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Pequenas Voces (Filmfest München)

Ein Aufarbeitungsfilm.

Es geht um traumatisiserte Kinder, traumatisiert von Vertreibung durch Guerillas, durch die Ausbildung zum Guerilla oder durch Gliedamputationen nach Raketeneinschuss.

Zuerst erklären die Macher ihr Vogehen. Es gab eine Menge Originalinterviews mit traumatisierten Kindern. Ausschnitte daraus sind auf der Tonspur zu hören. Es kristallisieren sich vor allem zwei Jungen und ein Mädchen heraus. Dann haben die Illustratoren kinderbuchähnliche Zeichnungen gemacht und diese animiert. Über den animierten Zeichnungen läuft die dokumentarische Tonspur.

Im Vornewegspann, in dem die Macher direkt in die Kamera ihr Vorgehen erklären, ist das Problem bei der Kopie hier auf dem Festival, dass das Weiß der Untertiteln vorm genaus weißen Hintergrund der Zeichnungen kaum lesbar sind. Der nicht spanisch sprechende oder verstehende Zuschauer wird also davon nicht viel haben.

Die Kindergeschichten. Der Grossteil beschreibt die glückliche Phase der Kindheit. Es sind Kinder von Bauernhöfen, die lange Zeit ein glückliche Kindheit hatten mit Kühen und Hunden und Familienglück, das wird so schön geschildert, dass es eine Welt für sich ist und sehr vergnüglich. Und obwohl man weiß, dass diese Welt gefährdet werden oder gar zusammenbrechen wird, kommt es einem nicht vor, als müsse es notgedrungen geschildert werden. Das ist garantiert eine Qualität dieses Filmes.

Dann kommen die Guerilleros. Mal sind sie nett. Mal nehmen sie den Vater mit. Mal muss der Junge mit. Mal wird die Familie vertrieben. Ein Junge muss zu den Guerilleors und wird dort trainiert. Einmal wollen sie zu mehreren abhauen, 5 werden erschossen. Oder vorher schon beim Training, das ist eine harte Szene, die Kinder müssen über einen Baumstamm, der über eine Einbuchtung im Gelände gelegt ist, balancieren, ohne runterzufallen, wer runterfällt und sich verletzt, der wird erschossen, brutal genug.

Aber unser Junge, der ist auf den Zeichnungen als der Schwarzschopf identifizierbar. Der konnte dann legal abhauen, weil er einen Verwandten unter den Guerillas hatte. Einmal gibt es einen Kampf und er hat sich versteckt. Ein Guerillero entdeckt ihn und und droht, ihn zu erschießen, wenn er nicht schieße. Er schießt dann in die Luft.

Sie bleiben relativ unindividuell die Geschichten, weil gewiss vieles, was sie erzählten, und was vielleicht nicht unbedingt jugendfrei war, nicht im Film erscheint. Das wäre natürlich interessant zu erfahren, was da drin geblieben ist überhaupt. Der kleine Junge, der zuhause auf dem Bauernhofe gerne mit dem Cowboyhut rumgelaufen ist, den erwsicht eine Explosion, ihm müssen dann ein Arm und ein Bein amputiert werden. Seine Heilung, die Prothesen, dass er wieder laufen lernt und sogar Fussball spielen kann und dabei lieber im Tor ist, weil er sonst die anderen Spieler verletzt, der bringt dann auch die gute Message, dass man weiter machen müsse und sich nicht durch solche Schicksalsschläge verbittern lassen dürfe, so mal locker übersetzt.

Prinzipiell sind die Geschichten aber nicht so leicht zu unterscheiden, da wir ja nur die Stimmen hören, und die auch noch spanisch sind und auch nicht immer klar ist, ob es eine Mädchenstimme oder eine Jungenstimme ist und die Dramaturgie der Zeichenfiguren ist keine subjektive, so dass sie ein bisschen entindividualisiert sind.

Das Guerilla-Camp. Eine Strafe: Essen beim Joggen. Dann das brennende Dorf. Die Helikopter, die auf dem zu erntenden Feld landen. Aber eben, die waren zu diskret, um das Ausmass der einzelnen Schicksale richtig klar zu machen. Vielleicht wollten die Macher nicht allzu viel der Grausamkeit. Prinzipiell ist es aber eine schöne Idee zur Verarbeitung von solchen Traumageschichten.

Aardvark (Filmfest München)

Aufschneiden und Wichtigtun gehören zum Film wie der Wirbel zur Trommel. Es ist ein Anfang, Begabung zu zeigen und sie gross zu präsentieren. Die Begabung besteht hier vielleicht in der Personenführung, im Inszenieren von Emotion, in Bildgestaltung, in einem sehr speziellen Sound; der Wagemut ist schon deutlich beschränkter, vielleicht gerade mal eine kurze Sequenz als Hörspiel zu zeigen, wenn der Blinde an der Tür von Candy Eintritt verlangt.

ABER: Begabung allein kann auch sehr langweilig sein, mit reiner Begabung können sich 80 Minuten sehr ziehen; ein begabter Bilderbogen kann dauern. Denn wenn einer nichts zu erzahlen hat, außer der Message, er sei begabt, er könne „Film“ im Sinne der amerikanischen Independent, was immer das sein möge, so ist das noch nicht unbedingt viel.

Zur geschäftlichen Begabung dürfte auch der Titel gehören, der mit zwei As beginnt und dadurch garantiert in den Festivalverzeichnissen (im normalen Kino würde ich dem Film kaum Chancen geben) immer an erster Stelle auftaucht.

Klug ist die Beschränkung der vorgeblichen Geschichte auf wenige Personen. Es gibt den blinden, alkoholabhängigen Larry; der freundet sich ein bisschen mit dem Brasilianer Darren an, der ihm Jiu-Jitsu-Unterricht erteilt, der wiederum hängt gelegentlich mit dem Kumpel Darius (gespielt vom Regisseur selber) rum; auch Darren ist Alkoholiker; man geht aus, säuft, macht blinde Autofahrten – alles sehr ergiebig für die Leinwand, aber nicht neu – da schließt sich ihnen Candy, eine blondes kurzhaariges Flittchen, auch sie filmschön – an und Larry verbringt sogar eine Nacht mit ihr. Dann wird aus unbekannten Gründen Darren umgebracht, Larry entdeckt die Leiche und weiß offenbar, dass Candy ihn zum Täter führen kann. Das könnte ein Filmhochschülerkonstrukt sein, dem zu einem Pflichtfilm nichts einfällt.

Die Geschichte, die anfing, als solle sie ein PR-Film über die Nützlichkeit des Jiu-Jitsu auch bei der Blinden- und Alkoholheilung werden (was krass ist, das geht mir erst jetzt auf, dass Darren zu harten Sachen greift); aber es zieht sich, diese ersten Lektionen, nur Männerkörper, die eng aneinandergeschmiegt sich auf dem Boden rollen oder verharren, dazwischen auch schön filmreif, was sage ich: werbefilmreif Darren oder Larry unter der Dusche; einmal Darren wie er sehr lange nur mit einer engen Shorts bekleidet schattenboxt; dann gibt es die Klique und den Mord; also muss noch ein Kommissar her, eine unförmige Eieerkopf-Figur, die wunderbar in einem kaum verständlichen Dialekt brabbelt, aber leider hat uns Kitao nichts zu erzählen, nichts was ihn scheinbar bewegt, außer dass er bewegte Bilder machen und aneinanderschneiden und musikalisch von Szene zu Szene individuell untermalen möchte.

Wie geistig simpel, wie anfängerhaft das alles von der Geschichte her ist, erhellt der Schluss, wirklich sehr anfängerhaft und man kann die Figuren dann überhaupt nicht mehr ernst nehmen, wenn Larry sich von Candy zum Täter führen lässt und er in dieser Villa ankommt, dann über den Garten zum Pool gerufen wird von einer Südamerikanerin, die noch ein Kind bei sich hat, dann tappselt der Täter mit Sonnenbrille hervor, setzt sich in Lehnstuhl, dann gibt’s noch eine kleine Haue von der Frau, die das Kind wegnimmt und dann ballert der Blinde auf den Sitzenden los, und nach ein paar Schreien ist Ruhe und der Blinde läuft weg.

A Tiro de Piedra (Filmfest München)

Ein Film, an dem man besonders schön grundlegende Elemente spannenden Geschichtenerzählens studieren kann. Abgsehen davon, dass wir einen faszinierenden, richtigen Filmschauspielertypen als Protagonisten und Star haben: Gabino Rodriguez als Jacinto Medina, den mexikanischen Schäfer, der in der Wüste Mexikos im Strassengraben einen Schlüsselanhänger mit einer Ortsanagabe in Ontario, USA, findet und da er irgendwie nicht ganz zufrieden ist mit seinem Leben als Ziegenhirt, eine Frau hat er auch nicht, schlägt das Bild, das auf dieses Adressschildchen eingeprägt ist, ein Haus und zwei Berge Ontarios dahinter, wie ein Blitz in ihm ein. Er muss dahin, das wird sein Leitbild dahin sein. Ein Mann, ein unmögliches Ziel, ein Wille und viele Hindernisse unterwegs, das Erreichen des Zieles, das aber mit unerfreulichen Konsequenzen verbunden ist und ihn schliesslich wieder ins mexikanische Hirtenleben zurückwirft, in dem aber fortan Bilder von eiskalten, verschneiten Wäldern Ontarios wie Alpträume rumgeistern.

Dies reicht als Skizze für eine spannende Geschichte und Hiriart erzählt sie noch in einer kusnstvollen Schlaufe dazu. Wie ausladend dann erzählt wird, wie nebenbei die Menschen charakterisiert werden, denen Jacinto unterwegs begegnet, die ihn beklauen, die ihn schlagen oder die ihm weiterhelfen, wie weit er trainiert für das Aufspringen auf den Zug, wie er kurz vor der Grenze sich mit einer Nutte einlässt, auch ein Erlebnis, das ihn schier vom Weiterverfolgen seines Zieles abhalten könnte, was an Landschaftsaufnahmen dazwischen kommen, das liegt dann alles in der Ausschmückkunst und Erzählkunst des Verfassers, der hier vielleicht gelegentlich des Guten etwas zuviel wollte. Aber eine Geschichte zustande brachte, der man gerne folgt, auch weil Rodriguez mit dem markanten Kinn sowohl den Ziegenhirten als auch den entrechteten Illegalen, der des Englischen nicht mächtig ist, überzeugend spielt.

Der Fluss war einst ein Mensch (Filmfest München)

Das einzige was mir an diesem Filmprodukt sicher scheint: dass es nicht für die Zuschauer gemacht worden ist, dass keiner der wesentlichen Beteiligten auch nur irgendwas gehabt hätte, was er den Zuschauern unbedingt erzählen wollte. Wenn dem so ist, und ich werde vesuchen, die Behauptung zu untermauern, dann ist das schon mal eine grundsätzliche Katastrophe. Dann hat die öffentliche Hand mal wieder für eine künstlerische Katstrophe Geld ausgegeben.

Worum geht es? Das genau ist die Frage!

Am besten beschreibe ich erst ein Stück weit, was es denn zu sehen gegeben hat.
Afrika von oben. Das ist immer schön. Da kann man sich freuen. Da gibt es sicher schöne Tier- und Landschaftsaufnahmen. Gut, das ist etwas, was die Filmemacher dem Zuschauer auch bieten werden. Das stimmt. Aber wenn es das allein gewesen wäre, dann hätten sie auch einen Naturfilm machen können, wenn es ihnen um die Natur gegangen wäre, dann hätten sie sich die nebulöse Handlung gleich sparen können. Denn die Handlung im Film ist ja mit eine Begründung und Rechtfertigung, warum man eine Geschichte erzählt. Es war einmal ein Märchenprinz. Der hatte folgendes Problem. Um das zu lösen hat er diese und diese Handlungen begangen und das hat zu folgenden Konflikten geführt. Nichts davon hier. Aber der Reihe nach.

Nach den Flugaufnahem muss die Kamera gelandet sein. Sie fotografiert jetzt einen weißen Jeep. Der fährt über Land. Weite. Regen. Wir wissen noch gar nichts, wer wieso woher und wohin in diesem Jeep fährt. Dunkelheit. Gegenlichtscheinwerfer. Die Tropfen platschen auf die Windschutzscheibe und die Kamera liebt das Spiel mit dem Licht, das fast blitzartig aufscheint. Aha, die Kamera hat Freude an was. Und das sieht auch aufregend aus. Experimentalfilm vielleicht? Der Jeep kommt jetzt an der Landestelle einer Flussfähre.

Ein Mensch, ein Mann steigt aus. Stellt sich fotogen neben das Auto mit dem Rücken zur Kamera, steht etwas unbeholfen da , schaut, ob die Fähre kommt. Das zumindest vermuten wir. Sie kommt aber nicht. Jetzt liegt ein Weißer auf der Kühlerhaube des Jeepes, sonnt sich. Erinnert mich an Posen aus diversen Afrika- und Abenteuerfilmen. Könnte auch Werbung für Zigaretten einläuten. Noch wissen wir nicht, mit wem wir es zu tun haben. Was dieser Weiße so ganz allein in diesem Jeep vor hat. Das ist schon mal verdächtig, zumindest ungewöhnlich, ein Weißer allein in Afrika unterwegs.

Ein Schwarzer steht in einem Kanu, rudert es durchs Wasser. Der Weiße liegt wie ein Ausflügler relaxed im Kanu. Ausflugskino? Es ist eine idyllische Schilf-Seenlandschaft, durch die das Kanu sanft gerudert wird. Ein Nilpferd wird im Hintergrund sichtbar. Ist das nicht gefährlich. Der Weiße wirkt keineswegs beunruhigt. Was will der Weiße hier. Wir haben noch keine Anhaltspunkte. Da jetzt schon bald zehn Minuten um sind, und wir noch kaum Infos haben, aber oft diesen Weißen im Bild, ist wohl davon auszugehen, dass er der Protagonist ist. Der Bootsmann fängt einen Fisch. Ein Platzregen kommt. Ok, nach 15 Minuten hat unser Protagonist jetzt einmal mit offenem Mund zum Nilpferd rübergestarrt. Keine Ahnung wer das ist und was der will.

Der Schwarze und der Weiße flüchten sich im Regen ins Schilf, bereiten sich zum Nachtlager, irgendwo da in den Gewässern muss das sein. Jetzt sind bald 20 Minuten vergangen und es kommt eine sensationelle Mitteilung, denn der Schwarze versucht ein Gespräch mit dem Weißen, wenn ich mich recht erinnere, ist das am Lagerfeuer beim Fischessen. Der Schwarze will wissen, was der andere macht. Dieser sagt, er sei actor aus Germany, na das ist doch mal eine Info nach 20 Filmminuten! Was denn der Actor mache, er mache wie ein Nilpferd, die Pointe ist leider gut, das darf festgehalten werden. Der Schwarze erzählt dann noch vom Haus der Tiere und dass die Tiere den Menschen als Eindringling verstünden. Gut zu wissen, falls man allein in Afrika unterwegs ist.

Was aber macht ein German actor allein in Afrika? Will er die Nilpferde studieren? Wir wissen es nicht. Mehr hat er über sein Unternehmen auch dem Schwarzen nicht verraten. Mein Eindruck in diesem Moment ist der, dass ich es hier mit einer filmischen Kuriosität zu tun haben, in der ein German actor sein privates Homemovie drehen will. Tja, immerhin besser als rumsitzen und jammern.

Warum aber soll ich mich als womöglich zahlender Zuschauer für dieses Homevideo interessieren. Das konnte mir der Film bis hierhier, es sind bald 25 Minuten vergangen, nicht erklären.

Die Nacht ist vorbei. Der nächste Tag, der Schwarze und der Weiße sind immer noch in einem ziemlich undefinierten Schilf-Seenland. Im Hintergrund ist jetzt ein vorbeitrottender Elefant zu sehen. Der German actor stellt sich in Schau-Position. Die Kamera filmt das. Nach 25 Minuten ist ein Unglücksfall passiert. Den hat die Kamera aber nicht mitgekriegt, weil sie mit der Schau-Pose des German actors beschäftigt gewesen ist. Der Schwarze rührt sich nicht mehr. Für den Zuschauer sieht es aus, als ob er schlafe, die Kamera traut sich nicht richtig ran. Aber aus der Hektik, die der German actor entwickelt zu schliessen, muss sowas wie Tod passiert sein. Der German actor scheint nicht der Typ zu sein, ruhig Blut zu bewahren, in städtischer Hektik versucht er jetzt den Schwarzen, auf die realistischen Feststellungsversuche, ob der wirklich tot sei, hat er verzichtet, mit blauen Planen einzupacken und ihn dann aufs Kanu zu schleppen. Kurz denkt man an Werner Herzog, was der aus sowas gemacht hätte.

30 Spielminuten sind vorbei und der German actor ist mit der blau verpackten Leiche und einer ebenfalls blauen Kühlbox am Fuße eines großen Baumes. Er macht jetzt einen Urschreiversuch. Dann döst er. Ein Vogelschwirren weckt ihn auf. Jetzt klettert er auf einen Baum. Vielleicht denkt der German actor in diesem Augenblick an Johnny Weißmüller. Und ich denke, na ja, ein bisschen crazy ist das alles schon, hier trauen sich Leute wenigstens mal was.

Nach 35 Minuten, inzwischen hat der German actor die Leiche durch den Sumpf gezogen. Er findet eine Hütte. Da mimt der German actor einen Wutausbruch.

Nach etwa 40 Minuten bricht der zweite Morgen an. Der German actor findet verbrannte Turnschuhe. Denn abends hatte er tatsächlich noch Feuer zustande gebracht und offenbar eine Hütte angezündet. Etwas später steht er in der Landschaft wie zum Fotoshooting, aber ohne Spannung, denn bis jetzt wissen wir immer noch nicht, was das Need dieser Figur ist, warum wir uns für sie interssieren sollen, welches Motiv hinter dieser Reise, die offenbar gezielt in die Sümpfe führen sollte, steckt.

Das ist natürlich etwas schwierig, um es vorsichtig auszudrücken, wenn ich im Kino nach etwa der Hälfte des Filmes immer noch nicht weiss, worum es geht. Und das wird sich leider auch in den nächsten 40 Minuten nicht ändern. Er wird noch die Leiche entsorgen. Er wird ein Dorf finden. Ein paar Afrikaner dürfen mitspielen in des German actors private Homemovie. Er darf staunen darüber, wie ein Laden in Afrika aussieht. Was vor allem in Erinnerung bleibt, ist sein Kopf mit dem immer frisch geföhnten Haar, dem frisch gebügelten Hemdkragen, bis auf die eine Stelle, wo er richtig im Dreck landet, und sein Profil, das er schön ruhig kamerafreundlich für die Großaufnahme hinhält.

Aufnahempositionen, die an andere Abenteuerfilme erinnern. Nur warum, sind mir die Gesichter aus den anderen Filmen alle viel lebendiger im Gedächtnis? Ich vermute, weil jene Schauspieler, denen der German actor hier vielleicht nacheifert, in einen spannenden Zusammenhang eines professionellen, spannenden Drehbuches gesetzt worden sind. Der fehlt hier gänzlich. Und wo der Zusammenhang fehlt, da muss man zu Ideen greifen. Zum Beispiel zum Schlachten einer Ziege. Das haben wir schon besser gesehen. Was aber kein Beinbruch ist, da der für den Zuschauer spannende Zusammenhang, nämlich warum der German actor hier ist und warum es eventuell wichtig wäre, dass er lebendig wieder rauskäme oder dass er das Schlachten einer Ziege erlebt, immer noch nicht exponiert worden ist. Nicht mal in einem privaten Beziehungszusammenhang ist dieser German actor. Zumindest wissen wir Zuschauer es nicht, ob eine Freundin oder eine Redakteurin, ein Mutter oder ein Kind dringend auf seine Rückkehr oder seinen Erfolg in Afrika wartet. Von unserem Wissen über sein Umfeld her wäre es völlig egal, wenn ihn das Nilpferd frässe. Ganz am Schluss sitzt er im Flugzeug, schaut auf Afrika. Zumindest dürfte er jetzt eine Fotostrecke im Gepäck haben, mit der er sich für eine deutschen Fernseh-Abenteuerserie empfehlen kann. Ich würde ihm allerdings Comedy anraten, denn die Pointe mit dem Nilpferd, die kam super!

Blue Valentine (Filmfest München)

Wenn Film Begegnung ist, dann handelt es sich hier um die Begegnung mit einem hoffnunglosen Fall von Romantiker, mit einem, der eine romantische Vorstellung von Beziehung hat – und daran scheitert, mit einem, der ein Spieler ist, kein Rationalist.

Das Scheitern der Beziehung eines Romantikers nacherzählt aus der Position desselben, des Protagonisten Dean. Eher ein fassungsloses vor dem Scherbenhaufen-Stehen und sich fragen, wie ist das möglich geworden.

Der Protagonist selbst will Klärungsinput in das schon nach wenigen Jahren ausgehöhlte Verhältnis bringen. Er ist zusammen mit Cindy, sie haben ein vierjähriges Mädchen, Frankie. Cindy ist überfordert mit ihren sie auslaugenden Aufgaben von Job in einer Klinik, Kind versorgen und Haushalt managen. Während ihr Mann lieber mit Frankie spielt, die Melodica oder die Gitarre hervorholt oder mit dem Hund rumlümmelt.

Der Film fängt mit den verzweifelten Rufen nach Mega, dem Hund an. Der ist entlaufen. Erst viel später erfahren wir, dass er tot ist. Irgendwo wird Dean ihn begraben. Kaum ist der Hund verschwunden, setzt es gleich Vorwürfe an Cindy, sie hätte das Tor offen gelassen.

Dass die Ehe sich auseinandergelebt hat, wird schnell klar. Das spürt auch Dean. Er möchte die Beziehung nicht verlieren. Er schlägt einen Kurztrip mit Übernachtung in einem Motel vor, damit sie über sich und ihre Lage und ihre Liebe sich unterhalten können, Paartherapie ohne Therapeuten.

Der Film wird in drei Bewusstseins- oder Zeitebenen von Dean erzählt. Eimal die Geschichte von ihm und Cindy, vom Kennenlernen bis zur Hochzeit und Schwangerschaft. Dann in der Heute-Phase mit dem zentralen Punkt des Therapieausfluges und schließlich noch aus der Perspektive von Deans Job als Umzugshelfer bei Steinway Moving & Storage, wo sich Gelegenheit gibt, mit dem Kollegen sich über Frauen zu unterhalten.

Die Erzählweise ist extensiv. Es wird kein Zuschauer überfordert. Der Film möchte so den Eindruck von Lebensnähe und Realismus erwecken. Er tut es ausserdem durch die Besetzung mit den zwei fabelhaften Protagonisten Ryan Gosling als Dean und Michelle Williams als Cindy.

Die Erzählweise ist weder besonders skeptisch noch aufdringlich analytisch. Sie nimmt die Menschen wie sie sind und kann sehr bestürzt sein, dass sie so sind, wie sie sind und kann auch dem Zuschauer weh tun, wie eine Bebilderung des Songs, ich zerstöre immer, was ich liebe, zeigt. Der Zuschauer muss zuschauen, keine Chance einzugreifen. Dieses Gefühl von Irreparabilität einer Beziehung, die wird dem Zuschauer mit auf den Heimweg gegeben.

Dean gewinnt Sympathie mit seinem Charme, seiner Spontaneität, seiner Musikalität, mit seinem Wesen eines kumpelhaften Vaters, der zu seinem Töchterchen sagt, wir sind Tiger und dabei selbst wieder Kind wird, lieber das als strenger Vater zu sein. Mit den Haferflocken auf dem Frühstückstisch kann man auch ganz kindische Sachen machen. Das missfällt der verantwortungsbewussten Mutter. Da hat sie zu schlucken, mit so einem Mann. Das äussert sich in ihrem Satz, sie möchte nicht zwei Kinder sauber machen müssen. Der Romantiker will Kind bleiben. Er will keine Verantwortung übernehmen.

Die Anbandelung fand am Arbeitsplatz von Cindy statt. Ein Job von Dean, er arbeitete bei einer Umzugsfirma, ein Umzug führte ihn aus der Bronx ins zwei Stunden entfernte Pennsylvenia. Walter, ein Greis, ist dorthin ins Altenheim gezogen. Liebevoll hat Dean versucht, ihm das neue Zimmer mit dem Umzugsgut wieder einzurichten, das ist der nicht profitorientierte Romantiker, die Dinge müssen schön sein, aber merkwürdigerweise macht er sie sich damit auf der grossen Linie kaputt, denn die Kollegen und der Chef drängen, man müsse zurück. Das stört den Romantiker wenig, trotz diesem Druck hat er noch Zeit zum Anbandeln und Adressen tauschen. Der Film lässt sich sehr viel Zeit für solche Dinge, die dann jeweils nur ein Argument, nur einer Illustrierung des Charakters dienen

Mama ist also immer am Haushalten und Papa hat Ideen. Das kann nicht gut gehen.

Die Auseinandersetzung im Motel, wobei dort die Frage war, das Zimemr „Amor-Bucht“ oder das Zimmer „Zukunft“ zu mieten und sich Dean und Cindy für letzteres, also nicht für das Romantische entscheiden sondern für das Zimmer „Zukunft“, aber das hilft nichts. Kommentar zur futuristichen Einrichtung von Dean: roboter vagina, there is no window.

Je stärker im Heutestrang klar wird, dass die Beziehung tot ist, dass auch ein Selbsttherapiewochendende nichts bringt, umso mehr beschäftigt sich die Rückblende mit den schönen, romantischen Zeiten der Beziehung. Der erste Besuch von Dean bei den Eltern von Cindy. Wie betont wird, das sei ja ganz selten, dass sie einen Mann mit nach Hause bringe. Am Tisch kommen auch die unterschiedlichen Lebensentwürfe von Dean und Cindy zur Sprache. Die ganze Familie ist stolz, dass Cindy studiert, sie will Ärztin werden. Sie studiert beim netten Professor Comstock: über den Namen amüsiert sich Dean, er findet, Professoren haben immer so lustige Namen, teachers always have these names. Während Dean ambitionslos ist. Sein Vater war Hausmeister und ein begeisterter Musiker. Das macht schon Spass, so ein Musikinstrument in die Hand zu nehmen. – Es sind also zwei konträre Lebensentwürfe und es ist besonders schmerzhaft mitanzuschauen, wie das von Cindy und ihrer Familie erträumte Puppenhaus so brutal zusammenbricht, dass Cindy nur noch weg will und die Scheidung. Er fährt ihr dann noch nach. Dringt ins Haus ihrer Eltern ein, sperrt den oxygenabhängigen Papa ohne Schlauch aus und erinnert an das Eheversprechen, in guten wie in schlechten Zeiten, das evoziert die Bilder vom Standesamt.

In einer früheren gruppendynamischen Auseinandersetzung sagt sie, er lege ihr Worte in den Mund, die sie nie gesagt habe, er rede Blabla. Sie kämpfen sogar, sie ringen.

Später dringt Dean an ihrem Arbeitsplatz ein, der Romantiker kann den Verlust seines Paradieses nicht verschmerzen, es kommt zur tätlichen Auseinandersetzung, er verletzt den Arzt im Gesicht.

Dean weist als letztes Mittel, Cindy zurückzubekommen, auf das Kind hin. Cindy will aber nur noch divorce. Dean trägt jetzt einen Pullover mit einem aufgedruckten Adler. Tja, so löst man keine Probleme.

Auch der Filmerzähler sieht keine Lösung für das Eheproblem. Er schildert es eher fassungslos, nicht analytisch, eher im Sinne, sich die Dinge nochmal zu vergegenwärtigen mit der vagen Hoffnung, es könnte einem etwas einfallen, was vielleicht hiflreich wäre. Aber Dean ist nun mal der Schlawiner-Typ, dem der Moment wichtig ist, der nicht kapiert, dass er für eine ferneres, für ein dauerhaftes Glück kurzfristig auf Dinge verzichten sollte.

Vielleicht bezieht der Film seine Qualität gerde aus dieser ausladenden, relativ ereignisarmen Erzählweise; denn es handelt sich keineswegs um eine ungewöhnliche Geschichte, die scheint mir eher allzu häufig.

Feuerwerk.
Dean geht Frankie nach und schickt sie zurück zur Mutter.

Dann ein intensiver Bildcollagenmix zwischen dem Feuerwerk und ein traurig-romantisches Lied über die Liebe. IS THIS YOU? Kenn ich mich noch aus?

Der Regisseur dieses wunderbaren Filmes heißt übrigens Derek Cianfrance.

Michel Petrucciani – Leben gegen die Zeit (Filmfest München)

Michel Petrucciani war ein Kleinwuchs, kaum grösser als ein Meter, ein weltberühmter Jazz-Pianist und litt von Geburt an unter der Glasknochenkranhkeit.

Das Unangenehmste zeigt uns der Film zuerst. Röntgenaufnahmen von den dünnen und verbogenen Glasfaserknochen.

Dann behelligt uns der Film kaum mehr mit den unangenehmen Seiten dieser Behinderung oder mit den Komplikationen im zwischenmenschlichen Bereich. Er konzentriert sich auf die positiven Lebensenergien, die Petrucciani ausstrahlte, der sich immer sehr bewusst war, dass sein Leben deutlich kürzer sein würde, als das seiner Mitmenschen,. Und auf die Musik. Und auf die phänomenale Weltkarriere, die er machte. Der Film wird dadurch zum richtigen Feelgood-Movie, die Röntengbilder am Anfang und am Ende sind quasi die Prise Salz dabei.

Material über Petrucciani gibt es genug. Da hält es Michael Radford nicht anders als andere Dokumentaristen. In den alten Materialien wühlen und auswählen und zusammenstellen. Und eigens für diese Dokumentation angefertigte Interviews mit Leuten, die ihn kannten, dazwischenschneiden.

Einige bittere Dinge kommen schon zur Sprache, sein Umgang mit den Frauen, der ganz schön chauvinistisch war, von einem Tag auf den anderen hat er die eine fallen gelassen, weil er eine neue gefunden hatte. Aber selbst die Fallengelassenen, die hier zu Wort kommen, schwärmen noch von ihm. Auch die Frage mit der Elternschaft. Er hatte einen Jungen, der schon erwachsen ist und auch an der Glasknochenkrankheit leidet. Aber von ihm ist nicht so viel zu erfahren.

Im Grunde scheint Petrucciani eine Traumkarriere hingelegt zu haben. Er wusste schon sehr, sehr früh, dass er Klavier spielen will und nichts anderes. Dass sein Vater ein Musikgeschäft hatte, war diesem Wunsch förderlich. Er verbrachte den grössten Teil seiner Jugend am Piano. Und auf dem Höhepunkt seiner Karriere gabe er 220 Konzerte im Jahr, auch eine Art Selbstausbeutung im Rahmen seines exzessiven Lebenswandels.

Play (Filmfest MÜnchen)

Auch einer der Filme, für die man viel Zeit, Festivalstimmung und Neugierde mitbringen sollte.

Einfach mal zuzuschauen bei diesem Spiel, was doch ganz vertrackt inszeniert scheint, sicher mit der Dogma-Idee im Hinterkopf – oder vielleicht habens die Skandinavier inzwischen im Blut – man muss da schon aufpassen. Das haptische Thema heisst Handydiebstahl und die These im übertragenen Sinne dürfte die sein, mit Vorurteilen liegst Du meist falsch.

Die Vorurteile wären zum Beispiel, schwarze Jungs, die in Göteborg im Einkaufszentrum rumlungern sind für gewöhnlich Diebe, und sie sind es, die jüngeren schwedischen Buben Handys klauen und sie bedrohen. Das wird in einer minutenlangen Szene im Atrium einer modernen Shopping-Mall erst mal suggeriert. Die Kamera dürfte im ersten Stock sehr diskret plaziert gewesen sein gegenüber den Rolltreppen, ähnlich einer Überwachungskamera, und als erstes kommen zwei Buben die Rolltreppe runter, bleiben in der grosszügigen Halle stehen und beraten, was sie weiter tun wollen, in welchen Geschäften sie noch vorbeischauen wollen. Zwei junge bürgerliche Schweden aus wohlbehüteten Häusern, so der Eindruck, um die zehn, elf Jahre alt.

Es scheint in einer ruhigen Stunde aber bei laufendem Betrieb gedreht worden zu sein, denn die Passanten, die vorbeikommen sind so natürlich, wie ein Komparse es nie ist. Die Buben dürften mit Mikroports ausgerüstet gewesen sein, man hört ihren Dialog ganz leise und doch verständlich.

Nach langer Zeit schwenkt die Kamera ganz langsam rüber nach links. Da sind einige etwas ältere schwarze Jungs, die rumhängen., vielleicht so 13, 14jährige. Sie entdecken die beiden weißen Jungs, die im Moment noch unentschlossen rumstehen und nach längerer Zeit geht einer von den Schwarzen zu den Kleineren rüber und fragt, ob er mal sein Handy sehen darf. Klar, die Schwarzen sind die Bösen, der wird das Handy dem Jungen gleich entreissen. Aber nichts davon. Die Kamera schwenkt noch einige Male hinüber und herüber. Die Gruppen tun sich wieder zusammen beraten sich, für sich und mit den anderen. Der weiße Junge, zeigt schließlich sein Handy und die behaupten, das sei vom Bruder des einen Schwarzen. Aber noch passiert nichts Kriminelles.

Die Jungs trollen sich von dannen. Zur Erholung von der langen Beobachtung, denn noch weiß der Zuschauer nicht genau, worauf das alles hinauslaufen soll, worauf er acht geben soll, gibt’s jetzt ein kleines Intermezzo am Fusse eines mächtigen Denkmals. Hier hat sich eine Musik-Gruppe bunt kostümierter und mit Federnschmuck versehener Indios aufgestellt und spielt. Passanten bleiben stehen und gaffen. So glaubwürdig, also inszeniert kann das nicht sein.

Wo fängt das Leben an, wo hört die Inszenierung auf? An der Glastür eines schikcen Büros, adact steht auf dem Schild, sind zwei Hostessen mit dem Säubern des Glases beschäftigt, eine putzt, die andere kontrolliert und findet unsaubere Stellen. Vorher ist eine elegant gekleidete Gesellschaft, alle mit kleinen Geschenktütchen am Arm in den Raum neben diesem Eingang gegangen. Vermutlich noch ein Intermezzo, bis Kamera und Regie die Jungs wieder gefunden haben?

Die sind jetzt in einem Musikgeschäft und probieren Gitarren aus. Die Buben sind inwischen zu Dritt, Sebastian, John, der Chinese, und noch einer. In der Zwischenzeit wird ein weitere Szene, die zu einer Serie im Film werden wird, eingeführt.
In einem Vorortszug findet der Schaffner eine herrenlose Holzwiege. Um die werden er und eine Kollegin sich noch oft zu bemühen haben, dann stellen sie sie in den Gang zwischen erster und zweiter Klasse, aber auch dort stört sie. Sie wird später überraschend wieder an völlig anderem Ort auftauchen.

Andererseits kreisen die schwarze und die weiße Bubengurppe immer enger umeinander. Als nächstes sind sie in einem Schuhladen mit Turnschuhen. Dann hängen sich die Schwarzen in der Tram an die Weißen. Bis diese Zuflucht in einem Café suchen. Die Schwarzen geben zu erkennen, dasss sie friedlich sind. Und sie müssen nur den Bruder des einen noch fragen, ob das sein Handy sei. Die beiden Gruppen verlagern sich schließlich in ein Oedland. Dort kommt es zu einem sonderbaren Wettbewerb. Die Schwarzen schlagen vor, alle Wertgegenstände, die sie auf sich tragen auf einen Haufen zu tun, also Portemonnaies, Handys und dann mittels eines Wettlaufes eines Schwarzen gegen einen der weißen Buben zu entscheiden, welcher Gruppe das alles gehören soll. Die Schwarzen gewinnen, dank einer Abkürzung, die ihr Läufer nimmt. Die Weißen nehmen das widerstandslos hin und sind ihre Güter fürs erste los.

Die beiden Gruppen besteigen die Strassenbahn für die Rückfahrt. Jetzt kommen richtige, ausgewachsene inländische Schläger und mischen die Jungs auf. Die inzwischen ihres Geldes und ihrer Handys verlustig gegangenen weißen Jungs geraten später in einer Fahrkartenkontrolle und müssen sich blöd anmachen lassen. Den Eltern werden saftige Bußen aufgebrummt. Die Indios vom Anfang des Filmes nehmen jetzt in einem Schnellimbiss eine Mahlzeit zu sich.

Später entdeckt der Vater von Sebastian einen der Schwarzen, von dem er meint, er habe dem Sohn das Handy abgenommen. Er bedroht ihn und versucht ihn zu schlagen. Der wehrt sich aber und eine Schwedin geht dazwischen, sie werde die Polizei holen, wenn er den schwarzen Jungen nicht in Ruhe lasse; der hatte jetzt plötzlich die Wiege aus dem Pendlerzug dabei.

Der Filmemacher zeigt ein Leben ohne grossen Zusammenhang, ohne grosse Ideen, mit sich wiederholenden Elementen, das Leben ist chaotisch, ungeregelt, voller Gefahren und Willkür. Die kleinen Unordnungen im Leben. Und die Vorurteile treffen meist die Falschen. Die schwarzen Jungs haben jetzt das Handy von Sebastian und wie die besorgte Mutter anruft, verarschen sie sie total.

Ganz am Schluss: ein Clown auf einem Kindergeburtstag.

Vielleicht der Versuch, ein Versuch, dem Leben etwas auf die Pelle zu rücken, Leben auf der Leinwand entstehen zu lassen mit möglichst wenig Regie. Ein Versuch, die scharfe Trennlinie zwischen Inszenierung und Dokumentation aufzuweichen? Oder gar eher eine pädagogische Arbeit, die hier zu besichtigen ist, pädagogische Jugendarbeit? Oder radikale Kinoarbeit in der Nähe des Experimentes, der Kunstaktion?

Jasmin (Filmfest München)

Bleischweres deutsches Ausdiskutier- und Erklärkino. Im günstigsten Fall als Lehrfilm zum Thema Exploration zu verwenden.

Exploration meint hier das Gespräch zwischen einer psychiatrischen Gutachterin, die vom Gericht bestellt worden ist, und einer Täterin, die noch dazu an Depressionen leidet, zum Zwecke der Feststellung einer allfälligen Schuldunfähigkeit.

Die Täterin soll also innert vier Tagen soviel Vertrauen zur professionellen Gesprächspartnerin entwickeln, dass sie in der Abarbeitung des Inhaltsverzeichnisses der Exploration angefangen bei Vater und Mutter, der Vorschule und der Schule, beruflicher Werdegang, Sozialisierung, Freizeit, Beziehungen voll und offen und für die Gutachterin glaubwürdig verwendbares Material liefert.

Nun ist aber schon die Ausgangsszene so angelegt, dass einerseits die Gutachterin weder vom Spiel noch von den Texten her irgend ein Feingefühl entwickeln kann, was ihre Gesprächspartnerin als vertrauenserweckend empfinden könnte, wodurch diese wiederum ziemlich ins Leeren agieren muss. Das Spiel zwischen den beiden Damen ist von Buch und Regie her nicht sorgfältig genug durchdacht und dadurch, nun, sachlich für einen Lehrfimeventuell einzusetzen, aber cineastisch ohne jedes Interesse noch von Belang.

Da nun der Zuschauer unter solchen Umständen links liegen gelassen wird, hat man sich für ihn, vielleicht wars ja eine Idee der zuständigen Fernsehredaktion, folgendes Zückerchen ausgedacht: man will den Zuschauer so lange wie möglich im Dunkeln lassen über die Tat. Ratespiel statt Kinospannung. Mal schauen, wieviel Eintrittsgeld die Zuschauer bereit sind, für einen solchen Etikettenschwindel hinzublättern.

Die Räuberin (Filmfest München)

Dieser Film sollte besser DIE FRAU MIT DEM BÖSEN BLICK heissen, denn die Schauspielerin Birge Schade geht ohne mit der Wimper zu zucken unangefochten und mit dicker Schale souverän durch das total konfuse Drehbuch, die unbeholfene Regie, dern unschnittigen Schnitt und überspielt sämtliche anderen Darsteller, dass es keine Freude mehr ist.

Wir haben es – einmal mehr – mit einem jener Sorte von Büchern zu tun, die ihr Thema erst ganz am Schluss verraten, am Schluss erst erfährt der Zuschauer, worum es wirklich gehen sollte und dass es nicht um irgendwelche merkwürdigen Schauspieler-Übungen gegangen sei, wie der Eindruck entstand, wie begegnen sich zwei Fremde an einem einsamen Nordseestrand, wie kann eine Frau mit einem bösen Blick einen völlig harmlosen Jungen gleich als verrückt bezeichnen, bloss weil er mal einen literarischen Text zitiert hat, wie kann man eine Liebe zwischen einer älteren Frau und Künstlerin aus München und einem unerfahren jungen Burschen aus Friesland spielen, ohne dass jede Erotik oder andere Spannung entsteht, wie kann man eine Bettsszene zwischen einem jungen Burschen und einer älteren Frau darstellen, ohne dass es etwas zu sehen gibt, wie kann man immer so tun, als wisse man schon alles, obwohl die Figur, so wie der Zuschauer es mitgekriegt hat, noch gar nichs wissen kann.

Genau, das scheint mir eine der problematischsten Geschichten in dieser Nicht-Geschichte zu sein, dass sich die Darsteller offenbar gut verstanden haben und dann spielten sie Fremde, ohne dass sie sich je fremd waren, der Ton zwischen der Frau aus München, von der wir nach einer Stunde erfahren, dass sie Tanja Kalkmeier (oder so ähnlich lautend) aus München sei und die Dofbewohner, die sie als Fremde aufgesucht haben und sie irgendwie wohl anmachen wollen, die sagen, die wissen das längst, nur der Zuschauer wusste es nicht, ihr Ton dem jungen Mann gegenüber, den sie schon sehr früh Thore nennt, ist von Anfang an mütterlich und an ihm interessiert, es ist aber unklar wieso.

Es ist überhaupt von Anfang an unklar, was diese Frau aus dem Süden im Norden sucht. Erst fährt ein Auto durch die Weiten des Nordens. Zwischendrin gibt’s immer mal grossartige Landschaftaufnahmen. Dass es aus München kommt ist kurz zu erkennen. Jemand fährt also wohin. Dann kommt ein etwas durcheinandergewirbelter Text, der von Störchen und Gesichtern handelt, und davon, dass er vor 10 Stunden noch angerufen habe und sie habe zweimal angerufen, kann mir einer sagen, schon mal was von einer Exposition gehört?

Plötzlich ist die Frau vor einer Behausung mit einem Reetdach. Sie inspiziert die bescheidenen Innenräume eines Anbaues des Hauses, wie es scheint. Die Möbel sind abgedeckt, wie man es bei längerer Abwesenheit in Ferienhäusern oder Wohnungen macht. Die Frau sieht vollkommen fertig aus. Vielleicht eine ausgewachsene Depression? Dann steht sie plötzlich im Watt. Aha, das Reethaus muss also ganz nah beim Meer sein. Da steht sie und man weiß nicht, ob sie im nächsten Moment ins Wasser will. Ein junger Mann kommt gezielt auf sie zu. Ein alter Bekannter? Er sagt auch, er kenne sie. Und fragt sie, ob sie keine Angst habe. Das Gespräch geht abstrakt weiter über eine andere Frau, die auch mal so einsam am Strand gestanden habe. Kurz: es ist ein vollkommen theoretisches Gespräch, in dem nicht eine Sekunde Befremdung da ist und somit auch keine Spannung aufkommen kann; denn laut Filmrealität müssten sie sich fremd sein, und diese Realität kann man, wenn man dem Zuschaeur gegenüber glaubwürdig sein möchte, nicht einfach ignorieren. Denn wir wissen auch überhaupt noch nicht, was mit Frau Tanja lost ist. Das hängt alles total in der Luft.

So geht es dann weiter mit Thore und Tanja, aber das ist doch auch bemerkenswert, dass es völlig befremdlich klänge, den Film „Thore und Tanja“ zu nennen, also wenn man ihn gesehen hat, weil es nicht um Thore und Tanja geht. Die spielen zwar schon ständig Szenen miteinander, aber näher als sie sich von Anfang an waren, können sie gar nicht kommen. Ergo: null Spannung. Dazu helfen auch die anderen Jungmänner des Ortes nicht, ach so das haben wir noch ganz vergessen, irgendwann stellt man auch fest, dass das Reethaus zu einem Dorf gehört und nicht ganz einsam dasteht, wie der erste Eindruck war – eine vollkommen überflüssige Zusatzverwirrung; aber weder die älteren Herren noch die Eltern von Thore, die in ihrer Feindlichkeit und Ablehnung von Tanja ohne jeder Veränderung konstant, fast mechanisch sind, die sind auch nicht so angelegt, auch nur die geringste filmische Spannung aufkommen lassen zu können, da ist also auch nichts zu machen.

Nach über einer Stunde erfahren wir dann etwas vom Schicksal von Tanja. Dass sie sich von ihrem Mann getrennt hat und dass sie ein Kind hatte und das sofort nach der Geburt zur Adoption frei gegen hat und dass das Kind samt Adoptiveltern, wie es zwölf Jahre alte war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sei. Traurig für Tanja – dazu derFilm? Am Schluss steht also unwiderruflich fest, dass der Film definitiv nur „die Frau mit dem bösen Blick“ heissen kann, weil es nur um sie geht, aber da sie nur Infos, aber keine Durchlässigkeit oder Gefühle oder eine Entwicklung preisgibt, insofern handelt es sich dabei um einen Stillstand und um nichts, was sich bewegt, nothing mov(i)es.

Und ganz am Schluss muss noch zur Deckelung des verpassten Filminhaltes der biblische Epheser herhalten, dass man sein Unglück hinter sich lassen müsse. So wie Tanja sich in Norden verhält, hält sie krampfhaft an ihrem Unglück fest. Und wer interessiert sich schon für so einen Menchen, vor allem wenn dem Drehbuch der Pfiff fehlt, so was plausibel zu bringen, aber dann müsste er eben mindesten Tschechow heissen, der Name Busch reicht dazu offenbar nicht aus.

Es kann sich nur um Blinde oder vollkommen branchenfremde Geldgeber handeln, die so ein Projekt finanziell unterstützt haben.

Frankfurt Coincidences (Filmfest München)

Mit dem Film passiert etws Merkwürdiges: er findet vielleicht nach einer Stunde erst sein Thema. Offenbar ist es ein Suchfilm. Eine eher interne Angelegenheit für den Regisseur. Der erst nicht so recht weiß, worüber er eigentlich Filme machen möchte. Dann ist es naheliegend erst mal die eigene Umgebung etwas abzusuchen. Das scheint in diesem Falle Frankfurt zu sein, Frankfurt am Main. Man kann nachts schöne Bildchen schießen vom Flughafen, von Autobahnen, mit pulsierendem nächtlichem mehrspurigem Verkehr. Das verpflichtet erst mal zu gar nichts, schon gar nicht zu einem Thema. Gut, dann muss man weiter suchen. Man kann etwas tiefer in die Stadt eindringen. Durch die Bahnhofsgegend. Das erste Wort, was in diesem Film ins Auge springt ist „Eros“. Das wäre für ein Filmthema kein schlechter Begriff. Aber zu schnell will sich unser Filmemacher nicht entscheiden. Er fährt mit seiner Kamera weiter. Da hat er eine Frau erwischt, die in einer Taxe fährt. Die sieht er später nochmal, ausgestiegen mit einem Rucksack. Die ersten Worte im Film, die zu verstehen sind, lauten „Danke schön Tag noch. Machs gut. Ganz dahinten. Ja, genau.“, sorry, hallo, die Leinwand ist hier vorne, wir wollen einen Film sehen, der ein Thema hat. Und der Film hat schon angefangen, aber wir wissen immer noch nicht, wovon der handeln soll.

Verlegenheitssprung in einen Innenraum. Interieur. Ein Mann, eine Frau, nein ein Mann, älter, am Klavier. Einiges später werden wir erfahren, dass er Udo heisst, aber dass er dann wohl doch nicht des Regisseurs Thema war.

Drum weiter, in einen kleinen Tante Emma oder besser gesagt, Onkel Abdullah-Laden. Onkel Abdullah wundert sich, denn er hört das Klavier von Udo, „ist der Deutsche schon wach, dieser verrückte Herr. Warum ist er schon wach“, tja Gemüsehändler haben Probleme.

Also das war wohl doch nicht das Thema für Enkelejd Lluca, so heisst nämlich der Regisseur, von dem wir bis jetzt noch nicht das gesehen haben, was wir uns von einem deutschen Film endlich mal erhoffen: Sinnlichkeit, Gefühl, Hitze, Emotion.

Auch der nächste Versuch wird das gewünschte Resultat nicht bringen: ein Schwarzer unter der Dusche, das ist in Frankfurt nichts Spezielles. Auch die Frau, die mit dem Eyeliner zugange ist, obwohl sie bereits perfektes Make-up hat, scheint nicht das zu sein, was unser Filmemacher sucht. Aber vielleicht hat er eine Spürnase und denkt, hier in diesem Haus, in dieser Multikulti-Bewohnerschaft muss er doch fündig werden. Im Treppenhaus begegnet der Schwarze einer chinesisch aussehenden Frau. Aber manchmal übersieht man ja auf den ersten Augenblick, die Chancen, die zu einem passen.

Also laviert der Film jetzt unruhig hin und her zwischen den Schauplätzen mit Alltagssätzen, was ein Apfel koste und scheint an manchen Stellen gar so zu tun, als wolle er als der Erfinder jeglichen Klischees über Ausländer dastehen. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Menschen haben doch wichtigere Themen als den Preis eines Apfels.

Doch jetzt ein Blick riskiert ins Cabinet der Chinesin, in einem der oberen Stockwerke. Es ist eine angenehme Räumlicheit zum Empfang von Herren. Mit schöner französischer Musik ausgestattet und Spiegeln und die Herren stehen Schlange und zahlen gut. Aber das kann es auch nicht gewesen sein.

Ach, einen haben wir schon wieder vergessen, den Herrn Korrepetitor, der eine dicke Ariensängerin zum Üben begleitet und der täglich seinen Apfel im Onkel-Abdullah-Laden einkauft, weil er auf die Tochter steht. Aber diese Geschichte, die vergessen wir lieber gleich wieder, die nimmt einen etwas wackligen, unausgegorenen Verlauf.

Und weitere Besuche bei Udo dem Jammerer, die sind auch nicht sehr ergiebig.

Also doch zurück ins erotische Cabinet. Da scheint der Regisseur das Milieu gefunden zu haben, das ihn dann doch zu fürs deutsche Kino sehr emotionalen Genre-Szenen, wenn daraus nicht noch mehr zu machen ist, verleitet. Auch scheint er im Laufe dieser Themensuche bemerkt zu haben, dass es sehr reizvoll ist, Darsteller einfach mal sein zu lassen, dass sie viel besser wirken, wenn sie etwas erlebt haben und dann ganz ruhig für sich sind, weil etwas in ihnen arbeitet, statt dass sie dumme Sätze, die nach dem Preis von Äpfeln sich erkunden, sagen. Dann werden die Figuren plötzlich interessant.

Um zum Ende zu kommen, die Geschichte, die mich plötzlich faszinierte, vielleicht auch wegen der beiden Darsteller, war die mit Ana, gespielt von Bolor Sharkhuukhen und Aidu (müsste das gewesen sein), der gerade wegen auslaufenden Visums nach Paris zurückkehren will, wie auch Ana, weil sie dort ihr Kind hat, die aber vorher noch von ihrem ehemaligen Zuhälter aufgespürt und übel zugerichtet wird und dann Zuflucht bei Aidu, David Wurawa, findet; diese fast wortlose Begegnung der beiden, wie sie nebeneinander sitzen, sie ihm einen keuschen Kuss auf die Stirn drückt, ihm dann ihr Shirt zurücklässt und wie sie ihn dann im EC nach Paris über drei Sitzreihen sieht, das hat Klasse.