Archiv der Kategorie: Crowdfunding

Eigeninitiative für den Dokumentarfilm

Filmpolitisch ist aus der Dokumentarfilmecke generell eher Gejammere zu hören: zu wenig Geld, zu wenige und zu wenig prominente Sendeplätze bei den Öffentlich-Rechtlichen, zu wenig Öffentlichkeit, zu wenig Presse.

Einen positiven Impuls für den Dokumentarfilm wollen jetzt Walter Steffen (Fahr ma obi am Wasser, Happy Welcome, Endstation Seeshaupt, Bavaria Vista Club) und Michael Augustin geben. Sie gehen in Vorleistung mit ihrem privaten und eigenfinanzierten Webprojekt DOKfans. Sie haben dieses im Windschatten des DOK.fest München vorgestellt.

Die Überlegung ist die, dass jeder Dokumentarfilmer mit seinen Projekten alleine steht, selber versucht, über die Kanäle der sozialen Medien Fans und Followers zu generieren und die Projekte bekannt zu machen. Mit DOKfans wollen die Initiatioren einen Synergieeffekt erzielen. Die Filmer sollen ihre Fans teilen und damit deren Zahl potenzieren, Crowdfunding-Aktivitäten anstoßen und so mehr Bekanntheit erreichen und im Kino mehr Besucher gewinnen.

Steffen und Augustin nennen es ein ’solidarisches‘ Netzwerk, das generell dem Dokumentarfilm zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen soll. Aktuell liegt die Verantwortung und also auch das letzte Wort bei den beiden Gründern: sie entscheiden letztendlich, ob einer sich eintragen darf oder nicht. Einen Rechtsanspruch auf Eintrag scheint so nicht gegeben (rein theoretisch können sie jederzeit missliebige Konkurrenten fernhalten).

Die Filmer sind aufgefordert, sich auf der Website als „Redakteure“ einzutragen, ihre Projekte vorzustellen; das ist kostenlos für sie. DOKfans wird die Einträge redigieren und über Facebook und andere Social Media verbreiten.

Wenig präzise sind die Antworten von Steffen und Augustin auf die Frage, wie langfristig eine Rechtsform aussehen könnte, die dem Begriff „solidarisch“ gerecht wird und wie eine gesicherte finanzielle Basis herzustellen wäre. Steffen spricht in diesem Zusammenhang von Werbung, wobei zu klären wäre, dass die keinen Einfluss auf den Inhalt nimmt. Stattdessen müsste wohl die Filmförderung ins Spiel kommen. Die bleibt im Moment außen vor, zum einen verharkt sie sich in ihren eigenen Regularien und zum anderen wollen die Initiatioren den Wirkbereich nicht auf Bayern beschränkt sehen (in diesem Falle wäre eine Mitwirkung der Filmförderung heute schon möglich).

Steffen und Augustin wollen in einem Jahr Zwischenbilanz ziehen. Dann wird sich zeigen, ob dieser löbliche Ansatz bei den Dokumentaristen auf fruchtbaren Boden fällt und wie eine Weiterentwicklung im Sinne eines machtvollen Instrumentes für den Dokumentarfilm auszusehen hätte, mit welchen Partnern und in welcher – solidarischen – Rechtsform.

Kann Mann Frau (online)

Gabriele von Moers hat ihre leicht bekömmliche und anregende 42-Minuten-Dokumentation „Kann Mann Frau“ jetzt bei youtube reingestellt: zum Film.

Die Dokumentaristin ventiliert mit Berichten von Männern als Hausmännern und Kindererziehern – der berühmte Barkeeper Charles Schumann, der seinen Sohn Marvin allein erzogen hat, der Hausmann und Autor Florian Herber („Männerwirtschaft“) und der Philosoph und Basketballtrainer mit einem Fuß in der Gemeindepolitik Klaus Gruber, der Hausmann für seine drei Söhne und eine Tochter ist – und mit Statements von Teilnehmern des Münchner Grundeinkommenskongresses von 2012 ernsthaft und unterhaltsam den Zusammenhang zwischen Grundeinkommen, Familie und Erziehung sowie dem Thema Altersarmut.

Der Film ist hochaktuell im Hinblick auf die Schweizer Volksabstimmung zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens vom kommenden Sonntag, dem 5. Juni 2016.

Umwerfendes Proargument für das bedingungslose Grundeinkommen: wenn wir Rettungsschirme für 180 Milliarden in die Welt setzen können, so muss auch ein Grundeinkommen machbar sein – und inhaltlich: dass den Familien die Finanzsorgen genommen werden, was Zeit für die Kinder ermöglicht.

Capital C

Timon Birkhofer und Jorg M. Kundinger informieren mit diesem unkonventionellen, deutsch-amerikanischen Dokumentarfilm mit drei animierenden Geschichten und vielen, anregenden Statements zum Modell Crowdfunding, wie dieses der turbokapitalistischen Hochfinanz zeigt, was eine Harke ist, nebst anschmiegsamer Musik von Glasperlenspiel und Moonlander und mit schmerzhaft-schönen Kinobildern als Zwischenmarkern.

Crowdfunding demokratisiert die Produktentwicklung, es geht um künstlerische Produkte, um fantasieverlangende, fantasievolle Produkte, es entmachtet das Großkapital, es könnte rein theoretisch bis zu 5 Milliarden künstlerischer Impulse geben, so viele, wie Menschen übers Netz erreichbar sind; Crowdfunding nimmt kreativen Einfluss auf den künstlerischen Prozess, bei der Spieleentwicklung, bei der Produktion von Freakers, das sind gestrickte Flaschenwärmer oder Flaschen-Mäntel. Crowdfunding braucht soziale Netzwerker, braucht Fans. Bringt im Gegenzug eine erhöhte Verantwortung ihnen gegenüber, eine Verpflichtung, man möchte seine Crowd nicht enttäuschen.

Wer das einmal macht, also seine Fans enttäuscht, der hat auf diesem Parkett nichts mehr zu suchen, wird an einer Stelle geäußert. Insofern handelt es sich bei diesem Film um einen Beitrag zu einer filmpolitischen Diskussion, denn die Überdüngung des deutschen Filmes mit Förderung und Zwangsgebührengeld dürfte einer der Gründe für seine fehlende Attraktivität sein, da er gerade nicht im Feedback mit Fans entwickelt wird. Crowdfunding ist eine Herzensangelegenheit, die sich selbst ermächtigt, die nicht auf profitversessene oder subventionsskrupulöse Geldgeber hören muss.

Allerdings gibt der Film auch klar zu verstehen, dass das Crowdfunding, was er hier im Sinne einer werbenden Weiterempfehlung vorstellt, nur bedingt anwendbar ist, dass es sich um ein Nischenprodukt handelt.

Am Crowdfunding für diesen Film haben sich nebst einer ellenlangen Latte von Namen im Abspann auch zwei deutsche Filmförderungen beteiligt; der Film ist trotzdem ein viel frischeres, weniger anpasserisches Produkt geworden als ähnliche Dokumentationen, die praktisch nur von Filmförderer und Fernsehredaktions Gnaden abhängen; so ein Crowdfunding kann der Produktion einen gehörigen Schub verleihen, den spürt man durchaus in diesem Film. Schönes Beispiel ist das Motiv: „Liebe stinkt“, ein umgekehrtes Herz, was wie ein Po ausschaut, scheißt lauter kleine Herzchen.

Zach und seine Freaker sind ein Trio junger Menschen, die in North Carolina mit gestrickten Flaschenmänteln, Flaschenüberzügen oder Flaschenwärmern Furore und ein Geschäft machen. Ohne Crowdfunding hätten sie die Produktion gar nicht starten können. In ihrer Geschichte kommt auch der Ideenklau vor. Eine große Firma hat, von Freaker inspiriert, mit der Billigproduktion von Freaker-Imitaten begonnen. Freaker hat den Fakt netzöffentlich gemacht. Ein Shitstorm der Fans hat die große Firma dazugebracht, das „sold out“-Schild ins Netz zu setzen. Zur Bekanntheit der kleinen Bude trägt ein Auftritt in einer Kapital-Live-Show „Shark Tank“ zur Hauptsendezeit bei; Kapital sucht Anlagemöglichkeiten; da das Kapital aber mit 50 Prozent bei ihnen einsteigen wollte, und damit logischerweise mitreden, hat Freaker darauf verzichtet.

Brian, der Entwickler des Videospiels „Wasteland“ hat dieses 20 Jahre lang Kapitalgebern und Produzenten gegenüber gepitcht, erfolglos. Erst die Idee mit dem Crowdfunding hat ihm zum Durchbruch verholfen. Ungewöhnlich für ihn ist jetzt, dass er das Folgespiel in Rückkoppelung mit der Fangemeinde entwickeln muss, dass er bereits während des Produktionsprozesses die Fans informieren muss, dass er die Kontaktpflege mit der Crowd nicht vernachlässigen darf.

Der Spielkartenzeichner Jackson arbeitet in einem Fulltime-Job, hat Frau und zwei Kinder und ist wie fanatisiert vom Entwerfen neuer Tuschezeichnungen von Karten; die Familie leidet drunter. Gibt es nie ein Ende dieses Stresses? Auch diese Geschichte birgt Hoffnung. Dank Crowdfunding kann er sich selbständig machen, er zieht aus Kalifornien nach Texas und kann sich jetzt ganz seinem Extratalent, dem Entwerfen und Zeichnen von Karten widmen. Die Mutter hat vorher schon die Zeit davon laufen gesehen, denn es geht so schnell vorüber, dass die Kinder groß sind, und dann haben sie vom Papa, den sie nur als über seine Zeíchnungen gebeugt kennen, nichts gehabt und sie hat auch nicht geheiratet, um eine alleinerziehende Mutter zu werden, deutliche Worte. Kunst, Leidenschaft und Broterwerb in heftigem Widerspruch. Die Lösung heißt Crowdfunding. Er will nicht nur die 15 Minuten Ruhm, die der erfolgreiche Abschluss des Crowdfunding bringt.

Mehr Botschaftsfilm und Animierfilm, denn eine genaue Analyse, die auch die konkreten Schritte und Techniken des Crowdfundings offenlegt. Impulse geben wollen diese famosen Filmemacher.