Archiv der Kategorie: DVD

Quo Vadis, Aida? (DVD)

Drama

Mit allen Mitteln des filmischen Dramas erzählt dieser Film von Jasmila Zbanic nach dem Buch „Unter der Flagge der UN“ von Hasan Nuhanovic die Geschichte des Massackers von Srbrenica, so dass sie den Zuschauer fassungslos macht, ihn erschüttert, ihn schier an der Menschheit verzweifeln lässt; umso mehr, als es sich um ein Ereignis von 1995 handelt, also aus der jüngsten europäischen Geschichte.

Filmisches Drama, das heißt, die Geschichte um eine hervorragende Protagonistin fokussieren. Es ist dies die Lehrerin Aida (Jasna Djuricic). Sie ist die Hauptheldin und Bezugsperson für den Zuschauer. Sie arbeitet bei der UN als Übersetzerin auf der dünn besetzten UN-Basis. Sie schafft es, wegen eines Verhandlungsauftrages, ihren Mann und ihre beiden erwachsenen Söhne auf die UN-Basis zu holen.

Vor deren Toren warten Tausende von Bürgern, die aus Srbrenica geflohen sind. Auf der Basis selber drängen sich in einem Hangar ebenfalls Tausende.

General Mladic hat Srbrenica eingenommen. Jetzt will er mit der UN über die geflohenen Bürger verhandeln. Die UN macht einen unglücklichen, schwachen Eindruck, die paar holländischen Soldaten, teils in kurzen Hosen und ärmellosen Oberteilen, ein Gewehr in der Hand. Sie versuchen verzweifelt mit der UN in Kontakt zu kommen, nach dem Verstreichen des Ultimatums den Einsatz der Bomber zu erreichen, die Mladic zurückhalten sollen. Keiner ist erreichbar bei der UN. Die sind wohl grad kurz mal verreist.

Die Vorgänge der Hilflosigkeit der UN, die brutale Falschheit und Rücksichtslosigkeit, der Zynismus von Mladic sind schmerzhaft zu verfolgen, umso mehr, als der Zuschauer im Normalfall weiß, dass die Geschichte mit einem grauenhaften Massacker enden wird; umso unerträglicher wirkt es, wenn der serbische General vorher noch Wasser und Brot an die ausersehenen Opfer verteilt; umso schwerer ist es, mitanzusehen, wie die schwächelnden UN-Soldaten diese dem Tod Geweihten widerstandslos an die Konvois aus Bussen und LKWs übergeben.

Vom Massacker wird im Film nur der Beginn gezeigt, ein Teil der Männer ist in einem leeren Kinosaal versammelt: die Todesschüsse kommen aus den Wanddurchbrüchen für die Projektion aus dem Vorführraum.

Dann macht der Film einen Sprung in die Heutezeit. Der Schmerz der Hinterbliebenen ist kaum darstellbar. Aida hat überlebt, aber nur sie. Sie ist noch zu sehen, wie sie in einer Halle die am Boden ausgelegten Knochen und persönliche Habe Exhumierter durchgeht, um an einer der Stellen zusammenzubrechen. Sie wird ihre Wohnung von früher besuchen, mit der jetzigen, schicken Bewohnerin sprechen. Sie wird wieder an der Schule unterrichten, eine junge Generation, der hoffentlich solche Dinge erspart bleiben. Übel, übel, wenn der Begriff der Schutzzone zu der der Todeszone wird, wenn Evakuierung Evakuierung zur Erschießung bedeutet. Unfassbares Drama. Und das nicht in grauer Vorzeit, sondern im fortschrittlichen Europa des ausgehenden zweiten Jahrtausends.

Love Lesson – Verführung auf Koreanisch (DVD)

„Sie ist verdammt heiß“,

meinte der übergewichtige Kommilitone des Kunststudenten Seung-Ho (Joon-Suk Byun) über die erfolgreiche Songschreiberin und Komponistin Hee-Soo (Sun Yeong Kim). Damit meint er bestimmt nicht nur, dass Hee-Soo immer durch und durch sexy angezogen ist, ständig eine elegante, schmale Lederhandtasche untern Arm geklemmt hat, sondern auch dass aus ihren hübschen Augen Reife schaut, aber auch Neugier auf Männer, dass sie einen teuren Audi fährt, in einem großzügigen Loft wohnt und dort auf einem blitzblank-weißen Flügel der Marke S. Ritter komponiert.

Seoung-Ho hält an der Akademie eine Vortrag und Hee-Soo wird fast übel vor überquellender Erotofantasie, die sie in ihm auslöst. Schon vorher hatte sie ihn beobachtet, wie er seine Freundin auf einer Bank betouchen will und sie ihn empört von sich weist.

Es ist ein erotischer Softporno aus Südkorea aus dem Jahr 2013 von Ko Kyoung. Es wird eine Lektion in Liebe, die die reifere Frau dem Grünhorn von Studenten erteilt, der noch bei seiner Mama wohnt.

Eine Geschichte, die gradlinig erzählt wird und die sich am Ende noch zwei tiefere Gedanken zur Liebe erlaubt, die eine selbständige, emanzipierte Frau zeigt, die sich ihre Früchte holt, sie andererseits aber auch schamlos ihrer als Muse bedient, um wieder einen Hit in den Charts zu landen, „Goodbye for my Romance“.

Eine Geschichte, die den jungen Mann eine traumhafte Erfahrung machen lässt, ihn auch wieder auf den Boden der Tatsachen mit der Freundin zurückwirft. Ein Film vor allem für jene, die solche Geschichten als Tatsachen nehmen oder auch für jene, die sich darüber freuen, wie die Koreaner das Erzählen solcher Geschichten nicht für bare Münze nehmen und sich erlauben, Albernheiten aus dem Hit-Business einzubauen, ständig werden dem Knalltypen von Produzenten die Songs geklaut – und die Sängerin, nun ja, die ist nicht gerade eine Begabung; andererseits scheint es mit der Postproduktion und dem leichten Rezept der Songs trotzdem zu funktionieren.

Juicy Affair – Kleine Sünden (DVD)

Der Kein-Sex-Tag

Niedliche, koreanische Häuschen-Siedlung, viele Ehen, bei denen meistens der Kein-Sex-Tag stattfindet oder wo gelebt wird wie bei Mönchs.

Tagsüber sind die Nachbarinnen zuhause und dazu neuerdings ein Hausmann. Je öder das Sexleben, desto heißer die Fantasien, erst recht am einzigen Mann! Zwar wird mangels der entsprechenden Kliedungsstücke nicht unterm Dirndl gejodelt, aber es gibt viele altmodische Ehebetten auf denen der Fremdgang ausgiebig Urständ feiert mit hübschen nackten Männer- und Frauenkörpen, prallen Brüsten und der restliche Rhythmus ist Softporn.

Der Seitensprung wird mental vorbereitet in Frauengesprächen, in begehrlichen Blicken. Initiiert wird er anschließend mit gezielten Remplern per Auto oder mit dem Einkaufswagen im Supermarkt, mit bewusst ungeschickt verschütteten Flüssigkeiten auf Blusen oder anlässlich von verbranntem oder verkochtem Essen.

Bald schon checken drei dicke Freundinnen, dass eine davon beim Hausmann ein- und ausgeht. Er ist deshalb bald gut beschäftigt während der Abwesenheit seiner Frau. Die ist Fondsmanagerin, war seine Chefin und will ihn nach seinem Rausschmiss zum Hausmann machen mit ungeahnt sexuell belebendem Erfolg für das Quartier.

Die Geschichte um den Vorwand der Softpornoszenen herum ist locker zu Faden geschlagen, ohne Anspruch auf allzuviel Ernst und Kunst, eher im Sinne einer frivolen Lustigkeit inszeniert. Da kann die Flatulenz eines Trockensaunabesuchers nach akkustisch ergiebigem Pupsen auch noch computeranimiert sichtbar gemacht werden.

Die Frauen kreischen auch mal maßlos, wenn sie in der Gruppe zugange sind. Und die Tonspur quietscht dazu vor Vergnügen. Alles halb so wild, sagen sich die Koreaner bei dem Sujet und schrecken vor Übertreibung nicht zurück. Dann wieder nackte Körper unter der Dusche, elaborierter Softsex mit kostbaren Venedig-Masken als einzigem Kleidungsstück oder ein in der Postproduktion besonders viril gemachter männlicher Oberkörper.

Das Böse gibt es nicht (DVD)

In feinster persischer Kinoschrift erzählt Regisseur Rassoulof, dass Persien ohne dieses Böse, was es doch gar nicht gibt, wie er in vier unabhängigen und doch wunderbar ineinander verzahnten Kurzgeschichten schildert, noch viel schöner wäre. Siehe die Review von stefe.

Kommentar zu den Reviews vom 25. November 2021

Kleine oder große Dinge ganz groß machen, überhöhen, in ihrer Eigenart herausstellen, das ist vielleicht ein gemeinsamer Nenner von Filmen, die heute ins Kino kommen. Vorneweg gibts zwei aufgefrischte, aufregend-freche Fernsehproduktionen aus den frühen 80ern. In den USA muss man die Wahrheit mit der Lupe und auf große zeitliche Distanz suchen. In Griechenland werden Rituale absolustistischer Macht farcehaft überhöht. In Amerika wächst eine Sängerin in einer Hommage über sich hinaus. In Kolumbien bläst die Hollywood-Animationsinustrie das Quirlig-Magische in die Megagröße. In Frankreich setzt das Kino die Messlatte für Kulinarik hoch. In Italien wächst ein großes Museum zum Leinwandevent. In Deutschland breitet sich ein einziges Kunstwerk leinwandgroß aus und vermehrt sich komödiantisch. Ebenfalls in Deutschland pusht ein Regisseur den eh schon hohen Zuckergehalt von Degeto mit einer geballten Süßladung. Ebenfalls in Deutschland dürfen Kinder aus der norddeutsche Tiefebene im Bayerischen Wald beim Töten von Fischen zuschauen. Beim Horror dagegen gibts eher einen, den der Lumpensammler zusammengestellt haben könnte. Wem das alles nicht Vibe genug ist, der kann auf DVD Kinoübergrößen bewundern: In Hongkong leinwandgroß die feinsten Sensiblitäten potentieller Liebe und in Rumänien ein Stadtbild mit der Präzision einer Fotografie wie aus dem Computertomographen. Und ein Filmbuch befasst sich mit dem Abseitig-Schmutzigen der 70er Jahre.

Kino

PANKOW 95
hellsichtig-groteske DDR-Zukunftsvision aus der BRD

TSCHERWONEZ
Russisches Gold und westliche Dekadenz.

JFK REVISITED: DIE WAHRHEIT ÜBER DEN MORD AN JOHN F. KENNEDY
Ist die Wahrheit nach Jahrzehnten besser erkennbar?

A PURE PLACE
Die Seife, der Dreck und das Mysterium

RESPECT
Respekt vor der Leistung der Schauspielerin, die Aretha Franklin nachspielt!

ENCANTO
Die Geister Kolumbiens in Synergie mit Hollywoods Animationsindustrie

A LA CARTE – FREIHEIT GEHT DURCH DEN MAGEN
Frankreich, Könige und die feine Küche – mehr Kulinarik geht nicht.

IN DEN UFFIZIEN
Im mitreißenden Sog des Direttore durch das großartigste Museum geflutscht.

DAS SCHWARZE QUADRAT
Der Film löst sich nach gewisser Zeit urig vom bitteren Ernst der Komödie

HANNES
Ein Regisseur haut Degeto seine Süßphilosophie um die Augen

LENE UND DIE GEISTER DES WALDES
Flachlandkinder auf Urlaub im Bayerischen Wald

RESIDENT EVIL: WELCOME TO RACCOON CITY
Horror um des Horrors willen

DVD
BAD LUCK BANGING OR LOONY PORN
Wenn James Joyce Filmemacher gewesen wäre, hätte er Bukarest vielleicht so beschrieben.

IN THE MOOD FOR LOVE
Wie dröge wäre dieses Leben in Hongkong ohne die Vibrationen unausgelebter Liebe.

Filmbuch
GRINDHOUSE-KINO
Kinobiomasse der 70er?