Gustavo Taretto schildert in seinem Film in einer universellen Erzählweise die Sehnsüchte und Nöte und die Verhinderungsmechanismen von stadtneurotischen Großstadtsingles auf den verschlungenen Pfaden zur Liebe. Die wild-wuchernde Architektur von Buenos Aires bildet den Rahmen für die Begegnung, resp. Nicht-Begegnung, resp. Schwer-Begegnung der Menschen. Je dichter die Menschen in einer solch Megacity aufeinanderwohnen, desto schwieriger wird es für sie, andere kennen zu lernen, erst recht zum Zwecke der Liebe.
Bei Woody Allen hieß der beziehungsgestörte und beziehungssuchende Großstadtmensch noch Stadtneurotiker. Auf den wird mit einem Filmausschnitt verwiesen. Hier sind Mariana, Martin, Ana, Marcela, Ralf, Lucas Singles in Buenos Aires. Und wenn man alles beschreiben möchte, womit sie ihr Leben in größeren Wohnungen oder in Schuhschachtelwohnungen dekorieren und lebenswert machen, so würde das keine Ende nehmen, so könnte man durchaus von einem reichhaltigen, vielfältigen Leben sprechen.
Mitten in der chaotisch gebauten Megacity, einer Stadt aus architektonischem Chaos, ohne Plan in die Höhe getrieben, Fehlplanung ohne Logik, so wie das Leben unserer Singles. So spiegeln sich Menschen und Sachverhalte. Es wird versucht, den Häusern individuellen Touch zu geben. So wie sich auch die Menschen individuell von den anderen unterscheid- und damit erkennbar machen möchten. Wenn sie denn nur noch dem oder der Richtigen über den Weg laufen.
Allein was Martin, dieser Phobiker auf dem Weg zur Besserung, in seinen Überlebensrucksack packt, der exakt 5,8 Kilogramm schwer ist, nebst diversen Tabletten und Pillen, Ipod, Landkarten, Notration, Batterien, Bücher, eine Wasserflasche. Oder Mariana, die umzugshalber in 27 Kartons wohnt. Ein Teil davon füllen Schaufensterpuppen, denn sie arbeitet als Dekorateurin, obwohl sie Architektin ist. Alle sitzen gerne hinter dem Computer. Mariana hat aber auch eine Liftphobie und steigt bis zum 8. Stock immer alle Treppen hinauf und hinunter. Oder zieht sich ins Planetarium der Uni zurück. Es passieren solche Dinge, dass der Hund einer Prostituierten, den sein Frauchen bei Freierbesuchen auf den Balkon sperrt, sich aus Eifersucht auf den Freier vom Balkon stürzt und auf der Straße nebst Verletzten auch einen Auflauf verursacht. Oder wir erfahren von einer vierjährigen Beziehung, in der die Fotos immer weniger wurden.
Eine bunte Palette von Details aus bunten, oft einsamen, aber immer kämpfenden Singleleben. Man kann sich nämlich sogar ein Loch in die Fensterlose Hauswand schlagen. Und wenn man das Fenster, was man so erhält, noch geschickt in ein Werbebild auf der Wand einbaut, so fällt das gar nicht weiter auf. Singles chatten gerne. Und wissen dabei gar nicht, dass sie in zwei gegenüberliegenden Häusern wohnen und als einzige je ein Fenster in die Wand gehauen haben. Diese Großstadtsingles sehen sich wie Pionierpflanzen in Betonwänden. Sie suchen ihre Ritzen und wachsen sich fest mit wildem Überlebenswillen.
Die Musik zum Film könnte ein eigenes gepflegtes Konzert, eventuell ein Barkonzert sein. Ein bisschen too much. Aber das Leben fragt nicht nach Beschränkung. Es will überborden.
Wie die beiden Chatter Martin und Mariana dabei sind, gerade die Telefonnummern auszutauschen, da kommt, verfluchtnochmal, ein Stromausfall. Aber es gibt ja wunderbare Zeichnungen mit Mengen von Menschen drauf und wenn man die ganz genau anschaut und dann auf die Straße schaut, da findet sich sicher der Traummann mit Überlebensrucksack, breit rot-weiß gestreiftem Pul und einem weißen Pudel in der Menge. Und dann kann man auch mal den Lift benutzten, wenn so ein Glücksfall eintrifft, dann brennen alle Sicherungen durch. Und wenns am schönsten ist, da soll man denn, auch wenn der Film kurze 90 Minuten und kurzweilig ist, Schluss machen.
Fülle des Großtadtlebens. Eine spätes Echo, eine reale Verkörperung von Jacques Tatis weitsichtigem „Playtime“ – ohne direkten Verweis darauf.