Einmal mehr ein deutscher Film, bei dem mich vorrangig beschäftigt, warum der mich so gar nicht „anspringt“.
Vielleicht das Gute vorneweg, es gibt wirklich eine schöne „Röhler“-Szene, das ist die Fickszene bei Gewitter und Fliegeralarm unterm offenen Dachfenster nach der Berlin-Premiere des Propaganda-Filmes. Die hat diesen abgefuckten Röhler-Charme, der mich in früheren Filmen angetörnt hat.
Das war aber auch fast die einzige Szene. Sonst schien Röhler zu viel Respekt vor der heißen Kartoffel gehabt zu haben, die er leider nur mit spitzem Fingern angefasst hat.
Mir war der Untertext, wir machen hier einen Film, der mit unserer Gegenwart nichts zu tun hat, das alles war einmal, viel zu laut und deutlich. Ich erwarte von einem lebenden Filmemacher, dass er Filme für uns Heutigen und nicht für Vergangene macht.
Wenn dieser Verdrängungsuntertext nicht so stark gewesen wäre, hätten mich andere Dinge weit weniger gestört. Dass Moritz Bleibtreu offenbar einen fatal fehlbesetzten Sprachcoach gehabt haben muss, wodurch er sich nur noch auf den Akzent statt auf die Rolle zu konzentrieren schien. Dass Tobias Morettis primäres Interesse der Verdeckung der privaten Karriere-Wohlstandswampe galt, denn mit einer so gesättigten Figur ist schwer zu vermitteln, warum ein erfolgreicher Schauspieler wie Marian (immerhin spielte der den Jago auf einer grossen Bühne) mit einer Durchbruchsrolle noch gezöckelt werden konnte; privater Ersatzkonflikt des zentralen Rollenträgers. Dass mir nicht plausibel wurde, warum Armin Rohde in den nachgestellten Jud-Süss-Film-Szenen viel attraktiver und origineller schmiert als in den Drumherum-Szenen. Dass Hans Moser, der zwar den Moserton anständig imitiert, den Irren mimt.
Angenehm wirkt immerhin, dass das Historische nicht auf übertriebenen Kostümeffekt hin präsentiert wird – wie sonst so oft schon geschehen.
Ein zentrales Problem dürfte einmal mehr das Buch sein. Die Autoren heissen laut IMDb Klaus Richter und Michael Esser. Sie haben, scheint mir, bei der Hauptperson, dem Schauspieler Marian, der den Jud Süss spielen soll, nicht tief genug gebohrt, um das Interessante an der Figur zu finden und herauszuarbeiten – irgendwo muss da eine abgrundtiefe Verletzung ortbar sein, die die Annahme der Rolle plausibel macht, eine abgrundtiefe Verletzung, die wohl jeden Zwangssschauspieler ausmacht und ihn eben zwingt aus bestimmten Gründen gewisse Rollen anzunehmen. Gerade wenn man bedenkt, wieviel Mist die heutigen Schauspieler spielen und wie sie es begründen. Das erzählen die chronischen Interviews, die jede Filmpremiere und jede Erstausstrahlung eines Fernsehspiels begleiten bis zum Geht-nicht-mehr. Hier fehlt mir viel zu sehr der Bezug zum Heute. Film wird ja nicht wirkungsvoll dadurch, dass er die Vergangenheit kritisiert, sondern er muss den Finger auf wunde Punkte des Heute legen, wenn er wichtig werden will, auch wenn dies im Gewande der Vergangenheit passiert.
Dagegen versucht das Drehbuch pseudosachliche Diskussionen über die Rollenbesetzung zwischen Goebbels und Harlan, da ist der Schrumpfkopfgag vielleicht als Röhlerscher „Einfall“ zu sehen, oder zwischen Frau Marian und Herr Deutscher (die einzige Figur, die mir glaubwürdig scheint, weil sie in einer existenziell bedrohlichen Situation steckt), oder zwischen Marian (der das Buch nicht gelesen haben will) und seiner Frau. Hier wird immer ein Sachthema abgehandelt wie fürs Schulbuch, tödlich für die Spannung eines Spielfilms. Der belehrte Zuschauer. „Alles nur Bla Bla“ findet Moretti zurecht. Und damit der Zuschauer nicht vergisst, in welcher Zeit, also weit weg von uns das alles spielt, darf das Töchterchen der Marians noch das Gedicht von der Judenbrut aufsagen und Moretti darf das zur Rettung seiner Schauspielerehre „schrecklich“ finden, nur das hilft der Spannung wenig. (Die Intention dieses „schrecklich“ kommt leider schwammig rüber, ist es der Kommentar von Herrn Moretti oder von Herrn Marian oder gar der der Autoren?).
Undsoweiter.
Richter-Esser-Röhlers Versuch kommt mir vor wie ein Versuch, der mit dem Eifer und der Sorgfalt betrieben wird, die ein Bastler zum Bau eines Modell-Hauses aus Streichhölzern verwendet, zur Herstellung einer minutiös imaginierten historischen Realität ohne jeden Bezug zum Heute. Also bestenfalls geeignet für ein Nazizeit-Filmmuseum.
Zu fragen wäre, was hielten die Autoren für das zentrale Thema ihres Filmes? Sind es die Machtmechanismen, die um die Besetzung prominenter Rollen wirksam werden? Da liegt doch auch heute einiges im Dunkeln. Der NDR-Heinze-Skandal als Indiz dafür. Da gäbe es Dinge ans Licht zu bringen. Subtile Gespinste von Macht und Abhängigkeit. So wie diese in diesem Film präsentiert werden, sind sie doch recht schematisch ausgedacht statt erforscht und untersucht. Mir scheint, da ist eben gebastelt und nicht geschürft worden. Oder war es das Thema Propagandafilm? Oder sollte einmal mehr nur gezeigt werden, wie schlimm doch die Nazis waren? (Und wie leicht man damit Filmgelder locker machen kann?) Mir scheint, da haben sich die Macher um einige entscheidende Fragen und Entscheidungen gedrückt.
Einmal mehr ein deutscher Film, bei dem mich vorrangig beschäftigt, warum der mich so gar nicht „anspringt“. Vielleicht das Gute vorneweg, es gibt wirklich eine schöne „Röhler“-Szene, das ist die...