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Der Verdingbub

über Der Verdingbub

Ein TV-degetohaft-verkürztes Verständnis von Kino tischt uns Schweizer Zombies mit deftigen Schweizer Brutalitäten auf, bringt ein dunkles Kapitel der Schweizer Gesellschaft ans Licht, was dort zu großer Beachtung des Filmes geführt hat, weil das Thema so gar nicht zum Selbstverständnis der Schweiz als tolerant, neutral, freiheitlich, demokratisch und weltoffen passt. Gremiengeschädigtes Kino was mit ungewaschenem Finger versucht möglichst schmerzerzeugend in einer unbekannten Schweizer Wunde zu stochern.

Die Review dazu anlässlich des Filmfestes München hier.

Schneller als das Auge – Im Reich der Superzeitlupe (DVD)

Bald 120 Jahre nach der sensationellen Erfindung der bewegten Bilder, gibt es immer noch bewegte Bilder, die für den Menschen nie zuvor gesehene Sensationen sind, nämlich die Bilder supermoderner Hochgeschwindigkeitskameras, die im Extremfall bis zu 300’000 Bilder pro Sekunde liefern können und damit für den Menschen Dinge sichtbar machen, die er von blossem Auge gar nicht sehen kann, am eindrücklichsten vielleicht die Machwelle nach einer Explosion als eine gläserne Kuppel, die ein Gartenhäuschen wie ein Mikado-Spiel auseinanderfallen lässt.

Das ZDF hat jetzt zwei 45-Minüter, „Schneller als das Auge“ und „Im Reich der Superzeitlupe“ als DVD herausgebracht.

Für einen kunterbunten Mix aus leicht verdaulichen, populärwissenschaftlichen Infos, Sensationsbildern, Tieren, Artisten, Sportlern und beliebter Musik hat Autorin und Regisseurin Luise Wagner gesorgt. Martin Umbach hat dazu mit angenehm zurückhaltender Stimme den Text gesprochen.

Mit der Schlußfolgerung allerdings kann ich nicht ganz einig gehen, dass wir nach diesen verlangsamenden Blicken in die Hochgeschwindigkeit begriffen hätten, was die Welt im Innersten zusammenhält. Dieser Satz ist überflüssig-pathetisch, selbstbeweihräuchender Zuckerguss, den der Film gar nicht nötig hat. Zum Schluss wird da eine faustische Dimension in Anspruch genommen, die der Film nicht einlösen kann.

Das war auch nicht die Fragestellung. Die Frage war viel eher: welche Objekte können interessant sein für solche aufwändigen Spezialkameras und extremen Experimente.

Luise Wagner fand unter anderen den Falkner Paul Klima, der im Gleitschirm mit dem König der Lüfte fliegt. Der Sprengstoffexperte Alfred Kapplt will einer Explosion mitten ins Herz schauen. Dafür hat er das bereits erwähnte Gartenhäuschen aufgebaut. Dass für einen Sprengstoffexperten die Sprengung eines Steaks das Non-Plus-Ultra ist, verstehe sich von selbst.

Schon 1872 wurde versucht, die Bewegung eines Pferdes in Zeitlupe zu fotografieren. Heute interessiert sich der Bewegungsforscher Martin Fischer für die Fortbewegung des Hundes und kommt dank Hochgeschwindigkeitskameras zu überraschenden Ergebnissen.

Folgen für den Hauhalt kann die Entschlüsselung der Physik des perfekten Schüttelns des nassen Felles durch den Hund zeitigen: für den Schleudermechanismus der Waschmaschine. Wir sehen ein abgefeuertes Projektil in extremer Verlangsamung. Oder die Autorennfahrerin Christina Suhrer. Sie erzählt von einem Flugunfall, von der endlosen Sekunde zwischen Aufwachen aus der Ohnmacht und der Wahrnehmung der Gefahrensituation, dem Bewusstsein des Überlebenskampfes und der klaren Gedanken, die diesen in Sekundenbruchteilen steuern.

Der Sportpsychologe Dieter Hackfort spricht über den Geschwindigkeitssinn als einem 7. Sinn. Die Augen sind das schnellste Organ. In Rotterdam trainiert Irene Piterbarg Feuerwehrleute aus ganz Europa für die Flash-Over-Situation, den Umgang mit einem Feuerball. Zwischendrin dreht ein kleines Mädchen mit einem süßen Lebkuchenherz mit der Aufschrift „I love Speed“ Runden auf einem Kettenkarussell.

Zu Rüpeleien von Bienen auf einer Blüte spielt uns Luise Wagner Schostakowitsch ein. Die Biene schafft 270 Flügelschläge pro Sekunde. Das fotografiere mal einer! Auf einem Hochhausdach in Frankfurt darf ein Mädchen Bienenwaben rausnehmen und wir erfahren etwas über den Schwänzeltanz der Bienen (in „More than Honey“ von Markus Imhoof gibt’s demnächst Ausführlicheres).

Im Hamburger Hafen erfahren wir, dass wir 4 mal pro Sekunde neue Reize wahrnehmen. Und in Hamburg sehen wir Cengiz, den besten Powermover der Welt. Wir hören, dass Geschwindigkeit uns berausche und dass Zeit ein Konstrukt unserer Sinne sei, im Kopf gebündelte Zeitpakete.

Ornithologe Martin Wikelski befestigt eine Kamera auf einem Wanderfalken; rasende Fahrt im Sturzflug mehr als 300 km/h schnell. Die titelgebende Heldin, Susi Kentikian ist 3fache Weltmeisterin im Fliegengewichtsboxen, 24 Jahre alt, permanent in Bewegung und ihre Schläge sind „schneller als das Auge“, ihre Gegner können diese erst wahrnehmen, wenn sie schon getroffen sind und überhaupt nicht reagieren. Sie ist ein Drittel schneller als die Klitschkos und sie gibt sich auch für Experimente her mit dem Bewegungsforscher Martin Fischer, der die Boxerin voll verkabelt, um ein 3-dimensionales Bewegungsprofil zu erhalten.

Unsere Geschwindigkeitsparade macht weiter Station bei den berühmten Mönchen des Shaolin, die mit einer Stecknadel, die sie gezielt durch eine Glasscheibe werfen, den Ballon dahinter zum Platzen bringen können (vor der Geisteskraft der Shaolin scheitern allerdings alle naturwissenschaftlichen Erklärungsversuche).

Es folgt der Kölner Zoo mit der Gottesanbeterin, dem blauen Pfeilgiftfrosch und dem Rotfeuerfisch, alle auf ihre Weise Geschwindigkeitskünstler.

Ins Finale unserer Geschwindigkeitsveranstaltung biegen wir in eine Kurve mit Artisten und Künstlern ein. Auf den Jongleur Daniel Hochsteiner, der König der Jongleure, folgen Katzenpfoten (wobei die Wissenschaft sich vom Studium des Bewegungsablaufes der Katzenpfote Aufschlüsse zur Reifenkonstruktion gegen Aquaplaning erhofft) und Delphine, beide auch wahre Künstler und schließlich noch Seifenblasenkünstler und Feuerschlucker.

Wissenschaft, so leicht zu verstehen und so unterhaltsam wie das Oktoberfest, wenn da nicht der immer wiederholte Wermutstropfen-Satz wäre, dass immer wenn es um menschliche Geschwindigkeit geht, das nichts anderes heißt als jahrelanges, hartnäckiges Training. Üben, üben, üben.

Jahr des Drachens (DVD)

Ein Textilkaufmann aus Köln, Teilhaber der Firma LB & E, bahnt in Vietnam neue Geschäfte zum Bau einer Hemdenfabrik an. Er ist verheiratet, hat einen erwachsenen Sohn. Seine Frau macht ihm seit 8 Jahren das Leben schwer, belastet ihn mit einem vermuteten Knochenkrebs.

In Vietnam trifft er sich mit seinen Geschäftspartnern nicht nur zu Geschäftsbesprechungen, sie führen ihn auch aus und ihm in einer Bar die Vietnamesin Huong zu. Mit dieser verbringt er die Nacht im Hotel. Ihrem weiteren Liebeswerben kann er nicht widerstehen. Umso mehr als seine Ehe mit Maren offenbar eh nur noch formal besteht, obwohl er davon redet, dass er sie nicht verlieren möchte. Bei seiner Rückkehr nach Köln überrascht Maren ihn mit dem Befund „Knochenmetastasen“. Sie fährt zur Behandlung in eine Spezialklinik.

Ferner steht Thomas, so heißt unser Protagonist, ein Konflikt mit seinem Sohn Daniel ins Haus. Dieser möchte sich an einer Disco beteiligen und bräuchte dazu Geld vom Vater. Der wiederum ist skeptisch, erteilt dem Sohn eine kurze betriebswirtschaftliche Lektion (von wegen Prüfung der Bücher).

Derweil (etwas verkürzt zusammengefasst) ist Huong nach Deutschland gekommen. Ein unsympathischer Typ aus Siegen oder Solingen hat sie aus dem Katalog, in dem sie sich angeboten hat, bestellt. Thomas kauft sie also kurzerhand frei und bringt sie in seinem Zweitappartement, das er in Köln gemietet hat, unter. Sein Sohn kommt dahinter und will Huong wieder nach Vietnam zurückschicken. Thomas entdeckt dieses Vorhaben rechtzeitig und will einschreiten. Aber da jetzt schon über 90 Minuten vorbei sind, greift der Autor des Buches, Karl-Heinz Käfer zu einem billigen Trick, um das Ende einzuleiten: er lässt ein Auto in das Auto von Sohn Daniel, in dem Huong sitzt, reinfahren – dazu noch in einer unbelebten Straße. So kann der Film mit einem malerischen vietnamesischen Beerdigungszug enden. (Da der Film vor kurzem erst am Fernsehen gezeigt worden ist, muss der Content nicht als großes Geheimnis gehütet werden).

Thorsten C. Fischer hat diese TV-Geschichte tv-geschmeidig inszeniert, allerdings mit häufigen schwer verdaulichen, abrupten Sprüngen zwischen Vietnam und Köln. Habitus und Gesicht des Darstellers von Thomas, der Tatort-Kommissar Klaus J. Behrendt, haben etwas irritierend Faszinierendes. Will hier einer aus seiner Routine-Tatortwelt in die große Kinowelt ausbrechen und löst das in ihm wirklich längst von der TV-Realität eingeschläferte Kino-Feeling-Impulse aus? Oder ist es nur der Kulissenwechsel ins fürs deutsche TV doch exotische Vietnam? Behrendt stellt insofern auf jeden Fall etwas dar. Er hat Benimm, Pli, Formen, Präsenz. Meist trägt er offenes Hemd, dazu Sakko oder Mantel.

Ein Versuch von ARD und Degeto, sich über das deutsche TV-Biotop hinauszustrecken. Vietnam als Schauplatz. Da müssen korrekterweise jede Menge Hinweise auf den Vietnam-Krieg rein. Die wilde Verkehrssituation mit den vielen Mopeds ist zu sehen. Die sich anbietenden weiblichen Schönheiten. Die moderne Architektur einer Stadt wie Ho-Chi-Minh-City. Und wie es sich für ein ordentliches öffentlich-rechtliches Buch gehört, sind auch diverse wirtschaftsinformative Ausdrücke wie Benchmark oder ein kleiner Exkurs über die Globalisierung der Bratwurst einzubringen oder Texte zu den Löhnen der Arbeiterinnen, die arm vom Land kommen und erst die Feinmotorik für die Nähmaschinen lernen müssen.

Es gibt also viele Texthinweise, die vermuten lassen, dass es sich hier durchaus auch um ein Stück gebührenöffentliches Bildungsfernsehen in erstrebter Unterhaltungsform bilden soll. Ferner wird ein vietnamesisches Dorf besucht. Dort findet zufälligerweise gerade eine Hochzeit statt. Etwas Folklore muss sein bei so einem Projekt wie die Sauce beim Braten.

Was man der Regie lassen muss, dass sie den Schauspielern Momente des inneren Monologes lässt. Wie Thomas, nachdem seine Frau in die Klinik gefahren ist (und sie will von ihm nichts wissen, obwohl sie von seiner Liaison mit Huong nicht mal etwas ahnt) und er allein in ihr gemeinsames Haus zurückkehrt und nachdenklich wird. Derweil sitzt Huong im Appartment in Köln und schluchzt bis ein Rabenvogel gegen das Fenster der Parterre-Wohnung knallt.

Im Film kommt auch die ausdrückliche Warnung vor den asiatischen Frauen vor, die seien nur am Geld interessiert. Was sich umgehend bewahrheitet.

Der Pluspunkt dieses Filmes ist der Darsteller Behrendt. Gleichzeitig ist aber seine Figur, so wie sie vom Drehbuch her entworfen ist und handelt, ziemlich deppert. Es ist auch schwer verständlich, wieso er gegn Ende aus der Firma austritt. Und da das Ende eine Filmes, wie Drehbuchprofis gerne behaupten, der Anfang eines neuen Filmes sein können müsse, so fehlt dieser Figur ausdrücklich die Perspektive, was er weiter machen will, umso mehr als Huong tot und seine Frau in der Klinik ist.

Das Buch kommt über Fernsehdenke, deutsche Gebührenfernsehdenke nicht hinaus. Lediglich Behrendt sieht für sich die Chance, dieser zu entfliehen zu suchen, was einen eigenen Reiz entwickelt, aber irgendwie auch wieder komisch wirkt. Das Buch will gleich mehrere Themen behandeln: Krebs bei deutschen Frauen, Asiatinnen auf dem deutschen Heiratsmarkt, die Lohnsituation asiatischer Arbeiterinnen und auch die Problematik von wirtschaftlichen Joint-Ventures mit Asien. Und kümmert sich nicht um das einzig und vordringlich wichtige: den Hauptkonflikt der Figur Thomas.

Dass man ihm trotzdem gerne und auch neugierig zuschaut, dürfte vor allem an seiner darstellerischen Bemühung liegen, an der angenehm zurückhaltenden Sprechweise, darin, dass er einer ist, der auch schaut, perzipiert in seiner Rolle, der aufmerksam zuhört und nicht nur, wie zum Beispiel seine sämtlichen Partnerinnen Maren, Dagmar, Cornelia, die für mich als reiner TV-Routine-Cast rüberkamen, die „Zuhören“ nur spielen. Insofern war man doch über eine Weile des Filmes Voyeur eines inneren Konfliktes von ihm, wie entscheidet er sich hinsichtlich Huong und seiner Frau. Aber wie klar wird, dass diese Ehe eh schon im Eimer ist, entfällt das Konfliktpotential auf der Stelle wieder.

Auf den Titel des Filmes wird nicht weiter eingegangen, einmal feiern die Vietnamesen in Köln wohl das Jahr des Drachen oder Neujahr (?), in der unbelebten Straße, in der ein Vietnamese ein Lokal hat, in dem auch Bilder aus dem Vietnam-Krieg hängen.

Die Vietnamesen haben gelernt, ironisch zu sein, es gibt zum Beispiel einen Drink, der heißt B 52 (das waren die amerikanischen Bomber).

Ein Beispiel, woran sich zeigt, dass dieser Film, obwohl ein ambitioniertes TV-Projekt, doch in den Fängen des Fernsehdenkens kleben bleibt: die Schilderung der Ehe von Maren und Thomas: es gibt nur wenige Szenen und in der wichtigsten wird der Dialog vor allem dazu benutzt, dem Zuschauer Informationen über, also die theoretische Beschreibung dieser Ehe zu liefern. Es fehlen aber gerade die Szenen, die das auch empirisch nachvollziehen liessen. Dazu bräuchte der Film allerdings ein viel stringenteres Handlungsgerüst, als nur ein paar Flüge zwischen Köln und Saigon, wobei Flüge übertrieben ist, denn es handelt sich lediglich um Hin- und Herschnitte, den Flug muss man sich denken und die Zeit und die Veränderung, die eine solche Zeit bewirkt, auch. Insofern muss ich aber die weiter oben kritisierten Schauspielerinnen wieder in Schutz nehmen: das Drehbuch liefert ihnen nun grad so gar kein Futter: insofern ist es richtig solche Rollen mit Leuten zu besetzen, die Text auf Punkt und Komma und auf Befehl liefern können. Ein Genuss ist es nicht.

Warum ständig geraucht wird, ist mir unergründlich. Es wird auch so gut wie nicht thematisiert. Es hilft auch den Szenen nicht, es scheint sich um eine Verlegenheitslösung zu handeln. Einmal wird das Rauch-Räuchlein benutzt um einen Szenenübergang weich wirken zu lassen.

Auch das Verhältnis vom Vater zum Sohn wird vor allem durch eine ziemlich verunglückte Rede anlässlich des 50. Geburtstages von Vater „erklärt“, bleibt insofern gesprochenes Papier (immer unerreichbares Vorbild).

Der Darsteller des Sohnes, ein intelligentes Bürschchen, das sich aber durch die Annahme solch papierener, stereotyp geglätteter Rollen selbst in eine Fachfalle hineinspielen dürfte.

Schampe, so sprechen Vietnamesinnen im deutschen Fernsehen das Wort Schlampe aus. Aber sie will ja deutsch lernen.

Unscharfe Charakterisierung von Thomas, zum Beispiel wenn er auf Geldforderungen von Huong sagt, er sei doch kein Geldautomat. Oder dass er selber sagen muss, er sei Hemdenverkäufer; der Satz kam mir papieren vor. Na ja, und das entsetzte Schauen, beim tödlichen Unfall von Huong, da ist nicht ganz klar, ob das Entsetzen doch mehr dem Drehbuch gilt. Aber es ist auch insofern schwierig, auch für den Zuschauer, das abzunehmen, weil eben diese Liebe zu Huong empirisch nicht eine Sekunde nachvollziehbar war trotz halbleckerer Bettszenen.

Vietnam.
30 Jahre Krieg.
3 Millionnen Tote.
Und jetzt haben wir amerikanische Burger.

Und wir haben diesen Film.

Aber Behrendt lacht nicht einmal in diesem Film; ist das nicht etwas too much erstrebter Movie-Heiligkeit?

Sushi in Suhl

Dafür, dass es in Deutschland so gut wie keine kinotaugliche Drehbuchkultur mehr gibt, ist dieses Sushi in Suhl, wozu Jens-Frederik Otto das Buch geschrieben und Carsten Fiebeler die Regie geführt hat, doch einigermaßen genießbar.

Nun ja, so geniessbar und würzig in etwa wie der Ingwer, der in einer Szene vorkommt, in der der Japaner dem DDR-Koch ein Stück Ingwer bringt, der riecht daran und findet nichts besonderes, der Japaner aber besteht darauf, dass es was besonderes sei, aber zu diesem Behufe müsse er den Ingwer eben aufbrechen. So kommt es mir mit diesem Film vor.

Die Macher haben tatsächlich einen exotischen, einen sensationellen Stoff gefunden. Aber sie geben sich mit der Gewissheit zufrieden, ein solcher Stoff allein reiche schon für ein leckeres Kino-Menü, sie müssten den nicht noch ganz besonders zubereiten, oder eben, sie brechen den Ingwer gar nicht erst. Das ist schade, denn die Geschichte ist extraordinär, die die Macher hier nach einer wahren Geschichte, vielleicht mit einem zwinkernden Auge auf die DDR-Klischee-Figuren, die sie dazu brauchen, als Spielfilm erzählen, es ist die von Rolf Anschütz, dem Koch des Lokals „Waffenschmied“ in Suhl, einem DDR-HO-Betrieb, wobei im Film leider nie erklärt wird, was HO bedeutet.

Anschütz kam durch Zufall auf den Trip mit der Erforschung und Erprobung der japanischen Küche. Wurde damit nicht nur in der DDR berühmt, sondern auch in Japan. Er konnte den Betrieb, der für die DDR ein genialer Devisenbringer war, auch gegen alle Intrigen behaupten, wurde sogar nach Japan eingeladen und dort gefeiert. Und er hat in Suhl das japanische Essen nach japanischem Zeremoniell zubereitet.

Die Geschichte wird aus der Perspektive seines einäugigen Sohnes, der in der Zeit, in der der Film spielt, noch ein Bub war, erzählt. Durch diese Perspektive beraubt sich der Drehbuchautor allerdings der Möglichkeit, in Anschütz hineinzuschauen, Spannung von seinen Needs her zu erzeugen. Insofern reicht auch die Besetzung der Rolle mit Uwe Steimle vollkommen aus, um das Interesse an der Figur wachzuhalten, denn immerhin spielt er den Koch glaubwürdig, was in einem subventionierten deutschen Film nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit ist. Er hat vielleicht etwas zu konstant diesen etwas treuen, leicht introvertierten, schüchternen Blick drauf.

Wenn im Abspann dann allerdings ein Originalbild folgt, so ist schnell ersichtlich, dass das Original doch eine deutlich komplexere Figur gewesen sein muss, mit viel mehr Hintersinn, Weisheit, verborgener List als hier im Film dargestellt. Konflikte in Szenen eskalieren hier meist zu abrupt und wirken zu laut, zu gestellt. Oh Drehbuchkultur, oh Drehbuchkultur.

Warum das Exotische an dem Film im Film auch eher rührselig exotisch wirkt, dürfte daran liegen, dass gar nicht erst versucht worden ist, eine realistische DDR, dieses Grau-in-Grau als dialektischer Gegensatz, zu welchem das Exotische erst aufregend wirkt, zu inszenieren.

Sympathie gewinnt die Anschütz-Figur aber durch Sätze wie diesen, dass er (wie er auf die japanische Küche stößt) das erste Mal im Leben das Gefühl habe, seiner Bestimmung zu folgen (und die Familie hatte gegenüber dieser Bestimmung das Nachsehen, aber das tut auch überhaupt nicht weh, weil die Figur seiner Frau von Anfang an nicht zu ihm passt, weder besetzungsmäßig noch schauspielerisch noch vom Drehbuch her). Steimle scheint durchaus ein Schauspieler zu sein, der das Gemüt des Zuschauers anzusprechen vermag. Ihm dürfte die Sympathie des Publikums sicher sein sowohl vom glaubwürdigen Spiel als auch vom Stoff her.

Lehrsatz vom Japaner: Du musst die Augen hungrig machen, nicht den Magen. Würde jeder Kochsendung gut anstehen.

Der Original-Anschütz scheint eine Figur mit ganz anderem Pfiff gewesen zu sein, als hier dargestellt. So wie auch das Drehbuch weitgehend den Pfiff vermissen lässt, den eine raffinierte kulinarische Spezialität verlangt. Vielleicht noch der Joke: wie es um die Dekoration des japanischen Speisesaales in Suhl geht, ist die Antwort auf die Frage, was das sei: so eine Art Deko hm hm Take On Do…

Miss Bala

Laura Guerrero heißt die Hauptfigur in diesem mexikanischen Bandenkrimi. Guerrero bedeutet auf Deutsch der Krieger/die Kriegerin. Eine solche ist nun unsere dunkelhäutige Schönheit und Hauptdarstellerin gerade nicht. Sie stammt aus einfachen Verhältnissen und lebt mit ihrem Vater und einem kleineren Bruder in einer einfachen Behausung in einem gesichtslosen Ort in Baja California in Mexiko. Sie verdient ein Geld mit Herstellung und Verkauf von Textilien. Es sind einfache Verhältnisse und darum kann sie sich vermutlich auch keine Spitzen-Gesichtschirurgie leisten kann.

Laura träumt mit ihrer Freundin davon, am Wettbewerb um die Miss Mexiko, zumindest Miss Baja California teilzunehmen. Leider wird bei Laura von Anfang an nicht ganz klar, wie wichtig ihr dieser Schönheitswettbewerb ist, überhaupt, was sie will im Leben. Das wird zunehmend eine Belastung für diesen Film, der ganz gut anfängt, im Fahrwasser der Dardennes-Methode, immer nah an der Protagonistin, ohne jede erzählerische Distanz, möglichst realistisch und glaubwürdig.

Das funktioniert auch ein gutes Stück Film ganz hervorragend. Denn bald schon gerät Laura in die Fänge der berühmtesten Verbrecherbande aus Baja California, einer Grenzprovinz zu den USA, wo der Drogenkrieg am heftigsten wütet. Sie gerät ins Visier des Bandenchefs Valdez, der eben mit seiner Gang „Estrella“ einen blutigen Überfall auf eine Disko verübt hat. Laura hatte sich kurz zuvor mit ihrer Freundin dorthin begeben. Sie wird in letzter Sekunde Zeugin des sich anbahnenden Blutbades, kann sich aber retten, will sich einem Polizisten anvertrauen, der korrupt wie er ist, sie umgehend an Valdez ausliefert. Für den darf sie jetzt die drei Leichen des Überfalls, darunter ist auch ihre Freundin, in einem PKW verpackt vor der US-Botschaft abstellen.

Valdez hat bereits ihre Telefonnummer und Adresse. Er will ihr nachträglich auf dem Wege der Korruption die Teilnahme am Miss-Wettbewerb ermöglichen. Aber sie büxt aus, wie sie Klamotten kaufen soll. Von Valdez hat sie ein Ersatz-Handy bekommen. Das wird ihr von anderen dubiosen Figuren geklaut. Sie flüchtet nach Hause, doch bald schon taucht der verletzte Valdez bei ihr auf. Sie darf Vater und ihren kleinen Bruder wegschicken, so kann die Gang, deren Hauptversteck aufgeflogen ist, sich dort einrichten. Pflichtschuldig und mit treuem Hundeblick von unten, lässt Laura alles mit sich machen. Sie lässt sich auf einen Flug in die USA schicken für einen Geldtransport. Daraufhin gewinnt sie mithilfe von Valdez die Misswahl.

Aber Laura ist nicht glücklich dabei. Sie schaut immer sehr bedröppelt. Man kennt sich gar nicht mehr aus mit ihr. Sie lässt sich sogar als Lockvogel für ein Attentat auf einen General hergeben. So sehr man am Anfang die Geschichte für realistisch gehalten hat, so sehr entfernt sie sich von dieser Glaubwürdigkeit in ihrem Fortgang, weil immer noch was dazu kommt und noch was und vor allem, weil diese Laura irgendwie passiv durch die Geschichte geht und man nicht Bescheid weiß, was mit ihr wirklich los ist. Immer nur diese bedröppelte, schuldbewusste Miene. Das mag auch am Drehbuch liegen, das diese Frau nur als Opfer des Drogenkrieges sieht. Darunter leidet allerdings die narrative Qualität des Filmes.

Der Film wirkt streckenweise so, als wolle er vor allem unser Mitgefühl mit Laura erzeugen. Die noch nach den heftigsten Eruptionen durchs Bild stöckelt, als käme sie gerade vom Fitness-Training. Zynisch natürlich der Text der Moderation bei der Misswahl, dass diese zu Toleranz und Respekt vor einander führen soll. Die Orgelmusik im Abspann verstärkt noch den Eindruck, dass es hier doch vor allem darum geht, Mitgefühl zu wecken und nicht die Sinne für Menschliches zu schärfen. Andererseits dürfte die Grausamkeit, mit der die Mittel in diesem Drogenkrieg dargestellt werden, nicht hinter der Realität zurückstehen.

Das Buch haben Mauricio Katz und Gerardo Naranjo geschrieben; Gerardo Naranjo hat auch die Regie geführt.

Gnade

Keine Frage, das sagt schon der Titel, dieser Film ist ein moralischer Streifen, er wirft die moralische Frage auf, Gnade vor Recht ergehen zu lassen, obwohl gerade dieser Konflikt letztlich nicht gezeigt resp. nur ganz kurz und randständig gestreift wird, weil es nicht das Problem der Hauptfiguren, Jürgen Vogel als Niels und Birgit Minichmayer als Maria, ist.

Insofern ist der Titel möglicherweise eine Fehlindikation, ein falsches Versprechen. Denn das Problem von Maria und Niels ist nicht das, Gnade walten zu lassen, sie haben das viel größere Problem, Gnade annehmen zu müssen, aber auch dieses Problem wird gar nicht erst als solches artikuliert in diesem Film von Matthias Glasner, das sind die Gedanken des Zuschauers beim finalen nordisch-norwegischen Sommerfest in Hammerfest, was wohl in den Tätern, die Gnade erfahren haben, vorgehen mag.

Eine sicher nicht unbedingt massentaugliche Behandlung eines so urchristlichen und urmoralischen Problems. Was dem Film zu gut zu halten ist, ist sicher, dass der Autor, Kim Fuqz Aakeson, ein Däne ist und damit offenbar verschont von der chronischen Verkopftheit deutscher Autoren.

Hier wird erst vorgestellt, wo der Film spielt, nämlich im erwähnten Hammerfest, das ist hoch oben im Norden Norwegens, wo zwischen 21. November und 22. Januar die Polarnacht herrscht, ein dankbares Phänomen, wie hier filmisch deutlich wird, besonders wenn man als Drüberstreuer über Szenen, die was erzählt haben, immer wieder den Blick über die Fjorde und Berge und das Meer streifen lässt, das Licht wirken lässt.

Auch die Info über die Polarnacht wird dem Film vorangestellt. Dann lernen wir die deutschen Hauptpersonen kennen, das sind Niels, der einen Job in einem Gasexplorationswerk angenommen hat, Maria, die als Krankenschwester arbeitet und ihr Sohn Markus, der noch zur Schule geht und schnell finnisch lernt, aber nicht leicht Kontakt zu den Schulkameraden findet.

Die Ehe von Niels und Maria scheint eine routinierte Angelegenheit geworden zu sein. Niels nutzt die erste Möglichkeit, im Werk eine fesche Mitarbeiterin ziemlich plump und direkt anzumachen und bald auch schon zu vögeln. Während Maria wegen ihrer schwangeren Chefin zusätzlich Nachschichten im Spital schiebt.

Auf einer Heimfahrt durch die Polarnacht, in diesem Zeitraum fängt der Film an, spürt Maria, dass sie mit dem Auto gegen einen Gegenstand gefahrenen ist, sie hatte kurz sich auf das Polarlicht konzentriert, sah aber im Rückspiegel nichts und erzählte das zu Hause ihrem Mann. Dieser fuhr daraufhin nochmal die Strecke ab, konnte jedoch kein totes Tier entdecken. Wie dann in der Zeitung zu lesen ist, dass eine Schulkameradin von Markus tot am Straßenrand aufgefunden worden ist, da fängt das Gewissen in Maria und Niels an zu arbeiten.

Das gibt Birgit Minichmayer Gelegenheit für eine grandiose Schauspielerszene im Bett, wo sie mit sich und ihrem Schicksal hadert. Niels, den Jürgen Vogel spielt, möchte sofort die Polizei benachrichtigen. Aber irgendwie kommt es nicht dazu.

Diese Schuld wird jetzt über die nächsten zwei Stunden über dem Film lasten; das Leben geht weiter, der Vater geht mit dem Sohn Eisfischen und vögelt seine Kollegin; der Bub spuckt einem Klassenkameraden, einem Outsider in der Schule, in den Rucksack und Maria singt in einem Chor, damit im Film einige musikalisch entspannende Momente entstehen können; wobei die Musik sehr ausgewählt, sehr elitär ist, somit das Ganze auf die Ebene höherer Kunst erhebend.

Es kommt der Zeitpunkt, wo ich mich als Zuschauer gefragt habe, wird das jetzt ewig so weiter gehen. Nein, so kann es nicht weiter gehen. Das Ehepaar Niels und Maria machen sich spät auf zur Beichte bei den Eltern des von Maria zu Tode gefahrenen Mädchens resp. vielleicht wegen unterlassener Hilfeleistung erfrorenen Mädchens, das womöglich unter Drogen oder Alkohol gestanden hat.

Bei diesem Sühne- oder Geständnisbesuch wird das Kino nun zum Kino, was im Zuschauer unwillkürlich die Frage aufwirft, wie würde er reagieren, aber auch die Frage, ob die Reaktion der hinterbliebenen Eltern irgendwie nachvollziehbar wäre – ganz ist sie es sicher nicht, aber Rache ist nun auch nicht unbedingt zwingend.

Immer wieder musste ich an den packenden Film von Atom Egoyan „Das süße Jenseits“ denken, vielleicht wollte sich Glasner bewusst davon absetzen. Jener erzählt von einem ähnlichen, wenn auch gleichzeitig anders gearteten Unfall mit einem Schulbus. Dagegen wirken hier die Aufnahmen von der Todesstelle mit dem Kreuzlein und den Blumen und den Kärtchen drum herum dann doch wieder kreuzbieder deutsch, sorry.

Bei Egoyan wurden alle Konsequenzen des Todes fast aller Insassen jenes Schulbuses durchdekliniert. Hier scheint es, als ob für Glaser das Thema seines Filmes gleichzeitig eine Leerstelle bleiben müsse (wohl nach Wittgenstein, worüber man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen?), um die herum er wunderbar inszenierte Bilder und Szenen mit wunderbaren Schauspielern arrangierte, eine Methode, die einem Film gewiss keine Schlagkraft verleihen kann, und die kaum erwarten lässt, dass der Film zu Diskussionen zum Thema Fahrerflucht anregt.

Es scheint konsequent weitergedacht eher so zu sein, dass man damit sogar ganz gut leben kann, das ist jetzt sicher überspitzt gesagt. Vielleicht ist es eine typische deutsche Angst, das Wesentliche zu sagen, aber skandinavisch genießbar präpariert, Angst davor zu haben, einen Gewissenskonflikt deutlich zu formulieren; faktisch zeigt uns Glasner die Verdrängung des Konfliktes. Ob das, außer den erwähnten Qualitäten weiter fruchtbar ist, das ist dann doch eine andere Frage.

Agent Ranjid rettet die Welt

Gäbe es kein ZDF und keine diversen Filmförderer, wäre uns dieser Film in dieser holprigen, uninspirierten Form garantiert erspart geblieben. Es scheint sich um ein reines Förder- und TV-Geld- und Subventions-Melk-Produkt zu handeln.

Kein Wunder also, dass die Protagonistin im Film, die schwarze Milchkuh Benytha, Magenbeschwerden hat. Es dürfte sich um den Magen der Filmsubvention handeln. Doch die Heilung der Beschwerden kostet beim Tierarzt Geld. Das hat allerdings der Besitzer der Kuh nicht, ein offenbar bekannter Fernsehkomiker, der gerne einen Inder mit großen Augen, ulkigem Mund, zappeligen Bewegungen und billiger Akzentparodie darstellt. Er muss nun irgendwie die 1876 Euro und 54 Cent beschaffen. Als Putzkraft im Hochhaus, in dem der Ayran-Secret-Service residiert, kann er das niemals verdienen. Zum Glück muss dieser Geheimdienst gerade die Welt vor einem Bösewicht aus Holland retten und braucht, da seine besten Agenten bereits von der gegnerischen Viagra, einer Frau, die den Männern das Gehirn zwischen die Beine sinken und dort hervorstehende Gebilde entstehen lässt, ausgeschaltet worden sind, einen neuen Süperagenten.

Wie die Zufälle in so einem comedybemühten Drehbuch es wollen, taucht der Putzmann im richtigen Moment und am richtigen Ort auf und wird im weiteren Verlauf des Filmes, dem schon nach weniger als 80 Minuten Ideen und Puste längst ausgegangen sind, die Welt richtigerweise retten.

Etwas mühsame Fahrt gewinnt der Film in der Phase, wie der eine der offenbar getöteten Süperagenten wieder da ist – gespielt vom selben TV-Komiker, in dieser Figur aber mit einem kommentierenden Nachhuster nach jedem Satz und einseitig hochgezogenem Mundwinkel und ständig das Wort „Spost“ im Mund – und wie die beiden Süperagenten um die Rettung der Welt konkurrieren.

An diesem Film haben (Gebühren- und Filmförder)Geld kassiert: die Autoren Dieter Tappert, Kaya Yanar, Norman Coester, der Regisseur Michael Karen, der Kameramann Stephan Schuh und viele andere kleine und kleinere, bedeutendere und weniger bedeutendere Chargen; aber auch der holländische Weltstar Rutger Hauer konnte den Subventionseuros nicht widerstehen und versucht dafür, komisch zu sein, eine mehr als traurige Angelegenheit.

Für dieses Produkt bescheidenen Geistes und von geringem künstlerischen Niveau haben Geld locker gemacht: das ZDF, die Film- und Medienstiftung NRW, der Deutsche Filmförderfonds DFFF und die Filmförderungsanstalt FFA. So werden sie allerdings die Welt nicht retten. Sie verteilen lediglich öffentliches Geld um auf ein paar gut an die Subventionszitzen angedockte Kanäle.

Dieser Film ist ferner ein einfaches Wildern auf der Abraumhalde sprachlicher Defizite nicht genuin Deutschsprechender und der Ersatzbegriffe für nichtgelebte Sexualität; ein Geschäft damit versprechen sich ganz offensichtlich die Produzenten Christian Becker und Martin Moszkowicz.

Asterix & Obelix – Im Auftrag ihrer Majestät

Kino aus der Römerzeit.

Ach so, da gabs ja noch gar kein Kino.

Aber in dieser Römerzeit gabs in England schon Doppeldeckerbusse, die von Pferden gezogen wurden; das Rad war ja auch schon erfunden – aber die Bilder hatten das Laufen noch nicht gelernt.

Ein bisschen geht es auch so mit diesem Film. So richtig laufen tun die Bilder nicht. Es ist eher wie ein Umblättern bei Kinderbüchern, vielleicht sogar solchen aus Holz. Oder die dreidimensional aufgeklappt werden können. Hier versucht sich das Kino des Laurent Tirard, der mit Grégroire Vigneron auch das Buch geschrieben hat, in der 3D-Technik. Szene für Szene werden die Gallier, die Römer, die Normannen, die Briten in 3D gemeisselt, werden die Sketche nach den Comics „Asterix bei den Briten“ und „Asterix bei den Normannen“ in einfache, klare, statische Bilder gegossen. Das muss der Freude über den Witz der Comics keinen Abbruch tun. Wenn man die liest, blättert man ja auch immer wieder um. So bleibt allerdings eins plus eins immer nur gleich zwei und wird nie gleich drei.

Mit diesem 3D hier tue ich mich schwer. Obs an meiner Brille gelegen hat, dass mir dieses so überflüssig wie unbeholfen vorkam, auch wenn Heerscharen von ungarischen Animatoren redlich versucht haben Römerlager, britannische Dörfer, London, das Meer, die Klippen, das römische Heer und selbstverständlich unsere Hauptfiguren Asterix und Obelix dreidimensional erscheinen zu lassen.

Die Geschichte läuft in etwa so: die Römer sind dabei, Britannien zu erobern, es fehlt ihnen noch ein einziges Dorf; das leistet heftigen Widerstand. Um der Übermacht der Römer etwas entgegenzusetzen, schickt die britische Königin, die sich auch in diesem Dorf aufhält, ihren Haushofmeister Teefax zu den Galliern. Der soll sie um ein Fass des Zaubertrankes bitten, der übermenschliche Kräfte verleiht. Asterix und Obelix begleiten Teefix mit dem Fass zurück nach Britannien. Obelix trägt immer das Fass auf seinem Rücken und freut sich unbändig darauf, endlich mal wieder gscheit Römer zu verkloppen. Sie werden begleitet von Grautvornix, dem Vertreter einer friedlichen jungen Generation, ein Barde der Liebe und jeglicher Gewalt abhold gesonnen. Derweil hat Julius Cäsar die urwüchsigen und wilden Normannen gegen das renitente britische Dorf mobilisiert.

Jetzt ist die Ausgangslage für manche Klopperei und Kämpferei gegeben. Die Gallier gehen ihres Fasses verlustig. Asterix und Obelix verlieben sich noch dazu und vergessen den Auftrag. Aber Ende gut alles gut, der Zaubertrunk wirkt auch, wenn er nur Tee ist, den Asterix aus Blättern, die der Flüchtling Hatnix dabei hat, braut und so placebobeflügelt die Bauern mit ihren Holzgerätschaften wie Mistgabeln und Sensen auf die Römer los jagt, so dass die vor Schrecken davon laufen. Und dann ist auch Obelix trotz amoureuser Ambitionen hinsichtlich einer altjüngferlichen britischen Gouvernante, die sind wirklich rührend-schräg, wieder auf den Geschmack an den Römern gekommen und mischt deren tolles Schlacht-Dreieck von hinten her auf. Die Briten müssen ab da nicht mehr nur heißes Wasser, sie dürfen jetzt Tee trinken.

Charakterisierungen. Das Formelle der Briten wird sehr deutlich gemacht, selbst als sie noch keinen Tee kannten, da liessen sie punkt 5 Uhr nachmittags alles stehen, selbst einen Krieg, um ihr heißes Wasser mit abgespreiztem Finger zu trinken. Teefax ist eine voll übertriebene britische Karikatur im Schottenrock, der die höfliche Distanz zu seiner Geliebten unerträglich auf die Spitze treibt. Grautvornix steht für die unbefangene, friedliche junge Generation, die lieber der Musik und der Muse frönt als dem Krieg. Der Flüchtling Hatnix steht für das ganze europäische Migrantenproblem. Die furchtlosen Normann dagegen sind auf der Suche nach der Angst, weil die einem Flügel verleihen würde.

Die Briten sprechen in der deutschen Synchronisation alle ein britisches R, während die Gallier und die Römer und Normannen ein langweiliges Routine-Synchrondeutsch sprechen, was gegen die Asterix-Atmosphäre arbeitet.

Römerkino, obwohl die moderne Interpretation mit Verweisen auf die Heute-Zeit nicht spart, die Brieftaube wird von Julius Cäsar als Handy benutzt und dann weggeschmissen, weil sie nicht funktioniere; Personenkontrollen verlangen modernste fälschungssichere Ausweise; Geschichtsklitterung hat schon Cäsar betrieben, der seinen Sekretär Megacursus von einem Sieg über die Briten schreiben lässt – und von Gnade, die er hat obwalten lassen; beim Sturm der britischen Bauern gegen das hochmoderne römische Heer mit seinen geometrischen Schlachtordnungen denkt man unwillkürlich an den modernen Krieg hochgerüsteten Nato gegen die barfüßigen Taliban.

Die halbe Miete allerdings garantiert allein Gerard Depardieu als Obelix, ein wandelnde Comicfigur par excellence, obwohl mir in manchen Moment auch schien, dass er sich ein bisschen auf einer bestimmten Masche ausruht, große Augen, hilflos, fast apathische Gesten.

The Angels‘ Share – Ein Schluck für die Engel

Herzhaftes, griffiges britisches Kino mit einer Moral, die vom juristischen Standpunkt aus nicht unbedingt zu verteidigen wäre: denn hier gibt es ihn, den guten Diebstahl, der keinem Weh tut und der rundum Gutes bewirkt.

Es geht um eine ganz besondere Kostbarkeit, um einen schottischen Whisky, der auf einer Auktion über eine Million bringen soll, der beste Whisky der Welt überhaupt.

Vom moralischen Standpunkt aus besehen ist der Film zumindest nicht ganz so goldglänzend wie der feine Whisky glauben machen mag: Alkohol kann ein seelenfressender, charakterzerstörender Saft sein – und dieser Film von Ken Loach, zu dem Paul Laverty das Drehbuch geschrieben hat, ist nun bestimmt nicht dazu angetan, auf die Gefahr des Alkoholkonsums aufmerksam zu machen, ja man könnte durchaus den Verdacht hegen, dass bei der Finanzierung ganz im Hintergrund schottische Whiskyproduzenten Geld haben springen lassen.

Griffig ist der Film auch vom Standpunkt der Erklärung her, wie Whisky hergestellt wird. Bei einer Führung durch eine Brennerei werden die wichtigsten Punkte im Herstellungsprozess in der richtigen und somit realistischen Reihenfolge abgehakt.

Einen kleinen Warnhinweis auf das Risiko Alkohol stellen die Filmemacher immerhin gleich zu Beginn in ihren Film. Albert, der dann später nicht die Hauptfigur sein wird, dem aber der schottische Kilt beim Ausflug ins Whiskyland zwischen den Beinen noch sehr zu schaffen machen wird, der ist ein Risiko wegen des Alkohols, nicht nur bei diesem Ausflug, schon in der ersten Szene des Filmes balanciert er halsbrecherisch unsicher am Rande eines Bahnsteiges mit einer Getränkeflasche in der Hand und weit entfernt von nüchtern. Ein Zug nähert sich. Die in einem entfernten Kontrollraum sitzende Aufsicht verfolgt das schwankende Geschehen an einem Bildschirm und versucht den Trunkenen zur Raison und zurück von der Bahnsteigkante zu bringen. Stattdessen fällt er aufs Gleisbett, der Zug ist nur noch Sekunden entfernt und wie Albert kapiert, dass er wieder auf den Bahnsteig zurück klettern soll, da fällt ihm auf, dass er die Brille verloren hat und muss die im Gleisbett noch suchen. Aber wie es zu der menschenfreundlichen Grundhaltung in diesem Film passt, wird er es gerade noch schaffen.

Der Alkohol als Risikofaktor, das Thema wird nicht weiter verfolgt, dem ist mit der Bahnsteigkantenszene Genüge getan. Also zur Geschichte. Im Gericht werden verschiedene Vergehen abgeurteilt, einige Delinquenten werden zu Sozialstrafen verdonnert. Der eine ist eben unser Albert; der herzzerreißendste Fall aber ist Robbie, ein ewig rückfälliger Schläger, der wieder einmal ausgerastet ist und einen anderen Kerl schier zu Tode getreten hat; Robbie ist nun mit einer jungen Frau liiert und die erwartet ein Kind von ihm. Dieser Robbie wird unsere Hauptrolle sein.

Robbie wird dem Kind zuliebe versuchen, dem Circulus Vitiosus der Gewalt abzuschwören, dem kaum zu Entrinnen ist. Im Sozialhaus, das neu gestrichen werden muss, lernt er andere Leute kennen, die auch ihre Sozialstunden ableisten. Über den Besuch bei einem Whiskyhersteller kommt er auf den Geschmack von Whisky und über drei weitere Ecken gedeiht die Idee, von jenem zur Auktion anstehenden Whisky ein paar Liter abzuzapfen, um mit dem Geld davon, eine solide Grundlage für eine Existenz für ihn und seine Familie zu schaffen. Was in einem menschenfreundlich gesinnten Kino auch gelingen wird.

Die Stärke dieses Kinos von Ken Loach mit der politisch nicht ganz korrekten Message, wobei der Titel diese auch noch rechtfertigt: beim Angels‘ Share handelt es sich nämlich um eine natürliche Schwundmenge durch verdunstenden Alkohol im Laufe des Reifungsprozesses des Whiskys; womit die Gleichung, dass in so einem vollen Fass sowieso was fehlt, was keinem weh tut, nochmal zur Rechtfertigung für den Diebstahl beigezogen wird, die Stärke also dieses Kinos von Ken Loach ist seine Nähe zu den Menschen, ihr nüchterne Betrachtung.

Ken Loach scheint die einfachen Menschen zu lieben, er wählt fantastische Typen aus, lässt sie rund spielen, schöner wäre es natürlich noch, das Ganze im original britischen gar schottischen Dialekt zu hören, obgleich wir dann wahrscheinlich nicht mehr viel wörtlich mitbekommen würden; da ist jedwede deutsche Nachsynchronisation, mag sie noch so sorgfältig gemacht worden sein wie hier, ein Armenkind dagegen.

Griffig ist das Kino von Ken Loach auch, weil er konkrete Vorgänge liebt; die Handlungen sind plausibel; das Stück geht planmässig voran, ohne sich bei Unwichtigem aufzuhalten.

Das tiefere Thema in diesem Soziodram sind Menschen, die in Gewaltzirkeln ge- und befangen sind, wobei gerade hier Alkohol oft einen ungünstigen Einfluss entwickelt. Ihnen da rauszuhelfen gelingt offenbar wirklich nur, diesen deprimierenden Befund zu übertünchen, gelingt wirklich nur mit einer doch ziemlich fantastischen Geschichte, die aber gerade durch den Titel und den damit verbundenen Tatbestand das Siegel absoluter Glaubwürdigkeit erhält.

Was die Werbung für Whisky betrifft: mich hat der Film jedenfalls nicht dazu animiert, gleich nach der Vorstellung mir einen zu genehmigen; überhaupt nicht; weil der ja doch nur ein sehr vordergründiger Vorwand für das tiefere Thema ist. Ein Schluck für die gefallenen Engel.

96 Hours – Taken 2

Wenn an wichtiger Stelle der Credits Luc Besson erwähnt wird, wie hier als Produzent und Autor, und wenn ein Action-Thriller angekündigt, wenn der außerdem noch hauptsächlich in Istanbul spielt, so kann man sich zuverlässig freuen auf solide gemachte Action und garantiert werden in Istanbul durch viel zu enge Gassen viel zu breite Limousinen sich viel zu schnelle, halsbrecherische Verfolgungsjagden liefern.

So ist es denn auch und Istanbul beweist, dass es eine Superkulisse für einen solchen Agentenfilm ist. Was heißt hier Agentenfilm. Agent-im-vorgezogenen-Ruhestand-Film. Liam Neeson ist Agent. Aber eigentlich hat er sich zurückgezogen. Er macht nur noch ausgewählte Jobs. Will sich seiner Frau und seiner gerade so erwachsenden Tochter widmen. Ihr will er vor allem Fahrstunden geben. Ein bekümmerter Vater mit einem interessanten Gesicht, um das herum die Fantasie ohne großen Aufwand eine sicher bemerkenswerte Vergangenheit als Agent sich ausmalen kann mit jeder Menge Aktionen am Rande der Legalität oder drüber hinaus und in sehr hohem Auftrag. Da soll jetzt vorbei sein.

Leider gibt es in Albanien einen mächtigen Herrn, dessen Sohn Opfer eines Agentauftrages von Neeson als Bryan Mills geworden ist. Flugaufnahmen zeigen zu unserer Information die schöne Beerdigung. Der Albaner findet nun heraus, der hat auch so seine Verbindungen, dass Mills einen Personenschützerauftrag in Istanbul angenommen hat und noch einige Tage mit seiner Frau und Tochter dranhängen will. Gefahr und Unheil verkündend setzt sich aus Albanien eine ganze Wagenkolonne schwarzer Limousinen in Richtung Istanbul in Bewegung. Mills soll samt seiner Familie gekidnappt werden.

So weit so gut so pragmatisch so routiniert erzählt. Natürlich spannt ein Mann wie Mills sofort, wenn in einem Hotelfoyer Herren sitzen, die nur halb in ihre Zeitungen versunken sind und einen deutlich beobachten, wenn man beispielsweise mit dem Handy telefoniert.

So setzt in der größten Beschaulichkeit urplötzlich eine dringliche Hektik ein, die Mills gar keine Zeit lässt, Frau und seine Tochter darüber aufzuklären, was sich gerade abspielt. Die haben gleich zu spuren. Das ist ein heftiger Zusatzreiz für so eine Verfolgung; wenn die Tochter, die gerade erst das Autofahren lernt, plötzlich am Steuer einer Limousine und bellend vom Vater kommandiert durch Istanbul vor immer mehr Polizeiautos fliehen muss. Das ist aber vorgegriffen.

Die drei Zielpersonen dieses beabsichtigten Kidnappings müssen nun Fersengeld geben. Besson fallen für die nun folgende Verfolgungs- und Befreiungsaktionen ganz verrückte Sachen ein, die so eine Flucht zum genüsslichen Kinovergnügen machen.

Ein Beispiel. Wie Neeson mit seiner Frau gekidnappt worden ist, wird er in einem Keller mit nach oben gestreckten Händen an einer Eisenstange mit Ketten befestigt. Er soll nun zuschauen, wie seine Frau, die ebenfalls an Ketten aufgehängt ist und einen Schnitt in den Hals bekommen hat, langsam verblutet.

Plötzlich nestelt er mit den Schuhen aus einem Strumpf ein Minihandy hervor, balanciert es zum einen Knie und mit diesem versucht er es zu den Händen zu hieven. Ein delikater artistischer Akt, der nicht auf Anhieb gelingen kann. Wie er das Handy endlich in den mit Handschellen gefesselten Händen hält und es betriebsbereit hat, ruft er seine Tochter an, die noch in Freiheit ist. Er organisiert nun mit äußerst detaillierten Anweisungen seiner und seiner Frau Befreiung durch die Tochter. Er hat sich nämlich bei der Fahrt zum Verlies mit dem Kopf in einem Sack anhand von Geräuschen und Sekunden und Fahrwegbeschaffenheit genau gemerkt, was für einen Weg sie gefahren sein könnten. Nun schreibt er seiner Tochter höchst detailliert vor, was sie zu tun habe. Welchen Koffer sie in seinem Hotelzimmer von wo hervorholen, ihn mit welcher Kombination zu öffnen habe, in welchem Fach sie, Schnur, Stadtplan von Istanbul und einen Schreiber finde und wie sie nun konzentrische Kreise um das Hotel und den Entführungsort zeichnen soll.

Wie sie dann eine Handgranate (selbstverständlich sind das alles Dinge, die sie noch nie im Leben gemacht hat) und wie exakt aus dem Hotelzimmer auf das gegenüberliegende Dach werfen soll (nachdem sie ihrem Vater dieses beschrieben hat), damit diese dort explodiert – ohne dass Menschen zu Schaden kommen, so weitsichtig agiert Mills noch in höchster Not – wie Mills die Sekunden zählt, bis er die Explosion hört, wie seine Tochter daraus folgend noch einen weiteren konzentrischen Kreis auf der Karte ziehen soll, bis es Berührungspunkte der beiden Kreise gibt (das hört sich so plausibel an, aber ob es wirklich logisch ist, darüber nachzudenken kommt man vor lauter Amüsement über die geniale Tour gar nicht zum Nachdenken); Kim findet zwei Berührungspunkte. Sie muss jetzt noch sagen, wie der Wind weht anhand der türkischen Fahnen. Dann muss sie sich zum einen dieser Berührungspunkt begeben, möglichst schnell. Dann wieder Handgranaten werfen. Dann rennt sie über einen ganz schmalen Dachgrat aus Steinen zwischen Hausdächern, bis sie einen weißen Rauch sieht, (den Grat kann man übrigens auch im Trailer zum neuen James-Bond-Film sehen!), noch eine Handgranate werfen, bereits wird sie verfolgt, dann muss sie noch die Waffe, die sie aus dem Hotel mitgebracht hat in den Kamin mit dem weißen Rauch fallen lassen, den Mills dann unten in seinem Verlies in letzter Sekunde unterm Kamin hervornesteln wird – und das alles ist nur die Vorbereitung für weitere waghalsige Fluchtmanöver am Steuer eines geklauten Taxis die Fahrschülerin Kim, die vom Vater zu rasender Fahrt angetrieben wird. Schöner und unterhaltsamer kann man wohl das Hirn eines Film-Geheimagenten als das eines strategischen, weit vorausschauenden Genies nicht beschreiben – wenn es denn die Grenze zur Parodie nicht bereits überschritten hat. Oder beweisen, wie mit etwas Weitsicht, der Mensch doch gegen viele Fährnisse des Lebens sich wappnen könnte.

Und in grade mal neunzig Minuten ist der rasante Spaß auch schon wieder vorbei. Das Glück der Familie ist selbstverständlich gerettet, das verlangt doch das Genre, das uns nicht mit Trübsinn beladen aus dem Kino entlassen will.