Fatima – eine Recherche
und ein Nach-Ruf, das wäre die zutreffendere Titelung; der Beisatz zu Fatima „ein kurzes Leben“ suggeriert Betroffenheit, lässt Bedröppeltheit befürchten. Trifft nicht zu. Betroffenheit mag der Auslöser für Hakim El-Hachoumi gewesen sein, den Film mit Andrei Schwartz zu machen.
Der Fall, dem Hachoumi nachspürt, war ein Skandal in Marokko. Ein 17-jähriges Hausmädchen, Fatima, das in einem simplen Polizistenhaushalt gefangen gehalten, gefoltert, möglicherweise auch missbraucht worden und so mit schlimmsten Wundmalen und Verbrennungen zu Tode gekommen ist.
Nach-Ruf insofern, als der Filmemacher Fatima persönlich anspricht, obwohl er sie nicht kennt und ihr zu verstehen gibt, dass ihr Tod hoffentlich nicht vergeblich gewesen sei. Eigentlich ihr zu verstehen gibt, dass sie für uns noch lebt und in uns etwas auslöst, was der Film ja auch tut.
Es ist ein typisches Armutsthema. Mädchen aus armen Familien werden verkauft oder wie hier „vermietet“. Sie werden weggeben zu besser gestellten Familien, verdingen sich als Hausmädchen. Ihr Lohn wird an ihre Familie geschickt. Die gesetzlichen Regelungen in Marokko sind gelinde gesagt verbesserungswürdig.
Fatimas Familie, das sind Bauern in einem Dorf im Atlas in Marokko. Die Familie, zu der sie kommt, ist eine Polizistenfamilie mit zwei Kindern, die in einem besseren Wohnblock in Agadir am Meer wohnt. Fatima ist 14, wie sie weggeben wird, mit 17 ist sie tot.
Der Fall hat in Marokko Aufsehen erregt, zu Demonstrationen geführt und eine Diskussion ausgelöst.
Fatimas Familie ist kinderreich und arm; das Thema Verhütung scheint hier nicht bekannt zu sein („wie die Karnikel“, sagt ein Mädchen selbst). Das Dorf leidet unter Trockenheit. Hakim El Hachoumi schildert mit feinem Kinohändchen das Dorfleben, nutzt auch die Landschaft, in der man Bibelilme drehen könnte.
El Hachoumi spricht mit der Familie, sucht Menschnrechtsanwälte in einer Stadt auf dem Weg nach Agadir auf, geht auf den Friedhof mit dem Grab von Fatima. Er schildert die Geschichte luzide wie einen Kriminalfall, bei dem die Frage zunächst offen bleibt, wer der oder die Täter waren, ob sie gefasst und zur Rechenschaft gezogen werden, was an den Tag kommt und was nicht.
Somit gibt der Film auch einen Einblick in Marokkos Zivilgesellschaft. Die sind ja keine Hinterwäldler, selbst im Dorf gründen sie eine Kooperative, um die Mädchen in einer Bäckerei zu beschäftigen, damit sie nicht mehr als Hausmädchen verkauft werden müssen.
In dem Zusammenhang kann auf Filme vom DOK.fest München verwiesen werden: zum Thema Trockenheit und Bildung School of Hope, zum Thema Rechte der Frau in Marokko Suspended Wifes.
Hier gehts zum Film.