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Ashes of Time Redux

Wong Kar Wai tischt auf. Und nicht bescheiden.

Für das westliche Auge ist das viel aufs Mal. Die ganzen, vielen, schnellen englischen Untertitel. Die verschiedenen Handlungsstränge. Die verschiedenen Figuren und ihre Namen; die für uns Westler auch nicht ganz so leicht zu unterscheiden sind.

Dann das Riesen-Farb-Festival. Die Zeichnungen und Bilder aus den Aschen, Sänden, den Wolken.  Chromatographie. Chromatomovie. Die Farbbestandteile in ständigem Fluss. Alles ist moving. Elementarfilm.

Die erste Prämisse oder These, die kann man sich merken, weil sie am Schluss nochmal kommt. Die Frage an einen 40-jährigen, ob es nicht Leute gebe im Leben, denen er bisher begegnet ist, denen er eigentlich lieber nicht begegnet wäre oder die er gar umbringen wolle. Ein Einsiedler würde sich für diesen Job zur Verfügung stellen. Eine Art Wüstendjango. Der erhält einmal im Jahr Besuch von einem anderen einsamen Wolf oder Reiter, der einen Wein dabei hat, der einen vergessen lässt, wenn man davon getrunken hat.

Die Liebe vergessen? Manche Liebesgeschichte vergessen? Lieben, denen man lieber nicht begegnet wäre?

Oder: meisterhafte Variationen zum Thema Repulsionskräfte der Liebe. Denn immer lieben die Falschen die Falschen.

Noch ein Motto des Filmes. Die Natur ist ruhig. Der Wind ist ruhig. Aber im Inneren der Menschen brodeln die Gefühle. Die bringen die Unruhe.

Der Bogen der Begegnungen und Kämpfe, der Zärtlichkeiten und Nachdenklichkeiten spannt sich über die Jahreszeiten. Zyklik als Erzählmuster, Zyklik von Sein, Werden und Vergehen. Von Unausweichlichkeit? Dabei die Martial Arts  im geistigen Rotationszentrum, ohne dass das Sujet bildlich zu sehr bedient würde.

Wüstenbilder, Sandbilder, Wasserbilder, Wolkenbilder.

Wie farbiger, rieselnder Sand bilden sich die Bilder. Oder wie die Farben beim Ostereierfärben in einander übergehen. Der Zuschauer sitzt davor, schaut hinein und staunt. Darf die Liebesgeschichten, die erfolglosen, darin entdecken.

Allein um die Bildoberfläche und das Spiel mit ihr zu beschreiben, wie sie verschwimmt, sich verändert, wie sie grobkörnig, feinkörnig, wässrig oder wolkig wird, wie sie  wie vom Winde verweht changiert, wie sie selbst in manchen Portraits an Rembrandt erinnert durch den Umgang mit dem Licht, wäre eine eigene Wissenschaft, würde ein eigenes Vokabular verlangen. Der Zuschauer aufgefordet zum Sprachschöpfen.

Sollte man nochmal anschauen. Und weiter enträtseln. Und interpretieren. Oder einfach geniessen. Wie hiess jene Sendung vom BR? ZEN, Zuschauen, Entspannen, Nachdenken.

Sturm

Die einführende Szene ist eine Art Homevideo. Glückliche Familie am Strand, Papa, Mama, zwei Kinder. Sie bespritzen sich mit Wasser, sind vergnügt drauf, happy. Der geneigte Zuschauer denkt sich, wenn von einer glücklichen Familie erzählt wird, dann wird auch das Unglück nicht weit sein. Denn eine glückliche Familie trägt keine Kinogeschichte 105 Minuten lang. Schon ist die Familie auf der mondänen Hotel-Bungalow-Terrasse. Papa erhält einen Handyanruf. Seine Gesichtszüge frieren ein. Sofort wird klar, denn er wendet sich verdeckend von der Familie ab, er lebt noch in einer anderen Welt, in einer abgründigen Welt. Da er ausserdem noch gut ausschaut wie Jean Reno, haben die ersten Minuten bereits genügend Interesse für die Figur und deren Schicksal geweckt.

Szenenwechsel. Kerry Fox, lt. IMDb Jahrgang 1966, liegt mit Rolf Lassgard, Jahrgang 1955 und etwas aus der Form geraten, im Bett. Ästhetisch erotisch ist das ein rechter Abstieg zur knackigen Familie von der Eingangsszene. Sollen wir uns jetzt für dieses Liebesleben interessieren? Das wäre eine herbe Enttäuschung. Aber wir sollen, denn die beiden sind auch beruflich verbandelt und bilden das Link zum Thema des Filmes, er ist EU-Politiker, sie Anwältin am ICTY, am Internationalen Jugoslawien-Tribunal in Den Haag.

Mit der Enttäuschung, dass nicht mit der bisher interessantesten Figur weitergemacht wird – dieser Jean-Reno-Typ wird später als Angeklagter im Prozess auf Komparsenformat geschrumpft – stellt sich auch die Enttäuschung ein, dass es wenig Reiz macht, die Geschichte weiter zu rekapitulieren. Kein gutes Zeichen.

Denn der Rest des Filmes bleibt ein bestenfalls solides Gemisch à la Fernsehkrimi-Struktur aus Tribunal, Problemen einer ambitionierten Staatsanwältin mit dem Gericht einerseits und der Wahrheitsfindung andererseits, dazu noch die Affaire mit dem Politiker, dies alles vor dem Hintergrund abscheulicher Verbrechen, sowie Erläuterungen in Spielhandlung zum erwähnten Jugoslawien-Tribunal.

Es scheint, der Eindruck war schon bei Requiem und Lichter da, dass die Methode Schmid die ist, sich eines sozialen Randthemas anzunehmen, Exorzismus in Requiem, Ostgrenzgänger in Lichter oder in Sturm die Brutalitäten im Balkankrieg, um dann einen Spielfilm draus zu machen. Eine Geschichte dazu zu konstruieren. Durch ein Zuviel an guten Absichten geht er dabei womöglich unkalkulierbare Risiken, Drehbuchrisiken, ein, die den Kinogänger dann unbefriedigt oder nur teilbefriedigt zurücklassen.

Was soll die Liebesgeschichte in Den Haag? Sie verwirrt nur. Hat Schmid sich nicht zuviel vorgenommen, einerseits auf die Exzesse im Jugoslawien-Krieg hinzuweisen, und wie sie heute noch versteckt werden, dann den Gerichtshof nicht nur zu erklären zu versuchen, sondern ihn gleichzeitig mit einer oberflächlichen, wenig attraktiven Liebesgeschichte in schwammiges Licht zu hüllen?

Wobei die Süffigkeit der Bereitstellung des Bildmaterials von Hans-Christian Schmid und seinem Kameramann, Bogumil Godfrejów und seinem Schnittmeister Hansjörg Weissbrich inzwischen eine Souveränität erreicht hat, die schon an Glattheit grenzt. Stärkere Bücher sollten da in Zukunft dagegen halten!

Sturm – kein Bild, kein Dialog, keine Szene im Film, die den Titel assoziierbar und haftbar machten – bestärkt den Verdacht, der schon bei Requiem und Lichter keimte, dass Schmid doch eher ein falscher Pfaffe sei, sein Geschäft mehr mit der Moral als mit brilliantem Kino macht, mit den menschlichen Kloaken, auch Aussenseiter sind Menschen, das zeige ich Euch. Aber er fasst sie mit so spitzen Fingern an, dass ja kein Schmutz dran kleben bleibt, dass daraus ein doch eher steriles Sehvergnügen wird.

Andererseits hat aber Schmid mit diesem Prinzip so viele Preise eingeheimst und ist inzwischen selbst ein kleiner Säulenheiliger des deutschen, ja des europäischen Kinos geworden.

Zu empfehlen ist Sturm gewiss Geschichtslehrern, die im Kino eine interessante Ergänzung zum Schulunterricht über die neuere europäsche Geschichte finden können.

Cat Brothers

Die Webseite urlesque.com hat für den 9.9.09 zu einem katzenfreien Tag im Internet aufgerufen. Ich als fast lebenslanger Katzenliebhaber kann das natürlich nicht dulden und bin froh, Euch heute extra einen herrlichen Katzengag (sogar mit Filmbezug) von der großartigen Seite I Can Has Cheezburger? liefern zu können. Natürlich bedarf es keiner Erläuterung:

funny pictures of cats with captions
see more Lolcats and funny pictures

Öffentliche Wahrnehmung

Dieser nette Ausschnitt aus Jimmy Kimmel Live ist zwar lustig, zeigt aber ein klassisches Problem der Medien auf: Die unterschwellige Wahrnehmung der scheinbar neutralen Berichterstattung beim Empfänger.

Dem Zuschauer kommt es so vor, als fände Gouverneur Schwarzenegger in jedem abgebrannten Haus tatsächlich stets Hanteln, was bei ihm den Eindruck erweckt, die Affinität des früheren Bodybuilders zu diesem Sportgerät wäre so stark wie die eines Lawinenhundes zu einem Verschütteten.

Doch nur wenige (siehe auch die Kommentare bei YouTube) dürften sich darüber im klaren sein, dass jeder Cutter in den Fernsehstudios aus all dem gedrehten Material natürlich fast automatisch die eine Szene wählt, in der Arnold, der ehemalige Mr. Universum, nach den Hanteln greift. Haha, wie lustig. Und natürlich lässt sich nachher über die Berichterstattung witzig berichten. Dass diese ergo aber nicht neutral ist, und vielleicht der eine oder andere Assistent vorab die verkohlte Hantel aus den Trümmern dem hohen Besuch sogar praktisch in den Weg gelegt hat, um den Schuss erst zu ermöglichen, realisieren wohl die wenigsten.

Andererseits ist es natürlich auch möglich, dass das einzige, was bei einem Hausbrand in den USA übrig bleibt, der Hantelständer ist. Der Rest ist ja meist aus Holz und Papier, bis auf die Badewanne vielleicht.

Ich will, dass Ihr wütend werdet!

Jemand hat einen schönen, vor allem aber erstaunlich treffsicheren Wahlwerbespot für die Piratenpartei herausgegeben, der auf dem Klassiker Network basiert. Ich will hier nicht politisch werden, aber wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Man kann es an allen Ecken und Enden spüren: Grundeinkommen, Datenschutz, Mündigkeit durch Web2.0, es ist wie das Heraufziehen einer neuen Demokratie, ein frischer Wind.

PS: Die Piratenpartei hat sich gerade textlich etwas ungeschickt von einem Farbbeutelwurf distanziert. Im Spot kommt aber ein Farbbeutelwurf vor, weswegen ich denke, dass der Spot eher inoffizieller Natur ist.

Disney und Marvel

Disney Marvel Mashup Challenge von b3ta.comDass Disney Marvel gekauft hat, ist ja schon vor einigen Tagen durch die Presse gegangen. Hierzulande hat das keine größeren Auswirkungen, denn obwohl Disney überall bekannt ist, hält sich die Bekanntheit von Marvel (gemeint ist die ein ganzes Volk durchziehende Vertrautheit, die sich von Kindesbeinen bis ins Erwachsenenalter erstreckt, wie die mit Asterix und Obelix zum Beispiel) vergleichsweise in Grenzen.

Doch da Amerika meist nicht mit kultigen belgischen oder französischen Comics aufgewachsen ist, treffen aus der Sicht der Amerikaner zwei gigantische Welten, zwei im Grunde unvereinbarliche Comic-Imperien aufeinander.

So ist es nicht verwunderlich, dass es innerhalb von Tagen zu einer Unzahl von Disney-Marvel-Mashups (nicht nur im Rahmen eines genialen, inoffiziellen Wettbewerbs) gekommen ist (Nachtrag: noch ein Wettbewerb, noch einer). So entstand zum Beispiel die hier frech gefeaturte Grafik, in der ein anarchischer Wolverine die gigantische, seelenlose Disney-Maschinerie lahmlegt.

Im Netz finden sich eine Menge weitere passender Mashups, wie zum Beispiel die folgenden:

Magneto & Nemo, Mickey & Batman, Professor X & Herbie, Mickey & Watchmen (ja, DC, nicht Marvel, trotzdem cool), Wolverine & Toy Story’s Woody, Monsters Inc. & Hulk, Spiderbambi, Tazmanian Daredevil (war ersterer nicht bei Warner, Looney Tunes?), X-Men & Toy Story, X-Men & Mickey, Wolverine & Hannah Montana, und viele, viele, viele mehr (wie z.B. dieser ältere Cartoon zu Disney’s Desperate Housewives). Am deprimierendsten dürfte wohl dieses Bild hier sein, mein persönlicher eindeutiger Favorit ist jedoch Wolverbean.

Bleibt nur eine Frage: Wer ist bloß dieser Zappelphilipp, der in alles in der Hocke zu machen scheint?

Trailer: Defendor

Ich brech‘ ab, echt! So genial! Endlich mal ein Film, der zeigt, wie alle Typen, die sich in ein Kostümchen zwängen, um auf Verbrecherjagd zu gehen, auf mich wirken.

Thematisch passend der im Kommentar vorgeschlagene Trailer zu Special:

Kritik an der BluRay zu „Gladiator“

Christian von DVDuell.de twitterte, dass beim Mastering der neuen BluRay von Gladiator offenbar automatische Filtersoftware zum Einsatz kam. Das führte zum Herausfiltern von erwünschten Artefakten, wie dieses Bild hier beweist.

Ich finde es fein, dass ein genialer Film wie Gladiator in der fantastischen BluRay-Qualität auf den Markt kommt, aber ist es denn zu viel verlangt, dass wenigstens ein Fachmann das Endprodukt vor der Veröffentlichung mal ordentlich unter die Lupe nimmt?

Whisky mit Wodka

Whisky und Wodka, das sind keine Gegensätze, die ziehen sich weder an noch stoßen sie sich ab, Whisky und Wodka ergeben kein explosives Gemisch, sie stehen nicht für Dialektik, somit auch nicht für Spannung. Also schon im ist Titel praktisch tote Hose. Leider erfüllt sich der Titel.

Die Schauspieler sind gut. Henry Hübchen ist gut. Das Team ist gut. Da gibt’s nichts zu deuteln. Bei Andreas Dresen ist das Team immer gut. Das strahlt dann auch von der Leinwand positiv ab.

Der Plot wäre auch gut. Alternder, alkoholkranker Schauspieler, Henry Hübchen, droht mit seinen Ausfällen einen Filmdreh zu ruinieren. Der Produzent entschliesst sich, jede Szene noch ein zweites Mal mit einem, jüngeren und besser aussehenden Ersatz, Markus Hering als Arno Runge, dem man gerne zuschaut, zu drehen, um nicht den Abbruch der Dreharbeiten riskieren zu müssen. Da wäre massiver Konfliktstoff, der bei einem Schauspieler ans Eingemachte geht, vorhanden.

Dieser Konflikt könnte die Handlung spannend vorantreiben. Einerseits zwischen den beiden absolut unverträglichen, ja sich ausschliessenden  Schauspieler-Egos, dem je eigenen Need, als einziger geliebt und anerkannt zu werden, der beste sein zu müssen, der Überzeugendere. Es gibt für einen Schauspieler keine stärker verdrängte Erkenntnis als die, ersetzbar zu sein.

Und dies in der spannenden Sphäre zwischen realer fiktiver Filmwelt, also der der Menschen am Set, und zwischen fiktiver fiktiver Filmwelt, also der expliziten Spielszenen. Die Schauspieler sind gut, haben wir gesagt, nun ja, diese beiden Welten auseinanderzuhalten und spielend auseinander zu dividieren scheint dann doch nicht so leicht, da wurde auf viel Reiz verzichtet.

Statt dessen bekommen wir, gefragt oder ungefagt, einen Blick ins Nähkästchen eines Filmdrehs vorgesetzt; eher im Sinne von Witzen und zu Szenen geschmiedeten Anekdoten, zum Beispiel die Witz-Anekdote, wie die Schauspieler dastehen und warten bis der Take anfangen soll. Es dauert und dauert, und die Assistentin ruft: „Schnell, die Schauspieler werden älter“. So geht es denn  auch sehr schnell mit dem Humor des Zuschauers.

Wie immer ist der Dresen-Film eher das Produkt einer Art Schauspielerfreizeit, diesmal in Mecklenburg-Vorpommern, weil es da Filmförderung gibt, – auch dies wird in einen Insiderwitz eingebaut. Und so ein respektabler Schauspieler Henry Hübchen auch ist, so richtig lustig ist er denn eben doch nicht, bei Dresen bauen die Schauspieler immer viel selber ein. Dann heisst Hübchen auch noch Kullberg. Ob das jetzt ein Witz ist oder ein Lapsus, schwer zu sagen, Kullberg, Kolberg – das in einem deutschen Film, der noch dazu  den Geist der miefigen Betulichkeit und Spiessigkeit der 50er Jahre, der so einiges nicht wahr haben wollte, atmet… Ein tüchtige Prise Godard wäre für die Angelegenheit nicht von Schaden gewesen.

Der Zuschauer bleibt außen vor bei diesem an Insider-Witzen reichen Movie und fragt sich, ob diese doch teils teuren und namhaften Mimen, Corinna Harfouch ist mit von der Party, Sylvester Groth, Tilo Prückner, ob die wirklich keine spannenderen Geschichten zu erzählen haben.

Darauf eine Soda.

Konkurrenz durch das System? – Zum Trailer von Extract

Ich freue mich schon sehr auf den neuen Mike Judge, Extract. Sieht nach einer herrlich schrägen Komödie aus, basierend auf meiner Biografie. Nun gibt es einen Teaser und einen Trailer, aber auch eine, äh, fachmännische Kritik dazu von Beavis und Butthead. Hoffen wir, dass echte Filmkritiker in Zukunft noch gebraucht werden…

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