Archiv der Kategorie: DVD

Die Erde ist ein sündig Land (DVD)

Das Dorf Siskonranta, Süd-Lappland, nach dem Krieg.

Rubens-Schönheit aus Südlappland
in einem deftigen Sittengemälde

Martta (Maritta Viitamäki) ist wie eine Rubens-Schönheit im Sündpfuhl, dem Dorf Siskonranta im Süd-Lappland nach dem Krieg.

Die Menschen sind hier nah am Fleisch, nah an der Natur gebaut, leben mit ihr, fällen Bäume, fangen Fische, schlafen fast neben den Kühen in einfachen Hütten und die Rentierzüchter haben intimen Kontakt zu den Tieren, wenn sie sie einfangen und töten.

Martta schläft nackt und ist eine vollbusige Schönheit. Sie wehrt Männer nicht ab. Man liegt schnell beieinander. Erst sagt sie nein, sie will nicht mit Kurki-Pwerri (Veikko Kotavuopio) skilaufen gehen, dann landet sie doch im Stadel mit ihm.

Martta verliebt sich in den Rentierhalter Oula (Niiles-Jouni Aikio). Der wirkt mit seinem traditionellen Kostüm wie ein Clown in der herrlichen finnischen Landschaft. Sein Ruf eilt ihm voraus. Er habe eine Menge Bälger. Das hindert Martta nicht, mit dem frisch adoptierten Jüngling Hannes (Jouko Hiltunen) rumzumachen.

Das Dorf ist ein Sündenpfuhl, das der Pfarrer scharf in sein Gebet nimmt. Es gibt Elina (Sirkka Saarnio). Die ist nicht so sinnlich und auch nicht für Sinnesfreuden zu gewinnen. Es wird gestorben in dem Dorf, so und anders. Die Särge sind aus einfachem Holz, aber haben einen sinnlichen Schwung.

Rauni Mollberg hat den sehenswerten Film 1973 gedreht, der jetzt als DVD erscheint und lässt auch die finnische Landschaft ihren Auftritt haben, zu allen Jahreszeiten. Die Gesichter der Darsteller sind wie von feinster Holzschnitzerei.

Swang Song (DVD)

Der Liberace von Sandusky

Pat Pitsenbarger wurde der Liberace von Sundusky genannt. Ein bunter Vogel, eine Drag-Queen. Seinem Andenken widmet Todd Stephens diesen Film mit Udo Kier in der Titelrolle des gealterten Paradiesvogels und ehemaligen Friseurs, der in einem Altenheim abgestellt ist und dort manisch Papierservietten faltet und sammelt und heimlich raucht.

Der Film wird zur Erinnerungsreise durch das bunte Leben von Pat. Er soll die Leiche einer verstorbenen Bekannten schön herrichten. Das verweigert er zuerst. Entscheidet sich dann aber dafür. Er macht sich auf den Weg. Er muss die entsprechenden Requisiten wie Haarspray und Ähnliches beschaffen.

Es wird eine Reise durch seine Vergangenheit in der Stadt Sandusky in Ohio in der Nähe vom Erie-See. Der Film wirft einen Blick zurück in das schwule Leben dort auf dem Lande mit einigen Clubs und dem ‚Fruit and Nut‘, in dem Pat aufzutreten pflegte. Er wird sich erinnern an dies und das. Er schaut in Läden vorbei, deren Besitzerinnen er noch kennt und mit welchen ihn Erlebnisse verbinden.

Pat schaut beim Grab seines Freundes vorbei, der lange schon an AIDS gestorben ist; insofern ist der Film auch ein Stück AIDS-Geschichts-Aufarbeitung. Er schaut bei den Grundmauern seiner abgerissenen Hauses vorbei. Damals war Erbschaft unter Schwulen nicht leicht zu regeln oder gar nicht.

Der Film ist getragen von einer wunderbar nostalgisch-morbiden Stimmung; er denkt ständig die Vergänglichkeit von Glamour und Rausch und schwulem High-Life mit; er schaut ohne Ranküne zurück. Was war, das ist gewesen und das ist vorbei. Und trotzdem kann es auch heute noch zu einem rauschhaften Abend kommen, wenn so ein Laden dicht macht.

Udo Kier begnügt sich mit dezenten gestischen Hinweisen, die nie das Tuntige vergessen lassen, es aber auch nicht penetrant ausstellen. Ein neckischer Kopfkick nach der einen Seiten, ein kleiner angedeuteter Hüftschwung auf die andere, ein rosa Hütchen von Erna aus einem Frisiersalon gegen die brennende Hitze Ohios. Und einige Klunker an den Fingern, vornehmlich unechte, aber jeder mit seiner eigenen Geschichte. Geldmangel lässt Pat immer wieder gerne Dinge aus Läden mitlaufen.

Nichts – Was im Leben wichtig ist (DVD)

Ein Alter, das keine Grenzen kennt.

Sie sind keine Kinder mehr, aber noch nicht strafmündig. Sie kennen keine Grenzen. Sie können töten und nicht dafür belangt werden. Solche Fälle sind kürzlich durch die Medien gegangen.

Diese Kids entdecken das Denken, das Hinterfragen, wie Pierre Anthon (Harald Kaiser Hermann) hier im Film von Trine Piil Christensen, die mit Seamus McNally auch das Drehbuch nach dem Bestseller von Janne Teller geschrieben hat.

Die Frage nach der Berufswahl in einer Schulstunde löst in Pierre Anthon eine nihilistische Argumentationskette aus, die unter den gegebenen Umständen keinen Sinn im Leben und ebensowenig in der Schule erkennen kann. Diese Macht des Denkens treibt ihn aus dem Sozialgefüge von Schule und Familie hinaus hoch in den Gipfel eines Baumes, in dem er sich einrichtet und nicht mehr daran denkt, runterzukommen. Ein verständnisvoller Vater unterstützt das Unternehmen; der Vater glaubt, das werde sich schon geben.

Die Mitschüler aber werden durch die Tat aus ihrem Tran gerissen. Sie wollen Pierre Anthon dazu bringen, wieder herabzusteigen. Sie veranstalten eine Art Wettbewerb, jeder solle etwas opfern, was ihm etwas bedeutet. Diese Dinge, zuerst sind es Gegenstände, stapeln sie in einer Scheune zu einem „Haufen“.

Die Dynamik der Opfergaben verselbständigt sich, kennt keine Grenzen mehr, steigert sich bis zum Eklat und zum Medienereignis und führt dazu, dass Pierre Anthon wieder runtersteigt; aber sein Denken hat er dabei, was zu einer weiteren Dramatisierung führt.