Archiv der Kategorie: Dreharbeiten

Yuli

Nahrhaft human.
Zum Tanzen geprügelt.

Das Leben des Weltstar-Tänzers Carlos Acosta, vom Vater gefühlvoll Yuli genannt, er sei ein Krieger, ist so voll von Widersprüchen, Energie, Talent, kubanischer Lebensweise und mit 350 Jahren Sklaverei im Gepäck, dass der Stoff bei Bearbeitung durch das exzellentes Team zu einem großartigen Kinofilm führt, der das anspruchsvolle Münchner Publikum im bis auf den letzten Platz besetzten City-Kino (genau: im Atelier) letzten Montag zwei Stunden zu bannen vermochte.

Das Team hinter diesem Film steht auf drei wuchtigen Säulen. Gleich mehrfach im Zentrum ist der kubanische Tänzer, der gar nicht Tänzer werden wollte, Carlos Acosta, Yuli.

Yuli spielt einige Szenen selbst mit als Tänzer und als Choreograph. Aber er hat auch ein Buch geschrieben über seinen Lebensweg. Dieses wiederum hat der erstklassige schottische Autor Paul Laverty (das war ein komplizierter Weg vom englischen Drehbuch zu einer spanischen Übersetzung bis zu einer kubanisch sprechbaren Version, wie die Regisseurin am Montag erzählte), dem immer die Humanität, die Gerechtigkeit, die Menschlichkeit im Vordergrund steht, wie er mit Filmen wie Ich Daniel Blake, Jimmys Hall oder Looking for Eric bewiesen hat.

Die Hauptarbeit und den Finish verpasst der tiefen Geschichte die Regisseurin Icíar Bollaín. Sie hat in Deutschland bereits mit Und dann der Regen einen bleibenden Eindruck hinterlassen, der neugierig auf ihre weiteren Filme macht.

Icíar Bollaín enttäuscht nicht mit Yuli. Sie ist auch Schauspielerin, arbeitet exzellent mit den Darstellern, hat mit den jungen Buben Yuli einen Castinglücksfall erlebt und trägt das südamerikanische Temperament, das Lebensgefühl und die Lebenseinstellung in den Film.

Sie hat bei der Präsentation am Montag in München ausgesprochen das harmonische, qualitativ extraordinäre und exzellente Team erwähnt und ein Sonderkränzchen der kubanischen Crew gewunden. Aber auch die Musik (Alberto Iglesias) und die Kamera (Alex Catalán) verdienen fette Komplimente (allein wie schwierig es ist, mit Steadycam Tanzchoreographien nah aufzunehmen, da werde der Kameramann selbst zum Tänzer).

Es ist das Geheimnis dieses Filmes, dass das Ganze zählt. So übersteigt er weit das Genre des Ballettfilms. Er erzählt – auch in Form von Tanzchoreographien – von den Abgründen des Lebens von dessen schier unerträglichen Widersprüchen und reflektiert zudem das Verhältnis von dokuentarischer zu künstlerischer Wahrheit.

Hinzu kommmen Auszüge aus den Balletten „Romeo und Julia“ oder „Gisellle“. Carlos Acosta (als junger Tänzer: Kevyin Martinez) war der erste schwarze Romeo im Royal Ballet in London.

Nach einem Knöchelbruch wollte er aufgeben. Ihn zieht es in seine zwiespältige Heimat – die Kubaner schimpfen über Stromausfällle und die mangelnde Versorgung, er kann das nur schwer nachvollziehen, auch nicht den überall präsenten Wunsch zum Abhauen.

Den Bezug zu seinen Wurzeln, zu Kuba hat er nie verloren. Das Verhältnis zu seinem Vater Pedro (Santiago Alfonso), das bringt der Film als eine der Hauptstorylines klar zur Geltung, war schwierig, zwiespältig. Der Vater hat das Talent im Sohn gesehen. Er hat ihn zur Ballettausbildung geprügelt, hat ihm geraten, wie er gegen die Schwuchtelvorwürfe der Schulkameraden reagieren soll. Diese Szenen spiegeln sich erinnerungshaft wider in Tanzchoreographien.

Inzwischen ist Costa nach Kuba zurückgekehrt. Er will sich einbringen. Er will ein nie vollendetes, unter Catro groß geplantes Kulturzentrum aus dem Ruinenschlaf wecken. Auch dafür engagiert sich der Film.

Ausstellung: „Die Olympischen Spiele – Hinter dem Bildschirm“

Zur Eröffnung der Ausstellung Die Olympischen Spiele: Hinter dem Bildschirm (19.2.2015 – 26.1.2016) lud das Olympische Museum vor einigen Wochen nach Lausanne. Dort stellte man uns Journalisten nicht nur die Ausstellung selbst vor, sondern insbesondere auch die gewaltige Anstrengung, die diese erst ermöglichten.

Das Olympische Feuer brennt ständig. Im Hintergrund das Olympische Museum Lausanne.
Das Olympische Feuer brennt ständig. Im Hintergrund das Olympische Museum Lausanne.

Schwerpunkt der Ausstellung ist das Broadcasting, also die Berichterstattung über die Spiele im Verlauf der letzten 100 Jahre. Wer nicht zu den Spielen anreisen konnte, konnte schon in der Urzeit des Kinos Filmausschnitte in den Wochenschauen im Kino sehen oder Radio hören. Später wurde mit TV-Liveübertragungen begonnen – zu einer Zeit, als man die Anzahl der Fernsehgeräte quasi noch an einer Hand abzählen konnte – und schließlich gelangte man zu der ausgefeilten, aufwendigen Berichterstattung, die wir heute kennen.

Nimmt man die Organisation, die hinter der heutigen Berichterstattung steht, unter die Lupe, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es ist eine eigene olympische Leistung, hunderte von Kameraleuten und tausende von weiteren Mitarbeitern, vom untersten Assistenten bis zum obersten kreativ Verantwortlichen unter einen Hut zu bringen. Alles folgt einer kreativen Direktive, hat eine spezifische Bildsprache, einen eigenen Schnitt – als wenn 50 Regisseure mit 600 Kameramännern einen Film drehen, und es soll keinen Stilbruch geben. Eine herkulische Aufgabe.

Das IOC hat vor zwanzig Jahren damit begonnen, sämtliche Fotos, Filme und TV-Aufzeichnungen aller vergangenen olympischen Spiele zu sammeln, zu archivieren und zu restaurieren. Der Aufwand ist gigantisch: Nicht nur offizielles Material wird archiviert, sondern auch das von Privatleuten: Jedermann kann seine eigenen Aufzeichnungen und Fotos von Spielen, die er besucht hat, zur Digitalisierung einschicken.

Entstanden ist ein riesiges Archiv historischer Sportaufnahmen aller Art. Da man im allgemeinen nur die beeindruckendsten Momente und die großen Siege gezeigt bekommt, ist es umso beeindruckender, auch das übrige Material sehen zu können: Schmerz, Enttäuschung, Unfälle, die besonders enttäuschenden vierten Plätze, Freude daran, so eine Anstrengung überhaupt geschafft zu haben, Erleichterung, generell emotionale Ausnahmezustände und natürlich jede Menge Material davon, wie alles ganz normal läuft. Also die Dokumentation der Spiele aus vergangenen Zeiten und ihrer Umgebung.

Doch dem ist nicht genug: Zu jeden olympischen Spielen wird ein Filmemacher ausgewählt und damit beauftragt, einen offiziellen (Kino)film über die Spiele zu drehen. Der Hintergedanke hierzu war früher, dass man auf diese Weise den Menschen mehr als nur die Nachrichtenmomente nahebringen kann. Und da es „Live“ noch nicht gab, gingen die Leute natürlich einfach nach den Spielen ins Kino.

Großmutters Wohnzimmer im 50er-Chic am Eingang der Ausstellung zeigt eindrucksvoll, wo die Liveberichterstattung erstmals massentauglich wurde.
Großmutters Wohnzimmer im 50er-Chic am Eingang der Ausstellung zeigt eindrucksvoll, wo die Liveberichterstattung erstmals massentauglich wurde.

Die zunehmende Verwöhntheit, alles immer sofort und auf Abruf zur Verfügung gestellt zu bekommen, setzt die Filmemacher unter Druck. Hitler und Goebbels dachten damals an ein paar Wochen für den Schnitt, Leni Riefenstahl dahgingegen hatte zwei Jahre für eine ordentliche Arbeit im Sinn. Kein Wunder: Allein die erste Sichtung allen Materials nahm Monate in Anspruch. Man kann sich gut vorstellen, wieviel mehr Material heute bei den Spielen entsteht.

Besonders beeindruckend ist die Erkenntnis, wie sehr Leni Riefenstahls Stil die filmische Berichterstattung über Sportereignisse noch heute beeinflusst. Sah man auf uralten Filmszenen vom Anfang des letzten Jahrhunderts zum Beispiel noch die Langläufer von der Zuschauertribüne aus die Ziellinie überqueren, so setzte Riefenstahl die Kamera auf Hüfthöhe direkt an die Ziellinie. Diese Entscheidung (und viele andere wie sie) rückte den Zuschauer mitten ins Geschehen, brachte ihm eine völlig neue, ästhetische Perspektive auf den Sport und erhöhte die Dramatik der Sache um ein Vielfaches.

So absurd es einem erscheinen mag, so einen Olympia-Film Monate nach dem Ende der Spiele anzusehen, so erstaunt wird man sein, wenn man sich diese Zeit tatsächlich einmal nimmt. Nirgendwo sonst gibt es Emotionen so ungefiltert zu sehen wie bei Olympioniken, die der Erfüllung ihres Lebenstraumes nahe sind.

Besonders beeindruckend, und dies sei als persönliche Anmerkung des Autors zu verstehen, ist das völlig eigene Universum von Dramaturgie und Bildsprache, das sich innerhalb des Genres Sport entwickelt hat. Da der Cineast sich üblicherweise nicht oder kaum mit diesem Genre auseinandersetzt, und sich den klassischen Genres des meist inszenierten Schauspiels widmet, läuft er Gefahr, etwas Gewaltiges zu verpassen: Echte, wirkliche Dramen und Emotionen auf der großen Leinwand – oder nur dem heimischen TV. Dieser Autor wird Sportberichterstattung von nun an mit völlig anderen Augen wahrnehmen.

Originalkostüme und eine von hunderten von Trommeln der Sommerspiele 2008 vor einer der bewegenden Videoinstallationen.
Originalkostüme und eine von hunderten von Trommeln der Sommerspiele 2008 vor einer der bewegenden Videoinstallationen.

Die Ausstellung im Olympischen Museum Lausanne (Schweiz) nimmt, zusammen mit der regulären Ausstellung, mehrere Stockwerke in Anspruch und ist in drei Teile bzw. sieben Abschnitte gegliedert. In der Broschüre ist mehr zu erfahren, besonders empfehlenswert ist jedoch die großartige interaktive Ausstellung: Sie enthält jede Menge Beispiele rund um das Thema Broadcasting the Games, so auch restauriertes Filmmaterial bis zurück nach 1904 (St. Louis, USA). Doch nur vor Ort kann man all die Gerätschaften sehen, die so eine Übertragung erst möglich machen, von der Kamera, die neben den Wasserspringern in die Tiefe rauscht, über die komplette, mehrere Meter breiten Regiepult-Simulation bis hin zur Rundum-Videokomposition, in der die Aufnahmen zusammenlaufen und einem das Erleben der Spiele erst so richtig nahe bringen.

Das Museum liegt wunderschön am Nordufer des Genfer Sees (Google Maps). Bei gutem Wetter kann man nach Frankreich hinüberblicken, genau genommen nach Evian, dem Evian. Vom ein paar hundert Meter westlich gelegenen Hafen von Ouchy kann man mit dem Schiff auch hinüberfahren. Die Anreise ist denkbar einfach, denn vom Hauptbahnhof Lausanne (zu dem es unter anderem eine direkte Zugverbindung vom Flughafen in Genf gibt), führt die derzeit steilste U-Bahn der Welt (M2) direkt bis zur Seepromenade hinunter. Zu sehen gibt es in Lausanne und generell der Schweiz natürlich noch viel mehr. Aber wer zum Beispiel auf der Durchreise ist, dem sei ein Stop und ein Besuch dieser Ausstellung hiermit dringend ans Herz gelegt.

Am 30. und 31. Mai gibt es ein Event-Wochenende um die Ausstellung.

(Für Kollegen: Pressebereich, Press Kit)

Pension Freiheit

Es gibt so Tage, da bekommt man einen Anruf von einem alten Freund, von dem man lange nichts mehr gehört hat, und der einen dann ganz plötzlich fragt, ob man nicht in einem Kinofilm mitspielen möchte, den dieser gerade dreht. So oder ähnlich geht es zu, wenn Freunde und Bekannte sich zusammentun, um „was eigenes“ auf die Beine zu stellen. Immer wieder hört man Geschichten von Independentproduktionen, die so independent sind, dass selbst die Presse erst Wind davon bekommt, wenn schon fast alles im Kasten ist.

Und genauso läuft es seit einigen Jahren in Bad Tölz. Im Jahr 2006 fand sich eine bunte Truppe von Filmverrückten zusammen, um Tödliche Verbindungen zu drehen – basierend auf einer wahren Begebenheit, entnommen dem True Crime-Buch Mordsgeschichten aus Bad Tölz und dem Isarwinkel. Das Filmprojekt fand jede Menge wohlwollende Unterstützer in der ganzen Gegend, und wurde schließlich erfolgreich ins Kino gebracht. Die Entstehungsgeschichte ist abenteuerlich und eigentlich ein eigenes Buch wert.

Nun haben sich die Jungs vom Oberland wieder zusammengefunden, um eine weitere wahre Geschichte der Mordsgeschichten zu verfilmen: Pension Freiheit spielt 1988 und dreht sich um Menschenschmuggel aus der DDR, die Stasi und die Tölzer. Auf die Handlung will ich gar nicht weiter eingehen, denn das Filmprojekt selbst ist derart bewundernswert, dass man sich einfach selber ein Bild machen sollte.

Sicher, die Schauspieler könnten professioneller sein, der Takt ausgefeilter, das Drehbuch ebenso, aber das ist alles egal. Hier haben wir ein weiteres Zeugnis dafür, dass man selbst einen Kinofilm drehen kann, wenn man nur möchte. Die durch die Bank hochsympathische Riege von Cast und Crew erlaubte uns, einen Tag am Set zu verbringen. Völlig ohne Berührungsangst durften die Journalisten einfach überall dabeisein, ihre Fragen stellen, ihre Kameras draufhalten und so weiter. Keine inszenierte Show für die Presse (von der Gelegenheit für ein Gruppenfoto einmal abgesehen), sondern ein echter Setbesuch.

Mein Fazit: Guckt Euch den Film an (Tödliche Verbindungen zu kennen, ist nicht nötig, aber wäre nett). Und das nicht nur, wenn Ihr das Gefühl habt, selbst noch irgendeine Spur auf diesem Planeten hinterlassen zu müssen. Dieses Team macht Euch vor, wie es geht und wie man dabei tierischen Spaß hat. Geht auf einen der Termine der Kinotour und fragt den Leuten Löcher in den Bauch. Ihr werdet merken, die kochen auch nur mit Wasser. Und in Full HD filmen heute sogar schon die Handys, also gibt es keine Ausreden mehr.

Hier ein Video vom Setbesuch, das ich gemacht habe – leider sind mir einige Szenen unscharf geworden. Aber ich schaffe wohl eh bald die Nikon D3200 an. Viel Spaß!

Grünes Licht für Hotel Desire

Der „porneografische“ Spielfilm Hotel Desire, über den ich ja schon berichtete, ist finanziert. Innerhalb der Frist fanden sich genug Investoren, um die nötigen € 170.000 aufzubringen. Das komplette Drehbuch ist nun auch online einzusehen. Allerdings hat Anna Maria Mühe ihre Teilnahme abgesagt, so die Pressemeldung vom 19. August:

HOTEL DESIRE – Crowdfunding Experiment finanziert!

19. August 2011 – Noch vor Ablauf der offiziellen Frist von 80 Tagen haben die Filmemacher von HOTEL DESIRE die Finanzierung über ihre Crowdfunding-Plattform www.hotel-desire.com schließen können. Die Website zum Film wurde knapp 500.000 Mal aufgerufen. Tausende Privatpersonen unterstützten mit kleinen und mittelgroßen Summen das Projekt. Zusätzlich halfen Investoren, die angestrebte Summe von insgesamt 170.000 Euro zu erreichen. Die für Ende August geplanten Dreharbeiten in Berlin können damit in Kürze beginnen. Gedreht wird unter anderem in der Präsidentensuite des 5-Sterne Hotels „The Regent Berlin“.

Sergej Moya, Autor und Regisseur: „Ich freue mich sehr, nun endlich die Geschichte von HOTEL DESIRE erzählen zu dürfen. Trotz des großen Erfolgs bei der Finanzierung bleibt uns ein kleiner Wermutstropfen nicht erspart: Anna Maria Mühe ist nun leider zeitlich so sehr in eine andere Produktion eingebunden, dass es ihr leider nicht möglich ist, an unserem Projekt mitzuwirken. 60 Drehtage für „Deckname Luna“ gegen einen einzigen Tag bei HOTEL DESIRE – da mussten wir zwangsläufig den Kürzeren ziehen. Mit Palina Rojinski – demnächst an der Seite von Florian David Fitz in „Jesus loves me“ zu sehen – haben wir aber bereits eine ideale Nachfolgerin für die Rolle der Julia gefunden.“

HOTEL DESIRE ist ein 45minütiger Spielfilm, in dem dramaturgisch sensibel und filmisch direkt das erregende Zusammenspiel von Sehnsucht, Lust, Begehren, Intimität, Sexualität, Sinnlichkeit und Spontanität erzählt werden soll – ohne Weichzeichner und ohne Rücksicht auf visuelle Vorschriften und Konventionen. Regisseur und Autor ist Sergej Moya. In den Hauptrollen spielen Saralisa Volm und Clemens Schick, außerdem Palina Rojinski, Herbert Knaup, Frederick Lau, Trystan Pütter und Jan-Gregor Kremp.

Sascha Schwingel, Produzent teamWorx: „Ich möchte mich, auch im Namen meiner Koproduzenten Julia Moya und Christopher Zwickler, von ganzem Herzen bei allen Investoren und Unterstützern bedanken. Nur durch ihre Hilfe war es möglich, zum ersten Mal in Deutschland ein Filmprojekt ausschließlich über das Internet zu finanzieren.“

HOTEL DESIRE wird zunächst auf Videoload, dem Video on Demand-Portal der Deutschen Telekom, zu sehen sein. Den DVD-Vertrieb übernimmt Capelight Pictures.

HOTEL DESIRE ist eine Produktion der teamWorx und Von Fiessbach Film. Produzenten sind Julia Moya und Christopher Zwickler (Von Fiessbach Film) und Sascha Schwingel (teamWorx).

Mir bleibt nur, gespannt abzuwaren, ob der Film die selbstgesteckten hohen Erwartungen erfüllen wird.

Crowdfunding: Cicada Princess

Ein weiteres vielversprechendes Crowdfunding-Projekt ist Cicada Princess von Mauricio Baiocchi, einem ehemaligen ILM-Mitarbeiter. Bei diesem Beispiel sehr schön: Der Teaser, der Investoren aller Größe anlocken soll:

Cicada Princess from Mauricio Baiocchi on Vimeo.

Crowdfunding: Hotel Desire

Der 24-jährige Schauspieler Sergej Moya arbeitet derzeit an seinem Spielfilmdebut. Hotel Desire soll es heißen und ein „porNEOgrafischer Spielfilm“ sein. In einer Pressemeldung wurde jüngst darauf eingegangen, dass der Film eine „selbstbewusste Herangehensweise“ an den Erotikfilm hat, durch den pornografischen Film inspiriert ist, aber selbst kein Porno ist. Der Einfachheit halber hier der Text der Pressemeldung:

Pressemitteilung

STARTSCHUSS FÜR HOTEL DESIRE!
Ein porNEOgraphischer Spielfilm und eine ungewöhnliche Finanzierung!

Regisseur und Autor Sergej Moya, mit Saralisa Volm und Clemens Schick in den Hauptrollen, außerdem Anna Maria Mühe, Herbert Knaup, Frederick Lau, Carlo Ljubek, Trystan Pütter und Jan-Gregor Kremp

Sexualität als Ausdruck menschlicher Lebensfreude: Regisseur und Drehbuchautor Sergej Moya möchte mit HOTEL DESIRE einen erotischen Film inszenieren, der sich in seiner selbstbewussten Herangehensweise durch das Genre des pornographischen Films inspirieren lässt, jedoch kein Porno ist.

Vielmehr ist HOTEL DESIRE ein porNEOgraphischer Film, in dem dramaturgisch sensibel und filmisch direkt das erregende Zusammenspiel von Sehnsucht, Lust, Begehren, Intimität, Sexualität, Sinnlichkeit und Spontanität erzählt werden soll – ohne Weichzeichner und ohne Rücksicht auf visuelle Vorschriften und Konventionen. In den Hauptrollen spielen Saralisa Volm (u.a. „Finale“, R.: Klaus Lemke) und Clemens Schick (u.a. „Largo Winch II“, R.: Jérôme Salle).

HOTEL DESIRE ist ein Spielfilm, der durch sogenanntes Crowdfunding, also durch die Zuwendung vieler einzelner Förderer, finanziert werden soll. Für die Produktion benötigen die Filmemacher 170.000 Euro.

Am 6. Juni 2011 startet die Online-Finanzierungsplattform mit Interviews der Macher, Darsteller, FAQs, ersten aussagekräftigen Fotos und der bereits produzierten Titelsequenz des Films. Mit einem erotischen Drehbuch und einem erstklassigen Schauspielensemble wenden sie sich nun gezielt an alle Filmliebhaber, Kulturinteressierten und Mäzene:

WWW.HOTEL-DESIRE.COM

Jede Person, die das Projekt unterstützt, wird – falls gewünscht – namentlich auf der Startseite der Homepage erwähnt und erhält – je nach Spendenhöhe- ein exklusives Dankeschön der Filmemacher. Mit steigendem Spendenstand erhalten die Förderer des Projekts einen immer tieferen Einblick in das Drehbuch von HOTEL DESIRE. Ist das Experiment erfolgreich, beginnen im August die Dreharbeiten zum Projekt. Sollte das ambitionierte Vorhaben aber nicht gelingen, kommt das bis dahin gespendete Geld im Rahmen des First Steps Award 2011 anderen aufstrebenden Filmemachern und ihren Projekten zugute.

HOTEL DESIRE ist eine Produktion der Von Fiessbach Film und teamWorx. Produzenten sind Julia Lischinski und Christopher Zwickler (Von Fiessbach Film) sowie Sascha Schwingel (teamWorx).

Nun, grundsätzlich bin ich kreativen Finanzierungsmethoden und exotischen Filmprojekten gegenüber sehr aufgeschlossen. Gerade kürzlich habe ich sogar zu genau diesem Thema gebloggt.

Aber in diesem Fall bin ich skeptisch. Denn „Sexualität als Ausdruck der Lebensfreude“ und ein „Film, in dem dramaturgisch sensibel und filmisch direkt das erregende Zusammenspiel von Sehnsucht, Lust, Begehren, Inimität, Sexualität, Sinnlichkeit und Spontanität erzählt werden soll“ lassen bei mir die Alarmglocken schrillen.

Wo liegt hier bitte die Grenze zum Porno? Was ist am besagten „erregenden Zusammenspiel“ von diversen Faktoren noch Schauspielkunst? Was wurde im „normalen“ Kino noch nicht gezeigt, das Erotik, aber kein Porno ist? Ist The Dreamers noch Erotik oder schon Pornografie? Wie sieht es mit 9 Songs aus? Ist nicht Black Swan schon schwerst erotisch, streckenweise? Was gibt es hier bitte noch an Grenze auszuloten?

Besonders stark irritiert mich die Bezeichnung „porneographisch“, die sich ganz offenbar zusammensetzt aus „pornographisch“ und „neu“. Es gibt kein Filmgenre, das mengenmäßig einen größeren Output hat als die Pornographie. Dabei ist das Handlungsprinzip des Pornos noch deutlich kruder als die paar „basic plots„, auf die man Literatur, Film und Dramaturgie nach verschiedenen Modellen eindampfen kann: Das Harte wird in das Weiche gesteckt und fertig. Ich frage mich ganz ehrlich, was es da noch zu entdecken oder zu zeigen gibt.

Ich fürchte, es gibt bei solchen Projekten im Grunde nur neue Körper zu sehen, sämtliche restlichen Reize dürften schonmal verfilmt worden sein (und das besser). Trifft diese Annahme zu, dann wird dieser Film nur eine aufwendige Show werden, in der die Förderer mit ihrem Geld die Kopulation zwischen Saralisa Volm und Clemens Schick auf die Leinwand bringen werden. Und das wahrscheinlich mit vollem Einblick in einfahrende Geschlechtsteile, das ist dann total porneografisch, erotisch und so gesellschaftsfähig.

Sicher, Sex ist eine feine Sache (wenn man ihn denn mal hat), Lebensfreude pur und so weiter, und das Argument, dass man ihn deswegen auch in allen Details auf der Leinwand zeigen kann, haben schon andere benutzt.

Andererseits gibt es auch ganz andere Gefühle, die ähnlich große Erleichterung und Freude erzeugen, die man aber gewöhnlich nicht auf der Leinwand zeigt. Dazu gehört der zünftige Morgenschiss, das Entleeren der übervollen Blase nach einer langen Autofahrt oder auch nur die erste Maß des Jahres im Biergarten, wenn die Sonne erstmals nach einem kalten Winter so richtig knallt. Diese wundervollen Momente, deren befreiende Glückseligkeit man sogar alleine erleben kann, werden im Kino natürlich nicht thematisiert, denn sie sind bisweilen nicht gesellschaftsfähig und meist auch nicht dramatisch genug. Das gute Essen nach langem Hunger ist dahingegen schon öfter gezeigt worden; das Ausdrücken eines nervigen Mitessers, landläufig ebenfalls als höchst befriedigend anerkannt, habe ich persönlich nur bei Osmosis Jones mitbekommen, und dort war das auch eine eher satirische Szene. Rauchen oder andere Drogen sind auch so eine Sache, doch hier nimmt die gesundheitsfürsorgliche wie politisch korrekte Umschiffung des Themas mittlerweile einen stärkeren Einfluss denn je; das Thema ist derzeit verpönt und kommt eher selten vor.

Was ich zu sagen versuche: Ich halte die gesamte „Sex als gesellschaftliches Lebenselixier“-Argumentation für eine faule Ausrede, einfach nur mal wieder offen Sex auf der Leinwand zu zeigen und das Ganze als Kunst zu verkaufen. Eine Schauspielerin wird sich gegen Geld vor der Kamera schlicht und einfach ficken lassen und so das größte Vertrauen, das eine Frau einem Mann schenken kann, damit geradezu inflationär ausverkaufen; und mit ihm ihre Integrität für alle Zeiten. Wahrscheinlich wird sie souverän weit über diesen Argumenten stehen, denn sie wird sich die Angelegenheit gut überlegt haben; und Leute, die jemandes Integrität durch Sex vor der Kamera gefährdet sehen, sind verhältnismäßig dünn gesät. Ich frage mich jedoch, ob sich die Schauspielerin wirklich darüber im Klaren ist, dass es ab dem Erscheinen des Films kein Zurück mehr geben wird, und dass jeder Mensch des Planeten ab diesem Moment bis in alle Ewigkeit in der Lage sein wird, bis zu ihrem Geschlechtsteil in Aktion vorzuspulen. Selbst ihre eigenen Kinder, Enkel und Urenkel werden diese porneografische Makro-Szene zu Gesicht bekommen; wer will und nicht ganz unfähig ist, kann sie sich sogar als animated gif abspeichern und zum Beispiel als Profilbild bei Facebook nutzen oder einfach nur als Standbild, womöglich als Bildschirmhintergrund.

Also, ich würde das nicht wollen. Egal, wie beneidenswert schön mein Körper wäre und wie solide mein Selbstbewusstsein. Genausowenig, wie ich die anderen oben genannten erleichternden Erlebnisse auf der Leinwand wiedersehen möchte, möchte ich auch die Details des menschlichen Liebeslebens nicht auf der Leinwand sehen. Zum einen, weil es bei „echten“ Dingen nichts mehr zu schauspielern gibt, zumindest nichts für den Zuschauer in diesem Moment relevantes, es also keine eigentliche Leistung mehr darstellt; zum anderen, weil es einfach Grenzen gibt, was man öffentlich zeigen sollte und was nicht. Können, sicher. Aber sollen? Und diese Grenzen haben sich nicht so stark verändert, wie die von Jahr zu Jahr immer kürzer und enger geschnittene Sommermode der Frauen oft vermuten lässt.

Nun besteht immer noch die Möglichkeit, dass Sergej Moya es schafft, filmische Wege zu gehen, die tatsächlich noch niemand vor ihm gegangen ist und die Kritiker wie ich sich vorab nicht einmal vorstellen können. Diese Chance besteht, und daher kann ich auch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit orakeln, dass das Projekt danebengehen wird. Ich werde also einfach abwarten, ob das Crowdfunding zustande kommt (ich persönlich werde nichts geben), und in einigen Monaten die Pressevorführung besuchen und mir selbst ein Bild machen. Ich werde dann auf diesen Artikel zurückverlinken und entweder schreiben, dass ich leider Recht hatte, oder ich werde klein beigeben müssen und Herrn Moya den dann verdienten Respekt zollen. Wir werden sehen.

Life in a Day

Regisseur Kevin MacDonald tat sich mit Ridley Scott zusammen, um das cineastische Experiment Life in a Day zu verwirklichen: YouTube-Nutzer aus aller Welt waren dazu aufgerufen, am 24. Juli 2010 Impressionen aus ihrem Leben mit der Kamera einzufangen, und diese auf das entsprechende YouTube-Konto hochzuladen. Aus den eingereichten Materialien (über 4.500 Stunden Material aus 192 Ländern, 1) wurde der Film kreiert und hatte schließlich gestern in Sundance Premiere, was live auf YouTube übertragen wurde. Heute um 19 Uhr wird der Film wiederholt, und zwar hier. Ob und wann er wieder zu sehen sein wird, ist noch nicht sicher.

Klar ist jedoch: Das Experiment in Sachen Crowdsourcing ist auf jeden Fall beeindruckend.

Nachtrag: So wird das nichts, YouTube:

PK zu „Die Drei Musketiere“

Am Freitag gab’s in München eine gewaltige Pressekonferenz zum Drehstart von Die Drei Musketiere. Das Podium war mit 16 Personen voll besetzt, und zwar: Torsten Koch und Martin Moszkowicz von der produzierenden Constantin Film, des weiteren die Produzenten Robert Kulzer und Jeremy Bolt und Regisseur Paul W.S. Anderson. Vom Cast stellten sich den Fragen der anwesenden Journalisten: Milla Jovovich, Logan Lerman, Christoph Waltz, Juno Temple, Gabriella Wilde, Matthew Macfayden, Mads Mikkelsen, Orlando Bloom, Ray Stevenson, Luke Evans und James Corden.

Da ich morgen wegfahre und im Vorbereitungsstreß bin, hier einfach die Aufzeichnung der kompletten PK für Euch, ungekürzt und unfiltriert. Die Aufzeichnung ist ein gutes Beispiel, wie so eine PK abläuft, und wieviel man nachher arbeiten muss, um schöne Statements herauszuarbeiten. In der zweiten Hälfte gibt es einige technische Probleme, die dürften auf das Konto der Techniker vor Ort gehen.

Viel Spaß:
[audio:2010-08-20_Pressekonferenz_Die_Drei_Musketiere_fuer_Blog_roh.mp3]

Segway + Steadicam

Für das Martin Scorsese-Projekt The Invention of Hugo Cabret hat man mal eben eine Steadicam auf einen Segway montiert. So einfach, und doch so genial!

Am Set von „Sommer in Orange“

Der Marcus H. Rosenmüller dreht mal wieder in der bayerischen Provinz, und diesmal wurde ich zum Setbesuch eingeladen. Der Drehort lag praktischerweise nur 20 km die Straße runter von meinem Zuhause im Speckgürtel Münchens, und so begab ich mich mit großer Vorfreude und meiner kleinen Kamera ans Set von Sommer in Orange. (Fotos hier)

Wieso Vorfreude? Nun, als ich noch selber Filmemacher werden wollte, durchlief ich zwischen 1994 bis 1999 einen wahren Bewerbungsmarathon bei so gut wie allen deutschen (und einigen ausländischen) Filmhochschulen, allesamt erfolglos. Eigentlich sollte ich ja hauptberuflich mein Biologie/Chemie-Studium an der LMU München bestreiten, aber die Anziehungskraft von Hollywood war dann doch stärker, das kreative Knistern am Filmset viel faszinierender als der Zitronensäurezyklus, die RNA-Synthese und die Allen’sche Regel.

Also stand ich für diverse Hochschulfilme an diversen Sets, bewachte nachts eine Kamera im Olympischen Dorf, sperrte tapfer Straßen (ungefähr so, nur dass die Autofahrer auf dem Weg zur Arbeit meist kein Einsehen haben), fuhr Negative von Kötzschau zum Entwickeln nach München und die Muster zurück (mit einem brandneuen 525er-BMW, was für eine Rakete!), föhnte nachts Abschnitte der Sommerrodelbahn am Blomberg trocken, und schlug mich mal fast mit einem Regisseur, der meinte, seine Chefposition auch außerhalb der Dreharbeiten durchdrücken zu müssen. Am Set von „Sommer in Orange“ weiterlesen