Archiv der Kategorie: Film

Der letzte Exorzismus

Der Film fängt ausgezeichnet an mit einem Schauspieler, Patrick Fabian, der den fake-dokumentarischen Charakter seiner Exorzisten-Pfarrer-Figur brilliant rüberbringt, indem er fürs Fernsehen einen letzten Exorzismus durchführen und seine Tricks offenlegen und damit Abschied von diesem zwielichtigen Handwerk nehmen will. Als dann die Chose außer Kontrolle gerät, verliert er den pseudodokumentarischen Charakter seiner Figur, den Mitspielern ergeht es nicht anders, sie spielen jetzt nur noch überdrehte Hysterie statt glaubwürdigem Schock und machen damit den guten Anfang zunichte.

Die Entbehrlichen

Ein schönes Prekariats-Exploitation-Movie. Eine hingebungsvolle Sentimentalität mit einem bleichen Jungen mit dunkel geschminkten Augenrändern im Mittelpunkt. Eine engagierte Illustration zur aktuellen HartzIV-Debatte.

Jud Süss – Film ohne Gewissen

Einmal mehr ein deutscher Film, bei dem mich vorrangig beschäftigt, warum der mich so gar nicht „anspringt“.

Vielleicht das Gute vorneweg, es gibt wirklich eine schöne „Röhler“-Szene, das ist die Fickszene bei Gewitter und Fliegeralarm unterm offenen Dachfenster nach der Berlin-Premiere des Propaganda-Filmes. Die hat diesen abgefuckten Röhler-Charme, der mich in früheren Filmen angetörnt hat.

Das war aber auch fast die einzige Szene. Sonst schien Röhler zu viel Respekt vor der heißen Kartoffel gehabt zu haben, die er  leider nur mit spitzem Fingern angefasst hat.

Mir war der Untertext, wir machen hier einen Film, der mit unserer Gegenwart nichts zu tun hat, das alles war einmal, viel zu laut und deutlich. Ich erwarte von einem lebenden Filmemacher, dass er Filme für uns Heutigen und nicht für Vergangene macht.

Wenn dieser Verdrängungsuntertext nicht so stark gewesen wäre, hätten mich andere Dinge weit weniger gestört. Dass Moritz Bleibtreu offenbar einen fatal fehlbesetzten Sprachcoach gehabt haben muss, wodurch er sich nur noch auf den Akzent statt auf die Rolle zu konzentrieren schien. Dass Tobias Morettis primäres Interesse der Verdeckung der privaten Karriere-Wohlstandswampe galt, denn mit einer so gesättigten Figur ist schwer zu vermitteln, warum ein erfolgreicher Schauspieler wie Marian (immerhin spielte der den Jago auf einer grossen Bühne) mit einer Durchbruchsrolle noch gezöckelt werden konnte; privater Ersatzkonflikt des zentralen Rollenträgers. Dass mir nicht plausibel wurde, warum Armin Rohde in den nachgestellten Jud-Süss-Film-Szenen viel attraktiver und origineller schmiert als in den Drumherum-Szenen. Dass Hans Moser, der zwar den Moserton anständig imitiert, den Irren mimt.

Angenehm wirkt immerhin, dass das Historische nicht auf übertriebenen Kostümeffekt hin präsentiert wird –  wie sonst so oft schon geschehen.

Ein zentrales Problem dürfte einmal mehr das Buch sein. Die Autoren heissen laut IMDb Klaus Richter und Michael Esser. Sie haben, scheint mir, bei der Hauptperson, dem Schauspieler Marian, der den Jud Süss spielen soll, nicht tief genug gebohrt, um das Interessante an der Figur zu finden und herauszuarbeiten – irgendwo muss da eine abgrundtiefe Verletzung ortbar sein, die die Annahme der Rolle plausibel macht, eine abgrundtiefe Verletzung, die wohl jeden Zwangssschauspieler ausmacht und ihn eben zwingt aus bestimmten Gründen gewisse Rollen anzunehmen. Gerade wenn man bedenkt, wieviel Mist die heutigen Schauspieler spielen und wie sie es begründen. Das erzählen die chronischen Interviews, die jede Filmpremiere und jede Erstausstrahlung eines Fernsehspiels begleiten bis zum Geht-nicht-mehr. Hier fehlt mir viel zu sehr der Bezug zum Heute. Film wird ja nicht wirkungsvoll dadurch, dass er die Vergangenheit kritisiert, sondern er muss den Finger auf wunde Punkte des Heute legen, wenn er wichtig werden will, auch wenn dies im Gewande der Vergangenheit passiert.

Dagegen versucht das Drehbuch pseudosachliche Diskussionen über die Rollenbesetzung zwischen Goebbels und Harlan, da ist der Schrumpfkopfgag vielleicht als Röhlerscher „Einfall“ zu sehen, oder zwischen Frau Marian und Herr Deutscher (die einzige Figur, die mir glaubwürdig scheint, weil sie in einer existenziell bedrohlichen Situation steckt), oder zwischen Marian (der das Buch nicht gelesen haben will)  und seiner Frau. Hier wird immer ein Sachthema abgehandelt wie fürs Schulbuch, tödlich für die Spannung eines Spielfilms. Der belehrte Zuschauer. „Alles nur Bla Bla“ findet Moretti zurecht. Und damit der Zuschauer nicht vergisst, in welcher Zeit, also weit weg von uns  das alles spielt, darf das Töchterchen der Marians noch das Gedicht von der Judenbrut aufsagen und Moretti darf das zur Rettung seiner Schauspielerehre „schrecklich“ finden, nur das hilft der Spannung wenig. (Die Intention dieses „schrecklich“ kommt leider schwammig rüber, ist es der Kommentar von Herrn Moretti oder von Herrn Marian oder gar der der Autoren?).

Undsoweiter.

Richter-Esser-Röhlers Versuch kommt mir vor wie ein Versuch, der mit dem Eifer und der Sorgfalt betrieben wird, die ein Bastler zum Bau eines Modell-Hauses aus Streichhölzern verwendet, zur Herstellung einer minutiös imaginierten historischen Realität ohne jeden Bezug zum Heute. Also bestenfalls geeignet für ein Nazizeit-Filmmuseum.

Zu fragen wäre, was hielten die Autoren für das zentrale Thema ihres Filmes? Sind es die Machtmechanismen, die um die Besetzung prominenter Rollen wirksam werden? Da liegt doch auch heute einiges im Dunkeln. Der NDR-Heinze-Skandal als Indiz dafür. Da gäbe es Dinge ans Licht zu bringen. Subtile Gespinste von Macht und Abhängigkeit. So wie diese in diesem Film präsentiert werden, sind sie doch recht schematisch ausgedacht statt erforscht und untersucht. Mir scheint, da ist eben gebastelt und nicht geschürft worden. Oder war es das Thema Propagandafilm? Oder sollte einmal mehr nur gezeigt werden, wie schlimm doch die Nazis waren? (Und wie leicht man damit Filmgelder locker machen kann?) Mir scheint, da haben sich die Macher um einige entscheidende Fragen und Entscheidungen gedrückt.

Dinner für Spinner

Es gibt gut zu Lachen in diesem Dinner für Spinner, aber zwischen den Einschlagsorten der Pointen und dem Nerv unserer Zeit bleibt eine beachtliche Spanne Spielraum, denn die Pointen scheinen mit zuviel Ehrfurcht vorm Vorbild vorgetragen, das bremst die Komödie, die vielleicht so ist, wie sie in komplizierten Etagen mehr oder weniger geldiger Produzenten gedacht und abgesegnet wird.

Mammuth

Der langlockige Gérard Depardieu auf der titelgebenden MÜNCH Mammuth 1970 ohne Scham sein Fett raushängend ist in jedem einzelnen Bild dieser belgisch angehauchten surreal-naiven Gemäldegalerie prächtig leinwandfüllend.

Groupies bleiben nicht zum Frühstück

Junge Frau, die Hysterie und Idolaterie ihrer Mit-Teenies verschnarcht, tappt auf das Marzipantörtchen von angesagtem Teeniestar. Sie verlieben sich. Aber die Schnarcherin bleibt nicht zum Frühstück. Auch Groupies bleiben nicht. Aschenputtels sowieso nicht. So ist das halt nun mal – so viel zur geistigen Ebene des Werkes.

Auf der Macherebene ist ein herrlicher Vorgang, wie die Nachricht von der Liebesnacht von Teeniestar und Schnarcherin unter dem Siegel der Verschwiegenheit rasend schnell über das Handykommunikationsnetz weiterversiegelt wird und die kalten Köche des heißen Teenie-Idols zum Kochen bringt, ein Slapstick moderner Kommunikationswege.

Pianomania

Ob der Titel eins zu eins passt, ob es sich wirklich um Pianomanie handelt, das sei dahingestellt. Ob es sich um Cinemanie handelt ebenso. Was zu sehen ist, ist eine jedenfalls ungewöhnlich unterhaltsame Dokumentation über Vorgänge am Rande des grossen klassischen Klavierkonzert-Geschäftes mit Stars wie Pierre-Laurent Aimard, Alfred Brendel, Lang Lang, Till Fellner, Igudesmann & Joo aus der Perspektive des erstklassig entertainenden Klavierstimmers Stefan Knüpfer, eines Mannes aus der zweiten Reihe, der sich nur bückt, wenn er  sich   den Klaviersaiten zuneigt.

Black Death

Die Zutaten zu diesem Film sind, nebst massiv vielem dummem deutschem Fördergeld, weil dieses englische Horrorstück hautpsächlich in Deutschland gedreht worden ist: die Pest, das Christentum, das Heidentum, die Folter und ein junger Mönch, der – an sich den Ansprüchen an ein Drehbuch genügend – die Hauptfigur ist, der ein Problem hat mit der Liebe, der ins Kloster will, sich aber bei der ersten Gelegenheit einer Gruppe Christen anschliesst als Führer in eine Gegend die er kennt, und dort Erfahrungen machen wird, die in ihm eine Entwicklung auslösen werden, wie der Prior voraussagt. Die Entwicklung scheint dann die zu sein, dass er zum blindwütigen Rächer an den Frauen wird.

Die Exposition der Geschichte wird ordentlich dargestellt und inszeniert.

Der Rest ist ein Spaziergang durch die Foltermöglichkeiten, die ein deutscher Filmfundus herzugeben imstande ist, und das ist nicht besonders originell, ausserdem wird es uninspiriert präsentiert; es kommt einem eher vor wie ein Gang durch eine Horror-Gerümpelkiste. Die Akteure spielen total übertrieben, die Action-Szenen sind verwurstelt dargestellt und es scheint oft, als ob das mit viel zu unruhiger Handkamera vertuscht werden soll.

Ein besonderes Need der Macher dieses Filmes ist nicht erkennbar aufgrund der Machart. Der Gedanke liegt nahe, dass die eher einen Scout losschickten, was man den Deutschen für einen Stoff aufschwatzen soll, der deutsche Locations braucht, da ist Mittelalter, der Film spielt 1348, immer gut für, um somit dick deutsches Filmfördergeld für nicht besonders kreative englische Filmemacher locker zu machen.

Wer dann nicht allzulange zuvor VALHALLA RISING von Winding Refn, dem Dänen gesehen hat, der weiss, wie so ein Stoff, dort allerdings Frühmittelalter, packend und präzise und mit persönlicher Handschrift richtig gut gearbeitet werden kann. Dagegen ist BLACK DEATH billiger Förderpfusch!

Uwe Boll: Auschwitz

Uwe Boll dreht offenbar einen Film zum Thema Auschwitz und hat bereits einen Teaser online, bevor der Film in der IMDb zu finden ist.

Ich muss sagen, der Teaser lässt es einem kalt den Rücken hinunterlaufen. Und ja, das ist Uwe Boll, da an der Tür. Ich frage mich, ob Boll einfach nur Greuel unter dem Motto „never forget“ zeigen wird, oder ob wenigstens noch eine Ebene mit etwas Tiefgang hinzukommen wird. Beides können gute Filme ergeben, nur braucht es einiges an Feinfühligkeit. Doch macht Euch selbst ein Bild:

PS: Es fällt mir schwer, bei diesem Thema die Kategorie „Coming Attractions“ zu wählen.

Danke an Stefan.

Zwischen uns das Paradies

Probleme ziehen Probleme an, oder: Wo einmal Krieg war wie im ehemaligen Jugoslawien, da lebt die Zerstörung noch lange in den Menschen fort. Eine Frau, Stewardess – daher die ständigen Flugzeugstarts und -Landungen – die mit sich selbst offenbar genügen Probleme hat, das zeigt die anfängliche narzisstische Handy-Movie-Selbstbetrachtung, die das Gegenteil zu behaupten versucht, ist mit einem Typen zusammen, der im Krieg ein Held war, als Fluglotse beim Trinken erwischt wird, seinen Job los ist und Zuflucht in extremer Religiösität sucht. Es kommt seine beschränkte Zeugungsfähigkeit erschwerend hinzu. Das kann nicht gut gehen. Schlimm ist vor allem, dass den handelnden Personen jede Konfliktfähigkeit abgeht. So zieht sich die Frau zusehends in die durch Ausblenden des Original-Tones dargestellte innere Isolation zurück und dem Mann sein Bart wird immer länger.