Denmark meets Argentina, die nordische Lakonie paart sich mit dem Stoizismus des Tango. Christian Madsen (der auch für die Regie zeichnet) und Anders Frithiof August, die Autoren, lassen einen auktorialen Erzähler durch die Geschichte geleiten, denn die beiden Elemente bedürfen der höheren Zusammenführung, die so zu einer Filmerzählung wird, aber die deutsche Nachsynchronisation ist unempfindlich gegen die Schwingungen, die sich aus dem Zusammentreffen dieser Zutaten ergeben.
Das Verfahren mit dem Erzähler bringt die Situationen immer sehr klar und sehr verständlich rüber; die Bilder wirken mehr wie ein illustrierender Untertext zur sprachlichen Erzählung, eine ganz eigene Wirkung entfaltend, anfänglich gewöhnungsbedürftig; aber wenn man sich darauf einlässt auf diese Erzählart und die merkwürdig markante Personenkonstellation, die dem Text Gestalt gibt, und wenn man den ganzen Wirrungen und Verwirrungen der Gefühle folgt, kann man vielleicht genauso wie der Protagonist am Ende etwas über die Liebe gelernt haben.
Christian, der Betreiber einer Weinhandlung in Kopenhagen ist so ziemlich am Ende. Seine Frau hat einen argentinischen Fußballstar kennengelernt, ist zu diesem geflogen und scheint das lateinamerikanische Leben zu genießen. Sie schickt Christian nur noch die Scheidungspapiere, damit er unterschreiben und sie ihren neuen Lover heiraten kann. Das deprimiert Christian, die Kunden meiden seine zuvor beliebte Weinhandlung. Nun entschließt er sich spontan, mit seinem Sohn Oscar nach Buenos Aires zu fliegen, um nochmal mit Anna zu reden. Die ist gerade dabei, ihren kostbaren Lover und Fußball-Star an einen anderen Club zu verkaufen, da ruft Christian an, er sei in Buenos Aires.
Oscar, der Sohnemann, 17 oder 18 je nach seiner Selbstauskunft und im langen Ledermantel wie Django, ist auch dabei. Er fotografiert alles. Scheint ein verschlossenes Bürschchen zu sein in dem heftig aber leise die Pubertät tobt. Autor zu werden, darin sieht er keinen Sinn, denn Camus und die Existenzialisten haben alles schon geschrieben, was geschrieben werden kann und muss; es ist alles schon gesagt, findet er.
Christian darf mit seinem Sohn als Gast im riesigen Anwesen des Fußballstars unterkommen. Juan, der Profi-Fußballer ist ganz freundlich, ein Star in einem Höhenflug aus Toreschießen und Glück mit Anna haben. Markante Gegenfigur zur eher voluminösen Anna ist die hagere, argentinische Haushälterin. Die steigt ganz cool zu Christian in die Badewanne. Warum soll man sich nicht Befriedigung schenken. Aber Danke sagen brauche er nicht dafür.
Christian erkennt, dass mit Anna nichts zu machen ist mit Reden. Er geht während eines entscheideneden Fußballspieles, dem Superclassico, in dem Juan die beiden Tore schießen wird, in eine Kneipe, kommt mit einem Weinbauern ins Gespräch, der den Fußball auch ablehnt. Hier kann über Glück und Unglück, über die Frauen philosophiert werden.
Bei einer Stadtführung verliebt sich Oscar in die verführerische Veronika. Das setzt eine hübsche kleine Nebengeschichte in Gang. Und ein Friedhofslabyrinth gibt ein treffliches Symbol für die verschiedenen Verwirrungen ab, die sich vor unseren Augen und Ohren in Buenos Aires für diesen Film tummeln. Christian erlebt schlimme Abstürze, wacht neben Eisenbahngleisen auf, wo er sogleich „freundschaftlich ausgeraubt“ wird oder im Hof des Fußballers. Er wird lernen, was er an Anna gehabt hat, das wird er letztlich auf seinen alleinigen Rückflug nach Dänemark mitnehmen. Dass die Liebe, die mal gewesen ist, ihm rückwirkend niemand nehmen kann.
Eine Art von Unikat-Film in dem auch die Figuren wie Unikate besetzt und inszeniert sind, die herbe, blonde Anna, die ihre Leben cool wie ein Geschäft betreibt, Christian, der eher dazu tendiert im Selbstmitleid zu baden und zu ertrinken, Oscar, dem die Existenzialisten, wie er glaubt, alles schon offenbart haben, nur eben die Liebe nicht, der Fußballstar Juan, der immer bester Laune und ein Latin Lover par excellence ist, der dann noch ein provokantes Toreschießen mit Christian um Anna vorschlägt, was unangenehme geschäftliche Komplikationen nach sich zieht, der fast zum Sonderling gewordene Weinbauer, der eine Tendenz zum Altherrenmonologisieren entwickelt hat, die Haushälterin, die mit der disziplinierten Haltung einer Tango-Tänzerin durchs Leben geht, wobei es an Komik grenzt, wenn sie den in der Badewanne elendenden Christian versucht zu streicheln, ein Streichel, ein einziger, wohlverstanden und Veronika, eine wunderhübsche natürliche junge Frau, wie man sie in einem Film gar nicht mehr erwartet vor lauter karrieristischen schönheitsoperierten und lispelnden Jungblondinen. Diese Figuren sind so markant wie Leuchttürme und es würde mich nicht wundern, wenn ein Zuschauer nach diesem Film durchaus seine eigene Geschichten mit ihnen weiterentwickelt. Der Vater von Veronika, der Kierkegaard und Philosophie studiert hat, jetzt aber die Familie ernähren muss – und der eine verrückte Ohrfeigennummer um seine Tochter mit dem Schwiegervater in spe, Christian, liefert. Die Liebe ist nicht umsonst, auch nicht zwischen Dänemark und Argentinien.