Der Fotograf James Balog sieht sich und seine Arbeit hinsichtlich des Klimawandels anhand des Abschmelzens der Gletscher in der Funktion des Kanarienvogels unter Tage als Alarmsignal.
Ein Film, der sich praktisch aus sich selbst heraus erklärt. Zwar erzählt er nicht den Anlass, wie der Filmemacher Jeff Orlowski dazu gekommen ist, den Fotografen James Balog bei seinem Herzblutprojekt des fotografischen Festhaltens des Abschmelzens der Gletscher zu filmen, das muss man im Presseheft nachlesen; ist aber letztlich ein Zufall, denn Orlowski habe Balog schon lange bewundert und hatte die Chance, ihn bei der Installation der ersten Zeitrafferkamera im ewigen Eis zu filmen, genutzt.
Daraus wurde eine fortwährende Begleitung von Balogs Projekt EIS, Extreme Ice Survey; aus dem Material stellte Orlwoski schließlich mit Drehbuchhilfe von Mark Monroe diesen Film zusammen. In ihm erklärt Balog genau, was er im Sinn hat und was er damit bezweckt. Er möchte den Menschen sinnlich die Folgen des von ihnen mitzuverantwortenden, beschleunigten Klimawandels anhand des dramatischen Rückganges eines Großteils der Gletscher auf der Welt empirisch und nicht mit abstrakten Zahlen vermitteln. Sein effizientes Instrument dabei, das er selber entwickelt hat, sind Dutzende von Kameras in Alaska, Island, Grönland an Gletscherrändern installiert. Monatelang haben diese Kameras im Niemandsland alle Stunde eine Bild geschossen. So sind Hunderttausende von Bildern zusammengekommen. Diese Bilder zeigen im Zeitraffer die Bewegung der Gletscher. Balog trägt das in Vorträgen überall auf der Welt vor. Es ist imposant zu sehen, wie lebendig so ein Gletscher allein in einem halben Jahr ist. Und wie massiv der Rückgang in so einem geologisch doch kleinen Zeitraum sein kann.
Dieser Film ist also eine Mischung aus Dokumentation der Extremfotojagd des James Balog mit seinen jungen Assistenten, die gelegentlich die Kameras nachschauen und das Bildmaterial einsammeln, aus Präsentation des so von Balog geschossenen Fotomaterials wie in Ausstellungsform, aus Dokumentation seines Filmmaterials bei Vorträgen, den Vorbereitungen zu seinen Expeditionen, aus Bildern von gefährlichem Abseilen in einen Höllenschlund von Eismühle, Krankenhausaufenthalt und Knieoperation, sogar sein Familienleben fehlt nicht, Entwickeln der Kameras und der Zeitauslöser, auch anfängliche Misserfolge, Steinschlag, Fuchsbiss, Vogelschnabelgepicke, Flüge übers Eis, Sensationsfilm vom gigantischen Kalben eines Gletschers: Eismassen von einem Volumen doppelt so hoch und in der Fläche größer als Manhattan, das sind eindrückliche Aufnahmen.
Was für uns Städter allerdings viel näher liegt, ist der Kryokonit: das ist eine schlammig, schmierige, schwarze Masse aus Staub, kleinen Steinteilen, Mikroben und Rußpartikelchen, die aus unseren industriellen Abgasen stammen. Diese erzeugt die unterirdischen Ströme, die den Gletscher schneller abschmelzen und kalben lassen. Wenn man dann noch sieht, wie Balog seine von diesem Kryokonit-Staub dreckigen Hände in der Eislandschaft ekeln, so schwört man sich, als nächstes Auto nur noch ein Elektroauto, selbstverständlich mit grünem Strom betrieben, zu kaufen.
Der Film dürfte also Balogs Ziel, der Bewusstseinsbildung zu dienen, durchaus erreichen.