Archiv der Kategorie: Allgemein

Medianeras

Gustavo Taretto schildert in seinem Film in einer universellen Erzählweise die Sehnsüchte und Nöte und die Verhinderungsmechanismen von stadtneurotischen Großstadtsingles auf den verschlungenen Pfaden zur Liebe. Die wild-wuchernde Architektur von Buenos Aires bildet den Rahmen für die Begegnung, resp. Nicht-Begegnung, resp. Schwer-Begegnung der Menschen. Je dichter die Menschen in einer solch Megacity aufeinanderwohnen, desto schwieriger wird es für sie, andere kennen zu lernen, erst recht zum Zwecke der Liebe.

Bei Woody Allen hieß der beziehungsgestörte und beziehungssuchende Großstadtmensch noch Stadtneurotiker. Auf den wird mit einem Filmausschnitt verwiesen. Hier sind Mariana, Martin, Ana, Marcela, Ralf, Lucas Singles in Buenos Aires. Und wenn man alles beschreiben möchte, womit sie ihr Leben in größeren Wohnungen oder in Schuhschachtelwohnungen dekorieren und lebenswert machen, so würde das keine Ende nehmen, so könnte man durchaus von einem reichhaltigen, vielfältigen Leben sprechen.

Mitten in der chaotisch gebauten Megacity, einer Stadt aus architektonischem Chaos, ohne Plan in die Höhe getrieben, Fehlplanung ohne Logik, so wie das Leben unserer Singles. So spiegeln sich Menschen und Sachverhalte. Es wird versucht, den Häusern individuellen Touch zu geben. So wie sich auch die Menschen individuell von den anderen unterscheid- und damit erkennbar machen möchten. Wenn sie denn nur noch dem oder der Richtigen über den Weg laufen.

Allein was Martin, dieser Phobiker auf dem Weg zur Besserung, in seinen Überlebensrucksack packt, der exakt 5,8 Kilogramm schwer ist, nebst diversen Tabletten und Pillen, Ipod, Landkarten, Notration, Batterien, Bücher, eine Wasserflasche. Oder Mariana, die umzugshalber in 27 Kartons wohnt. Ein Teil davon füllen Schaufensterpuppen, denn sie arbeitet als Dekorateurin, obwohl sie Architektin ist. Alle sitzen gerne hinter dem Computer. Mariana hat aber auch eine Liftphobie und steigt bis zum 8. Stock immer alle Treppen hinauf und hinunter. Oder zieht sich ins Planetarium der Uni zurück. Es passieren solche Dinge, dass der Hund einer Prostituierten, den sein Frauchen bei Freierbesuchen auf den Balkon sperrt, sich aus Eifersucht auf den Freier vom Balkon stürzt und auf der Straße nebst Verletzten auch einen Auflauf verursacht. Oder wir erfahren von einer vierjährigen Beziehung, in der die Fotos immer weniger wurden.

Eine bunte Palette von Details aus bunten, oft einsamen, aber immer kämpfenden Singleleben. Man kann sich nämlich sogar ein Loch in die Fensterlose Hauswand schlagen. Und wenn man das Fenster, was man so erhält, noch geschickt in ein Werbebild auf der Wand einbaut, so fällt das gar nicht weiter auf. Singles chatten gerne. Und wissen dabei gar nicht, dass sie in zwei gegenüberliegenden Häusern wohnen und als einzige je ein Fenster in die Wand gehauen haben. Diese Großstadtsingles sehen sich wie Pionierpflanzen in Betonwänden. Sie suchen ihre Ritzen und wachsen sich fest mit wildem Überlebenswillen.

Die Musik zum Film könnte ein eigenes gepflegtes Konzert, eventuell ein Barkonzert sein. Ein bisschen too much. Aber das Leben fragt nicht nach Beschränkung. Es will überborden.

Wie die beiden Chatter Martin und Mariana dabei sind, gerade die Telefonnummern auszutauschen, da kommt, verfluchtnochmal, ein Stromausfall. Aber es gibt ja wunderbare Zeichnungen mit Mengen von Menschen drauf und wenn man die ganz genau anschaut und dann auf die Straße schaut, da findet sich sicher der Traummann mit Überlebensrucksack, breit rot-weiß gestreiftem Pul und einem weißen Pudel in der Menge. Und dann kann man auch mal den Lift benutzten, wenn so ein Glücksfall eintrifft, dann brennen alle Sicherungen durch. Und wenns am schönsten ist, da soll man denn, auch wenn der Film kurze 90 Minuten und kurzweilig ist, Schluss machen.

Fülle des Großtadtlebens. Eine spätes Echo, eine reale Verkörperung von Jacques Tatis weitsichtigem „Playtime“ – ohne direkten Verweis darauf.

Raising Resistance

Geronimo Arevalos ist als Hauptheld ein Glücksfall für einen Dokumentaristen wie er ein ebensolcher Glücksfall für die Campesinos zuhause in Paraguay ist in der Auseinandersetzung zwischen hochindustriellem Soja-Anbau und dem herkömmlichen, vielfältigen Betreiben eigener Landwirtschaft. Sein wacher Geist und sein heller Verstand tragen das ihre dazu bei, dass diese Dokumentation von David Bernet und Bettina Borgfeld bei aller Sympathie, die sie für die Campesinos weckt, kein simpler Agit-Prop geworden ist, sondern den europäischen Zuschauer, bei dem sich generell in 80 % seiner Nahrungsmittel auf die eine oder andere Weise Soja befindet, eher reflektierend zurücklässt, sogar mit dem nicht unberechtigten Gefühl, auf der Seite jener zu stehen, die durch ihre Nahrungsmittelgewohnheiten die weltweite Nachfrage nach Soja fördern, mithin Geronimo und seinen Mitstreitern das Leben schwer machen.

Geronimo ist mit seiner artenreichen Landwirtschaft, die er mit seiner Frau und seinen Kindern betreibt, umgeben von endlos riesigen Sojafeldern, die industriell bearbeitet werden. Wie das staubt und stiebt wenn eine ganze Armada von Megatraktoren über die Felder rattert um das nahrungsreiche, genveränderte Getreide zu ernten. Welches Gift die weit auf den Boden der benachbarten Landwirte versprühen mit dem Wind, wenn sie das Glyphosat flächendeckend über die Natur verteilen.

Eine Campesina zeigt ihr Erdnussfeld: alle Wurzeln schwarz, Ernte kaputt. Jedes Jahr sprühen die öfter. Aber das Unkraut wird resistent, wie das hochgezüchtete transgene Soja es ist. Das Unkraut holt auf. Ein ewiger Wettlauf: ausrotten des Nicht-Gewollten und privilegieren des agroingenieurhaft veränderten Sojas.

Auch Agroingenieure kommen zu Wort. Sie leben in ihrer Welt. Verdienen sich ihr Geld mit der Genveränderung von Soja. Auch das sind Arbeitsplätze. Haben ihre Probleme mit dem längst resistenten Unkraut Margosa. Die Anlagenmanager wiederum, die im weltweiten Sojahandel tätig sind, die interessieren sich vor allem für stabile politische Verhältnisse. In Paraguay soll der Präsident Fernando Lugo dafür sorgen. An die Macht gekommen ist er mit den Stimmen der Campesinos. Jetzt, wo er an der Macht ist, äußert er sich nebulöser, wolkiger und distanzierter zum Konflikt Großkapital-Sojaindustrie gegen indigene Landwirtschaft.

Gerade zur Aussaatzeit können die Probleme eskalieren. Die Campesinos haben sich organisiert. Sie blockieren landwirtschaftliche Maschinen auf dem Weg zu Aussaat. Sie haben ein Camp errichtet. Davon betroffen ist auch ein brasilianischer Einwanderer, Valerio Eichelberger. Den kann man jetzt nicht reich nennen. Er verspricht sich für sich und seine Familie eine bessere Zukunft als in Brasilien. Seine Frau träumt von einem schicken Haus, wie andere es auch haben. Er ist finanziell besser dran als die Campesinos. Wohnt aber auch sehr einfach. Hat nur wenige Maschinen und einige Hektar Feld gekauft. Er hat für 50’000 Dollar bei der Bank Schulden gemacht, um genmanipuliertes Soja und das Unkrautvertilgungsmittel Glyphosat zu kaufen. Wenn er nicht aussäen kann, was macht er dann? Er scheint nicht gerade der Kämpfertyp zu sein. Er sieht sehr unglücklich aus, wie er wegen der Proteste der Campesinos nicht aussäen kann. Ihm könnte der Schuldenberg über den Kopf wachsen. Er sucht ja auch nur sein kleines Glück.

Das Unkrautvertilgungsmittel Glyphosat ist für den Menschen hochgiftig. Ein Junge, der in glyphosatverseuchtem Wasser gebadet hat, ist von einem Moment auf den nächsten erblindet. Auf solche Probleme dürfte Eichelberger nicht vorbereitet gewesen sein.

Wie die Situation vor der Aussaat zu eskalieren droht zwischen Polizei, Zeltdorf und den industriellen Sojabauern, den Großgrundbesitzern, da ist Geronimo clever genug, seine Leute zu beruhigen; sie können mehr tun, wenn sie diesmal nachgeben als wenn sie im Gefängnis landen. Obwohl der Staat sein Wort bricht und dann doch einige der Campesino-Anführer einkerkert. Dagegen organisieren die Campesinos eine große Protestdemo in Asuncion, die in Gewalt endet.

Die sympathische Weisheit, die Geronimo schon am Anfang im Film verbreitet: er sei früher ein Mann ohne Ziele gewesen, aber ein Mann ohne Ziele sei ein toter Mann. Längst hat er sein Ziel gefunden. Und kämpft inzwischen, auch mithilfe dieses Filmes, weltweit für sein Anliegen. Industriell angebautes Soja ist für ihn und sein Leben wie eine Bombe.

Ein wichtiger Dokumentarfilm, der eine der Grundlagen unserer Ernährung als hochproblematisch erscheinen lässt.

Spy Kids 4 D – Alle Zeit der Welt

Knallharte Sci-Fi-Fantasy-Action für abgebrühte Buben mit Allmachtfantasien und ohne Demut. Unter der Weltrettung geht gar nichts. Und die Zeit will auch noch beherrscht werden.

Da 3D im Kino schon beschwerlich und lichtarm genug ist, muss jetzt als Zusatzerschwernis die vierte, die Aroma-Dimension hinzugefügt werden. Die ist allerdings noch entwicklungsfähig. Der Zuschauer erhält eine Karte mit 8 Rubbelzahlen drauf und wenn im Film, die Anleitung dazu wird im Vorspann nochmal ganz flott gegeben, eine Zahl aufblinkt, dann muss das entsprechende Feld gerubbelt werden. Das versuche man nun mal, da es recht dunkel ist im Saal, durch die 3-D-Brille hindurch die Zahl zu finden, sie erfolgreich aufzurubbeln, dann die Nase dranzuhalten und den Fortgang des Filmes nicht zu verpassen, vor allem, wenn die Kids gerade in ein Süßigkeiten-Paradies geraten, und gleich drei Zahlen auf einmal zum Rubbeln auffordern. Vielleicht hat man in Händen ja auch noch den Literbecher Düdeldidü und den Großeimer mit Popcorn. Immerhin das Feld vier hatte entfernt an Pfefferminz erinnert. Der Rest war eine unangenehme Rubbelsauce, für die man hoffentlich nicht noch Aufpreis zahlen muss, aber der Furz an Stelle 6, der hatte Persönlichkeit. Soviel zum Entwicklungsstand des Geruchskinos. Vielleicht sollten sich die Kinoentwickler mal wieder auf ein Denk- und Fantasiearbeitskino besinnen!

Die Figuren sind alle auf Sci-Fi-Fantasy-steril getrimmt. Die Hauptdarstellerin, eine Geheimagentin und Stiefmutter von zwei Kindern, deren Vater die Fernsehsendung Spy-Kids moderiert, ist hochschwanger. Aber noch mit den ersten Wehen hält sie sich ein ganze Bande von Verfolgern vom Leib. Dann nimmt sie ein Jahr Baby-Urlaub.

Doch der Bösewicht Tick Tock bedroht die Welt, indem er die Zeit stehlen will. Jetzt muss die Agentin, das ist eine dieser Schauspielerinnen mit einem so symmetrisch-harmonischen Gesicht, wie es sehr austauschbar wirkt und die auch mit industrieller Perfektion spielt, sie muss also wieder ran. Jetzt kann sie ihre Familie nicht mehr raushalten. Nachdem das Geheimnis gelüftet ist, haben die Stiefkinder plötzlich Verständnis für ihre Mutter und helfen ihr bei der Verbrecherjagd und entwickeln unglaubliche Fähigkeiten, wovon Menschen und Kinder nur träumen können, was in der Filmfantasie möglich ist. Und selbst das einjährige Baby – diese Kinder, die solche Dreharbeiten erleiden müssen, die können einem wirklich leid tun! Für mich grenzt das an Kindsmissbrauch – überhaupt solche Kinderdarsteller, auch die beiden Geschwister, wie dressierte Hunde – schafft es am Schluss noch sowohl zu stehen und gleich mit einem Handkantenschlag einem Angreifer zu einem von diesem nicht beabsichtigten Überschlag zu verhelfen. Heftige Zeiten. Vermutlich nicht jedermanns Sache. Eher so ein verrücktes Vergnügen wie eine Achterbahnfahrt – aber dafür sind dann 89 Minuten doch reichlich. Ein gewisse Abgebrühtheit sollten Kids, die den Film anschauen wollen, schon mitbringen. Aber vielleicht sehen die das alles viel lockerer und sie finden vielleicht das Popcorn und das Rubbeln viel spannender.

Superclassico… Meine Frau will heiraten!

Denmark meets Argentina, die nordische Lakonie paart sich mit dem Stoizismus des Tango. Christian Madsen (der auch für die Regie zeichnet) und Anders Frithiof August, die Autoren, lassen einen auktorialen Erzähler durch die Geschichte geleiten, denn die beiden Elemente bedürfen der höheren Zusammenführung, die so zu einer Filmerzählung wird, aber die deutsche Nachsynchronisation ist unempfindlich gegen die Schwingungen, die sich aus dem Zusammentreffen dieser Zutaten ergeben.

Das Verfahren mit dem Erzähler bringt die Situationen immer sehr klar und sehr verständlich rüber; die Bilder wirken mehr wie ein illustrierender Untertext zur sprachlichen Erzählung, eine ganz eigene Wirkung entfaltend, anfänglich gewöhnungsbedürftig; aber wenn man sich darauf einlässt auf diese Erzählart und die merkwürdig markante Personenkonstellation, die dem Text Gestalt gibt, und wenn man den ganzen Wirrungen und Verwirrungen der Gefühle folgt, kann man vielleicht genauso wie der Protagonist am Ende etwas über die Liebe gelernt haben.

Christian, der Betreiber einer Weinhandlung in Kopenhagen ist so ziemlich am Ende. Seine Frau hat einen argentinischen Fußballstar kennengelernt, ist zu diesem geflogen und scheint das lateinamerikanische Leben zu genießen. Sie schickt Christian nur noch die Scheidungspapiere, damit er unterschreiben und sie ihren neuen Lover heiraten kann. Das deprimiert Christian, die Kunden meiden seine zuvor beliebte Weinhandlung. Nun entschließt er sich spontan, mit seinem Sohn Oscar nach Buenos Aires zu fliegen, um nochmal mit Anna zu reden. Die ist gerade dabei, ihren kostbaren Lover und Fußball-Star an einen anderen Club zu verkaufen, da ruft Christian an, er sei in Buenos Aires.

Oscar, der Sohnemann, 17 oder 18 je nach seiner Selbstauskunft und im langen Ledermantel wie Django, ist auch dabei. Er fotografiert alles. Scheint ein verschlossenes Bürschchen zu sein in dem heftig aber leise die Pubertät tobt. Autor zu werden, darin sieht er keinen Sinn, denn Camus und die Existenzialisten haben alles schon geschrieben, was geschrieben werden kann und muss; es ist alles schon gesagt, findet er.

Christian darf mit seinem Sohn als Gast im riesigen Anwesen des Fußballstars unterkommen. Juan, der Profi-Fußballer ist ganz freundlich, ein Star in einem Höhenflug aus Toreschießen und Glück mit Anna haben. Markante Gegenfigur zur eher voluminösen Anna ist die hagere, argentinische Haushälterin. Die steigt ganz cool zu Christian in die Badewanne. Warum soll man sich nicht Befriedigung schenken. Aber Danke sagen brauche er nicht dafür.

Christian erkennt, dass mit Anna nichts zu machen ist mit Reden. Er geht während eines entscheideneden Fußballspieles, dem Superclassico, in dem Juan die beiden Tore schießen wird, in eine Kneipe, kommt mit einem Weinbauern ins Gespräch, der den Fußball auch ablehnt. Hier kann über Glück und Unglück, über die Frauen philosophiert werden.

Bei einer Stadtführung verliebt sich Oscar in die verführerische Veronika. Das setzt eine hübsche kleine Nebengeschichte in Gang. Und ein Friedhofslabyrinth gibt ein treffliches Symbol für die verschiedenen Verwirrungen ab, die sich vor unseren Augen und Ohren in Buenos Aires für diesen Film tummeln. Christian erlebt schlimme Abstürze, wacht neben Eisenbahngleisen auf, wo er sogleich „freundschaftlich ausgeraubt“ wird oder im Hof des Fußballers. Er wird lernen, was er an Anna gehabt hat, das wird er letztlich auf seinen alleinigen Rückflug nach Dänemark mitnehmen. Dass die Liebe, die mal gewesen ist, ihm rückwirkend niemand nehmen kann.

Eine Art von Unikat-Film in dem auch die Figuren wie Unikate besetzt und inszeniert sind, die herbe, blonde Anna, die ihre Leben cool wie ein Geschäft betreibt, Christian, der eher dazu tendiert im Selbstmitleid zu baden und zu ertrinken, Oscar, dem die Existenzialisten, wie er glaubt, alles schon offenbart haben, nur eben die Liebe nicht, der Fußballstar Juan, der immer bester Laune und ein Latin Lover par excellence ist, der dann noch ein provokantes Toreschießen mit Christian um Anna vorschlägt, was unangenehme geschäftliche Komplikationen nach sich zieht, der fast zum Sonderling gewordene Weinbauer, der eine Tendenz zum Altherrenmonologisieren entwickelt hat, die Haushälterin, die mit der disziplinierten Haltung einer Tango-Tänzerin durchs Leben geht, wobei es an Komik grenzt, wenn sie den in der Badewanne elendenden Christian versucht zu streicheln, ein Streichel, ein einziger, wohlverstanden und Veronika, eine wunderhübsche natürliche junge Frau, wie man sie in einem Film gar nicht mehr erwartet vor lauter karrieristischen schönheitsoperierten und lispelnden Jungblondinen. Diese Figuren sind so markant wie Leuchttürme und es würde mich nicht wundern, wenn ein Zuschauer nach diesem Film durchaus seine eigene Geschichten mit ihnen weiterentwickelt. Der Vater von Veronika, der Kierkegaard und Philosophie studiert hat, jetzt aber die Familie ernähren muss – und der eine verrückte Ohrfeigennummer um seine Tochter mit dem Schwiegervater in spe, Christian, liefert. Die Liebe ist nicht umsonst, auch nicht zwischen Dänemark und Argentinien.

The Cold Light of Day

Die Exposition fängt musterbeispielhaft an. Unser Protagonist, Typ jugendlicher Held, Henry Cavill als Will Shaw, will aus den USA kommend für ein paar Tage mit seinem Vater, seiner Mutter und seinem Bruder mit Freundin entspannt vor Spanien segeln. Schon am Flughafen gibt’s den ersten Hinweis, dass es zu schön wäre, wenn das alles klappen würde. Sein Gepäck ist in San Francisco geblieben.

Die Familie besteigt die Yacht. Alles gut inszeniert. Die Reaktionen der Wiedersehensfreude, der Beobachtung. Aber nie zu lange. Schon erhält Will einen Anruf, der ihm große Sorgen bereitet, seine Firma in Kalifornien ist in der Krise. Ab da hängen seine Gedanken verständlich woanders. Die Familie hat gegessen, ist jetzt auf dem Meer. Allzu viel haben sie sich nicht zusagen gehabt, Will ist mit seinem Handy beschäftigt, die Freundin seines Bruders auch. Dadurch gerät eine unbeaufsichtigte Segelstange außer Kontrolle, haut der Freundin des Bruders an den Kopf und diese zu Boden. Das erzürnt den Vater. Die Verquickung der Ereignisses hat ihre unerbittliche Folgerichtigkeit. Der Vater entreisst in seiner Wut dem Sohn das ablenkende Handy und schleudert es ins Meer.

Parallel zum Gang dieser Unglücke hat ein aggressives Motorboot bereits mehrfach die Yacht umrundet.

Will, jugendlicher Stürmer und Dränger und Heldentyp, ist nicht verlegen, stürzt sich ins Wasser, hat in einem Plastikbeutel ein paar Dinge, wie Geld dabei, schwimmt ans Ufer des kleinen Hafenortes, um dort von einem Telefonapparat aus sein Gespräch mit Kalifornien fortzuführen, die dringenden Geschäfte. Wie er zurück zur Yacht schwimmen will, findet er diese nicht mehr vor, sie ist verschwunden.

Leider ist jetzt die Exposition zu Ende und der Film driftet nullkommaplötzlich in die ausgleeiertsten Schienen eines Actionsthrillers, bei dem es meist nicht so wichtig ist, zu wissen, wer jetzt hinter wem steht, wer hinter wem her ist, wer jetzt wen bedroht, es sind alles dunkle Mächte und auch weniger dunkle; eine Dame im schwarzen Hosenanzug immer mit der griffbereiten Pistole und auch die Cops sind nicht ganz sauber.

Selbst in einem Club sind die Figuren dubios. Es wird unendlich viel geschlägert und dann folgen endlose Verfolgungsjagden. Man fragt sich, wozu sich der Held das alles antut. Vielleicht, weil ihm sein Vater, das war vorher eine Erwartungen weckende, schöne Szene vor dem Abgleiten in den Actionismus, ihm gestanden hat, dass er in sehr geheimen Geheimdiensten gearbeitet hat, darum haben sie ja auch in sovielen Städten und Kontinenten gewohnt und er war nie Kulturattaché gewesen, wie er manchmal vorgegeben hat.

Jedenfalls hatte der Vater einen Aktenkoffer, hinter dem Gegner her waren und die Geheimdienste waren sich sowieso nicht sicher, wie weit er selber ein Verräter geworden sei. Das spielt aber alles keine Rolle mehr, denn bald schon wird der Vater erschossen und Wills Mutter und sein Bruder und dessen Freundin werden gekidnappt. Aber dafür findet sich für unseren Helden eine weitere Schwester. Das ist gerne so bei solchen Schnitzeljagdfilmen, sowas kann da ohne weiteres schon mal vorkommen.

Für das Buch zeichnen Scott Wiper und John Petro, für die Regie Mabrouk El Mechri.

Tomboy

Diese Film zeigt besonders krass, wie brutal abhängig der Mensch von seinem geschlechtlichen Rollenspiel, von seiner geschlechtlichen Identität ist. Céline Sciamma, die Autorin und Regisseurin dieses kleinen wie beiläufigen Filmes tut ihre Sicht nicht mit dem Holzhammer kund. Sie versteckt sich klug und geschickt hinter der Dardenne-Methode. Sie gibt vor, die Neugierige, die neutral Beobachtende zu sein, einer Realität, die sie selbstredend selbst inszeniert hat. Allein das ist eine Kunst, eine Realität so zu inszenieren. Und dann noch so zu tun, als schaue man völlig unvoreingenommen zu, als entdecke man diese Dinge gerade. Dabei gilt ihr Hauptinteresse dezidiert der Hauptfigur. Das dürfte der Trick sein, warum die Message dann so unerwartet stark rüberkommt.

Das Mädchen Laure gibt vor, der Bub Michael zu sein. Im ersten Bild ist Laure unterwegs. Sie sitzt erhöht in einem Fahrzeug im Fahrtwind. Sie hält einen Arm in die Höhe, der Zuschauer sieht Oberarm und Hand, und sie betrachtet diese. Da vermutlich kaum ein Zuschauer uninformiert diesen Film schauen wird (dass es sich um die Geschichte eines Mädchens handelt, das ein Bub sein möchte); so fängt das Hirn des Zuschauers bereits an zu arbeiten, was wohl in ihr vorgehe, wenn sie ihren Arm betrachtet, ihre Hand, ob ihr diese Körperteile männlich genug vorkommen.

Die Familie, das sind ihr Vater, ihre schwangere Mutter und das kleine Schwesterchen Jeanne, ist gerade dabei, umzuziehen. Ein paar flüchtige Blicke in die neue Wohnung, aber was interessiert unsere Filmemacherin die Einrichtung, sie interessiert sich für Laure, wie sie mit der neuen Situation umgeht. Zuerst Besuch im plüschig eingerichteten Zimmer vom kleinen Schwesterchen, etwas plaudern. Wie Laure das erste Mal das Haus verlässt, zieht sie viel zu große Sportschuhe, breite Hosen und ein Leibchen an – wie ein Bub.

Das erste Mädchen, das sie anspricht, das ist Lisa – ihr stellt sie sich als Michael vor (auf französisch mit zwei Pünktchen auf dem e versehen, ausgesprochen wie der deutsche Michael); vorher hat sie schon die Buben im Park beobachtet, sehnsüchtig beobachtet – auch für so eine Szene lässt Céline Sciamma sich so viel Zeit, dass der Zuschauer den inneren Monolog der Darstellerin atemnah nachvollziehen kann; so zwingt man den Zuschauer aktiv ins Hineindenken in die Figur und damit in die Probleme, auf die sie zulaufen wird – geschickt gemacht.

Lisa hat gesehen, dass Michael die Buben beobachtet hat und sagt ihr, wo sie sind. Zuhause geht das Leben weiter wie bisher. Alltäglichkeiten, alltägliche Begegnungen. Einmal spielen die beiden Schwesterchen mit Knetmasse; Laure formt einen länglichen Gegenstand; Jeanne, ein goldig-lockköpfiges Zahnlückmädchen, möchte wissen, was die große Schwester damit macht.

Michael ist jetzt auch äußerlich noch mehr Bub. Legt sich mit den anderen Buben an, kämpft heftig, zeigt den anderen Buben den Meister. So weit, dass sie einen so schmerzhaft schlägt, dass die Mutter dieses Buben bei ihrer Mutter auftaucht. Der Zuschauer ist inzwischen in die Problemwelt, in die Geschlechterrollenbewältigungs-, resp. Verdrängungswelt hineingezogen worden, dass er schon bangt, wie Michael damit umgehen wird, dass er auffliegen könnte.

Die brutale Mechanik des Geschlechterrollengesetzes setzt ein. Das wird umso härter, als sie zu Lisa eine Ahnung von erotischer Liebe und zarte erste Küsse entwickelt hat. Auch das ist für den Zuschauer stark nachempfindbar, wie wohl für Lisa eine Welt zusammenbrechen würde, wenn sie die körperliche Identität von Michael entdecken würde, weil sie sich unter Michael einen Buben und kein Mädchen vorgestellt hat.

Die Mutter allerdings, die reagiert erst Mal mit Haue und dem Befehl, einen Mädchenrock anzuziehen – der Zuschauer fühlt sich selbst in eine Zwangsjacke gesteckt. Wie die anderen Buben reagieren, das wird nicht so wichtig gezeigt, das ist mehr eine Ratsch-Szene im Wald.

Bevor das alles passiert ist, war schön zu sehen, wie Jeanne, die schnell dahinter gekommen ist, was Laure für ein Spiel treibt, weil Lisa einmal da war und nach ihr gefragt hat, und dann der Mutter stolz erzählt, sie habe jetzt einen Freund, den Michael und der sei stark und sei ihr Beschützer. Das ist noch etwas sehr Süßes vor dem Bitteren. Zu wissen, auf was Laure/Michael unweigerlich zusteuern wird, wohin sie die phyische körperliche Entwicklung wie eine Schicksalsmacht treiben wird, was die Gesellschaft fordern wird, wie unbarmherzig sie mit Michael umgehen wird, der wahr Horror, der wird hier in den Kopf des Zuschauers delegiert.

Der Film selbst ist hingebungsvoll leicht und geschmeidig erzählt; dabei den Horror nicht auslassend, nämlich sich vorzustellen, was auf Laure/Michael noch alles an Krisen und Selbstmordgefährdungen auf dem Wege der Identitätsfindung zukommen wird bei diesem tief in die Kindheitsidentität eingreifende Prozess der Umwandlung der physischen Geschlechtsmerkmale, das ist das was bei diesem Film am meisten schmerzt. Aber er richtet sich, im Gegensatz zu „Romeos“ nicht nur an ein Insider-Publikum.

Was Laure/Michael erlebt, ist vielleicht nur eine besonders brutale Coming-of-Age-Variante. Der Film lässt generell eine Ahnung oder Erinnerung daran aufkommen, wie das mit dem Coming-of-Age so ist, dem Verlust der kindlichen Unschuld, des Kindseins, die Veränderung zum erwachsenen Sexualmenschen.

Projekt X – Die Party, von der du nicht mal zu träumen wagst

Die Eltern von Thomas fahren über das Wochenende weg, sie feiern ihren Hochzeitstag. Gleichzeitig hat Thomas Geburtstag. Sein Freund Costa ist die treibende Kraft für die Geburtstagsparty, die im recht großzügigen Elternhaus von Thomas steigen soll. Freund Dax ist die geheimnisvolle Leerstelle hinter der Kamera. Und der rundliche JB stößt auch noch zu den Partyorganisatoren.

Die Jungs haben nur Sex im Kopf und schwadronieren von einer geilen Party, die sowas auch ermöglichen soll. Aber Thomas hat Angst, dass nicht genügend Leute kommen, die Boys werweißen, wieviele Gäste sie maximal haben wollen, 20 oder 50? Mehr sicher nicht. Aber kriegen sie überhaupt soviele zusammen?

Da wir in Zeiten des Internets und der schnellen Netzwerke leben, wird es so kommen, dass die Organisatoren die Geister, die sie riefen, nicht mehr loswerden, dass auch die hübschen Frauen auftauchen, die für sie immer so unerreichbar scheinen, denn Kirby, mit der Thomas so ein bisschen flirtet, die kennen sich schon von Kindsbeinen an, das wäre also in etwas so, als wenn Thomas mit JB anbandelte.

Die modernen Kommunikatikonsmittel jedenfalls hypen die Party schon im Voraus (so wie die PR für diesen Film mit wilden Aufklebern auf Telefonzellen und dergleichen versucht dem Film den wilden Partyanstrich zu verpassen) und es wird für Thomas ziemlich schwierig werden, die guten Ratschläge des Papas zu befolgen, sein Arbeitszimmer sei tabu, die Poolheizung dürfe nicht angestellt werden, das Auto, ein werbeträchtig hübscher Mercedes, müsse in der Garage bleiben und dann ist da auch noch der Hund.

Als Vorsichtsmassnahme engagiert Costa zwei ziemliche schräge selbsternannte Nachwuchs-Sheriffs, die allein für einige Lacher sorgen dürften in diesem Streifen, bei dem absehbar mehr als nur einiges aus dem Ruder laufen wird und an Sexsprüchen und –texten nicht gespart wird.

Eine Party, und deren Organisatoren wollen als „cool“ rüber kommen, ist nun mal kein Philosophieforum oder eine geistesgeschichtliche Auseinandersetzung noch gibt es Platz für tiefe Gefühle oder persönliche Entwicklungen. Es gibt lediglich die Wirkung des Alkohols und der Drogen, mancher bemühten Erfindung der Autoren (Zwerg in Backofen), der Masse und der schönen Frauen und das ist alles sehr wuselig-partylike aufgenommen, gewissermassen professionell-laienhaft, da doch behauptet wird, einer der Darsteller würde das alles filmen.

Poppen, Popcorn und andere Gruppenzwang-Katastrophen. Der selbstreferenzielle Joke im Film kommt von einem frustrierten Cop: Scheißinternet.

Die Verantwortung für das Buch übernehmen Matt Drake und Michael Bacall, die für die Regie Nima Nourizadeh.

Wir kaufen einen Zoo

Ein gute gebaute und präsent inszeniert Familienunterhaltung mit Matt Damon als Benjamin Mee, einem geplagten Familienvater, denn seine Frau ist gestorben und auch mit dem Beruf, er ist Journalist, sieht es nicht gut aus. Er sucht für sich, seinen halbwüchsigen Sohn Dillan, der immer trostlos traurig depressive Gesichter zeichnet, aber hochkünstlerisch begabt ist, und sein pfiffiges ganz kleines, aber umso süßeres Mädchen Rosie, ein Wonnepfropfen, ein Haus.

Eines tut es ihm besonders an. Aber, so holt der Immobilienfritze aus, da gibt es einige Probleme, denn zum Haus gehört ein Zoo und die Erben der Vorbesitzer bestehen darauf, dass der Nachmieter diesen Zoo weiter führt.

Den Rest kann man sich denken. Aber es ist durchaus ein Vergnügen zuzuschauen, wie Matt Damon nun die Hindernisse angeht. Der Zoo heißt Rosemoore Wildlife Park.

Es gibt Probleme mit einem alten Tiger, mit exotischen Schlangen, die in einer Kiste unbeaufsichtigt in einem Lagerraum liegen, es gibt einen sehr unangenehmen Zoo-Inspektor mit einem Messband, was die Abstände zwischen Gehege und Zuschauer, die Höhe der Zäune wie aus der Pistole misst, es gibt noch den Bruder von Benjamin, wie aus grob geschnitztem Holz, wie überhaupt, der Cast der älteren Männern vor allem darnach ausgesucht scheint, ja nicht feingliedriger als Matt Dammon mit der schönen, harmonischen Nase zu sein.

In und mit dem Zoo will Benjamin mit seiner Familie eine authentische amerikanische Erfahrung machen, ein Abenteuer, etwas in Angriff nehmen, von dem man keine Ahnung hat, um es erfolgreich zu Ende zu bringen. Wenn das mit anderen amerikanischen Problemen doch auch so leicht wäre.

Schließlich ist da auch noch das Personal. Und erwartbar ist es so zusammengestellt, dass auch aus seinen Reihen (überwindbare) Hindernisse entstehen werden, denn eine Mitarbeiterin findet heraus, dass der Zoo eigentlich gar kein Geld mehr hat. Aber wofür hat Benjamin seinen Bruder und ein Vermächtnis seiner Frau. Und dann ist noch das kleine Mädchen, das zwar größer aber viel jünger als Dillan ist, der natürlich nicht wegen Bob so genannt wurde, und die ihm jeden Nachmittag ein Sandwich bringt und er springt schon sehr schnell drauf an.

Und auch die Hilfskraft im Zoo, Scarlett Johansson als Kelly Foster, mausert sich nicht nur rasant zur kompetent Zuständigen, sie hat auch noch Augen für Benjamin. Im übrigen gibt es viele schöne Tiere von Zebras über Löwen, ein Grizzly haut sogar ab, der muss dann wieder – abenteuerlich – eingefangen werden, und wie der Inspektor für die Abnahme schon im Zoo ist, wackelt plötzlich eine Gittertür am Löwengehege bedenklich. Aber auch da findet sich eine Last-Minute-Lösung. Und weil den Machern der Spass mit dem Film, der sich durchaus auch auf die Zuschauer übertragen dürfte, so gefallen hat und sie das Ende noch etwas rauszögern wollen, so spielt denn die Natur noch einen bösen Streich und dann noch einen. Auch ein Happy End und das Feelgood des Movies will ab und an verdient sein.

Das Buch zu dieser Familienunterhaltung schrieben Aline Brosh McKenna und Cameron Crowe, die Regie führte Cameron Crowe.

Väter und andere Katastrophen

Martin Valente, der Regisseur, der zusammen mit Gianguido Spinelli auch das Buch geschrieben hat, scheint ein liebenswerter Tüftler zu sein, dem nichts mehr Vergnügen bereitet, als seine Figuren in die Bredouille zu bringen, um sie anschließend selbstverständlich freundlich wieder daraus zu befreien – vor dem Hintergrund oder auf dem Boden eines Themas, das woanders durchaus dramatisches, ja hochdramatisches Potential bis hin zum Vatermord enthält.

Hier geht es um Vatersuche. Chloé ist zwar mit ihrer Mutter Barbara und ihrem formalen Vater Gustave aufgewachsen. Sie hatte als kleines Mädchen Briefe an ihren leiblichen Vater geschrieben, der hieß Bernard und war die große Liebe ihrer Mutter, von dem sie aber nichts mehr hörte. Nach dem Tod ihrer Mutter hat Chloé sich in Südfrankreich niedergelassen und den Kontakt zu Gustave abgebrochen, wollte nichts mehr von ihrem offiziellen Vater wissen, der auch gerne dem Alkohol zuspricht und ein kleiner, rundlicher französischer Typ ist.

Sie lernt einen Tennis-Star kennen, eine Nummer 1 der Weltrangliste, das macht unseren Autoren und unserem Regisseur Spaß, dieses Milieu zu ventilieren und auch den Wohnsitz in manchen Details liebevoll und leicht satirisch nachzuzeichnen. Zum Beispiel, was der so alles sammelt. Diesem erzählt sie, ihr Vater stamme aus Ulan Bator in der Mongolei und sei ein mongolischer Diplomat.

Für die Hochzeit muss sie den frei erfundenen Vater nun als lebendige Person auftreten lassen. Sie veranstaltet ein regelrechtes Casting für die Rolle. Denn spätestens beim Gang zum Traualtar muss dieser Vater realiter vorhanden sein.

Wie die Komplikationserfinder und –löser es so wollen, ist inzwischen dem richtigen Vater die Frau gestorben. Er lebt sehr reich und wohnt auf einem Herrschaftssitz in England. Er wühlt in alten Sachen, findet die Briefe von Chloé und macht sich auf die Suche nach seiner leiblichen Tochter. Erst findet er in Paris Gustave. Verschweigt ihm allerdings den wahren Grund seines Besuches.

Das ist eine beklemmend-köstliche Grundsituation, in die unsere Autoren diesen Herrn bringen. Wie er, der reiche Brite, auf den kleinen Pariser Alkoholiker trifft. Der Brite meint, er wolle dem Franzosen seine über 20 Jahre alte „Bagnole“, nennen wir es auf deutsch ruhig „Rostlaube“, abkaufen, die rote. Die beiden Herren zusammen, das ist ein Konstrukt von Parallelwelten. Da kann sich der wissende Zuschauer immer wieder freuen.

Die Autoren wären keine hinterfotzigen Tüftler, wenn sie die beiden Herren jetzt nicht direkt in das Brautvatercasting ihrer Tochter in Südfrankreich hineinlaufen liessen. Wobei der leibliche Vater durchfällt. Aber er stellt sich auch sehr ungeschickt an. Er kann mit Gefühlen nicht umgehen. Dann hat er noch einen Tic, er kann unmöglich über Böden mit einem geometrischen Muster, mit Linien und Quadraten gehen. Auch das engt den Handlungsspielraum der Figur ein, was die Autoren genüsslich für halbartistische Zirkusnummern in der Kirche nutzen.

In Südfrankreich überschlagen sich die Ereignisse, das Versprechen des Titels wird ausgiebig eingelöst. Die Komödie, die Verwechslungskomödie, die Täuschungskomödie, die Heiratskomödie letztlich die Komödie um die Liebe zwischen Vater und Tochter nimmt ihren ungehemmten Lauf.

Und noch immer hatte Jesus bestimmt das geringere Problem damit, über Wasser zu gehen als ein Brite mit Tic  über einen mit Quadratmustern gefliesten Kirchenboden, der beim Gang zum Altar nun mal unvermeidlich ist.

5 Jahre Filmjournalisten.de

Heute vor fünf Jahren ging filmjournalisten.de online, hier der erste Post. Schon interessant, wie sich der Blog seit damals gemausert hat.

Ursprünglich wollte ich einen News-Bereich für meine damals auf dem Weg zur Wiedereröffnung befindlichen Rechercheagentur speziell für Filmkritiker einrichten. Dies war im Budget für die Seite nicht drin, daher entschloss ich, das eben parallel und etwas unabhängiger als Blog laufen zu lassen.

Zu dieser Zeit war ich mächtig enttäuscht, denn im Jahr zuvor war meine Geschäftsidee vorerst gescheitert, nicht zuletzt weil sie kurz nach der Eröffnung (die war übrigens genau heute vor 6 Jahren) von einem Neider anonym torpediert worden war. Ich musste jede Menge Schadensbegrenzung bei jeder Menge Filmfirmen betreiben, bei denen ich ungerechtfertigterweise angeschwärzt worden war, teilweise mit wenig Erfolg.

Als die Wiedereröffnung meiner Seite sich aus Gründen weiter und weiter verzögerte, begann ich eben, im als News-Bereich geplanten und angelegten WordPress zu bloggen, quasi aus Langeweile. Und zwar viel eher über die Zusammenhänge zwischen Filmwirtschaft, Film-PR und Filmkritik als über Filme selbst. Bisweilen eckte ich damit an, bei Kollegen wie bei Filmfirmen, doch zum einen bin ich noch mit allem angeeckt, was ich jemals angefangen habe, und zum anderen habe ich hier nie gelogen.

Natürlich war ich lange Zeit noch grün hinter den Ohren. Heute gehe ich Texte und Berichterstattung völlig anders an, manche meiner eigenen Texte würde ich so jedenfalls heute nicht mehr veröffentlichen. Das Internet war zwar nicht neu für mich, ebensowenig das Bloggen selbst (ich hatte seit 4.2.2006 mit meinem Brottcast erste Blog-Erfahrungen gesammelt), aber das Publikum von filmjournalisten.de war ein völlig anderes.

Über die Jahre mäanderte die Seite thematisch zwischen Filmkritik und Branchenkommentaren. Heute liegt der Fokus stark auf der Filmkritik. Zum einen liegt das daran, dass zu Branchenthemen so gut wie alles gesagt ist, zum anderen hatte ich doch glatt jede Menge Beschwerden, warum es so wenig Filmkritiken auf der Webseite gibt.

Seit Stefe an Bord ist, ist das anders. Nun haben wir jede Menge Filmkritiken, und jede Menge Diskussionen zu diesen.

Ich finde das interessant. Die Nullachtfuchzehn-Filmkritik von der Stange ist nämlich ganz einfach strukturiert: Plot Summary, aber nur bis zu einem gewissen Punkt, so dass der weitere Handlungsverlauf offen bleibt („wird er die Bombe rechtzeitig entschärfen, um seine Tochter retten zu können?“), dann Kritik in der Form, dass einzelne Aspekte des Films beleuchtet werden, also Takt, Dialoge, Licht, Effekte, Ton und so weiter. Viele Kollegen machen hier den Fehler, ihre persönliche Meinung zu sehr einzubringen. Am Schluss gibt es ein Fazit, meist etwas plumpes in der Art, dass man gut was geboten bekommt für seinen Eintritt oder dass man den Film wohl mögen wird, wenn man diesen oder jenen anderen Streifen mochte. So sieht die normale Kritik aus, das lesen die Leute.

Stefe macht das nicht so. Stefe schreibt über Filme in einer Weise, als wenn Kinobesucher sich nach dem Film unterhalten. Stefe schreibt keine Kritiken, sondern wahrliche „Re-Views“. Auch sind sie massiv von der Autorenmeinung durchtränkt, sie bilden daher ein ganz eigenes Genre der fachlichen Besprechung eines Filmes. Diese Meinung ist jedoch nicht an den Text drangeklatscht, sondern aus den Erfahrungen mit dem Film entwickelt und ebenso im Text geäußert. Und es gibt jede Menge Diskussionen um Stefes Texte, inklusive persönlicher Antworten, teilweise melden sich die Filmemacher selbst zu Wort. Ich finde diese Texte toll, denn sie ermöglichen dem Leser einen anderen Blickwinkel auf die aktuellen Filme, abseits von dem üblichen „Es war einmal“-Geschwurbel. Und ich bin begeistert, dass über die Filme diskutiert wird.

Wie soll es weitergehen? Sollte ich diese Webseite monetarisieren? Die Klickzahlen ließen dies gerade so zu, die Einnahmen würden wohl ungefähr die Hostingkosten decken. Zweimal habe ich bezahlt gebloggt, diese Einträge sind übrigens mit „Kooperation“ gekennzeichnet. Die Gegenleistung war gering, aber ich war jung und brauchte den Amazon-Gutschein. Tendenziell bin ich gegen sowas, auch gegen Werbung, aber irgendwie muss die Butter ja aufs Brot. Sollte ich sonst was ändern? Inhaltlich, optisch? Habt Ihr Wünsche oder Vorschläge? Sagt es in den Kommentaren!

Für die Zukunft habe ich noch keine konkreten Pläne. Nicht, weil ich alles perfekt finde, wie es ist. Sondern, weil man natürlich erst mal ein Ziel braucht, wo man hin will. Also bleibt erstmal alles, wie es ist. Um es mit einem geflügelten Wort meiner schwäbischen Vorfahren zu sagen: „Nur id hudla!“