen Erzählern, Lehrern, Marketingleuten und nicht zuletzt Eltern verbindet. Sie läßt sich mit einer Autobahnauffahrt vergleichen, die ja mit ihrer meist langen Kurve und dem (oft, aber leider nicht immer) folgenden Beschleunigungsstreifen auch dazu dient, den Fahrer an Richtung und Geschwindigkeit der Fahrzeuge auf der Fahrbahn hinzuführen, so daß er sich am Ende der Auffahrt problemlos in den fließenden Verkehr einreihen kann und nicht blinkend vor einer vorbeirauschenden Blechlawine verhungern muß.

Dreh- und Angelpunkt dieser Kunst ist die Fähigkeit, sich in andere Leute versetzen zu können und so z.B. den eigenen Text aus fremer Sicht probelesen zu können, oder eben auch eine Werbekampagne aus dem Blick der gewünschten Zielgruppe wahrnehmen zu können – eine anspruchsvolle Sache. Die Sache mit dem Blick durch fremde Augen weiterlesen