Unser Blogleser Herr Hauser fordert „ehrliches Schreiben“ von stefe. Damit meint Herr Hauser, dass das Pseudonym ergänzt werden müsse durch eine Art polizeilicher Personenkontrolle, es müsse dem Kürzel noch ein bürgerlicher Name hinzugefügt werden, dann würde Herr Hauser das Schreiben von stefe für ehrlich halten können.
Herr Hauser selbst ist nach seiner eigenen Definition ein unehrlicher Schreiber, denn er hat sich hier nur mit dem fingierten Namen Hauser (und noch einigen anderen mehr) gemeldet (wogegen nichts einzuwenden ist; die Möglichkeit ist hier ausdrücklich gegeben), wobei er Hauser inkonsequenterweise auch mal als Hauer geschrieben hat, was er dann mit einem Aussetzer begründete. Kann vorkommen. Seine Haltung aber ist inkonsequent und dadurch unterscheidet Hauer sich von stefes Auffassung von ehrlichem Schreiben.
Ehrliches Schreiben bedeutet für stefe, so unbestechlich wie möglich zu schreiben, das zu schreiben, was er sieht, empfindet, beobachtet und heißt auch, jedes Wort verteidigen können mit dem Namen, unter dem es geschrieben ist, das ist doch ehrlich, allenfalls etwas zu korrigieren oder sich auch zu entschuldigen. Fehler (Aussetzer) können immer passieren.
Das ist das Schöne an der Schreiberei – im Gegensatz zur Schauspielerei beispielsweise, wo um das Gesicht nicht herumzukommen ist, ob mit bürgerlichem oder mit Künstlernamen – dass ein Autor unerkannt bleiben kann und lediglich nach seinem Werk beurteilt werden soll; das kann ihn durchaus freier und somit besser und auch ehrlicher machen, macht ihn in seiner Arbeit geschützter. Das ist kein neues Phänomen, viele Autoren haben unter Pseudonym geschrieben, manche haben es wie ein Staatsgeheimnis gehütet, andere weniger. Pesoa hat unter mehreren Pseudonymen (oder auch Heteronymen) geschrieben. Sich nicht amtlich ausweisen müssen, das kann Schreiben enorm ehrlich machen, frei von der Klaue von Klatsch, Tratsch und sozialer Kontrolle.
Was ist „ehrliches Schreiben“? Ehrlich schreiben ist für stefe ein Projekt, ein Programm, eine Entscheidung, eine Methode, das hat nichts mit dem Personalausweis zu tun. Ehrlich schreiben ist subjektiv. Es passiert selbstverständlich vor dem Lebens- und Erfahrungszorizont des Schreibers und erzählt damit indirekt über die Biographie des Autors, ohne als Biographie daherzukommen. Aber genau das dürfte die Schreibe individuell machen, dürfte die Auseinandersetzung mit ihr (hoffentlich) anregend machen; gerade weil der Schreiber Dissens begründen kann. Biographisches Wissen über den Autor ist dabei nicht von Belang.
Unehrlich ist oft, häufig oder gar meistens, was Leute (das können auch Kritiker sein) an Statements über sich selber abgeben, solches hat stefe auch schon in Dokus oder Lebenslinien bemängelt (zb Sushila). Anekdoten, ok, die können belebend und mitreißend sein, ihnen wohnt, auch wenn viel Fantasie hinzukommt, der Charme einer besonderen Ehrlichkeit inne.
„Ehrliches Schreiben“ bedeutet für stefe, keine Rücksichten auf geschäftliche Interessen nehmen. Da wird für mich die Ehrlichkeit des Schreibens problematisch, wenn ein Journalist einerseits für Geld bei einem Medium angestellt ist und über einen Film schreiben muss, über den er parallel, auch gegen Geld, schon PR-Texte geschrieben hat und das nicht öffentlich macht. Soll vorgekommen sein, hat mir ein namhafter Kollege über einen anderen namhaften Kollegen gesteckt.
Sicher, Ehrlichkeit hat Spielraum; sie darf aber nie so weit gestreckt werden, dass ein schwacher Film stark geschrieben wird, bloß weil sich der Autor irgendeinen Vorteil davon verspricht. Sicher, die Ehrlichkeit hat Spielraum. Es gibt die objektive Kritik nicht. Es gibt Gründe, bei einem Film die positiven Seiten hervorzuheben oder eben die anderen. Und man kann den Zusammenhang, in dem ein Film zu sehen ist, nicht ausblenden. Festivals führen zu anderer Schreibe als Pressevorführungen. Einem Indepent-Film steht man vielleicht freundlicher gegenüber als einem deutschen Hochförderprodukt, welches mitzufinanzieren man qua Rundfunkzwangsgebühr gezwungen ist (oft gibt es merkliche Stöhner in den Pressevorführungen, wenn im Vorspann die Förderanstalten in toto aufmarschieren). Man reagiert darauf, wie ein Film daher kommt, ob ein Regisseur vor der Pressevorfühung die Presse ermahnt, sie habe Mitverantwortung für den Erfolg (ist auch schon vorgekommen, der Flop folgte auf dem Fuße). Es gibt die objektive Kritik nicht; und gerade das ist ein Bestandteil der Ehrlicheit.
Zur Ehrlichkeit eines Kritikers gehört aber auch ein Stück Selbsterkenntnis darüber, wie unwichtig eine Kritik doch sei; so wie der Wassertropfen, der von einer Brücke in den Fluß fällt, Bazin soll das geschrieben haben. In diesem Sinne werden biographische Daten eines Kritikers vollkommen nebensächlich, Quantité négligeable, lieber Herr Hauer, pardon, Herr Hauser.