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Ein riskanter Plan

Ein New-York-Film, für den sich die Stadt nicht schämen muss, aber wofür die Stadt nicht extra berühmt werden wird, nach welchem man aber, wenn man aus dem Kino kommt und am nächsten Hochaus vorbei geht, unwillkürlich nach oben schaut, ob auf einem schmalen Sims hoch oben nicht vielleicht Sam Worthington als Nick Cassidy steht und im Fenster daneben eine blond gefärbte Polizeipsychologin ihm vom Springen abzuhalten versucht.

Was da oben abgeht zwischen den beiden, das ist direkt ein Kammerspiel, ein Zweipersonenstück – und solche haben es nicht leicht im Kino. Aber drum herum gibt’s einiges an Action um einen Juwelendiebstahl, gut im Trend könnte man sagen, so viel darf auch verraten werden, denn es steht in der IMDb schon lange drin, obwohl der Verleih einen Sperrtermin zum Publizieren verhängt hat.

Das ist nicht unbedingt das, was die Exposition erwarten lässt. Die fängt filmhandwerklich gekonnt amerikanisch an, stellt in einigen kurzen Blicken über die Stadt und den Zentralpark klar, dass das Movie in New York spielt, dass der Protagonist – und nur einer der so aus einem U-Bahnschacht ans Tageslicht kommt, kann der Protagonist sein, dass der in dieser Stadt in diesem Haus, was vor hat und zwar hoch oben.

Walker nennt er sich, geht, den Blick nach oben gerichtet von der Metro-Station direkt in die Empfangshalle des Hotels, nennt seinen Namen, er hat ein Zimmer bestellt, begibt sich in dasselbe, gibt dem Hotelangestellten ein Trinkgeld, bestellt sich ein feines Essen, merkwürdigerweise hat er kein Gepäck dabei und merkwürdigerweise wird er auch nicht darnach gefragt, kleine Differenz zur Alltäglichkeitserfahrung.

Er setzt sich kurz an den Tisch, isst einen Happen. Dann steht er auf, begibt sich ans Fenster – und steigt aufs Sims. Er hat einen Mantel an. Was jetzt folgt, das können die Amerikaner auch wunderbar, aber ein bisschen kennt man es auch, wie die ersten Passanten drauf aufmerksam werden, wie der Polizeiapparat in Gang kommt mit Absperrung, wie die Polizeifiguren besetzt und inszeniert sind, das ist alles Routine auf bemerkenswertem Niveau, es tut sich was zwischen den Figuren, es wird der erste Kontakt zum potentiellen Selbstmörder hergestellt, der verlangt innert kürzester Frist eine bestimmte vom Fernsehen bekannte Polizeipsychologin, Elizabeth Banks als Lydia Mercer, sie behauptet in dem Hotelzimmer, das sei jetzt ihr Raum, ihre Show – kleines Kompetenzgerangel hinter den Kulissen – und komplimentiert die anderen Kriminaler raus. Hier fängt das Zweipersonenstück on the edge an, dem wir anfangs gespannt folgen –
und wer sich den Genuss am Film und die Überraschungen nicht nehmen lassen will, der sollte jetzt nicht weiter lesen, denn ich versuche mir gerade klar zu machen, warum mich der Film dann doch nach anfänglich hoch geschraubter Erwartung relativ ungesättigt zurückgelassen hat.

Es dürfte dieses Kammerspiel auf dem Sims sein, das bald auf dieses Kammerspielgleis einfährt und man kann nicht ständig die schier schwindlig machenden Blicke auf die Straße runter zeigen und auch die Menge unten und den Medienaufmarsch, die sind in wenigen Bildern hinreichend abgedeckt, gut hier, das ist originell, der News-Helikopter der Walker fast vom Sims weht. Und wärend man noch damit beschäftigt ist, sich auszudenken, wie sich dieses Zweipersonenstück auf dem Sims noch entwickeln wird, worauf das wohl hinauslaufen dürfte, wird die Luft aus diesem Kammerspiel gewissermaßen rausgelasssen, wie klar wird, dass das alles nur ein Täuschungsmanöver ist, um die Menge, die Medien und die Polizei vom lange geplanten Juewelenraub aus dem Hochhaus gegenüber abzulenken, wie man merkt, dass es hier nur um Zeitgewinn und Ablenkung geht und überhaupt nicht um eine existenzielle Sache.

Es gibt allerdings, kaum ist Walker aufs Sims gestiegen, einen kurzen Rückblick, ein Monat früher in Sing-Sing, dort sass er ein; dann ist sein Vater gestorben und er durfte an die Beerdigung, welche er zum Ausbruch nutzte, eine filmisch leichthändig und schöne gemachte Backgroundinfo.

Im Hochhaus gegenüber feiert übrigens gerade ein Investor und Besitzer des größten Diamanten der Welt ein neues Hochhaus-Projekt, erwartet Presse und Gäste und, auch das tut dem Film eher Abbruch, diese Investorenfigur ist äußerst karikaturhaft besetzt und spielt auch so, das grenzt schon an Kasperltheataer, hilft der Glaubwürdigkeit der Story nicht sonderlich.

Es gibt dann nette Interaktionen zwischen dem Simsspringer und seinem verbandelten Paar, das den Bruch in guter Filmtradition, aber nicht so witzig wie Rififi tätigt, Walker ist mit Kopfhörer und Ansteckmikro mit denen verbunden und wenn die Lärm machen müssen, macht er einen Ansatz zum Springen, dann schreit die Menge auf und übertönt eine allfällige Explosion im Hochhaus gegenüber.
Der Plan verläuft selbstverständlich nicht reibungslos, was zu einem Sich-Überschlagen der Action mit einem nach bewährtem Rezept gestellten Count-Down auf dem Dach führt.

Sollte allerdings die allerletzte Szene als Interpretationshilfe genutzt werden, dann war das Ganze sowieso nur ein Stammtischscherz.

Das Buch hat Pablo F. Fenjves geschrieben, Asger Leth ist der Regisseur.

Drive

Der Däne Nicolas Winding Refn, der sich mit „Bleeder“, „Pusher“, „Walhalla Rising“ als eigenwilliger, hochkünstlerischer Autorenfilmer einen Namen gemacht hat, begibt sich hier in den Sold Hollywoods und führt Regie in einem Actionfilm, zu dem Hossein Amini nach dem Roman von James Sallis das Drehbuch geschrieben hat. Industriearbeit pur. Aber wie Refn das angeht, das vermag durchaus zu vereinnahmen, zumindest in der ersten Phase.

Die Geschichte an sich ist eine sehr übliche. Ein Stuntfahrer, der Driver, gespielt von Ryan Gosling, übernimmt einer Nachbarin und deren Buben zuliebe für deren Mann, der gerade aus dem Knast entlassen worden ist, den Fahrerjob bei einem Bruch. Dabei läuft etliches schief, er gerät in kriminelle Gespinste, wie es gern passieren kann in solchen Situationen. Das zeitigt rasante Autoverfolgungsjagden.

Vorher hat man den Driver bei seinem Beruf beobachten können als gelegentlicher Stuntfahrer bei Filmaufnahmen oder auch mal als Fluchtautofahrer bei Banküberfällen, mehrheitlich arbeitet er in einer Garage und der Garagist erzählt der Nachbarin freizüngig, dass er ihn total ausnutze, dass er ihm weniger als die Hälfte dessen bezahle, was andere Mitarbeiter erhalten. Überhaupt ist der Driver sehr geheimnisvoll. Das zumindest behauptet die Inszenierung von Winding Refn eindrücklich in der einführenden Szene. Wie er total kontrolliert am Steuer sitzt, ganz ruhig die Augen, ganz ruhig das Gesicht. Eine geheimnisvolle Figur so regungslos konzentriert wie Alain Delon als eiskalter Engel. Und wie Refn das ins Bild setzt, welche Lichtspiele, ja welch wahre Lichtorgien er inszeniert und zwar nicht etwa, um den Zuschauer zu berauschen, sondern um das Gesicht des Protagonisten wie in Licht gemeisselt erscheinen zu lassen. Das mitten in der pulsierenden Metropole L.A. Sein Licht hebt förmlich die Konturen der Figuren ins Plastische, 3D überflüssig. Dieses Licht lässt die Farben allesamt erscheinen wie frisch abgewaschen.

Die erste Fahrt des Drivers ist eine kriminelle. Er wartet auf zwei Ganoven, die einen Überfall gemacht haben, er weiß genau, wieviel Zeit ihm bleibt, wann wo die Straßenblockaden aufgebaut werden und wo er genau durch muss, um im Gewühle des in ein Fussballstadion strömenden Publikums im Parkhaus sicher zu landen. Minutiös geplant, minutiös ausgeführt. Um dann gemütlich gegen den Strom und gerade noch vor den einsetzenden Polizeisperren das Areal zu verlassen. Das ist atemberaubend gefilmt von Refn. Jeder Filmstudent sollte sich das genau und mehrmals anschauen.

Er stellt auch allein mit dem Licht, der Schauspieler selber muss ja nur ruhig halten – und sieht auch noch gut aus – aber vielleicht hat Refn ihm noch andere Anleitungen gegeben, aber es ist das Licht, das die Reflektiertheit des Drivers, seine Überlegtheit rausstellt, was ihn so faszinierend macht. Vor lauter Licht habe ich allerdings kaum auf die Musikuntermalung geachtet, die sehr diskret und öfter diese Röhrenemusik war, und aber merkwürdigerweise am Schluss, weißgottnichtwieso, blöd knallig geworden ist, so wie das Korkenknallen nach einem gewonnenen Autorennen.

Refn lässt sich anfangs viel Zeit. Die stumme Fahrt im Lift in einem hohen Appartmenhaus, in dem der Driver wohnt. Hier begegnet ihm seine Nachbarin. Stumm fahren sie beide bis in eine Etage weit oben. Sie kennen sich noch nicht. Auch sie, Irene gespielt von Carry Mullighan, ist schön, weil sie nicht spricht, nichts macht, weil sie nur in Refns magisches Licht getaucht wird, schön wie Frauen in Hollywood nur schön sein können. Später trifft er sie wieder im Supermarkt.

Man könnte fast von einer Erotik der Refnschen Kamera sprechen, wobei für die Kamera selbst Newton Thomas Sigel zuständig ist, die diese zu ihrem Objekt entwickelt, ganz zart streicht sie darüber, oder eben, taucht es in ein unwiderstehliches Licht. Wobei der häufige Kinogänger in der ersten Stunde dann schon bange befürchtet, einen ganzen Film lang von hundert und ein paar Minuten hält das keiner durch.

Der Driver trifft Irene wieder im Supermarkt. Er hilft ihr beim Tragen der Einkäufe, fährt mit ihr im Lift hoch, bringt sie in die Wohnung. Der Bub, dessen Vater noch im Gefängnis sitzt, zieht sich eine Art Halloween-Maske über und, das ist wirklich ein lustiges Witzchen, da zeigt der Driver Humor, denn er hat oft einen Zahnstocher im Mund, aber ganz diskret, und bietet dem Jungen einen Zahnstocher an, den der Junge natürlich unmöglich durch den Larvenmund benutzen kann.

Scary, das war eines der ersten verständlichen Wörter, die der Driver gesprochen hat – beim Anblick der Maske. Könnte auch das Thema für den Film gewesen sein.
Der Driver ist in L.A. „for a while“.

Anschmiegsames Kino aber nicht ohne Schalk.
Es folgen die Gespräche des Drivers mit seinem Agenten einem ehemaligen Stuntfahrer, der auch die Garage betreibt und Jobs vermittelt und hinkt – klar, typisch ehemaliger Stuntfahrer denkt man.
Bevor er mit der Nachbarin eine Spritzfahrt unternimmt, noch der Satz: „there are no wheels on my car“.

Spritzfahrt ins Flussbett. Idylle an fließendem Wasser, Mutter, Kind, Nachbar. Irgendwo, irgendwie schön, familiär – aber hier beginnt der Driver sein Geheimnis zu verlieren. Die Verführung durch die Familie ist zu groß. Sie geben auch ein hübsches Bild ab als Kleinfamilie, wenn er den Sohnemann trägt. Bald soll der Papa aus dem Knast kommen. Der gibt eine rauschende Party und immerhin passiert nicht die Eifersucht, sondern die beiden Männer spannen sogar zusammen. Papa engagiert den Driver für eben jenen tödlichen Gig, der als Falle für den ehemaligen Knasti geplant ist.

Von da an geht’s bergab. Der Driver hat jetzt zwar das Geld. Aber er will die Hintermänner, die es auf den Knasti abgesehen hatten, erledigen. Dazu muss er erst die Frau bedrohen, die ungehindert mit der Geldtasche aus dem Laden marschiert kam. Währenddessen wurde der Exknasti dann von einem anderen bulligen Auto aus erschossen. Jetzt gerät der Driver, der ja kein Killer ist, im Gegensatz zu Delon, immr mehr in die Fänge und Gespinste des Verbrechens und mit ihm fängt auch Refn an abzuschmieren. Jetzt gibt es keine Atmosphäre mehr zu etablieren, kein Geheimnis mehr zu behaupten. Jetzt sind wir auf dem irdischen Boden plumpen Verbrechens und Trashs angelangt.

Der Driver gibt sich keine Blösse, und Refn hat bereits blutig trashige Filme schön gemacht und lässt es dezidiert und nicht weniger heftig trashen und messern und bluten und grausamen und Finger zerquetschen, einen Arm aufschlitzen oder ganz grausam in Anwesenheit der Nachbarin einen Killer im Lift nach einer ablenkenden Kussszene, das ist nun schon fast abgeschmackt, an die Wand und auf den Boden schleudern und ihm den Kopf eintreten, dass es nur so kracht. Refn kennt da gar nichts und glaubt wohl immer noch Kunst zu machen dabei. Gleichzeitig pustet er aber auch den letzten Rest des Geheimnisses aus dem Film und reiht sich ein in eine endlos lange Reihe ganz normaler Krimitrashfilmer. Vielleicht etwas künstlerischer. Aber dass das Buch nicht mehr her gibt, das kann man nicht ihm anlasten. Ihm könnte man höchstens anlasten, dass er das Buch eingangs so gut verfilmt hat, was es gar nicht hergibt und dadurch die Erwartung allzu hoch geschraubt hat, auch mit den hervorragenden Besetzungen, die dann zu abgemurkst werdenden Knallchargen verkommen.

Der Aufbau der Familienidylle dürfte als der erste Teil des Bröckelns des Geheimnisses von Film und Driver zu sehen sein, auch dass er findet, das sei cool. Und man sich am nächsten Wochenende wieder treffen wolle. Irene jobbt übrigens in einem Schnellrestaurant als Bedienung, dort trifft er sie einmal und sie hat ein Schild mit ihrem Namen drauf.

Schneidende Sägeblattmusik.
Der Überfall, der scheinbar aus dem Ruder läuft, passiert bei „Money to Loan“ „PawnShop“, der Mord wurde in den Nachrichten als das „Valley Killing“ gebracht.

Am Schluss noch ein Song über allem „ my love… the sun rise… a brighter day where all the shadows will fade away…

The Artist

Es gibt Leute, die vollbringen im Kino wahrhaftige Wunderwerke. Erst vor kurzem hat Lech Majewski in „Die Mühle und das Kreuz“ ein fast 500 Jahre altes Gemälde von Peter Bruegel auf der Kinoleinwand lebendig werden lassen. Jetzt verzaubert uns Michael Hazanavicius mit einem ähnlich genialen Wunderwerk, das die Zeit des Übergangs vom Stummfilm zum Tonfilm wieder lebendig werden lässt, und wie! Eben nicht nostalgisch. Nicht museal. Nicht als Abklatsch oder brav-getreuliche Rekonstruktion, sondern als frisch-fröhlicher Event, als ob damals heute sei. Verblüffende Timemachine.

Ein Leinwandstar aus der Stummfilmzeit, Jean Dujardin als George Valentin, verweigert sich dem technischen Fortschritt des Tonfilmes, denn er sieht sich als „Artist“, als Künstler – als ob das Kino nichts mit Technik zu tun habe. Die Frage also, ob er nicht ein etwas abgestandenes Künstlertum zelebriert. Er produziert, wie das Studio die Stummfilmstars nicht mehr will, seine eigenen Streifen – und floppt. 1929 kommt die große Wirtschaftskrise dazu – zu welcher heute angesichts der Währungs-, Bank- und Börsenturbulenzen gerne Parallelen gezogen werden, insofern auch ein aktueller Streifen. Oder auch 3D ist so ein technischer Fortschritt, dem sich zumindest der Kritiker gerne mal verweigert, verweigern täte.

Durch einen Zufall ist Valentin noch vor 1929 auf ein Tanzmädchen gestoßen, das dank seiner Hilfe zum Star geworden ist; Bérénice Bejo als Peppy Miller; die ihre große Zeit mit dem aufkommenden Tonfilm hat. Parallel zu ihrem beispiellosen Aufstieg verläuft der beispiellose Abstieg von Valentin. Seine Frau verlässt ihn, er muss seinen Frack verpfänden, sein Hab und Gut wird versteigert, er neigt zu selbstzerstörerischer Depression.

Aber da wir im Film sind und Peppy ihren Gönner nicht vergessen hat, wird’s noch zu einem guten Ende kommen.

Was ist so faszinierend an diesem Film? Das ist das Gefühl, das Hazanavicius vermittelt, einen wie durch einen Time-Channel in jene Epoche zurückzubeamen – und nicht in ein Museum, thats the difference. Obwohl, das ist wahrscheinlich genau das, was verhindert, dass man von Nostalgie-Kram sprechen muss, er viele gewagte technische Dinge treibt, zwischendrin momentweise überhaupt kein Ton, praktisch kein gesprochenes Wort im ganzen Film, kleine Gags, die wunderbar sind, der Fox-Terrier des Stars, der sich tot umfallen lässt, wenn der Star zur Pistole greift, überraschende Spiele mit dem Ton, wie der Tonfilm aufkommt, welchen Klang ein Glas macht, das abgestellt wird, richtig altmodisch oder wie beim Stummfilm sind die Zwischentitel auf schwarz und wie beim Stummfilm sprechen die Darsteller, ohne dass was zu hören ist.

Viel zu der Atmosphäre dürfte die Orchestermusik beitragen, die vor allem vom Elan und der Begeisterung für das Medium Film erzählt. Im Gegensatz zu der heute oft bis zum Überdruss eingesetzten – vor allem voluminös um des Volumens willen – Filmorchestermusik, die offenbar nur noch von der Panik vor der Stille, die als Leere empfunden wird (oder vorm Wegzappen des Zuschauers) getrieben wird und damit alles zudonnert. Hier ist der Mut zu Stille das Knallige.

Film als Erlebnis, das dürfte hier die erste Qualität sein. Die Geschichte, die würde man heute vielleicht als eine Romantic Comedy zu verkaufen suchen.

Fängt mit einer Filmszene an, die mit „Long live freee Georgia“ aufhört.
Ein vorpsychologisches Kino.
Plakat in seiner Garderobe, wo Peppy reinkommt: „Thief of her Hart“.

Das ist vielleicht wirklich ein nostalgisches Element: der treue Diener oder Kammerherr von George, der für ihn auch die Autogrammkarten ausfüllt.
Der Film, den George selbst produziert „Tears of Love“, da gibt’s dann eine ganz traurige Premiere; Peppy war drin und ihr aktueller Freund („Toys“ hat sie ihre Verehrer einmal genannt) macht George das vergiftete Kompliment, sein Vater habe ihn sehr verehrt. Das sind Allerweltsgeschichten von Künstlern, aber wie sie hier gebracht werden, nicht zu dick, nicht zu dünn, nicht mit Zeigefinger, eher trocken stiebitzend auf die Leinwand gebracht.
Seine Frau ist plötzlich „unhappy“ wie es mit seiner Karriere nicht mehr läuft.
1931 dann die kleine Wohnung.
Die Auktion seiner Besitztümer.

Später dann regt George sich auf, wie stupid er gewesen ist.
Eine Geschichte von Realitätsverweigerung. Vielleicht muss man gar keinen tieferen Sinn drin suchen, sondern sich einfach dem Kinobann hingeben.
Kino als Eskapismus? Eigentlich nicht.
Einfach meine Frage, was sind das für Kinotüftler?
Wollen sie Mahnung an unser heutiges Kino sein?
Oder ist das auch wieder viel zu umständlich gedacht?
Oder ist es nur dieses launige, hey Zeitgenossen, ich nehm Euch mal kurz mit auf einen ziemlich verrückten Trip, den so nur das Kino bieten kann? Also doch auch wieder Jahrmarkt (den wir philosophisch nun endlich ergründen und evaluieren sollten!).

Kino, weils Laune macht.

Arirang

Kim Ki-Duk macht das, was viele schon lange im Internet machen: er stellt eine Kamera vor sich und räsoniert sich sein Lebensunglück, ja, eher Unglück als Glück, teils ironisch, teils scheinbar sehr ernst, in die Kamera.

Er als Weltelite-Profifilmer macht es etwas komplizierter und da ihn Gewalt in seinen Filmen immer interessiert hat, tut er sich hier insofern auch welche an, als er in einem Haus in den Bergen, das offenbar kaum geheizt werden kann, sich im Winter für Monate einquartiert, in einem der Räume ein Überlebenszelt aufbaut, in dem er vermutlich auf Isomatten schläft.

Jedes Mal, wenn es klopft, und er eine Hoffnung oder eine Angst damit verbindet, reißt er den Reißverschluss des Zeltes auf und das macht einen fürchterlichen Ritsch oder Ratsch. Er hat sehr viel Zeit in die Ausstattung seiner Behausung gesteckt. Er hat alles selber gemacht. Ständig ist ein Brummeln und Zischen und Stumpfen und Köcheln von seinen selbstgebastelten Maschinen zu hören.

Dieses Überlebens- oder Rückzügs- oder Reflektions- oder Selbstdarstellungsgebäude ist fantastisch ausgestattet mit Maschinen von allerlei Art, einer selbstgebauten Kaffemaschine und einem Holzofen der oben einen Schieber hat, in den man genau einen mittelgroßen koreanischen Fisch zum Braten reinschieben kann. Ständig ein Kokeln und Brutzeln. Später macht er aus dem ausgehölten Fischkopf ein fantastisches schaurig-dämmriges Beleuchtungsteil.

Überall ist alles voller Schläuche wie ein mysteriöses Geheimlabor. Eine Überlebens- oder Selbstzerstörungsmaschinerie. Zum Waschen muss Kim Ki-Duk erst Wasser schöpfen und umschöpfen, man sieht auch wie er Schnee in die Anlage zur Wasssergewinnung schaufelt, armseligst und kompliziertest zugleich ist unser weltberühmter, zerknirschter und outgeburnter Filmdirektor eingerichtet, auch den Blick auf die Welt hat er sich erhalten mit einem Fernrohr, mit dem er die kleine, winterliche Talschaft unter sich absuchen kann.

Ständig stopft er getrocknete oder frischere Früchte in sich hinein und auch später einen Fisch, da hält er dann den Fischkopf vor sich und reißt seine Schnauze auf wie der und stopft sich die Teile, die er eben aus ihm rausggestochert hatte selbst in den Mund. Und philosophiert darüber, dass wir ständig Natur zerstören, wenn wir essen, dabei haben diese Öko- und Bewahrungsgedanken von ihm keine so rechte Überzeugungskraft.

Auch einen Computermonitor hat er. Und Schrauben und Werkzeug, man könnte auch meinen, bei einem Erfinder zuhause zu sein. Und da er ein weltberühmter Direktor ist, hat er auch Tiger und Palmen und Bären und Löwen und viele andere grausame Filmfest-Trophäen mehr. Die passen nicht in die armselige Hütte. Für die hat er am Fusse des Anwesens einen moderner Baucontainer hingestellt. Da ist die Galerie der Filmplakate und Originalzeichnungen und eben auch Platz für die Trophäen. Zu denen hat er ein zwiespältiges Verhältnis.

Er macht also überwiegend das, was viele Youtube-Blogger machen, er hockt vor der Kamera und redet und redet; wes das Herz voll ist, des fließt der Mund über. Vielleicht reden ihm sonst die Menschen zuviel drein, oder er traut sich nicht. Hier hat er den Bildschirm für sich und da er davon nicht genug kriegen kann, inzeniert er sogar Zwiegespräche mit sich selber und das dürfte kaum mehr zu toppen sein: mit seinem Schatten. Da erzählt er über ein Leben, über den Burn-Out, über ein Projekt von einem Soldaten, der Jahrzehnte nach dem Krieg aufs Schlachtfeld zurückkehren möchte, um das Skelett des Soldaten, den er einmal getötet hat, wieder auszuscharren. Statt dessen hat er sich jetzt für diesen Monolog-Film entschieden, der nun wirklich nur für Leute vom Fach interessant sein dürfte und am ehesten in Zehnminuten-Cllips auf youtube passen würde. Was Kim Ki-duk macht ist vielleicht insofern schmerzhaft – er redet auch über den Film, das Kino als Ort des Sadismus, des Masochismus: dieses Internet. Jedermann kann seine Kacke verbreiten, gar auf die große Leinwand bringen.

An einer Stelle seines etwa zweistündigen Monologes dankt er den großen Festivals, die ihn überhaupt erst ans Licht der Öffentlichkeit gebracht haben, aber er schimpft auch über sie, und er schimpft über die koreanische Politik, die sich dann seiner Auslandserfolge rühmt, aber die Filme selten gesehen hat, wie auch das koreanische Publikum nicht gerade die Kassen stürmt für seine Filme. Er schimpft auch heftig über die Darstseller, ihre Eitelkeit, böse, negative Figuren darzustellen, das sei ja so einfach.

Es ist viel Reflektion übers das Filmemachen drin und glücklich sei er sowieso nur, wenn er Filme machen kann. Hier macht er überwiegend einen unglücklichen Eindruck, rauft sich oft die Haare. Aber er spielt auch einen grandiosen Weinkrampf, wenn er Szenen aus eigenen Filmen anschaut, den Mann mit dem nackten Oberkörper, der den Mühlstein hinter sich her durch eine waldige Landschaft einen steilen Abhang nach oben schleppt und auch noch eine Buddha-Statue in Händen hält. So ganz uneingenommen von seinem Werk scheint dieser Kim Ki-duk nicht zu sein, zumindest will er uns das suggerieren.

Er reflektiert über Grausamkeit, über gute und böse Rollen. Ein Film mit viel geistigem Input. Film als Ort der Auseinandersetzung.

Anfangs brüllt er ständig READY ACTION! Als ob er sich wie ein Verrückter über die Verrücktheit des Drehens lustig machte. Immer wieder singt er das Lied „Arirang“ und erklärt an einer Stelle, dass man das in Korea singe, wenn man traurig, mies drauf, melancholisch sei. Das singt er bis zur Gehässigkeit.

Am Schluss nimmt er eine Pistole, fährt damit los in die große Stadt. Hält bei verschiedenen Gebäuden, leider wurden die Inschriften darauf nicht als Untertitel wiedergegeben, so dass nicht klar wurde, was für Menschen aus welchen Lebensbereichen er mit je einem Schuss ins Jenseits befördert haben dürfte, nehmen wir an: Produzenten oder Filmförderer.

Es ist auch eine gewisse Parallele zum japanischen Film „Confessions“, nur dass hier der Autor selber tiefe Einblicke in die Abgründe seiner Gefühls- und Gedankenwelt gibt, Confessions von brutalen Gedanken, von Rachegedanken, von Hassgedanken macht.

Zwischendrin kamen mir Flashs an den autobiographischen Film von Godard, wie er vor seinem großbürgerlichen Studiotisch in seinem exklusiven Haus am Genfersee sitzt und die Regale, die sein Werk füllen, anschaut und wie er Streifen aus seinen Film in der Hand hat und gegen das Licht hält (da schaut er nicht weniger verzweifelt als Kim Ki-Duk hier). Wie in der Malerei die Selbstportraits auch was Spannendes sind, so haben Filmemachers autobiographische Projekte etwas vor keiner Zerstörungskraft Halt machend Bohrendes. Selbstportraits von Künstlern, die glücklich sind, gibt es die, oder sind die nur nicht bekannt, weil sie reizlos sind, nur wenn sie sich geschunden, gebrannt, ausgebrannt, verzweifelt, elendlichglich präsentieren, sind Künstler im Selbstportrait spannend.
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Andererseits scheint Kim Ki-Duk, sich über sich selbst, über sein absurdes Künstlerleben kaputt zu lachen, über sich als lonely person, person, die basically lonely sei, der darum die anderen Menschen immer gut beobachten konnte. Dann ärgert er sich aber wieder, dass er eigentlich sein Leben nicht lebe. Echt erbarmungswürdig der Zustand, in dem er sich uns präsentiert, ohne einen menschlichen Kontakt. My life: docu und drama zugleich.

Auch eine Trotzphase kommt vor: ich bin noch Regisseur brüllt er in die Kamera. Ich habs nicht verlernt. Aber drei Jahre habe er keinen Film mehr gemacht. Er schimpft über den Teil der Filmwelt, der nur masturbiere, die Assholes. Evil, das kann ich auch. Das deckt sich mit Godard, zu zeigen, wie ein Huhn getötet wird, das ist keine Kunst. Ein bisschen böse sein, das ist keine Kunst. Was aber wäre denn Kunst, das beantwortet er nicht, weil er die Frage nicht stellt.
Sadismus, Self-Torture, Masochismus.

Auf die Frage, was der Mensch, das Leben sei, bringt er den Vergleich mit Benzinverbrennung, Umwandlung von Energie oder mit elektronischen Teilen, die transformieren.
Der Kampf und die Natur.
Immer klopft es wieder, aber niemand da, außer dass die Katze mal raus will. Warten auf was?
Am Steuer seines Autos schreit er STOP IT KIM KI DUK!
I stop it here.

Star Wars Uncut

Ein schönes Projekt hat seinen Abschluss gefunden: Star Wars Uncut. Im Lauf der letzten Jahre haben unzählige Fans des Klassikers je eine 15-Sekunden-Sequenz für sich reserviert, nachgedreht und zu den Organisatoren hochgeladen. Die kreativen Auswüchse, die das mit sich gebracht hat, kann man im Endprodukt sehen. Wer mehr wissen will, bitte googeln. Das Netz ist voll davon.

Star Wars Uncut: Director’s Cut from Casey Pugh on Vimeo.

Intruders

In diesem künstlerisch aus einem Guss gemachten, hochsensiblen Horrorfilm, der die Ängste vor der heraufziehenden Pubertät thematisiert, spielt die „Folie à deux“ die entscheidende, dramturgisch reizvolle Rolle. In Wikipedia steht darüber zu lesen: „Folie à deux (frz. „Geistesstörung zu zweit“), auch „induzierte wahnhafte Störung“, „gemeinsame psychotische Störung“ „psychotische Infektion“ oder „symbiontischer Wahn“, bezeichnet die relativ seltene, ganze oder teilweise Übernahme einer Wahnsymptomatik durch einen nahestehenden, primär nicht wahnkranken Partner. Nach einer Trennung verschwindet der Wahn meist bei der vormals gesunden Person. Eine soziale Isolation  wird als wichtiger Risikofaktor für das Auftreten der Störung gesehen.“ Eine ziemlich reizvolle Konstruktion für einen Horrorfilm.

Die soziale Isolation kann sicher im Zustand der dräuenden Pubertät gesehen werden, genau so wie bei Vater John, der waghalsig auf Eisenkonstruktionen  auf den obersten Etagen neu entstehender Hochäuser in London arbeitet. Und genau zwischen zwei solchen Figuren, Vater John und seinem Töchterchen Mia, wird die Folie á deux diagnostiziert werden. Es gibt dann noch eine sonderbare Parallele zu einem Buben, der auch Angstträume vorm Schattengesicht hat; bei ihm versucht der Pfarrer Daniel Brühl (eine Rolle, die ihm sehr gut steht), zu helfen.

Der Zusammenhang zwischen beiden Fällen ist verzwickt. Und beide Male führt eine Katze in Richtung Gespenst. Im einen Falle versuchte die Mutter noch Hilfe bei der Kirche zu finden, Mias Eltern erwarten sich Hilfe von der Psychotherapie, die eben die „Folie á deux“ diagnostiziert und findet, Vater und Töcherchen sollen sich für eine Weile trennen, bis das beängstigende Schattengesicht verschwunden ist, denn es sei nur eine Schimäre, aber eben von zwei Personen gleichzeitig festgestellt.

Mia ist zur Zeit des Filmes 12. Der Bub dürfte ebenso alt sein.

Mit Jesus oder der Psychiatrie gegen die Folie á deux, gegen das Schattengesicht; denn das kommt und will den Kindern, die von ihm träumen, das Gesicht wegreißen. Mia hat übrigens durch den Schock des Gesichtes die Sprache verloren, kann sich nur noch mit Schreiben verständlich machen. Sie schreibt die Geschichte auf. Liest sie in der Schule vor. Später schreibt sie sie weiter. Der Bub heißt auch John.

Die Machart ist sehr künstlerisch, sehr ruhige Regie der Figuren, hin und wieder vielleicht eine Idee zu laut. Die deutsche Synchro ist passabel. Daniel Brühl spricht sich selbst.

Auch die Kamera spielt viel mit dem Licht, mit den Schatten, zeigt gerade vom  Schattengesicht sehr raffiniert kaum mehr als die Umrisse, aber doch nicht nur ein schwarzer Schatten und wenn er sich gegen Ende entfernt, ja das Ende ist gut!, dann sieht das aus, wie ein Wirbel aus goldenem Herbstlaub, fantastischer Effekt. Aber auch die waghalsigen Aufnahmen von der Eisenkonstruktion des Hochhauses. Zum Schluss noch ein Familienbild.

Diese Spanier haben das bildnerische Erzählen einfach im Blut. Das Buch stammt von Nicolás Casariego und Jaime Marques, die Regie führte Juan Carlos Fresdnadillo.

Once Upon a Time in Anatolia

Wer von diesem Film was haben möchte, der sollte dies eher mit einer Erwartungshaltung an Malerei denn an Action-Kino tun. Wer für die Veduten Venedigs von Canaletto schwärmt, der dürfte auch hier fündig werden. Nuri Bilge Ceylan, der Autor und Regisseurs dieses Filmes malt natürlich keine Veduten und auch nicht Venedig. Der Vergleich zu Canaletto bezieht sich allein auf die Haltung und Begeisterung seinem Objekt gegenüber, auf die Genauigkeit der Beobachtung und vor allem auf den Spaß an den Lichtspielen, auf die Gesamtkomposition von Bildern, vielleicht fast einer Art Vernarrtheit in sein Objekt.

Nuri Bilge Ceylan malt Bilder aus Anatolien. Aber ihn interessieren nicht Häuser und Fassaden, ihn interessieren die Menschen, wobei ihm der Reiz der kargen Landschaft Anatoliens nicht verborgen bleibt. Und die Menschen setzt er nicht einfach auf einen Stuhl, um sie abzufilmen. Das Dutzend Menschen, Männer, die er im Fokus hat, verbindet er durch ein gemeinsames Projekt. Sie suchen eine Leiche, das Opfer eines Mordes.

Es ist eine präzise strukturierete Gruppe. Die zwei mutmaßlichen Täter, Polizisten, Gendarmen, Fahrer, zwei Arbeiter, ein Staatsanwalt und ein Arzt sind mit von der Partie, die sich in drei PKWs durch die nächtliche anatolische Landschaft bewegen. Da der Täter die Stelle nicht mehr genau erinnern kann, zieht sich dieser lose Handlungsbogen über eine Nacht und noch einen Teil des folgenden Tages. Da sehen dann der Staatsanwalt und der Arzt bei der Sektion der bis dahin gefundenen Leiche schon recht übernächtigt aus. Partiell auch ein Echo auf Stimmungen in „Lost Highway“ von David Lynch.

Die Suche nach der Leiche erlaubt Ceylan viele Fahrten des PKW-Konvois durch die anatolische Nacht zu zeigen, viel Anhalten, Aussteigen, die Scheinwerfer auf eine vom mutmaßlichen Mörder, der wie ein verwitterter Jesus aussieht, angedeutete Stelle, das Rennen der zwei Arbeiter mit den Schaufeln, Rennen als kleiner, diskreter Running Gag, Situationen des Wartens, viele Gespräche, auch bei den Fahrten. Gespräche über Büffeljogurth und nächtliches Austreten und das Männerproblem Prostata, über die Frau, die ihren Tod vorauswusste, darüber, dass hier alle Waffen haben und über Wachsamkeit, über Eheprobleme oder ein Kind zuhause, das dringend Medikamente braucht, und dass der Job die ideale Flucht von zuhause sei, über Grenzgemarkungen und eine neue Leichenhalle und über den Sinn des Lebens sowieso.

Nie lässt Celyan ein Figur einfach uninszeniert irgendwo stehen. Er komponiert die Bilder, die Szenen durch. Die Gendarmen im Hintergrund vertreten sich die Füße, dem Gefangenen, der geschlägert hat, muss die Wunde versorgt werden, ganz diskret im Hintergrund passiert das, einer hat auf einem Feld noch drei Kürbisse gefunden und mitgenommen, ein Auto hat Mühe mit Anfahren.

Die Gruppe ist bestimmt durch das Objekt ihres Interesses. Ein Fahrer (der die Gegend nicht kennt), ein Polizist („Polis“ steht breit auf seinem Rücken), ein Kommandant der Gendarmerie, der Arzt, der Staatsanwalt noch Polizisten und Gendarmen und schließlich die beiden fürs Grobe, die beiden Underdogs, die Arbeiter, die schaufeln dürfen.

Ein Kunstwerk gewiss, kunstvoll gewirkt, präzise gearbeitet – und nebenher hat Ceylan immer noch genügend Zeit, einen Wind zu setzen, einen Donner, ein Grollen, die Geräuschkulisse der Umgebung, die nicht im Bild ist, das weitet den Raum, einen Apfel, der ein Bächlein runter schwimmt, an drei bereits gestrandeten Äpfeln vorbei, da verselbständigt sich das Kunstwirken doch sehr oder wenn eine leere schwarze Mülltüte oder eine leere Plastikflasche vom Wind über den Hof getrieben werden.

Weil es sich hier um ein Kunstwerk handelt, das von der Story her, die eher an das Protokoll einer nächtlichen Leichensuche in Anatolien denken lässt, nicht unbedingt ein breites Publikum ins Kino locken dürfte, wirkt die grauenhaft routinierte und teils unglücklich besetzte deutsche Nachsynchronisation umso ärgerlicher. Schändung eines Kunstwerkes. Besonders der Polizist ist äußerst unglücklich besetzt mit einem manirierten Routinesprecher und er unterscheidet sich auch zu wenig von den anderen. Sicher, man gewöhnt sich dann stellenweise daran, aber mich hats immer wieder aus der konzentrierten Lektüre dieses minutiösen Berichtes rausgerissen. Konzentriert vielleicht auch aus dem Grund, weil nicht ganz klar wird, was Ceylan uns nun wirklich erzählen möchte. Mit dieser Nachsynchronisation haben sich die Verleiher keinen Gefallen getan und werden bestimmt nicht einen Zuschauer zusätzlich gewinnen.

Huis Clos by Night. Aber nicht Sartre. Ein Dutzend Menschen, die das genannte Projekt für eine Nacht zusammenzwingt. Absurd-existenzialistische Dialoge gibts auch wie, „das ist der richtige Weg, aber wo führt er hin?“ Da kann einem durchaus unbehaglich werden.

Gelegenheiten auch für Monologe und innere Monologe. Auch dafür lässt Ceylan sich viel Zeit, die Menschen im Sein zu zeigen. Sie müssen warten. Sie müssen keine Show bieten. Sie wollen lieber nach Hause. Aber ohne Leiche geht das nicht. Leichenlos in nächtlicher anatolischer Gegend.

Auch das Lästern über andere kommt vor, dass die einzige Sorge eines der Polizisten die der Stadtgrenze sei (weil da seine Zuständigkeit aufhört) oder über den Fahrer, der sich nicht auskennt oder nach Schlägen für den Gefangenen, dass dieser nur diese Sprache verstehe,

Einen Teil der Nacht verbringt die Gruppe, die einem mit der Fortdauer des Filmes immer vertrauter wird, bei einem Bürgermeister in einem Dorf in der Nähe. Da können sie sich ausruhen und verpflegen. Eine hübsche Tochter hat der auch noch.

Mit dieser Art von Kino verhält es sich so, da es sich nicht für einen plotmäßig vorgegebenen Spannungsbogen interessiert, dass es eine Stunde, zwei oder wie hier zweieinhalb Stunden lang dauern kann, es könnte aber auch vier oder sechs Stunden so weiter gehen, Bela-Tarrsche Längen erreichend, wobei Bela Tarr gewiss nicht so offensichtlich in die fiktional hergestellte Realität eingreift wie Ceylan, der – wie Canaletto jeden Millimeter Wasser- und Fassadenoberfläche – jedes Blatt, jeden Lichtstrahl, jeden Grashalm, jeden Baum, jede Wolke, jeden Donner, jede Geste als solche, als Stellenwert als solchen und in der Komposition zum Gesamten im Griff haben möchte, weshalb ihm ein Kino zum Schauen gelingt (und bei dieser Synchronisation: leider zum Weghören!).

Faust

Wer hier großes Drama, großes Welttheater erwartet, wer hier neue Einsichten zu Goethes Faust erwartet, wer hier einen Film erwartet, der uns Zeitgenossen direkt anspricht und aufwühlt, der liegt hier falsch. Selbstverständlich auch wer Action, Thrill, große Liebe, Romantic Comedy erwartet, dürfte enttäuscht werden.

Wer sich aber einen Spass draus machen kann, wie Sokurov das aktuelle Bemühen, die Kinoleinwand immer breiter größer, computeranimierter und 3D-hafter in die Tiefe gehen zu lassen, köstlich konterkariert, der das Kino (sein Film ist in einer Art Super-8-Format gedreht) auf Minitur-Format schrumpfen lässt, wer einen Spass daran haben kann, sich auf eine Reise eher durch eine Gemäldegalerie des Biedermeier, und in dieser Pinakothek noch durch die kleinen Nebenräumlichkeiten, wo die ganz kleinen, winzigen Miniaturen mit Landschaften und Ruinen und den Menschen, wie sie darin wuseln und tun, mitnehmen lassen will, der kann dieser Kunstveranstaltung von Alexander Sokurow bestimmt einiges Lächeln und neckische Amüsements abgewinnen. Hilfe, das Kino und der Faust auf Liliput-Format geschrumpft – das lässt doch den Zuschauer um einiges größer werden!

Oder auch: wer Kino in einem sehr ursprünglichen Sinne erleben will, als eine Art altmodisches, magisches Jahrmarkterlebnis (würde passen zu den Nostalgietendenzen à la „historische Wiesn“ in München) erleben will, hier wie ein Blick durch eine magische Kugel, so wie Wahrsager sie gerne in Kinderfilmen benützen, in eine Welt, in eine wie vom Winde weggeblasene Aufführung des sonderbaren Spieles vom Doktor Faustus, hier dem Anatomen und Arzt, der ist hier richtig. Ich würde dieses Kino aber auf keinen Fall als Arthouse apostrophieren wollen.

Alexander Sokurow und seine Mitautoren Marina Koreneva und Yuri Arabov haben den Fauststoff von Goethe äußerst freizügig ausgeweidet und angewendet. Es gibt viel Erkennbares für den gebildeten deutschen Kulturgänger. Erkennbares durchaus auch in neuen landschaftlichen Zusammenhängen. Die Schlussszene am Geysir, wo über Leben und Tod geredet wird. Szenen in wilden, zerklüfteten Landschaften, ganz romantische Malerei, an reißenden Wildbächen, in Felsspalten, durch die sich Faust und sein Begleiter in groben Leinenhemden, nachdem sie sich der Ritterrüstungen entledigt haben, hindurchzwängen müssen.

Es fängt mit der Sektion einer männlichen Leiche an und der Frage, wo ist die Seele.
Vielleicht gerade weil Sokurow des Deutschen nicht mächtig ist, hat er sich besonders viel Mühe für die Stimm- und Tonkulisse gegeben, der ganze Film ist deutsch gesprochen, aber die Sprachspur für den Film wurde aufwändig im Studio hergestellt, ob deutsche oder österreichische Originaldarsteller oder russische. Vielleicht gerade weil Sokurow des Deutschen nicht mächtig ist, hat er besonders intensiv hingehört.

Was auch auf den starken regiemässigen Zugriff Sokurovs schließen lässt, ist, dass alle Figuren sich voll in den erwähnten malerischen Bildzusammenhang einfügen, so dass es völlig unnötig scheint, irgendwelche Schauspielernamen einzeln zu erwähnen, obwohl Stars wie Hanna Schygulla (und wie wunderbar selbstverständlich!) mit von der Partie sind.

Kino in der Nähe der Mühen und Qualitäten der Kupferstecherei anzusiedeln.
Bilderbuchkino mit ausgefeilter Tonkulisse.
Mit einer unübersehbaren Tendenz zum Kunstgewerblichen, kostbar und ausgetüftelt wie Fabergé-Eier.
Oder, Zitat: ein Prachtstück für die Autopsie. Kann ruhig interpretiert werden, dieser Film ist vielleicht ein Prachtstück für den Kunst- und Literaturforensiker.

Jagdhunde stören die Beerdigung von Valentin (russische Fantasie?)
Der Faust: ein körperlich nicht sehr agiler Darsteller, wohl auch mit Bewusstsein ausgewählt.
Miniturweltkino.
Die Wissenschaft auch nur als Beschäftigung gegen die Leere interpretiert. Vielleicht auch dieser Film. Wie die Stickerei bei den Frauen. Beschäftigungstherapie. Filmherstellung und Fieselei als Sokurows Beschäftigungsthearpie?

Der Erdenkreis ist zu eng. Das vielleicht das Motto des Filmes, die Begründung für das enge Format, für die Orientierung an der Malerei von Romantik und Biedermeier.
Kleiner Seitenhieb auf die Russen: Ist er ein Verrückter? Nein, ein Russe.
Volksnah: Ida sagt immer Unisität statt Universität.

Fast surrealistisches Bild, wenn dem Wagner der Homunculus samt Flasche auf den Boden fällt, die Flasche kaputt geht und das Homunculuschen halb zerquetscht daliegt und atmet wie ein Frosch.
Das Hasenbild von Dürer an einer Stelle zitiert. Kunstgeschichtskino?

Der Mephisto, der hier nicht Mephisto heißt, sondern der Wucherer (eine anatomisch abgrundtief, russisch komische Figur, statt mit Klumpfuß mit keinem Darmausgang vorn und mit einem Geschlechtsteilchen hinten baumelnd und großer Bauchwust).
Wie dieser Wucherer, während Faust in einer Kirche mit Margarete spricht, sich an einer hölzernen Marienstatue erotisch zu schaffen macht, bewusst despektierlich. Russische Fantasie. Dürfte in Deutschland auf nicht allzu fruchtbaren Boden fallen.

Faust im Gespräch mit Margarete, dass er sich den Tod der Mutter gewünscht hatte.
Garantiert kein aufklärerisches, kein analytisches Kino.

Sokurows Anti-3D-Kino auf Schrumpfdimension und gar nicht humorfrei, aber nicht unbedingt unsere Humorlage.

Schon am Anfang das schwer symbolisch aufgeladene Spiegelchen, das aus den Wolken hängt, wie ein Autorückspiegel.
Die Machart macht dieses Kunstwerk. Dieses Künstlichwerk.
In den Rüstungen, Faust, wir sind Leute, Großes zu erreichen.
Heinrich der Mächtige und Maurizius, wie der Wucherer sich in der Rüstung nennt, bevor sie sich auf den Weg zu den Geysiren aufmachen, Maurizius der Dunkle.

Alpenwüstengegendbilder wie in Passolinis Passion in den Armeleutegrobstoffhemden.
Vorm Geysir noch die Diskussion über die ewige Einsamkeit. Das Kino als ein Mittel gegen diese ewige Einsamkeit oder nur Ausdruck derselben?

Bezaubernde Lügen

Ein Mann, ein einfacher Mann, ein richtiger Mann, der noch dazu Jean heißt (gespielt von Sami Bouajily), der ist in der zentralen Location dieses Filmes, dem Frisörsalon „Les Intondables“ (was locker aus dem Handgelenk übersetzt heißt, „hier ist Frisieren schwierig“!) für die kleinen Reparaturarbeiten zuständig und erledigt diese auch hingebungsvoll. Diese Hingabe interpretieren die Frisösen, wofür gleich mehrere wundervolle französische Schauspielerinnen besetzt worden sind, doch glatt als Hingabe des Mannes an die Frau, und das bringt den Laden allein schon zum Kochen. Wie sich dann noch herausstellt, dass dieser Mann, dieser Jean, auch noch hochgebildet ist (dass er fließend Koreanisch fluchen kann, wird bei einer Beschimpfung zweier Ladendiebinnen offenkundig), dass er literarisch begabt ist und die herzzerreißendsten Liebesbriefe schreiben kann, so sind hier dramaturgische Strukturen ausgelegt, die die liebeshungrigen Damen jeden Alters auf Trab halten und auf die verwirrendsten Wege der Gefühle schicken, die aber hier, so viel sei verraten, denn wir sind nicht bei Alfonse de Musset, gut enden werden. Denn das können die Franzosen, die Liebe und die Spiele um die Liebe herum und sie können es im Film und in der Kunst und sowieso im Leben, soviel zum positiven Vorurteil, was hier seine Bestätigung findet.

Die Deutschen können das wohl weniger. Vielleicht sind sie zu verbiestert, zu ernsthaft. Darum heißt denn die deutsche Übersetzung von „De vraies Mensonges“ eben auch „bezaubernde“ Lügen und nicht „wahrhaftige“, „aufrichtige“, „lebenswahre“, „wirkliche“ , „reine“, „unverfälschte“.

Die Deutschen scheinen auch so sensible Wortspiele nicht besonders zu mögen. So könnte man werweißen, was die Deutschen unter so einem Film erwarten werden, der „bezaubernde Lügen“ heißt. Klar, wenn, Audrey Tautou mitspielt, erwarten sie vielleicht so etwas, wie „die fabelhafte Welt der Amélie“; und eine schöne Prise davon ist in diesem Film von Pierre Salvador, der mit Benoit Graffin auch liebevoll das Drehbuch entwickelt und geschrieben hat, bestimmt erhalten, auf durchaus zauberhafte Weise.

Die deutsche Übersetzung des Titels ist vielleicht mehr als Marketing-Gag gedacht. Hier ist allerdings nicht nur eine fabelhafte Amélie-Welt zu finden, hier sind fabelhafte Frauenwelten, die Franzosen scheinen im Film davon über einen unerschöpflichen Fundus zu verfügen, an filmzauberhaften Frauen; hier angeführt von Nathalie Baye als Maddy Dandrieux. Sie ist die Mutter von Emilie, gespielt von Audrey Tautou.

Der Mutter ist der Mann, ein erfolgreicher Künstler, abhanden gekommen; er hat ein Verhältnis mit einer Jüngeren, das setzt der Mutter sehr zu. Emilie führt den gut gehenden Frisörsalon, Stephanie Lagarde als Sylvia und Judith Chemla als Paulette sind männerherzenbezaubernde weitere Frisösen und immer wieder als Mittlerinnen für die Feigheit des einen oder anderen Protagonisten in Sachen Liebesdingen gefordert.

Emilie ist nämlich in Jean verliebt. Sie kann ihm das aber nicht sagen. Jean wiederum verliebt sich in Emilie und schreibt ihr einen anonymen, höchst literarisch-romantischen Liebesbrief. Sie distanziert sich allerdings immer mehr von ihm, wie sie darauf kommt, dass er ihr sprachlich haushoch überlegen ist und nachdem er sie immer mal wieder korrigiert hat. Sie lässt nur noch ihre Mitarbeiterinnen mit ihm kommunizieren.

Sie weiß allerdings nicht, woher der anonyme, handgeschriebene Brief kommt. Dieser bringt sie auf ganz andere Gedanken. Sie tippt den wunderschönen Text ab, druckt ihn mit dem Computer aus und schickt diese Fälschung an Maddy, ihre Mutter, um sie aufzuheitern, um ihr den Lebenselan wieder zu geben nach der Enttäuschung mit ihrem Mann. Maddy springt voll an auf diesen Brief, es juckt sie überall und die Tochter sieht sich gezwungen, weitere solche Texte zu erfinden, allerdings nicht gerade kongenial, köstlich, wie sie vorm Computer hockt und krampfhaft liebestextet. Als Postillion d’amour setzt sie Jean ein. Die Mutter folgt ihm und hält ihn richtiger- wie irrtümlicherweise für den Schöpfer der Zeilen; so gelangt sie directement in den Frisörsalon. Damit ist die Ausgangslage für diese herrliche, teils skurrile, teils groteske Liebesverwicklungs- und Liebesverwirrungskomödie gegeben, die den Zuschauer heiter aus dem Kino entlassen wird.

Kriegerin

Deutsches Kopfkino, wie es offenbar die Filmförderungen, die Fernsehredaktionen und die Filmhochschulen lieben (hier sind im produzierenden Boot dabei das ZDF mit dem Kleinen Fernsehspiel und die HFF Konrad Wolf aus Berlin). Der Film gewinnt allerdings durch Ereignisse, die längst nach dessen Fertigstellung in die Nachrichten gelangt sind, einen Hauch unverhoffter Aktualität, durch die Neonazi-Killer-Gruppe aus Zwickau.

Der Autor und Regisseur David Wnendt nimmt sich ein brisantes Thema vor: Neonazis in Irgendwo in Ostdeutschland. Um das Thema zu behandeln oder vorzustellen, erfindet er eine Geschichte, zumindest Ansätze dazu. Zwei junge Frauen, die beide Mutterkonflikte haben und sofern vorhanden auch ein gestörtes Verhältnis zum Vater, geraten in eine Neonazigrupppe. Verantwortlich für die Anfälligkeit zum Extremen sind also verwahrloste familiäre Milieus.

Die eine der beiden jungen Frauen arbeitet noch als Verkäuferin im Lebensmittelladen ihrer Mutter und die andere hat einen Brutalo-Vater, der ihr das Rauchen abgewöhnen will, indem er sie in seiner Gegenwart eine Packung Cigaretten bis zum Erbrechen, den Plastikeimer hält er bereit, rauchen lässt. Die eine weigert sich, Ausländer zu bedienen, kommt aber mit einem von ihnen in Kontakt, es dürfte sich um einen örtlichen Asylbewerber handeln, Rasul heißt er und stammt aus Afghanistan. Die menschliche Beziehung zu Rasul führt bei ihr dazu, den Kontakt zu den Neonazis zu lösen.

Vorher war sie sehr brutal zu Rasul. Eine Szene am Strand wurde erfunden, bei der Rasul mit seinem Bruder schwimmen geht, derweil pisst einer der Neonazis auf seine Kleider. Sie fahren dann mit ihrem Motorrad von dannen und die schwarzhaarige Deutsche fährt ihnen mit dem Auto hinterher und drängt sie in den Straßengraben. Später findet sie dort ein Absperrband und denkt, die sind beide tot und bekommt sowas wie Gewissensbisse.

Es werden Szenen erfunden, die Gespräche beinhalten, zwischen den jungen Frauen und ihren Müttern, mit dem Opa, wie sie bei den Neonazis sind. Es gibt auch eine Koch-Szene, die belegt, dass der Filmemacher recherchehalber gewiss nicht sehr tief ins afghanische Milieu eingedrungen ist, denn dort würde Reis nie, wie hier, ungewaschen direkt in das kochende Wasser gegeben werden.

Auch kommt es mir sehr unglaubwürdig vor, dass Rasul mit seinem Bruder und ohne weitere Kumpels an den Strand geht, der Ort ist jedenfalls nicht als so groß beschrieben, dass ihnen die Neonazis nicht bekannt sein dürften, und ausgerechnet, wo diese Clique sich aufhält, da gehen die schwimmen. Aber das musste eben so erfunden werden, damit das Mädel nachher die Sache mit dem Motorrad bauen kann.

Wieder einer dieser thematischen Filme, die wie ein Film aussehen, ich würde den Vergleich mit einem Auto wagen, der wie ein Auto aussieht, sogar der Motor ist drin und auch Benzin und man kann den Motor starten, aber der Wagen bewegt sich nicht von der Stelle; selbst mit laufendem Motor nicht, weil der Keilriemen fehlt. Oder bei diesem Film: es fehlt hier an der elementarsten dramaturgischen Arbeit, die natürlich sehr mühsam ist, besonders wenn man ein anspruchsvolles gesellschaftliches Thema behandeln will, aber damit es im Kino konsumierbar wird, muss zuvor eine Konfliktanalyse stattfinden und zwar der Hauptfigur über die die Kraftübertragung (um beim Auto- und Keilriemenbild zu bleiben) stattfindet, damit das Kinoauto ins Rollen kommen kann. Wenn dies fehlt, dann habens auch die Schauspieler schwer, weil sie immer nur Szenen, die Thesen des Autors unterstützen sollen, illustrieren müssen. Dann kommt wieder andauernd diese Fernsehfrage, was denn hier los sei, was denn der oder die hier mache oder sie overacten und sind viel zu laut, wie hier andauernd. Aber das Gehör, das wird auf diesen teuren Filmschulen mit den kostspieligen Lehrkräften offenbar überhaupt nicht geschult, die lernen zwar Sounddesing, aber was mit einer Schauspielerstimme alles zu machen wäre, das Wissen scheint nirgendwo mehr vorhanden so wenig wie das in die Figuren, die betrachtet werden, hineinzuhören.